eJournals Vox Romanica 63/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2004
631 Kristol De Stefani

Peter Blumenthal/Jean-Emmanuel Tyvaert (ed.), La cognition dans le temps. Études cognitives dans le champ historique des langues et des textes,Tübingen (Niemeyer) 2003, 173 p. (Linguistische Arbeiten 476)

121
2004
Sabine  Heinemann
vox6310260
Am Schluss des Buches befindet sich eine Bibliographie, die aber nicht nach den in den einzelnen Beiträgen behandelten Sachgebieten unterteilt ist. Von den einzelnen Artikeln enthält nur derjenige von Liliane Tasmowski und Sanda Reinheimer eine kurze spezifische Bibliographie. Es wäre wünschenswert gewesen, dass die weiterführende Literatur jeweils im Anhang an die einzelnen Beiträge aufgeführt worden wäre, so dass man die Veröffentlichungen zum entsprechenden Thema einfach hätte überblicken können. Ansonsten gibt es an dem Band nicht viel zu kritisieren. Lediglich ein Übersetzungsfehler und ein Druckfehler sind mir aufgefallen: Im Artikel über die klitischen Pronomen (100) muss der Satz Nu tie c -l/ c-o/ c -i a teapt mama im Französischen mit (Il) ne sait (pas) que maman l’/ les attend übersetzt werden. Im Beitrag über die komplexen Prädikate (144) hat sich, ebenfalls in einem rumänischen Beispiel, ein Tippfehler eingeschlichen: Pentru a nu pierde tremul (richtig wäre trenul). Die im Buch vereinten Beiträge richten sich nicht an ein allgemeines Publikum, sondern an Spezialisten, die mit den neuesten Entwicklungen in der Linguistik und ihrer Terminologie vertraut sind. Die Beherrschung aller romanischen Sprachen wird nicht vorausgesetzt, denn die Beispiele, die nicht aus dem Französischen stammen, werden jeweils übersetzt. Für die interessierten Spezialisten enthalten die einzelnen Beiträge durchaus neue Erkenntnisse. Insgesamt wünscht man sich noch weitere solche gesamtromanischen Darstellungen von einzelnen Problemen der Sprachwissenschaft. Dabei ist die gesamtromanische Perspektive keineswegs ein Selbstzweck, denn gerade die Unterschiede, mit denen eine sprachliche Erscheinung in den einzelnen Sprachen auftritt, vermögen neue Ansatzpunkte für die Erklärung gewisser Phänomene zu bieten. A. Schor ★ Peter Blumenthal/ Jean-Emmanuel Tyvaert (ed.), La cognition dans le temps. Études cognitives dans le champ historique des langues et des textes, Tübingen (Niemeyer) 2003, 173 p. (Linguistische Arbeiten 476) Die grundlegende Idee des vorliegenden Bandes, der einige der Beiträge der von den Herausgebern veranstalteten Sektion zur kognitiven Semantik des Romanistentages 2001 in München (7.-10. 10. 01) umfasst, besteht in der Annahme von Schemata (s. schon bei Kant; cf. auch Nietzsche) oder mentalen Modellen, wie sie letztlich auch in der kognitiven Linguistik in der Formulierung von frames oder unter Rückgriff auf gestaltpsychologische Größen (Figur/ Grund) Verwendung finden. Auf der Basis solcher schemaorientierter Untersuchungen, die abstrakte und stabile lexematische Gehaltskerne aufzeigen helfen, rückt in der Semantik die Frage nach der Polysemie und Bedeutungsentwicklung sowie ihrer Erklärbarkeit wieder in den Vordergrund des Interesses. Die alphabetisch gegliederten Beiträge schließen somit neben der Auseinandersetzung in der Adaptierung des Figur- Grund-Schemas oder anderer kognitiv verankerter Strukturen zumeist auch die diachrone Perspektive ein (cf. die Vorbemerkung, 1-8). Der Beitrag von Martin G. Becker zeigt den Versuch, die gestaltpsychologischen Größen Figur und Grund für den Bereich der Textlinguistik fruchtbar zu machen («L’évolution cognitive et le principe ‹figure/ ground› dans l’organisation textuelle - l’exemple des chroniques», 9-26). Mit der qualitativen Prüfung der textuellen Organisation erfolgt die Bestimmung des Gleichgewichts zwischen Informationsgehalt und Rezeptivität des Textes. Für die Untersuchung wählt der Autor zwei Texte, zum einen Villehardouins Conquête de Constantinople (Anfang 13. Jh.) und de Commynes’ Mémoires (Ende 15. Jh.). Während im 260 Besprechungen - Comptes rendus erstgenannten Text räumliche Schemata und Personen, die auf diesen Hintergrund projiziert sind, im Vordergrund stehen und somit eine Erleichterung der Perzeption ermöglichen (weitere lokale Relationen werden z. B. über Adverbien und Präpositionen geleistet), wird im zweitgenannten Text ein Bewusstsein für Textualität über die Verwendung metatextueller Verweise sichtbar, d. h. thematische Informationen werden über verba loquendi erinnert, der Text ist prinzipiell abstrakter aufgebaut. Aus dieser Gegenüberstellung werden unterschiedliche Typen der Textorganisation sichtbar, wobei Becker Villehardouins Vorgehensweise als spatial-topologisch bezeichnet, wohingegen de Commynes auf ein metatextuelles System zurückgreift. Trotzdem lässt sich bei de Commynes die Beibehaltung der Figur- Grund-Organisation feststellen, die hier allerdings auf abstrakte Raumschemata übergreift und z. B. die Anordnung von Ereignissen auf der Zeitachse beinhalten. Problematisch ist die Frage nach der Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse, die sicher nicht nur auf die historische Komponente zurückzuführen sind, sondern letztlich Bildungsstand, Vertrautheit mit schriftlichen Texten, Thematik und Zielpublikum ebenso reflektieren. Peter Blumenthals Beitrag betrifft die semantische Entwicklung des Verbs comprendre in der Gegenüberstellung zu entendre (eher marginal auch zu ouïr, apprendre), wobei die diachrone Betrachtung mit dem 16. Jh. ausgehend von Calvin (189 von 330 Belegen in Frantext, s. auch die Relevanz des Textes für die französische Sprachgeschichte) ihren Schwerpunkt findet («Histoire cognitive d’un verbe ‘mental’: comprendre», 27-40). Die Untersuchung der syntaktischen Kontextbedingungen zeigt eine zunächst bestehende Quasisynonymie bzw. eine relativ starke semantische Nähe hinsichtlich der Bedeutung ‘verstehen’, ‘begreifen’ der beiden genannten Verben, wobei schon für comprendre eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der als direktes Objekt beschriebenen Entität erkennbar wird. Für das 17. Jh. werden bereits weitergehende Abweichungen zu entendre feststellbar, nicht nur im syntaktischen Verhalten (s. die Verbindung mit Modalverben, die Verbindung mit Objektsätzen, etc.; die Untersuchung basiert durchgehend auf dem Korpus Frantext), sondern auch semantisch in der graduellen Differenzierung: So kann comprendre einen Verweis auf die geistigen Fähigkeiten des Subjektreferenten beinhalten, d. h. das Subjekt steht im Vordergrund des durch comprendre beschriebenen Prozesses, was sich syntaktisch in der auffällig häufigen Vewendung mit der 1. Pers. Sg. zeigt. Gleichzeitig scheint comprendre weniger affektiv angelegt zu sein. Entendre hingegen zeigt eine stärkere Betonung der Relation zwischen Subjekt(-) und Objekt(referent). Möglicherweise ist die anfängliche Polysemie bei entendre ausschlaggebend für die unterbleibende Entwicklung in Richtung auf abstraktere Relationen bzw. für die Spezifizierung auf die ontologische Domäne der Perzeption. Interessant ist hier gerade auch der vom Autor vorgenommene Vergleich mit anderen romanischen Idiomen, die abweichende Entwicklungen zeigen, wodurch die für das Französische vorliegende Veränderung eine Spezialisierung des Konzeptbereichs erkennen lässt. Formen der Bedeutungsentwicklung diskutiert Ekkehard Eggs auf der Basis des Beispiels être un bloc de glace («Processus inférentiels et tropiques: construction et changement de sens», 41-58). Der Autor differenziert nach Richards 1964 (Ivor A. Richards, The Philosophy of Rhetoric, Oxford 1964) konnotative und analoge Metaphern (être au soir de sa vie), grenzt diese weiter gegen die Antonomasie (dans son texte il y a un peu de Proust) und die Metonymie ab, wobei er letztere als gestaltpsychologisch definierbar betrachtet (wesentlich ist hierbei die Einbindung der in Bezug stehenden Konzepte über das gemeinsame frame, für den Figur-Grund-Bezug ist eine prägnante Kontiguität wichtig). Dass der jeweilige Kontext eines Elements die Bestimmung der konkreten Bedeutung erst ermöglicht, wird von Eggs als processus inférentiel herausgestellt (vs. processus tropique). Im Hinblick auf die konnotative Metapher (Konzeptmetaphern, die eine Skalarität einschließen), wie sie in dem eingangs erwähnten Beispiel sichtbar wird, ist nun die Herausstellung gewisser 261 Besprechungen - Comptes rendus Restriktionen in der Übertragbarkeit auf die jeweilige Zieldomäne (Bildspender ist hier die Domäne temperatur) in ihrer einzelsprachlichen Spezifik von Interesse (cf. dazu die Analyse zu froideur). Für den Bereich der analogen Metaphern (gekennzeichnet durch eine strukturelle Analogie der Domänen) wählt der Autor die Beispiele marge und frange. Zlatka Guentcheva untersucht in ihrem Beitrag das Morphem entre hinsichtlich seines Bedeutungsumfangs als Präposition und Präfix im Hinblick auf die Rückführbarkeit der Präfixbedeutung auf diejenige der Präposition («Entre: préposition et préfixe», 59-74). Entre referiert primär auf lokale Relationen, für die Guentcheva auf der Basis konkreter Beispiele Schemata entwirft, die jeweils die spezifischen Verwendungsweisen abbilden (eine Abstraktion wird leider nicht geleistet). In der Betrachtung der Semantik erfolgt eine Abgrenzung zu parmi (afr. in der Bedeutung ‘par le milieu’, ‘au milieu de’ oder ‘dedans’ verwendbar), nicht jedoch zu weiteren präpositionalen oder adverbiellen Elementen, die eine Interioritätsrelation versprachlichen. Die Problematik, die nun bei Betrachtung des Präfixes entreauftritt, besteht in der Tatsache, dass nfr. viele afr. noch gebräuchliche Verwendungen ausgefallen sind, wodurch aber letztlich auch ein Reflex der Zentralität präpositionaler Verwendungen gegeben ist. Wie die Autorin selbst in ihrer abschließenden Bemerkung herausstellt, sind in diesem Fall ergänzende diachrone Analysen erforderlich, die oberflächliche Auseinandersetzung kann hier nur ein Desideratum ausweisen. Das Thema des Artikels von Michael Herslund ist un im Afr., insbesondere mit Blick auf die potentielle Pluralbildung uns, die im Nfr. durch des substituiert ist («Le pluriel de l’article indéfini en ancien français», 75-84). Wesentlich ist hierbei auch der im Afr. abweichende Status von un zu dem nfr. als Numerale und indefiniter Artikel verwendeten Morphem, da es mit den anderen Indefinita autre, meïsme und tel ein Paradigma bildet (angesiedelt um das Konzept identität) und wie diese mit dem definiten Artikel auftreten kann. Afr. dient dabei die Pluralform uns bzw. unes der Anzeige der Kollektivität. Darauf gründend lässt sich eine semantische Entwicklung im Sinne von ‘Identität’ herauslösen, die aber möglicherweise ursprünglich kontextuell determiniert zu sein scheint (mit même verbunden). Die Klärung der Sonderrolle von uns setzt Herslund in den Zusammenhang von Heterogenität (zählbare Nominalreferenten) und Homogenität (Bildung einer Einheit bei pluralischer Verwendung). Afr. uns leistet somit nach Herslund die Aufrechterhaltung der Heterogenität, da über undiese angesprochen wird (als distinkte Größe, die sich wiederum als Einheit beschreiben lässt ähnlich wie die ihr zugewiesenen Elemente), parallel jedoch die Pluralität im Flexionsmorph -s ausgedrückt wird. Das Nfr. erreicht über den Partitivartikel ebenso wie über die Verwendung von des in der Funktion eines indefiniten Artikels im Plural eine Homogenisierung. Peter Kochs programmatischer Artikel hinterfragt die Bezeichnung einiger Ansätze und Vorgehensweisen als kognitiv («Qu’est-ce que le cognitif? », 85-100). Die Termini «kognitiv» und «sprachlich», grenzt Koch in einem ersten Abschnitt (85-89) deutlich voneinander ab und diskutiert in diesem Zusammenhang das Konzept des Prototyps in seiner Anwendung hinsichtlich der Kategorisierung außersprachlicher Referenten und in derjenigen linguistischer Natur, die eine Charakterisierung sprachlicher Einheiten ermöglichen (s. z. B. prototypische Subjekte: Nomen agentis, mit transitivem Verb etc.). Dass eine Differenzierung, aber auch eine Überlagerung der kognitiven und sprachlichen Ebene berücksichtigt werden muss, wird aus dem weiter diskutierten Beispiel pépé deutlich: So ist die diasystematische Markierung genauso rein sprachlicher Natur wie die Eingliederung in das Wortfeld der Verwandtschaftsbezeichnungen, das eine einzelsprachspezifische Aufteilung zeigt. Die Polysemie ‘père du père ou de la mère’, ‘homme âgé, d’allure débonnaire’ wird aber erst über den Rückgriff auf die Konzeptebene erklärbar. Die z. T. sprachübergreifend feststellbaren metonymisch bedingten Bedeutungsentwicklungen führen auf die sprachliche Relativität und die Vorstellung der Universalität gewisser Konzepte, die aber 262 Besprechungen - Comptes rendus zumindest vor dem Hintergrund unterschiedlicher taxonomischer Aufteilungen fraglich erscheint. Kognitiv interessant sind v.a. Relationen und Prinzipien, die die Diversität an der sprachlichen Oberfläche bedingen. In Fällen wie afr. dame und weiteren romanischen Fortsetzern von domina sowie germanischen Entsprechungen mit der Parallelität der Bedeutungen ‘maîtresse’ und ‘bien-aimée’ stellt sich neuerlich die Frage nach der Universalität verschiedener in den Einzelsprachen wirksamer Entwicklungen. Gerade in Fällen wie diesem ist allerdings keine sprachliche, sondern vielmehr eine diskurstraditionelle Grundlage für die Entwicklung zu suchen, die im konkreten Fall in der Troubadourlyrik und im Minnesang ihre Basis findet: Nur in dieser Textsorte finden sich die genannten Lesarten belegt, also einzelsprachenunabhängig. Hier sind somit die kognitive und die historische Ebene verbindbar. Hinsichtlich des Bedeutungswandels im Allgemeinen ist v.a. die onomasiologische Vorgehensweise in der Bezeichnung bzw. ihrer Veränderung relevant, die letztlich auf die Versprachlichungsmöglichkeiten einzelner Konzepte abhebt. Bei einzelsprachlichen Überlappungen in der Entwicklung lassen sich möglicherweise generische kognitive Schemata als zugrunde liegend herausfiltern (95-96). Claude Muller beschäftigt sich in seinem Artikel mit drei verschiedenen Typen von Spaltsätzen, die er als modern (c’est à ma mère que tu as parlé, die Funktion wird am Nomen im Hauptsatz markiert), alt (c’est ma mère à qui tu as parlé, mit Markierung des Konnektors qui) und redundant (c’est à ma mère à qui tu as parlé, doppelte Markierung) bezeichnet («Naissance et évolution des constructions clivées en ‘c’est . . . que . . .’: de la focalisation sur l’objet concret à la focalisation fonctionnelle», 101-20). In der Frage nach dem Verhältnis der drei Typen in der Diachronie grenzt Muller die fragliche Konstruktion von Relativsätzen und Präsentativstrukturen ab und stellt die mfr. Dominanz des modernen Typs heraus, führt aber gleichzeitig an, dass der Spaltsatz mit eindeutig kataphorischem ce von Beginn an belegt ist und afr. der alte Typ bevorzugt Verwendung findet: x in c’est x [. . .] ist Subjekt, d. h. die Aufmerksamkeit gilt primär dem Nomen - vielfach mit Bezug auf Personen, wie auch in folgendem Beispiel sichtbar wird: c’est lui à qui j’ai parlée. Das offensichtlich zugrunde liegende Modell ist die Präsentativstruktur, die afr. weitere Verbreitung findet als nfr. Einige der untersuchten Sätze sind auf der Basis der nfr. Verhältnisse nur schwer als Spaltsätze oder Präsentativstrukturen definierbar. Der moderne Typ hat hingegen seinen Ursprung vermutlich in Strukturen, die Muller aufgrund des fehlenden Gliedsatzes als débuts de clivée benennt (ce bleibt anaphorisch). Der moderne Typ basiert somit auf der Wiederholung des Nomens, das durch c’est eingeleitet wird. Der redundante Typ erweist sich als rezent, tritt in den untersuchten Texten nicht auf. Mireille Piot untersucht in ihrem Beitrag die Konjunktionen pour und ihre spanischen und italienischen Äquivalente (losgelöst von ihrer primär präpositionalen Verwendung) und bestimmt die syntaktischen Kontextbedingungen, die eine semantische Interpretation von pour etc. bedingen, wobei die diachrone Perspektive einbezogen wird («L’expression de la ‘cause’, de la ‘finalité’ et de la ‘conséquence’ en français, espagnol et italien: les conjonctions pour et leurs équivalents, en synchronie et diachronie», 121-34). Als interessant erweist sich der Ausdruck für Kausalität, Finalität und Konsequenz in Abhängigkeit von Tempus und Modus. Charlotte Schapiras Beitrag stellt die Semantik des Sprichwortes in den Vordergrund, das der Autorin folgend in Anlehnung an Kleiber als generischer Satz zu verstehen ist und ein generelles Konzept widerspiegelt («À la recherche du référent: la sémantique du proverbe», 135-44). Semantisch zu differenzieren ist die wörtliche Lesart von der referentiellen, metaphorisch bedingten Bedeutung und schließlich die funktionale Bedeutung, wobei in letzterem Fall die gesellschaftlich-pädagogische Relevanz angesprochen wird, die sich hier abgrenzen lässt. Für das Sprichwort relevant ist der kompositionelle Charakter der Bedeutung; fraglich ist allerdings, inwieweit jeweils eine metaphorisch bedingte Lesart zum 263 Besprechungen - Comptes rendus Tragen kommt, da die Autorin gleichzeitig von Stereotypen spricht, die hier aufscheinen (sie spricht konkret von Metaphern, die sich zu Stereotypen verfestigt haben), d. h. dass typische Verhaltensweisen stellvertretend für eine Kategorie herangezogen werden, die umgekehrt eine generische Lesart erhalten. Nur partiell liegen tatsächlich Metaphern vor, etwa in Bezug auf Eigenschaften (s. die vielfach auftretenden Tiermetaphern). Diachron von Interesse ist die Parallelität konkurrierender Strategien, die sich z. T. auf der Basis von Veränderungen im Alltagsleben motivieren lässt. Im Vergleich afr.-nfr. lässt sich auf sprachlicher Seite weiter verschiedentlich eine Kondensation in der Länge der Sätze aufzeigen. Der Aufsatz von Lene Schøsler verfolgt die interessante Frage, inwieweit diachron eine Veränderung der Verbvalenz semantisch bedingt sein kann. Auf der Grundlage der approche pronominale (C. Blanche-Benveniste et al., Pronom et syntaxe. L’approche pronominale et son application au français, Paris 1987), mit einer Bezugnahme lediglich auf die rein verbal interessierenden Kategorien wird auf der Basis des Miracle (le Miracle par personnages 1, de l’enfant qui fut donné au Diable, 1339) eine Differenzierung in mono-, di- und trivalente Verben geleistet, deren Valenzschemata vergleichsweise selten eine gewisse Parallele dergestalt haben, dass ein bestimmtes Schema eine semantische Homogenität der jeweiligen Verben nachweist. Diese Relation lässt sich aber z. B. für das Schema SV + (direktes +) indirektes Objekt zeigen: alle Verben drücken einen Experiencer als indirektes Objekt und die Ursache (Zustand, Objekt oder Person) als Subjekt aus (persönlich oder unpersönlich mit il, ce, cela). Von Interesse für die Frage nach einer Interdependenz von Verbsemantik und -valenz ist die Tatsache, dass schon für eine geringe Anzahl Beispiele ersichtlich ist, dass die Valenzstrukturen nicht gänzlich aus dem Lateinischen ererbt sind, sondern Veränderungen in der klassischen Epoche anzusetzen sind. Eine vertiefende Studie zur Abhängigkeit von verbaler Semantik und Verbvalenz kann klären helfen, ob tatsächlich, wie in dem benannten Beispiel nahe liegend, eine Spezifizierung in der Konzeption zu einer Spezialisierung auch hinsichtlich des Valenzschemas geführt hat bzw. führt. Jean-Emmanuel Tyvaerts Beschreibung der Kategorie Adverb geht von logisch-semantischen Relationen aus. Er formuliert ein undifferenziertes «mot lexical», das als verbe fassbar ist und eine totale Grammatikalisierung (grammaticalisation) nicht zulässt, somit als Prädikat in Erscheinung tritt («Une tentative d’unification de la diversité adverbiale», 161- 73). Dahingegen erlaubt das Argument eine vollständige Grammatikalisierung, wenngleich es ebenfalls auf ein verbe zurückgeführt werden kann (an der sprachlichen Oberfläche nicht als Verb auftretend, deverbale Ableitungen). Wesentlich für die Analyse der Kategorie Adverb ist auch die Definition syntaktisch einfacher und gleichzeitig semantisch einfacher bzw. komplexer Sätze, die letzlich auf syntaktisch und semantisch einfachen Sätzen aufsetzen, also als Kondensation dieser verstanden werden können. Das Adverb leistet allgemein betrachtet eine Markierung der Modalisierung und ist im Falle semantisch komplexer Sätze im Hinblick auf die Bedeutung an der Aussage des Satzes beteiligt. Interessanter ist hier die Modifizierung des Adjektivs: Nur wenn das Adjektiv direkt auf das verbe zurückgeführt werden kann, ist die Verwendung eines Adverbs möglich, bei indirekter Beziehung (d. h. wenn das Adjektiv denominal ist und das Basislexem seinerseits auf das verbe zurückgeführt werden kann) ist eine solche Modalisierung hingegen nicht möglich. Die den Band konstituierenden Beiträge zeigen wie gesehen eine starke Variation und nehmen vielfach Bezug auf semantisch bedingte Prozesse auf morphologischer und syntaktischer Ebene, berücksichtigen aber auch Bedeutungsentwicklungen auf lexikalischer Ebene. Über die Heterogenität der Artikel werden Prozesse über einen kognitiven Zugang sichtbar gemacht, die gleichzeitig die Relevanz der Diachronie in der Funktionalität der Sprache als System synchron untermauern. Sofern nicht generischen Charakters, nehmen 264 Besprechungen - Comptes rendus die Beiträge v.a. Bezug auf das Französische mit verschiedentlichen Verweisen auf die Verhältnisse im Italienischen und Spanischen, die gerade die Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Konzepte ausweisen können. S. Heinemann ★ Eddy Roulet/ Laurent Fillettaz/ Anne Grobet, avec la collaboration de Marcel Burger, Un modèle et un instrument d’analyse de l’organisation du discours, Berne, etc. (Lang) 2001, 405 p. (Sciences pour la communication 62) Eddy Roulet e la sua scuola ginevrina lavorano da decenni alla costruzione progressiva di un modello globale di analisi dell’organizzazione del discorso, della lingua in atto. Il presente volume costituisce una summa dello stato attuale del modello, giunto ormai a uno stadio di elaborazione che si può ritenere completo. La trattazione che ci viene proposta si articola in dodici capitoli, ciascuno dedicato a uno degli aspetti e dei livelli della produzione discorsiva, preceduti da un Avant-propos e seguiti da conclusioni. Viene proposta e argomentata nel complesso una vera e propria «linguistica del discorso», vista non in opposizione alla linguistique de la langue ma come sua necessaria integrazione: l’oggetto di studio di tale linguistica del discorso è «le discours comme interaction verbale située, dans ses dimensions linguistiques et situationnelles, la détermination d’un ordre méthodologique d’analyse descendant, de l’interaction verbale aux formes qui la constituent, échanges, interventions et actes, le caractère central de l’organisation hiérarchique, la formulation d’hypothèses intéressantes sur les relations entre ces constituants et des informations en mémoire discursive, sur l’organisation polyphonique, sur les repérages de séquences typiques . . ., sur les mécanismes inférentiels qui commandent l’interprétation, enfin sur les principes qui régissent l’interaction» (25). Come si vede, il compito che gli autori si pongono è ambizioso e complicato: ma bisogna subito dire che Roulet e collaboratori lo svolgono e dipanano molto bene. Il modello di organizzazione e funzionamento del discorso presentato nel cap. 2 è essenzialmente un modello modulare (il più adatto a cogliere la complessità dell’oggetto di indagine), basato, secondo le intenzioni degli autori, su un approccio cognitivo interazionista; i vari moduli che lo costituiscono sono articolati secondo tre componenti fondamentali, quella situazionale (connessa all’universo di riferimento e alla situazione di interazione), quella propriamente linguistica e quella testuale (relativa alla struttura gerarchica del testo), e corrispondono all’incirca a diversi livelli e strati di analisi. Nel cap. 3 viene trattata la dimensione gerarchica, che implica anzitutto l’identificazione dell’unità testuale minima, l’acte (textuel), che comprende la frase (semplice: clause) come uno dei suoi costituenti (pur non essendo il rapporto fra atto e frase, ovviamente, biunivoco), e che si configura come una unité minimale de 3 ème articulation (essendo la clause l’unità massimale di seconda articolazione). La struttura gerarchica è rappresentata (con opportuni esempi di analisi di sequenze discorsive) in forma di schemi arborescenti. Della dimensione referenziale si occupa il cap. 4, in cui ci si scontra naturalmente con i problemi spesso insormontabili derivanti dalle infinite implicazioni che la realtà del mondo ha per l’organizzazione e la struttura del discorso. Il modulo relativo si fonda su una separazione fra le représentations praxéologiques relative alle azioni e le représentations conceptuelles relative ai concetti, entrambe ancorate all’attività sociale, che «est dotée d’un pouvoir structurant sur les situations de discours» (137). Relativamente più maneggevole risulta la dimensione interazionale, che nel cap. 5 è discussa soprattutto sotto l’angolo dell’ancoraggio materiale dell’interazione. I capitoli successivi si soffermano sui vari livelli 265 Besprechungen - Comptes rendus