Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2003
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Kristol De StefaniDavid Pharies, Diccionario etimológico de los sufijos españoles y de otros elementos finales, Madrid (Gredos) 2002, 771 p. (Biblioteca Románica Hispánica.V. Diccionarios 25)
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2003
Joachim Lengert
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337 Besprechungen - Comptes rendus misa situación» (200). Barbara Schäfer Prieß verfolgt das Entstehen einer epistemischen Bedeutung des Ausdrucks tener que. Dabei untersucht sie das syntaktische Verhalten (Verneinung), epistemische Äußerungen als Anapher (Juan está comiendo pescado chocolate: Tiene que estar loco), und den Aspekt und Aktionsarten der Verben: stative Verben (estar), Aktivitätenverben (trabajar) und terminative Verben (encontrar). Sätze mit tener que und stativen Verben werden bevorzugt epistemisch interpretiert, bei Aktivitätenverben werden vor allem die Verlaufsform (tiene que estar trabajando) und der Infinitiv Perfekt (tiene que haber trabajdo) als epistemisch betrachtet, letztere Form auch bei den terminativen Verben (tiene que haber encontrado el libro). Den Prozess von der agensorientierten zur epistemischen Bedeutung von tener que erklärt die Autorin mit einer Metapher. Die Beiträge des Bandes bieten eine Interpretation sprachlicher Erscheinungen, die oft von derjenigen der herkömmlichen Grammatiken abweichen, sie sogar bisweilen in Frage stellen. Insofern leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Studium der Grammatik der iberoromanischen Sprachen. A. Schor H David Pharies, Diccionario etimológico de los sufijos españoles y de otros elementos finales, Madrid (Gredos) 2002, 771 p. (Biblioteca Románica Hispánica. V. Diccionarios 25) Der Autor, seit langem als Spezialist für Probleme der historischen Wortbildung der iberoromanischen Sprachen und speziell des Spanischen ausgewiesen, legt hier als Resultat nahezu eines Jahrzehnts der Forschungstätigkeit eine historische Wortbildungslehre der Suffigierung in der spanischen Sprache in durchaus innovativer Präsentation vor, nämlich als alphabetisch 1 gegliedertes «Wörterbuch». Nach Vorwort und Siglenverzeichnis (7-10) besteht das Buch (im f. mit der Sigle des Verfassers als DESE zitiert) aus einer Einführung (11-25), dem Wörterbuchteil (27-553), der Bibliographie (555-65) sowie umfänglichen, intern nach Sprachen gegliederten alphabetischen Indices der Suffixe (567-80) und Belegwörter (581-769) 2 . Das Vorwort klärt eingangs (11) über die Zielsetzung von DESE auf: «pretende explicar el origen de todos los sufijos y cuasi-sufijos que habitualmente se emplean en español». Die- 1 Die Alphabetisierung ist dabei (softwarebedingt? ) uneinheitlich hinsichtlich der Grapheme ch , ll und ñ , während erstere, neueren Tendenzen folgend, unter c und l eingeordnet werden, wird letzteres, im Sinne traditioneller Alphabetisierung, separat gefaßt, so daß beispielsweise -anza vor -año steht. 2 Im folgenden neben DCECH und DRAE benutzte Literatur: Alberto = Alberto Miranda, J. 1994: La formación de palabras en español, Salamanca; DEEH = García de Diego, V. 1985: Diccionario Etimológico Español e Hispánico, 2ª edición, considerablemente aumentada con materiales inéditos del autor a cargo de C. García de Diego, Madrid; DELI = Cortelazzo, M./ Zolli, P. 1 1979: Dizionario etimologico della lingua italiana, vol. 1, Bologna; DELP = Machado, J. P. 4 1987: Dicionário etimológico da língua portuguesa, vol. 5, Lisboa; DME = Alonso, M. 1986: Diccionario medieval español. Desde las Glosas Emilianenses y Silenses (s. X) hasta el siglo XV, 2 vols., Salamanca; DUE = Moliner, M. 2001: Diccionario de uso del español, edición en cd-rom (versión 2.0), Madrid; Haring = Haring, J. M. 1973: La formación de palabras en el Setenario de Alfonso el Sabio, Amsterdam; Lorenzo = Lorenzo, E. 1996: Anglicismos hispánicos, Madrid; Montes = Montes Giraldo, J. J. 1983: Motivación y creación léxica en el español de Colombia, Bogotá; Penny = Penny, R. A. 1969: El Habla Pasiega: ensayo de dialectología montañesa, London; Popovici = Popovici, V. 1998: Derivat sau mos , tenit în limbile romanice. Adjectivele latine în - SUS , Bucures , ti 1998; Rainer = Rainer, F. 1993: Spanische Wortbildungslehre, Tübingen; TL = Gili Gaya, S. 1947-60: Tesoro lexicográfico 1492-1726, vol. 1, Madrid. 338 Besprechungen - Comptes rendus se scheinbar einfache Beschreibung impliziert diverse wortbildungstheoretische Probleme, von denen hier drei angesprochen seien. Der Ausschluß von Flexionsmorphemen, zu denen beispielsweise die Infinitivendung -ar gezählt wird, erlaubt es dem Autor, ein Infix wie -izin familiarizar den Suffixen zuzuschlagen und folglich diese Wortbildungsmorpheme in seine Makrostruktur zu integrieren. Man findet somit keine Artikel -ar oder -er, dafür aber -iz(ar) und -ec(er). Die Umschreibung «cuasi-sufijos» (andernorts, wie im Buchtitel, noch weiter gefaßt als «elementos finales») deutet an, daß eine Reihe von Kultismen berücksichtigt werden, die in der Literatur auch als «Suffixoide» bezeichnet werden, also Bildungselemente wie -genía gr. γ νεια oder -lento lat. -lentus. Diese fachsprachlich sehr frequenten Elemente werfen das Problem dessen auf, was unter dem hier mit «habitualmente» umschriebenen Gesichtspunkt ihrer Produktivität zu verstehen ist. Ohne weitergehende Begründung setzt der Autor eine quantitative Grenze von fünf Belegen an (13), die anhand seines Korpus - das im übrigen (man möchte hinzufügen: völlig gerechtfertigterweise) gerade auf fachterminologische Quellen zur Gänze verzichtet - zu ermitteln waren. Alles, was darunterliegt, wie beispielsweise -polis gr. π λις , wird ausgeschlossen, was man als nicht unproblematische Verfahrensweise betrachten könnte. Auf ein weiteres Problem wird im Vorwort weniger eingegangen. Es handelt sich um die theoretisch umstrittene Differenzierung von Suffigierung und Rückbildung, die von Pharies ohne Diskussion zugunsten der Suffigierung beantwortet wird, so daß man in DESE Artikel findet, die den «Suffixen» -a (z. B. pesca pescar), -e (z. B. baile bailar) oder -o (z. B. apoyo < apoyar) gewidmet sind. Eine solche rein synchron zu vertretende Konzeption, die sich bereits bei Menéndez Pidal oder in neuerer Zeit bei Rainer (1993) findet, mag in einer diachron ausgerichteten Analyse verwundern, so wenn Pharies Belege wie paga oder pelea dem «sufijo átono» -a zuordnet, die z. B. bei Alberto (1994: 148) als Rückbildungen (< pagar, pelear) erscheinen. Ein potentielles viertes theoretisches Problem ist, was man aus diachroner Warte unter interner «Bildung» zu verstehen hat. Faktoren wie die bloße morphologische Durchsichtigkeit oder die Sprecherkompetenz spielen hier im Vergleich zu einer synchron gegenwartssprachlichen Analyse eine geringere Rolle. Insofern kann man sich fragen, inwieweit die Berücksichtigung historisch gesehen nicht als immanenter Wortbildungen des Spanischen aufzufassender Wörter gerechtfertigt ist. Dies gilt für viele Latinismen und sonstige Entlehnungen, dies gilt auch für die von Pharies selbst explizit nicht als (spanische) Suffixbildungen angeführten homonymen Materialien (so das Kompositum antifaz s. -az), die im Sinne der Abgrenzung wohl auch aus der Sicht des nicht fachkundigen Lesepublikums von DESE ihren Eingang gefunden haben. Manchmal ist so die Rechtfertigung ganzer Artikel, wie z. B. des dem Gräzismus -agogo gewidmeten, fraglich 3 . Die diachrone Perspektive des Werkes wird vom Autor selbst primär auf die reine Etymologie eingeengt, während die Wortgeschichte zumindest den Ausführungen des Vorworts zufolge an die zweite Stelle rückt («un diccionario primordialmente etimológico, pero con pretensiones de ser, en lo posible, también histórico» [14]). Es bleibt aber festzuhalten, daß wortgeschichtliche Fragen wie (Erst-)Belege oder Bedeutungs-/ Funktionswandel das ganze Buch hindurch eine gewichtige Rolle spielen, so daß der Autor seine Zielsetzung eingangs vielleicht zu bescheiden beschreibt, eine Zurückhaltung, die von ihm einerseits vorrangig 3 Die Resultate divergenter Betrachtung treten im Vergleich zu Rainer 1993 hervor. So werden unter dem Buchstaben Ain DESE 50, in Rainer dagegen 87 Suffixe aufgelistet. Diese Reduktion ist sowohl methodisch begründbar (beide Autoren subklassifizieren komplexe Suffixe verschieden, während Rainer z. B. -azón/ -izón einerseits als separate Suffixe konzipiert, sie aber auch unter -ón als interfixierte Formen nennt oder neben -ble separat -able behandelt, finden sich die entsprechenden Belege in DESE unter den Lemmata -ble und -zón vereint) wie auch durch das genannte quantitative Kriterium: die Hapaxformen aus Rainers Korpus erscheinen in DESE nicht. 339 Besprechungen - Comptes rendus mit den mannigfaltigen Problemen von Datierungen, andererseits aber auch mit ungelösten Fragen struktureller Zusammenhänge semantisch verwandter oder synonymer Suffixe begründet wird. Materielle Basis der Darstellung ist ein Korpus, das vier Typen von Informationen verarbeitet: synchron standardsprachliche (als Hauptquelle wird DRAE benannt), synchron varietätenlinguistische (vor allem diatopisch orientierte), historische (zum Altspanischen werden als Quellen die Datenbasis ADMYTE und die CD-Rom-basierte Konkordanz der Werke von Alfonso X el Sabio von L. Kasten et al. (1997) besonders hervorgehoben) sowie linguistische Spezialstudien zur Thematik. Was diese betrifft, klärt ein Blick in die Bibliographie indirekt auch über methodische Präferenzen des Verfassers auf. Daß dort Y. Malkiel der meistgenannte Autor ist, überrascht niemanden, daß der Name H. Meier völlig fehlt, darf man als ebenso signifikant werten. Der Aufbau von DESE ist einfach und weitgehend standardisiert. Während die «makrostrukturelle» Gliederung dem einfachen Prinzip des Alphabets folgt, ist die «Mikrostruktur» der Artikel komplexer. De facto handelt es sich weniger um Wörterbuchartikel im eigentlichen Sinne als vielmehr um kleine Studien, die indessen in ihrer Struktur einer festen, in der Regel aus vier Teilen bestehenden Informationsabfolge gehorchen. Hierzu gehören: 1. allgemeine Beschreibung (Form, Diskussion des Status als Suffix, grammatisch-semantische Funktion, Etymon); 2. Beschreibung der Funktion(en) des Suffixes in der Ausgangssprache; 3. kommentiertes Beleginventar (zumeist mit Datierungen und Bedeutungsangaben der zitierten Wortmaterialien); 4. Hinweis auf formal identische, etymologisch jedoch anders zu erklärende Formen. Je nach Suffix können die Bestandteile kürzer oder länger ausfallen,Teil 2 kann schon einmal ganz weggelassen werden. Das begrüßenswert reichhaltige Inventar der Belege ist chronologisch geordnet, um so zumindest in Ansätzen Sprachwandelphänomene offenzulegen und Epochen von stärkerer oder geringerer (Un)Produktivität herauszuarbeiten. Zudem wird versucht, zwischen immanenten Bildungen und Entlehnungen zu differenzieren und bei letzteren Vermittlungswege ins Spanische zu klären, also beispielsweise direkte Kultismen und sekundäre, auf der Vermittlung weiterer Spendersprachen wie dem Französischen oder Italienischen beruhende zu unterscheiden. In der Folge soll auf diverse Probleme von DESE eingegangen werden. 1. Inventar. Es versteht sich, daß zumal bei sehr produktiven Suffixen keine «Vollständigkeit» in der Inventarisierung angestrebt, also nicht das komplette Material insbesondere der Neologismen präsentiert werden kann. Es lassen sich aber mit Leichtigkeit Belege ausfindig machen, die zumal bei wenig produktiven Suffixen Nuancierungen in der semantisch-funktionalen Beschreibung erlaubt hätten. Unter den Lemmata s. Afördert die Durchsicht von DUE beispielsweise zutage: -ando: Das Suffix wird in DESE unter anderem zur Bildung von Personenbezeichnungen des Typs graduando oder tonsurando beschrieben, es kann aber auch die seltene Funktion der Bildung von Einwohnernamen haben (benicarlando ‘de Benicarló, población de la provincia de Castellón’). -áneo: Das im Spanischen vorrangig in Latinismen auftretende Suffix wird hier einzig in seiner Funktion zur Adjektivbildung beschrieben, es tritt aber ebenso in Substantiven auf (calcáneo ‘hueso que forma el talón del pie’). -arria: Das dialektal bzw. im lateinamerikanischen Spanisch produktive Suffix wird hier vor allem als Pejorativelement beschrieben, nur zwei der Belege sind neutral. Daß die dort auftretende kollektive Bedeutung auch zu positiver Semantik führen kann, belegt ein weiterer Amerikanismus (tambarria ‘juerga’ timba ‘partida de un juego de azar’). Es erweist sich wohl anhand dieser wenigen Beispiele, daß die Konzentration auf DRAE als bevorzugte Quelle zum Gegenwartsspanischen nicht unproblematisch ist und das Akademie-Wörterbuch durch andere lexikographische Werke wie eben DUE hätte ergänzt werden sollen. Ein weiteres, unseres Erachtens gravierenderes Problem liegt in der Korpusbildung des Autors begründet. Diese geht primär vom Gegenwartsspanischen 340 Besprechungen - Comptes rendus aus und verfolgt die Geschichte der heute vitalen Suffigierungen zurück. Ein derartiges Verfahren, daß allerdings vor allem dort, wo Studien wie beispielsweise Pattison 1973 vorliegen, durchbrochen wird, vernachlässigt die älteren, in der Entwicklung zum heutigen Spanisch ausgestorbenen Suffixbildungen, die indessen für die realistische Beschreibung der Produktivität etc. in älteren Sprachstufen unentbehrlich sind. Nun reflektiert diese Vorgehensweise zum Teil den Forschungsstand, man muß aber Pharies zum Vorwurf machen, daß er Studien zur älteren Wortbildung übersehen, vor allem aber die lexikographischen und sonstigen Quellen zum Altspanischen nicht genügend ausgewertet hat. Ein Blick in Haring 1973 bringt problemlos Ergänzungen, z. B.: apostóligo ‘papa’ und clérigo ‘sacerdote’ (202, cf. für diese halbgelehrten Formen auch DME; DESE s. -ico führt nur den Latinismus clérico auf); desposorio ‘acción de desposar’ desposar (167; DESE s. -io zitiert die Variante -orio, gibt aber keine Belege); escupedina ‘producto de la acción de escupir’ escupir (165; DESE s. -ina Ø für diese Infixvariante); ffiuza ‘actitud del que confía’ fiar (164; DESE s. -uzo Ø, wo unter den altspanischen Belegen kein Abstraktum steht; außerdem widerspricht der Beleg von Haring der in DESE vorgebrachten Hypothese, «el sufijo parece contribuir poco o nada al significado de la base» [544a]) etc. Ein ähnliches Resultat ergibt die Durchsicht von DME. Es besteht sicherlich noch zusätzlicher Bedarf an Quellenauswertung, um das Korpus nicht nur quantitativ, sondern vor allem - und dies sollten die zitierten willkürlichen Beispiele andeuten - qualitativ, in Hinblick auf die semantisch-funktionale, aber auch formale Beschreibung auszuweiten. 2. Datierung. Ein wichtiges Element für die Beurteilung der Entwicklung der Suffixe ist ihre möglichst korrekte Zuordnung zu chronologischen Schichten, also die Ermittlung der Erstbelege. Wie nicht anders zu erwarten, beruht DESE in dieser Hinsicht vorrangig, wenngleich nicht ausschließlich auf dem etymologischen Standardwerk des Spanischen, DCECH. Trotz der Versuche von Pharies, darüber hinausgehend Datierungen zu ermitteln, fällt es leicht, dem Autor Defizite nachzuweisen. Ein Vergleich mit TL für die im Index von DESE verzeichneten Belege unter Dabis Defördert teils minimale, teils Vordatierungen um mehr als ein Jahrhundert zutage. Auf dem Rückgriff auf unterschiedliche Ausgaben von Nebrija beruhen: dedil (DESE 324b: 1495 - TL 726a: 1492), defensor (DESE 427b: 1495 - TL 727c: 1492), depósito (DESE 368b: 1495 - TL 737b: 1492), destajo (DESE 56b: 1495 - TL 794b: 1492), desván (DESE 66b: 1495 - TL 798b 1492). Wesentlich gravierender sind folgende Vordatierungen: damisela (DESE 199b: 1565 - TL 715c: Variante damicela 1505), deanato (DESE 122a: 1732 - TL 721b: 1611), decisorio (DESE 478b: 1681 - TL 724a: 1617), decrepitud (DESE 501b: 17. Jh. - TL 725b: 1611), deicida (DESE 147a: s. d. - TL 729°: 1636), deslate (DESE 183a: 1566 - TL 776b: 1492). Andere Vordatierungen hätte man DME entnehmen können: badajo (DESE 54b: 1475 - DME 1, 480: Variante vadajo ca. 1400) oder bajío (DESE 344b: 1521 - DME 1, 482: 1490). Es sei auch deswegen auf diese Mängel hingewiesen, da es sich bei beiden zur Kontrolle herangezogenen Werken keineswegs um entlegene Detailstudien handelt, sondern um allgemein zugängliche, weitverbreitete lexikographische Werke. Nur angedeutet werden kann hier eine weitere mögliche Quelle potentieller Vordatierungen, die Onomastik. Pharies hat sich bei der Ermittlung von Erstbelegen ausschließlich auf lexikologisch-etymologisch ausgerichtete Arbeiten konzentriert, dagegen die Informationen vernachlässigt, die Anthroponymie und Toponymie hätten liefern können 4 . 3. Entlehnung. Der Autor formuliert in seiner Einleitung ausdrücklich die Zielsetzung, zwischen immanenten Bildungen, Kultismen und sonstigen Entlehnungen zu differenzie- 4 Dies gilt auch für die semantisch-funktionale Beschreibung, cf. z. B. die Ausführungen im entsprechenden Kapitel von J. J. Guillén Calvo, Toponimia del Valle de Tena, Zaragoza 1981: 156-65, mit den Informationen von DESE. 341 Besprechungen - Comptes rendus ren, benennt also das Problem der oftmals nicht leichten Beurteilung der unterschiedlichen Herkunft synchron gesehen gleichermaßen durchsichtiger Wörter beim Namen. Dieser Anspruch wird jedoch im Verlauf der Darstellung nur zum Teil durchgehalten. Am augenfälligsten ist dies bei den behandelten Latinismen und Gräzismen, von denen viele Internationalismen sind. Zwei Beispiele: DESE 466b behandelt s. -ptero den Beleg helicóptero als reinen «neohelenismo», de facto handelt es sich, wie schon die Sachgeschichte nahelegt, um einen Anglizismus bzw. Gallizismus (Lorenzo 1996: 237); s. -tono wird das 1884 erstbelegte barítono nur als Gräzismus gesehen («todos los helenismos españoles se transmiten directamente del griego» [492a-b]), ein Italianismus liegt wohl näher (cf. DELI 1, 117, der italienisch baritono schon bei G. B. Doni vor 1647 nachweist). Auch hier wird im übrigen die korrekte Beschreibung dadurch erschwert, daß einschlägige Literatur nicht benutzt worden ist 5 . 4. Etymologie. Unter diesem Etikett ist nicht auf Probleme der Etymologisierung von Suffixen einzugehen, bei denen Pharies in umstrittenen Fällen wie beispielsweise -eco durchgängig unterschiedliche in der Forschung vorgetragene Vorschläge präsentiert und zum Teil kritisch diskutiert. Zwei andere, durchaus zusammenhängende etymologische Phänomene scheinen indessen weniger befriedigend gelöst. Es ist dies die Frage nach der Beurteilung von im Altspanischen belegten Wortmaterialien im Spannungsfeld von lateinischem Erbwort oder immanenter spanischer Bildung. Am Beispiel der Suffigierungen auf span. -able < lat. bilis erlaubt der Vergleich des entsprechenden DESE-Artikels mit dem von Pharies hauptsächlich herangezogenen synchronen Wörterbuch, DRAE, einem Sprachstadienwörterbuch, DME, und zwei etymologischen Standardwerken, DCECH und DEEH, interessante Aufschlüsse. Nimmt man einmal die durch Corominas vorgenommene Subklassifikation der entsprechenden Adjektive unter der Rubrik «deriv[ados]», ohne Nennung eines lat. Etymons, als Hinweis für die Annahme einer internen Bildung, so ergibt sich folgendes Bild 6 : DESE DRAE DME DCECH DEEH amable lat. am bilis + + - Ø comendable lat. commend bilis + + Ø Ø deseable lat. d s der bilis ? Ø - Ø donable lat. d n bilis Ø - Ø Ø mirable lat. m r bilis + + ? Ø mudable lat. m t bilis + + - Ø notable lat. not bilis + + Ø Ø prestable lat. prest bilis Ø - - Ø venerable lat. vener bilis + Ø - Ø Während DEEH für die etymologische Beurteilung nicht hilfreich ist, tendiert DCECH zur Annahme interner Bildungen, während vor allem DRAE, hierin gefolgt von DESE, den lateinischen Ursprung favorisiert. Es fällt im übrigen auf, daß die Differenzierung zwischen Erbwort und immanenter Bildung bzw. Erbwort und (Semi-)Kultismus nicht immer erfolgt, 5 Cf. z. B. für die Gallizismen V. García Yebra, Diccionario de galicismos prosódicos y morfológicos, Madrid 1999. Auffällig ist auch, daß Pharies zwar TLF, nicht aber FEW in seiner Bibliographie zitiert. 6 Zeichenerklärung: Ø = das Wort fehlt als Lemma/ Sublemma; + = die etymologische Beurteilung ist analog zu DESE; - = die etymologische Beurteilung ist anders als in DESE. 342 Besprechungen - Comptes rendus vielleicht gerade weil Pharies um die damit verbundenen Probleme weiß. So schreibt er zu den Suffigierungen auf span. -oso lat. sus: «Entre las palabras españolas en -oso de aparición temprana, gran número proceden de étimos latinos» (452a) und listet unterschiedslos folgende vor 1300 zu datierende Belege auf: precioso, malicioso, vicioso, religioso, glorioso, hermoso, dañoso, sabroso, peligroso, amoroso und envidioso. Auch wenn die Entscheidung zwischen (halb)gelehrter und erbwörtlicher Überlieferung hier nicht schwer fällt - Popovici (1998) macht in ihrer Arbeit nur zwei Adjektive, hermoso lat. f rm sus und sabroso lat. sapor sus, als gesicherte Erbwörter aus - so wäre vielleicht dennoch generell eine explizitere Darstellung nützlich. Diese skizzierten Probleme hängen mit einem weiteren zusammen. Es erhebt sich nämlich die Frage, inwieweit ein derartiges Unterfangen überhaupt einzelsprachlich angelegt sein kann oder nicht besser zumindest iberowenn nicht sogar - doch dies würde die Arbeitskraft eines einzelnen wohl überfordern - gesamtromanisch ausgerichtet sein sollte. Pharies hat neben DCECH ein weiteres etymologisches Standardwerk benutzt, DECLC, und deckt somit das Katalanische ab (bezeichnend ist aber die laut Index geringe Zahl der zitierten katalanischen Wörter), er vernachlässigt aber DELP und somit das Portugiesische. Dort ausfindig zu machende frühere Datierungen sind auch für das Spanische nicht ohne Interesse, so z. B. spanisch rareza (DESE 248b: 18. Jh.), aber port. rareza (DELP 5, 40: 17. Jh.). 5. Geographie. Es gilt zunächst positiv hervorzuheben, daß der Autor auch diatopische (und in geringerem Maße sonstige) Varietäten des Spanischen berücksichtigt. Dies gilt für die spanischen Dialekte, aber partiell auch für das lateinamerikanische Spanisch. Daß man von Pharies kaum erwarten kann, die defizitäre Forschungslage auf dem Gebiet der dialektalen Wortbildung aufzuarbeiten, versteht sich. Dennoch scheint die Zahl und somit Repräsentativität der herangezogenen Studien (vor allem Dialektwörterbücher) zu gering, um mehr als zufällige Resultate zu ergeben. Schon ein Blick in Penny (1969) bringt Ergänzungen zum Leonesischen, so die Nutzung des dialektalen Äquivalents von standardspanisch -ura, zur Bildung von Kollektiva (eŋkor ¯ nad¯úrɐ´ ‘cuernos’) oder auch als scheinbar funktionslose Entsprechung zum Simplex (ispig-ad¯úrɐ´ ‘espiga’, beide in Penny 1969: 109). Auch aus dem lateinamerikanischen Raum lassen sich Ergänzungen finden, so belegt Montes (1983: 74) im kolumbianischen Spanisch zu -al mit gallinal ‘conjunto de gallinas’ die Übertragung der Kollektivbedeutung des Suffixes auf Tierbezeichnungen, die in DESE ebenso fehlt wie die intensivierende Semantik von torrental ‘aguacero’. Systematische Ergänzungen können hier nicht getroffen werden; es stellt sich auch die Frage, inwieweit in Varietäten des Spanischen durchwegs in neuerer Zeit belegte Suffigierungen aussagekräftig sein können für die historische Perspektive von DESE. Trotzdem deutet sich an, daß hier noch manch eine Vertiefung und Präzisierung der Beschreibung möglich ist. 6. Formalia. Das Buch ist sehr sorgfältig gestaltet 7 . Einige Formelemente indessen sind verbesserungsbedürftig. Der Autor gibt nicht immer die Bedeutung der zitierten Belege, was zumal bei älteren Sprachstufen ärgerlich ist, wo selbige nicht automatisch als bekannt vorausgesetzt werden kann. Ein Beispiel: derivado 1611 (44b), für das Covarrubias ‘apartado’ angibt (TL 738b). Datierungen sind nur im Ausnahmefall mit der Angabe ihrer Quelle versehen (z. B. polysemes frutero [230a], von dessen drei zu unterschiedlichen Epochen auftretenden Bedeutungen zwei den Verweis auf die Quelle erhalten haben). Deren Überprüfbarkeit ist somit in der Regel unmöglich, und man muß gleich auf DCECH zurückgreifen, in der Hoffnung, daß der Erstbeleg von dort stammt. Eine deutliche Indizierung der Herkunft der Datierung (zumindest dort, wo es sich nicht um DCECH handelt) wäre sicher aufwendig, würde aber den dokumentarischen Charakter von DESE stärken. Unpraktisch ist angesichts der oftmals kurzen Artikel die fehlende Seitenzählung bei auf einer Seite neu 7 Druckfehler wie p. 52a tambén [ también sind in der Folge nicht mehr aufgefallen. 343 Besprechungen - Comptes rendus einsetzenden Lemmata. So wird der Artikel -ote bis p. 457 numeriert, die sich anschließenden Lemmata unter P-, R-, S- (mit Ausnahme von -sor [477]) und eingangs Tdagegen nicht und erst fast vierzig Seiten später, mit -tor [494] setzt die Seitenzählung wieder ein. Angesichts der reichhaltigen Datenmenge der Artikel und ihrer kompakten Gestaltung wäre im Index analog zum FEW die Angabe von Spalten (29a, 29b statt nur 29 etc.) nützlich, um dem Benutzer das Aufspüren von Formen zu erleichtern. Es besteht kein Zweifel daran, daß DESE für alle, die sich mit der Wortbildung des Spanischen aus diachroner Perspektive beschäftigen, zu einem unentbehrlichen Werk werden wird. Es kondensiert ältere und neuere Forschung - positiv ist dabei der internationale Ansatz des Autors, der nicht nur anglo-amerikanische oder spanische Arbeiten rezipiert - in einer Materialfülle, die bislang nur bei synchronen Analysen zur Verfügung stand. Trotzdem muß man dem Buch sowohl methodisch wie inhaltlich Vorwürfe machen, die teils Grundlegendes, teils nur den Teufel betreffen, der bekanntermaßen im Detail liegt. Eine Ausweitung der Perspektive auf die gesamte Iberoromania läßt sich als Wunsch formulieren, ist aber natürlich für den einzelnen Autor sehr aufwendig, so daß dieses Defizit Pharies kaum vorgeworfen werden kann. Die Ausweitung des Korpus wäre bereits vordringlicher, nicht im Sinne einer bloßen Vermehrung der Belege, sondern zur Vertiefung und Präzisierung der Beschreibung. Damit geht der Vorwurf einher, (teilweise grundlegende) einschlägige Literatur nicht benutzt zu haben 8 . Daneben sind es eine Reihe von Problemen, für die die obigen Anmerkungen nur äußerst selektive Hinweise gegeben haben, die den positiven Eindruck trüben und auf die sich das Augenmerk des Autors bei einer ihm zu wünschenden zweiten Auflage von DESE richten sollte. Nicht zuletzt sollte in einer Neuauflage auch versucht werden, die Darstellung expliziter zu gestalten, also mit Datierungen (auch bei Neologismen) großzügiger umzugehen und die Beschreibung der semantischen Nuancen der Suffixe nicht, wie dies zuweilen geschieht, indirekt der Materialsammlung zu überlassen, aus der sie der Leser erschließen muß. Bis dahin ist DESE trotz seiner Mängel unverzichtbar und sollte angesichts seines Handbuchcharakters in keiner guten hispanistischen Bibliothek fehlen. J. Lengert H Yves Giraud (ed.), Catherine d’Amboise, Les devotes epistres, Fribourg (Editions Universitaires) 2002, 73 p. Es dürfte nur wenige geben, denen der Name und insbesondere das Werk von Catherine d’Amboise bekannt sind. Catherine, auf der hinteren Umschlagseite des hier anzuzeigenden Bändchens als «grande dame de la Renaissance française» bezeichnet, ist aus einer der ganz bedeutenden Familien des Loiretals hervorgegangen. Sie wurde 1481 oder 1482 als Tochter von Charles I er d’Amboise und Catherine de Chauvigny geboren, war dreimal verheiratet und verbrachte, nachdem sie nach dem Tod ihres dritten Ehemannes (1545) Louis de Clèves zum dritten Mal Witwe geworden war, den größten Teil ihrer Zeit auf ihrem Lieblingsschloß, dem Schloß Lignières im Berry. 1550 starb sie, ohne Nachkommen aus ihren drei Ehen hinterlassen zu haben. 8 Dies ist zuweilen auch durch eine gewisse Überbetonung von englischsprachigen Titeln bedingt, so wenn beispielsweise der Thesaurus Linguae Latinae in der Bibliographie von Pharies gar nicht erscheint, stattdessen aber der Oxford Latin Dictionary. Zu spät gekommen, aber für eine Neuauflage unbedingt zu benutzen ist eine weitere CD-Rom, der von der Real Academia Española herausgegebene Nuevo tesoro lexicográfico de la lengua española, Madrid 2001.
