Vox Romanica
vox
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Francke Verlag Tübingen
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2004
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Kristol De StefaniGünter Holtus/Anja Overbeck/Harald Völker,Luxemburgische Skriptastudien. Edition und Untersuchung der altfranzösischen Urkunden Gräfin Ermesindes (1226-47) und Graf Heinrichs V. (1247-81) von Luxemburg, Tübingen (Niemeyer) 2003, xii + 699 p. (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 316)
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P. Burdy
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folgen zu lassen, der neben der technischen auch eine wissenschaftliche Konzeption zu Grunde liegt, die deutlich über die des Godefroy électronique aus dem Hause Champion hinausgeht. Th. Städtler ★ Günter Holtus/ Anja Overbeck/ Harald Völker, Luxemburgische Skriptastudien. Edition und Untersuchung der altfranzösischen Urkunden Gräfin Ermesindes (1226-47) und Graf Heinrichs V. (1247-81) von Luxemburg, Tübingen (Niemeyer) 2003, xii + 699 p. (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 316) Bei der Untersuchung mittelalterlicher Urkunden stellt sich mitunter das Problem, dass die vorliegenden Editionen sprachwissenschaftlichen Anforderungen nicht genügen. Mit der hier zu besprechenden Arbeit beabsichtigen die Vf., diesem Mangel entgegenzutreten: Vorgelegt wird eine Ausgabe aller französischsprachigen Urkunden, die vom Luxemburger Grafenhaus zwischen 1237 und 1281 ausgestellt oder empfangen wurden, soweit diese im Original verfügbar sind. Es ergibt sich ein Untersuchungskorpus von 180 Stücken. Mit der Edition von Wampach 1 liegt bereits ein hervorragendes Referenzwerk vor, das aber allein für geschichtswissenschaftliche Zwecke erstellt wurde. Daher soll nun durch Anwendung strenger gefasster Editionsprinzipien ein neuer Text geboten werden, der auch eine anschließende Analyse der Skripta gestattet. Der Raum Luxemburg bietet sich hierfür einerseits an, weil dort schon relativ früh vulgärsprachliche Urkunden vorliegen, und andererseits, weil deren Sprache bisher noch nicht untersucht worden ist (vgl. für andere Teile Ostfrankreichs Gossen und Remacle). In der Einleitung (1-44) werden nach Erläuterung der historischen Rahmenbedingungen 2 und des Umfangs der Untersuchung die Transkriptionsrichtlinien erläutert (1.4). Im Sinne der oben erwähnten Zielsetzung haben die Vf. sich für einen fast als diplomatisch zu bezeichnenden Abdruck entschieden. So werden u und v, i und j, s und ˜ originalgetreu wiedergegeben, ebenso Majuskeln und Minuskeln sowie die Zusammen- und Getrenntschreibung. Offensichtliche Fehler werden nicht gebessert, sondern erscheinen im kritischen Apparat. Nur die Abkürzungen werden aufgelöst. Im folgenden Unterkapitel 1.5 wird der methodische Ansatz explizit formuliert (15): a) Wiedergabe vieler Details, b) Erweiterung der Perspektive auf über die Diatopie hinausreichende Variationskategorien, c) Erfassung der Korrelation zwischen innersprachlichen und außersprachlichen Faktoren. Die beiden letzteren Punkte beinhalten eine stärkere Berücksichtigung der diastratischen und ideolektalen Variation, d. h. die Frage nach den an den Vorgängen beteiligten Personen und ihrem sozialen Status (de facto gehören diese jedoch zumeist dem hohen Adel an), der kommunikativen Reichweite der Schriftstücke und die Frage nach der Schreiberhand. Die Vf. hoffen also, durch Projektion der Varietätenlinguistik auf einen vergangenen Sprachzustand zu einer umfassenderen Interpretation der Skripta zu gelangen, deren Erforschung sonst stets auf die Diatopie ausgerichtet ist. Der Einleitungsteil schließt mit einer Aufstellung der innerhalb des Korpus begegnenden Schreiberhände und deren paläographischer Eigenheiten (1.6). So lassen sich 24 Schreiber unterscheiden. Positiv hervorzuheben ist schließlich die beigegebene Zusammenfassung des gesamten Einleitungsteils (43s.). 338 Besprechungen - Comptes rendus 1 C. Wampach, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit, 10 vol., Luxemburg 1935-55. - Diese Ausgabe scheint auch bei der Entscheidung über Original und Kopie ausschlaggebend gewesen zu sein. Auf das Verzeichnis der edierten Urkunden (45-99) folgt unmittelbar der breit angelegte Analyseteil (101-257) und nicht etwa zuerst die Edition, was der tatsächlichen Vorgehensweise entsprochen hätte. Es handelt sich um eine skriptologisch-quantitative Analyse, die Antwort auf die p. 103 formulierte Frage: «Gibt es eine genuin luxemburgische Skripta? » geben soll. Hierfür werden elf Phänomene aus den Bereichen Graphie/ Phonie, Morphologie und Syntax ausgewählt; ausschlaggebend war hierbei die zu erwartende Ergiebigkeit im Korpus. Da jedes einzelne Unterkapitel dieses Teils mit einer Zusammenfassung der jeweiligen Untersuchungsergebnisse schließt und der Benutzer sich somit schnell ein Bild hierüber verschaffen kann, können wir uns weitgehend auf einige Anmerkungen beschränken. Zu Beginn der einzelnen Kapitel, in denen die ausgewählten Phänomene untersucht werden, geben die Vf. unter Einbeziehung der Sekundärliteratur (etwa Rheinfelder, Wolf/ Hupka, Gossen, Remacle) ausführliche, mitunter etwas zu ausführliche Einleitungen in die jeweilige Problematik. Zum Teil lesen sich diese Abschnitte wie Einführungen in das Altfranzösische, etwa am Anfang des Kapitels 3.11. Deklination, wo man erfährt, dass das Altfranzösische über eine Zwei-Kasus-Flexion verfügt (234s.). Dies muss eine Skriptauntersuchung nun wirklich nicht leisten. Zudem fällt auf, dass zwar Titel wie Sergijewskij (235) oder Regula (250) zitiert werden, aber Fouché, den man in zahlreichen Kontexten hätte anführen können, nur in der Bibliographie vorkommt. Auch inhaltlich überzeugt der Überblick über die altfranzösischen Deklinationstypen nicht ganz, wenn ausgesagt wird, der Typ suer - seror vereinige «diejenigen femininen Substantive in sich, die ihre Ungleichsilbigkeit bis in die altfranzösische Zeit hinein behalten haben» (235). Von Vereinigung kann hier keine Rede sein, da soror, sorore das einzige ungleichsilbige feminine Substantiv des klassischen Lateins darstellt, das im Altfranzösischen erhalten ist 3 . Doch kehren wir zum Anfang des Kapitels 3. Skriptologisch-quantitative Analyse ausgewählter Sprachmerkmale zurück: Unter 3.1. (104s.) geht es um die Diphthongierung des in geschlossener Silbe zu ie. In der Einleitung hierzu (104) wird kurz die allgemeine Diphthongierung von in offener Silbe erläutert (weshalb eigentlich? ). Darüber, ob diese schon im Vulgärlatein eintrat («lat. pe˘dem vlat. *pi de» (ibid.)), kann man geteilter Meinung sein, nicht aber darüber, dass vlat. in geschlossener Silbe im Afrz. allgemein als ‹e› erscheint: Dennoch geben die Vf. als repräsentative afrz. Form enfeir infe˘rnam (sic! ) 4 an (104). Das Phänomen der zweifellos viel jüngeren Diphthongierung von in geschlossener Silbe zu ie wird dann dem Raum Flandern/ Hennegau zugewiesen (109), der Umstand, dass diese nicht nur unter dem Ton (fieste, chastiel), sondern interessanterweise auch vortonig eintritt (tiesmoignage, apiertenances), dabei jedoch überhaupt nicht diskutiert. Das Kapitel 3.3 (116s.) behandelt die graphische Realisation der Palatalisierungen. Äußerst missverständlich ist allerdings die Formulierung «Die Palatalisierung von . . . t vor a, e und i» (116): Gemeint ist die Palatalisierung der Gruppe -tj-, etwa in fortia force. Auch wird nicht «der Buchstabe c . . . palatalisiert» (118), sondern der Laut [k]. Unter 3.5. (144s.) werden dann die Urkunden auf das typisch ostfranzösische Fehlen der Gleitkonsonanten (z. B. semler statt sembler) hin untersucht. Positiv zu vermerken ist hierbei, dass die Vf. in der Analyse zwischen ererbten (z. B. -din prendre) und nicht ererbten Konsonanten (z. B. -din vendredi) unterscheiden. Inkonsequent ist aber die Formulierung unter 3.5.1. Der Wegfall des nicht ererbten Gleitkon- 339 Besprechungen - Comptes rendus 2 Auf p. 3 N17 u. 18 werden entsprechende geschichtswissenschaftliche Arbeiten genannt. Erwähnung verdient hätte vielleicht noch H. Thomas, Zwischen Regnum und Imperium. Die Fürstentümer Bar und Lothringen zur Zeit Kaiser Karls IV., Bonn 1973. 3 Bei dem im Afrz. gelegentlich bei PN vorkommenden Deklinationstyp -a, -ane (z. B. Berte - Bertain) handelt es sich um jüngere Neubildungen. 4 Sämtliche romanischen Formen gehen auf infe˘rnu zurück. sonanten (145), wenn kurz davor festgehalten wird, dass vor allem in der Pikardie, Wallonie und in Lothringen gar keine Gleitkonsonanten entstehen (144). Im Zusammenhang mit der Graphie ‹x› (3.7.) liest man ferner, dass ‹x› etwa in Nachfolgern von sexaginta «etymologisch verlangt» werde (171) bzw. dass dieses seit der lateinischen Zeit bis heute beibehalten wurde (177). Dies trifft natürlich nicht zu, denn die Gruppe -ksergibt im Afrz. -is- (sex *sieis sis, sexaginta seisante usw.). Wenn im Alt- oder Nfrz. in solchen Wörtern ‹x› erscheint, ist diese Graphie latinisierend und nicht «genuin» (170 N183). In den hier untersuchten Urkunden können Formen wie seix, sexante auch durch die skriptabedingte Alternanz von ‹s›, ‹ss› und ‹x› hervorgerufen werden. Dass andererseits im Korpus enthaltene Wörter wie exceptions/ excepter, expresseement, dux die Graphie ‹x› aufweisen (171), muss eigentlich nicht besonders hervorgehoben werden, da es sich hierbei im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Zahlwörtern um Buchwörter handelt. Leider führen die Vf. eben diese Unterscheidung nicht durch. Weiterhin wird unter 3.8.3. Die Elision des Artikels (192s.) angenommen, dass in Formen wie la glise ‘l’église’ falsche Artikelabtrennung vorliege (le kommt im Korpus als feminine Form des bestimmten Artikels vor (189)). Dies wird kaum so sein, da derartige Formen in den romanischen Sprachen weit verbreitet (cf. REW 2823: sogar albanisch! ) und daher wohl älter sind. Auch die Behauptung, der adjektivische Gebrauch des betonten Possessivpronomens (ce mien livre) sei im Nfrz. nicht mehr möglich (216), trifft so nicht zu, cf. Grand Robert IV, 1463 (u. a. Racine, Hugo, Gide, Proust). Insgesamt liegt die Stärke des gesamten Analyseteils mehr in der statistisch-quantitativen Erfassung der ausgewählten Sprachmerkmale, also auf der deskriptiven Ebene. Nicht zuletzt durch die Einbeziehung auch außersprachlicher Kriterien ermöglicht dies schließlich, die zu Beginn des Kapitels 3. aufgeworfene Frage nach einer genuin luxemburgischen Skripta in der Zusammenfassung (3.12.) negativ zu beantworten: Eine luxemburgische Kanzlei existierte nicht, und die für das Luxemburger Grafenhaus tätigen Schreiber, die wohl aus den umliegenden Sprachregionen stammten, brachten die jeweiligen Skriptae in den Verschriftungsprozess ein (257), so dass das luxemburgische Urkundenkorpus insgesamt typisch nordostfranzösisches Gepräge aufweist (256). Wenn jedoch der im Analyseteil konstatierte Umstand, dass die mit der Königskanzlei in Verbindung zu bringenden Urkunden durchweg eine von den übrigen Dokumenten abweichende Sprache bieten, als diastratische Variation bezeichnet wird (186, 256), so kann dies zu Diskussionen Anlass geben. Die Korpusuntersuchung hat ergeben, dass die Königsurkunden in vielen Punkten den späteren französischen Standard vorwegnehmen, was sich etwa im Artikelgebrauch (le im Rektus; 180s.), in der Negation mit ne . . . pas (231) und in der kaum noch vorhandenen Flexion der Substantive (251) und der Possessiva (201) zeigt. Dies ist jedoch nicht weiter verwunderlich, denn die Königsmacht war im 13. Jahrhundert fest in Paris installiert und verwendet folglich die Sprache der Ile-de-France, von der bekannt ist, dass sie später zum Standard wird. Mithin ist auch im Fall der Königsurkunden eher von diatopischer Variation als von diastratischer zu sprechen, auch wenn die Vf. dies kategorisch ausschließen (256). Nicht die Tatsache, dass es sich um Urkunden der Königskanzlei handelt, sondern dass diese sich der Sprache von Paris bedient, scheint ausschlaggebend für die Andersartigkeit der verwendeten Sprache (verglichen mit den übrigen Korpusurkunden) zu sein. Im Zusammenhang mit dem Schwund der Deklination erwägen die Vf. sogar, dass die Königskanzlei Beförderer dieser Entwicklung gewesen sein könnte (251). Doch wie soll eine Kanzlei im 13. Jahrhundert die gesprochene Volkssprache beeinflussen können oder gar «Leitvarietät» (ibid.) für bestimmte sprachliche Entwicklungen sein? Leitvarietät wird vielmehr die Sprache der Ile-de-France, und diese spiegelt sich in den Königsurkunden wider. Die Vf. werden in ihrer Herangehensweise den Realitäten des 13. Jahrhunderts nicht ganz gerecht, wenn sie den potentiellen Einfluss geschriebener Sprache auf die allgemeine Sprachentwicklung derart hoch ansetzen. Dies zeigt sich noch 340 Besprechungen - Comptes rendus stärker in der problematischen, mitunter anachronistisch anmutenden Begriffswahl durch den ganzen Analyseteil (3.) hindurch: Häufig ist von kanzleibedingten «Vorgaben» und «Festlegungen» die Rede, wenn nicht sogar von «Norm» (z. B. 181, 199, 221), wo man mit Blick auf die Epoche bestenfalls von «Gewohnheit» oder «Konvention» sprechen sollte: Es ist zu bedenken, dass aus der königlichen Kanzlei überhaupt erst seit 1254 volkssprachliche Urkunden vorliegen! Auch dass ein Schreiber sich eventuell Gedanken um Etymologie beim Niederschreiben eines Urkundentextes macht (163), ist recht optimistisch. Im Kontext des Schwundes der Zwei-Kasus-Flexion von «Normabweichung» und «Verstoß» (236) zu sprechen, ist wohl ebenfalls zu modern gedacht, denn die afrz. Deklination ist keine «Regel», sondern ein ererbtes System, das sich nach und nach unwillkürlich verliert. Über den Gehalt der folgenden Aussagen mag schließlich jeder Benutzer selbst urteilen: «Wegen der fehlenden mündlichen Zeugnisse aus dem Mittelalter . . . » (123); «Denn obwohl sich das Korpus ausschließlich aus Prosatexten zusammensetzt . . . » (224 N331); «Die Heterogenität wie auch die hohe Varianz innerhalb der einzelnen Texte sind somit die Hauptkennzeichen des Korpus, das damit ein typisches Beispiel für die im 13. Jahrhundert noch nicht endgültig fixierte Sprache und Grammatik des Französischen darstellt» (257). Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Vf. sich bei der Interpretation des sprachlichen Befundes mitunter von zu neuzeitlichen Denkschemata haben leiten lassen. Der Editionsteil (259-467), in dem mit dem Stück Nr. 166 auch ein bisher nicht ediertes Dokument vorgelegt wird, überzeugt durch die angewandten Transkriptionsprinzipien (cf. supra), die die Texte erst für sprachwissenschaftliche Untersuchungen nutzbar machen. Die beigegebenen Regesten informieren über die jeweiligen Rechtsinhalte der Urkunden. Der kritische Apparat zeigt, dass sich gegenüber der Ausgabe Wampach zahlreiche neue Lesarten ergeben haben. Dass aber in jeder einzelnen Fußnote eigens darauf hingewiesen wird, dass man von Wampach abweicht, wirkt etwas ungeschickt, da ja schon durch die Identifikationssiglen (etwa wII412 = Wampach, vol. II, 412) klar wird, welche die Referenzedition ist. Auch stört ein wenig, dass die Fußnotenzeichen etwa ab der Mitte des Editionsteils vierstellig werden. Hier hätten die Vf. sich am bewährten System der MGH orientieren können, wo für jede Urkunde mit Minuskeln neu gezählt wird. Das Auswahlglossar (469-571) stellt eine Zusammenstellung sprach- oder sachgeschichtlich interessanter Wörter dar. Die häufig beigefügten etymologischen Kommentare liefern wiederum zum Teil Informationen, die unter «Altfranzösisch für Anfänger» einzuordnen wären. Auch hierbei begegnen gelegentlich unrichtige oder ungeschickte Formulierungen. So geht etwa achateir sicher nicht auf ein *accapt re zurück (471), sondern weist in der Endung -eir ein diphthongiertes á[ auf. Diese Entwicklung ist nicht nur «vorstellbar» (471), sondern im ostfrz. Raum eine Tatsache, cf. H. J. Wolf in Kongr. Trier 1986, vol. I, 39 (mit der Literatur: Pope, Fouché, Gossen u. a.). Überdies verweisen die Vf. hier (472) auf einen falschen Paragraphen bei Goebl (§104, wo es um ‹ei› aus ] geht). Richtig wäre §9s., besonders §12 (-are -eir) 5 . Einige weitere Beispiele in Kurzform: berbis (487): «Auffällig ist die Metathese» [metathetisch ist die nfrz. Form brebis]; cing, ciunch ‘cinq’ (493): (evtl. Sonorisierung bzw. Palatalisierung des auslautenden [k]) [wie soll das möglich sein? Auslautende Konsonanten im Afrz. sind stets stimmlos bzw. werden entsonorisiert]; conute p. p. (495): (fraglich bleibe, ob t Archaismus oder graphischer Latinismus ist) [die nach connut (m.) in Analogie gebildete Form ist typisch für nord- und ostfrz. Dialekte, cf. P. Fouché, Le 341 Besprechungen - Comptes rendus 5 Derartige Formen lassen sich auch in modernen Dialekten, z. B. im Lothringischen finden: dle: i ( de latu), fre: i r ( fratre), kote: i ( costatu), s. E. Herzog, Neufranzösische Dialekttexte, Leipzig 1906: 17s. (Amanweiler). Insgesamt hätten moderne Dialektformen stärker in die Untersuchung einbezogen werden können. Auf Formen aus Sprachatlanten wird nur gelegentlich und zumeist in Fußnoten hingewiesen. verbe français, Paris 1967, 361 §184; C. T. Gossen, Grammaire de l’ancien picard, Paris 1976, 104s. §46]; Laus (533): «Laus steht dem klat. Etymon laus auffällig nahe» [mehr als das; die Formen sind identisch und die altfranzösische ist damit ein Buchwort]; Peinticoste ‘Pentecôte’ (545): «cf. hierzu . . . achateir» [Die Formen sind nicht vergleichbar, weil das -eiin Peinticoste nicht auf á[ zurückgeht und auch nicht betont ist]; uigheur ‘vigueur’ (567): «Schreibweise erinnert an das heutige Italienisch» [Der Hinweis ist hier wenig hilfreich]; vertei neben veritte, veretet (568): [Hier wird nicht klar gesagt, dass erstere Form Erbwort, die beiden anderen aber Buchwörter sind]; vigile (569): «sämtliche Formen stehen dem klat. Etymon vigilia sehr nahe» [Es handelt sich wiederum um ein Buchwort]. Den Abschluss des Bandes bilden die Register (573-646). Zunächst wurden hilfreiche Sach- und Autorenregister erstellt (6.1. und 6.2.), danach folgen die onomastischen Register, die aber nach modernen Namen alphabetisch sortiert sind, «um dem Anwender die Suche nach bestimmten Namen zu erleichtern» (622). Ob dem so ist, sei dahingestellt, da der Benutzer doch ziemlich gefordert wird, wenn er ein ihm unbekanntes Corri, killestorf oder audenarde unter Koerich, Gilsdorf, Oudenaarde nachschlagen muss. Dieser Mangel haftete schon den Indices der Ausgabe Wampach an und wird von den Vf. auch eingeräumt, aber hingenommen 6 . Ein Urkundenindex (6.4) schließt den Registerteil. Sehr schön sind die nach der Bibliographie angefügten Abbildungen einiger Urkunden. Die sprachliche Gestaltung des Bandes ist insgesamt ansprechend 7 , und auch die Drucküberwachung ist gut 8 . Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Autoren eine vorbildliche, auf sprachwissenschaftliche Bedürfnisse zugeschnittene Textedition vorlegen. Auch die deskriptive Erfassung des skriptologischen Befundes überzeugt. Die Interpretation desselben lässt, da diese - auch durch die angewandte Methodik - den Realitäten der behandelten Epoche nicht immer gerecht wird, einige Einwände zu. P. Burdy ★ Yan Greub, Les mots régionaux dans les farces françaises: Étude lexicologique sur le Recueil Tissier (1450-1550), Strasbourg (Société de linguistique romane) 2003, 403 p. (Bibliothèque de linguistique romane 2) Cet ouvrage, issu d’une thèse de doctorat soutenue le 21 juin 2002, s’annonce dès son titre comme un travail original. Il se distingue par la maturité de la démarche et le bien-fondé de la méthode, sans doute parce qu’il ne dissocie jamais les deux versants de la recherche scientifique: la théorie et l’expérience. Redevable à l’article fondateur d’Albert Henry de 1972 («Lexicologie géographique et ancienne langue d’oïl», Romance Philology 26: 226-55) et à l’enseignement de J.-P. Chambon, qui a souvent démontré l’intérêt de l’analyse lexicale à des fins de localisation et d’attribution des textes, Y. Greub nous offre pour la première fois une étude historico-géographique du lexique entièrement orientée vers la localisation à partir d’un corpus textuel étendu. Le changement d’échelle, le passage de l’étude monographique à celle du corpus vaste achèvent de prouver l’intérêt de ce type de recherches. Mais Y. Greub ne se contente pas 342 Besprechungen - Comptes rendus 6 «auch wenn dadurch in seltenen Fällen . . . abstrahiert werden muss» (622). 7 Etwas unbeholfen wirkende Formulierungen wie «Anders als nul und nun hat rien eine positive etymologische Herkunft» (228) sind selten. 8 Druckfehler wie «Dikke» (10), «dass er einen bestimmtem vorgegebenen . . . Standard einzuhalten versucht» (185) fallen kaum ins Gewicht.
