Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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2004
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Kristol De StefaniSuzanne Lafage, Le lexique français de Côte d’Ivoire. Appropriation et créativité, 2 vol., Nice (CNRS – Institut de Linguistique Française) 2002-03, lxxxviii + 865 p. (Le français en Afrique 16-17)
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2004
Joachim Lengert
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auf weiteres noch dem Linguisten, und hier, wie obige Beispiele verdeutlichen, weist der Text von Mecking nicht gering zu veranschlagende Defizite auf. Dennoch wird ein Experte des «français préclassique» die Arbeit zu schätzen wissen, auch wenn sie ihm erneut schmerzlich das Fehlen eines möglichst exhaustiven, methodisch elaborierten Epochenwörterbuchs vor Augen führt. J. Lengert ★ Suzanne Lafage, Le lexique français de Côte d’Ivoire. Appropriation et créativité, 2 vol., Nice (CNRS - Institut de Linguistique Française) 2002-03, lxxxviii + 865 p. (Le français en Afrique 16-17) Auch diesmal wieder sind Bände der Zeitschrift Le français en Afrique einem Wörterbuch einer nationalen Variante des Französischen in Afrika gewidmet, und mit S. Lafage zeichnet erneut eine ausgewiesene Expertin der Materie verantwortlich 1 . Die beiden Bände bestehen aus einer umfänglichen Einführung (xi-lxxxviii), dem Wörterbuchteil (A-E, 1-367; F-Z, 369-830) sowie der Bibliographie (833-63). Die Einleitung vermittelt zunächst einen ökonomisch, geographisch und historisch orientierten Einblick in die Situation der Elfenbeinküste, bevor eine soziolinguistische Darstellung der Sprachensituation und speziell eine Beschreibung der beiden koexistierenden Varietäten des Französischen, des «français populaire ivoirien» und des «français des scolarisés» folgt. Abschließend werden Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Wörterbuchs präsentiert, eine Typologie der behandelten lexikalischen Materialien vorgestellt sowie Makro- und Mikrostruktur beschrieben. Das Wörterbuch, von dem die Autorin selbst sagt, dass es kein vollständiges Inventar darstellt («n’a pas l’ambition de se présenter comme un véritable dictionnaire du français de Côte d’Ivoire» [lxi]), ist deskriptiv orientiert, reflektiert sowohl die gesprochene wie die geschriebene Sprache, ist weder diastratisch noch diaphasisch Restriktionen unterworfen. Seine Basis ist eine sich über ein Vierteljahrhundert erstreckende Enquête, ergänzt durch Belege aus der Zeitungs- und in begrenztem Maße Literatursprache. Dass die Definition dessen, was «typisch» für das Französische der Elfenbeinküste ist, aus mehr als einer Perspektive problematisch ist, versteht sich, beispielsweise aufgrund der zugrundeliegenden Definition ex negatione der Kategorie Regiolekt, also durch die Bezugnahme auf lexikographische Werke des «français de référence». Die zusammengetragenen Materialien sind durch ihre Reichhaltigkeit gekennzeichnet. Neben semantischen stehen lexikalische und phraseologische Regionalismen oder auch Affixe wie anti- (42s.), neben der internen Kreativität sind vor allem zahlreiche Entlehnungen repräsentiert - der Untertitel «appropriation et créativité» ist somit vollauf gerechtfertigt. Die Auszählung der Lemmata s. H-J (465- 503) ergibt insgesamt ohne Verweislemmata 2 167 Artikel, so dass man das Inventar auf ca. 3650 Artikel hochrechnen kann, wobei die Zahl der Regionalismen erheblich größer ist, da in vielen Artikeln mehrere Elemente beschrieben werden. Die Makrostruktur des Wörterbuches ist alphabetisch, wobei angesichts nicht weniger graphischer Varianten die häufigste Graphie zur Lemmatisierung herangezogen wurde. Ein 349 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. dazu auch die Rezension von C. Frey, in: Glottopol 3 (2004): 189-94 (http: / / www.univ-rouen.fr/ dyalang/ glottopol/ telecharger/ numero_3/ gpl315frey.pdf). 2 Wobei allerdings zwischen bloßen Verweislemmata und solchen, die zusätzlich einen Zitatbeleg für eine Formvariante oder ein Synonym enthalten, differenziert werden müsste. Im Kontrollkorpus fallen immerhin 12 in letztere Kategorie, die vielleicht eine ungünstige Mischung aus reinem Verweis und lexikographischer Information darstellt. recht aufwendiges Verweissystem erschließt potentiell in verschiedenen Artikeln zu beschreibende Phraseologismen und auch Komposita. Dass diese ausgiebige Nutzung von sublemmatisierten Verweisen gewisse Defizite aufweist, sei an einigen Belegen dokumentiert: s. aller (27) wird für den Phraseologismus «aller au besoin, loc.verb. oral surtout» auf besoin verwiesen, wo er erneut registriert wird, aber ohne Bedeutungsbeschreibung und diamediale Markierung; s. boire (118s.) wird für die drei Phraseologismen «boire l’affront, boire la honte, boire le feu» (mit einem Zitat nur für boire l’affront) auf ibid. registriertes boire le feu verwiesen; s. bouche (130s.) werden 24 verbale Phraseologismen mit dieser Komponente registriert und überwiegend auch beschrieben, allerdings für blaguer la bouche nur auf blaguer verwiesen und fermer la bouche ‘se taire, faire silence mais aussi faire taire’ mit den Markierungen «fréq[uent], mésolecte, fam[ilier]» hier sublemmatisiert und s. fermer (384) nochmals, allerdings nicht mit exakt derselben Bedeutungsbeschreibung (‘se taire, fermer sa gueule’) und vor allem mit abweichenden Markierungen («fréq[uent], fam[ilier], sorte d’euphémisme, (calque des langues locales), oral, fam[ilier] [sic] tous milieux»). Hier wäre eine klarere Vereinheitlichung wünschenswert gewesen, zumal zwar s. fermer auf bouche, nicht aber umgekehrt s. bouche auf fermer verwiesen wird.Vollends nutzlos wird ein Verweis wenn s. à ‘en’ (1) unter 4. auf à bas âge, à l’absence de, à ce moment, à l’état, à son temps, à sa faveur verwiesen wird, es die Artikel absence, âge, état und faveur aber gar nicht gibt und nur s. temps der entsprechende Artikelbestandteil steht beziehungsweise man s. à 6. erfährt, dass à bas âge s. bas âge nachzuschlagen ist. Hier wäre mehr Einheitlichkeit geboten. Dass einige Artikel - so arachide (cf. TLF 3, 378) oder baobab (cf. TLF 4, 147s.) - Wörter behandeln, die in Referenz auf Schwarzafrika auch in Frankreich bekannt sind, mag man mit Argumenten wie Frequenz, anderer Semantik oder divergenten Gebrauchskontexten erklären. Die Mikrostruktur ist einfach und kompakt. Auf das Lemma (Fettdruck in Kleinschrift, so dass graphische Akzente notiert werden) folgt in der geringeren Zahl der Fälle eine Ausspracheangabe in API. Generalisiert sind dann die grammatische Information und ein elaboriertes Markierungssystem sowie anschließend die überwiegend paraphrasierende Bedeutungsangabe. Die weitaus meisten Artikel enthalten einen oder mehrere Zitatbelege. Bei komplexeren, sublemmatisierte Elemente aufweisenden Artikeln werden die Artikelbestandteile durch Numerierung gegliedert, Phraseologismen, Derivate, Synonyma, enzyklopädische Informationen und sonstige Kommentare werden durch spezielle Siglen in Fettdruck eingeleitet. Ob der fortlaufende Artikelblock vor allem bei Artikeln mit mehreren Zitaten für den Benutzer übersichtlich ist, sei dahingestellt, ebenso wie die Frage, ob man bei den vielen aus Zeitungen und Zeitschriften bezogenen Belegen nicht ebenso wie bei Zitaten aus Büchern die Seitenzahl hätte angeben sollen. Nicht immer sind alle Informationen explizit sublemmatisiert. So stehen s. accident (8) die phraseologischen Varianten faire accident und faire l’accident, nicht aber faire un accident, das man nur den Zitaten entnehmen kann. Auch semantische Informationen können auf Zitate verlagert werden, so s. bakara (76), wo die Bedeutungsangabe der Autorin (‘statuette de bois sculpté représentant une sorte de poupée à tête aplatie’) durch den Beleg ergänzt wird («des bakara, statuettes de fécondite portées sur les dos par les femmes stériles»). Einige Detailanmerkungen zu Artikeln s. A-B, die partiell über den Einzelfall hinaus auf Defizite verweisen 3 : (1) à ce moment wäre ein Archaismus laut GR («vieilli»), figuriert aber 350 Besprechungen - Comptes rendus 3 Benutzte Literatur (neben FEW, GLLF, GR und TLF): W. Bal et al. (ed.), Belgicismes. Inventaire des particularités lexicales du français en Belgique, Louvain-la-Neuve 1994; H. Bauche, Le langage populaire. Grammaire, syntaxe et dictionnaire du français tel qu’on le parle dans le peuple de Paris. Avec tous les termes d’argot usuel, Paris 3 1929; F. Caradec, N’ayons pas peur des mots. Dictionnaire du français argotique et populaire, Paris 1988; M. Grevisse, Le Bon Usage. Grammaire française. Refondue par A. Goosse, 13 e édition revue, Paris/ Louvain-la-Neuve 1993. noch unmarkiert in TLF und GLLF, so dass seine Behandlung als regiolektales Element fraglich ist; (3) abodan, abôdan mit einem Druckfehler in der Transkription [abcd ], vermutlich recte [ab O d ]; (8) s’accaparer de ‘accaparer’ ist beispielsweise auch ein Belgizismus (Bal 1994: 14, «connu aussi en France et au Canada»); (21) aider à qqn. ist ein auch in der Galloromania verbreiteter Archaismus/ Regionalismus (Grevisse 13 1993: 396s.) 4 ; (28) aller en grève (générale) ist seit dem 19. Jh. im Kanadafr. bezeugt, vielleicht handelt es sich in beiden Fällen um eine unabhängig erfolgte Lehnbildung nach dem Muster von engl. to go on strike; (48) apporter soutien ist in der hier beschriebenen allgemeinen Bedeutung ‘assister qqn.’ auch in Frankreich nicht unbekannt, zwar häufig in komplexen nominalen Kontexten (apporter soutien et aide, soutien et réconfort etc.), aber ebenso isoliert; (48) s’approprier de ist ein Archaismus (FEW 9, 460a, letztmals bei Malherbe nachgewiesen), der auch regiolektal (Schweiz) belegt ist; (60) attendre in der euphemistischen Bedeutung ‘être enceinte’ ist ein Belgizismus (Bal 1994: 20, «connu aussi en France»); (88s.) bar ‘dancing’ dürfte in seiner vom Binnenfr. abweichenden Semantik vom Englischen beeinflusst sein, sollte also als Anglizismus markiert werden; (93) bastonner ist fr. populaire in Frankreich (cf. Caradec 1988: 117 (se) bastonner ‘se battre’); (98) beaucoup als Adverbmodifikator ist ebenfalls im fr. populaire belegt (Bauche 1929: 138); (100) sowohl beloter als auch beloteur sind in Frankreich nicht unbekannt (cf. TLF 4, 375 s. belote). Sicher könnte man diese Bemerkungen fortführen, sie zeigen auf alle Fälle, dass es wünschenswert wäre, sich in der Beschreibung einer «nationalen» Variante (de facto sind nicht wenige der von Lafage registrierten Wörter außerhalb der Elfenbeinküste in Schwarzafrika bekannt) nicht nur auf selbige zu konzentrieren, sondern den geographischen Horizont zu erweitern, und dass Etymologie und Wortgeschichte der regiolektalen Lexik eindeutiger beschrieben werden sollten. Der Wortschatz des Französischen der Elfenbeinküste ist - abgesehen von Detailstudien, die man der Bibliographie von Lafage entnehmen kann - bereits in zwar umfänglichen, aber dennoch deutlich weniger gewichtigen Arbeiten beschrieben worden, im Wörterbuch von Duponchel (1975) und der Pariser Dissertation von Gouedan (2000), wobei letztere wohl zu spät für die vorliegenden Bände erschienen ist, jedenfalls vermisst man sie in der Bibliographie 5 . Insofern hat das Wörterbuch von Lafage gute Chancen, zu einem Standardwerk zu werden. Manch ein Kritikpunkt aus unserer Besprechung von Boucher/ Lafage (2000) (VRom 61 (2002): 348-53) ist hier erneut zur Sprache gekommen oder ließe sich im Zusammenhang mit den beiden formal ordentlich gemachten Bänden 6 wiederholen, bis hin zu Detailbemerkungen (z. B. hier [11] poser un acte, des actes); andererseits kann man Verbesserungen feststellen, so in der Gliederung der Mikrostruktur oder der partiellen Angabe der Aussprache. Man würde sich wünschen, dass auch in Arbeiten zum Afrikafranzösischen die Diachronie systematischere Berücksichtigung fände und die lexiko- 351 Besprechungen - Comptes rendus 4 Cf. dazu auch G. Lüdi, «Sémantique, syntaxe et forme casuelle. Remarques sur la construction aider à qn en français romand», VRom 40 (1981): 85-97. 5 L. Duponchel, Dictionnaire du français de Côte-d’Ivoire, Abidjan 1975, xxxiii + 295 p.; A. L. Gouedan, Particularités lexicales du français de Côte d’Ivoire,Thèse Université de Paris V-René Descartes 1998, Villeneuve d’Ascq [2000], 333 p. 6 Druckfehler bleiben nicht aus, halten sich aber anscheinend in Grenzen. Aufgefallen sind: s. acaïou (6) [.} ] [.]; s. accident (8) carrfour; s. awoulaba (69) Krol" 1994; s. besoin (102) aux(x) ] au(x); s. bouche 13./ 16. (131) caquet! , bouche! ; s. bouquiniste (136) jounaux ] journaux; s. bourrage (137) Méfie des bourrages ] Méfie-toi des bourrages (? ); s. bourrer (137) biilaner ] bilaner. Auch die Bibliographie kann Probleme bereiten. So sucht man dort beispielsweise das s. bossard/ bosse (126) in Zitaten erscheinende Campuslexique/ Campus lexique vergebens oder das in ihr richtig mit dem Publikationsjahr 1986 zitierte Buch von M. Rémy, La Côte d’Ivoire, erscheint s. bowé (138) mit der Jahresangabe 1996. graphische Beschreibung sich an der Qualität von DRF (2001) 7 orientieren würde. Zum Abschluss aber gilt es die Vorzüge des Lexique hervorzuheben: die Reichhaltigkeit seiner Makrostruktur und die im Verhältnis zu anderen Regionalismen-Wörterbüchern durchaus informative mikrostrukturelle Bearbeitung der Materialien. J. Lengert ★ Edmond Biloa, La langue française au Cameroun. Analyse linguistique et didactique, Bern (Peter Lang) 2003, 342 p. Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, einen Überblick über den Status und die Struktur des Französischen in Kamerun (fortan FK) (1. Teil, Kap. 1-8), charakteristische Merkmale ausgewählter Varietäten (2. Teil, Kap. 9-13) und die didaktischen Strategien und Probleme des schulischen und universitären Französischunterrichts (3. Teil, Kap. 14-16) zu liefern. Das Zielpublikum setzt sich aus «linguistes et sociolinguistes férus de parlers régionaux et, particulièrement, des parlers français d’Afrique subsaharienne», sowie «enseignants de français dans le monde francophone» und drittens «élèves et étudiants du Cameroun pour qui le français est une langue seconde ou une langue étrangère» (3) zusammen. Das erste Kapitel (Présentation générale du Cameroun) legt einige Fakten zur Demographie und territorial-administrativen Organisation dar und betont die geographisch-klimatische und ethnische Vielfalt des Landes. Gemessen an der Gesamtlänge (7-13) geraten dabei die Darstellungen einiger Sachverhalte deutlich zu lang, so etwa die landeskundliche Vertiefung in Form der prozentualen Anteile von Rindern, Schafen usw. in den traditionellen Viehzuchtgebieten und der Aufzählung von sieben Unterarten artisanalen Fischfangs, welche übrigens auch im Wortschatz-Kapitel (6) ohne Konsequenzen bleibt. Kapitel 2 (Le paysage linguistique camerounais) gilt u. a. der sprachlichen Vielfalt des Landes, in dem nach Angaben des Verf. drei von den vier großen afrikanischen Sprachfamilien vertreten sind. Nach einer Auflistung von deren Verzweigungen sowie von ca. 50 meist benutzten Sprachen (bedauerlicherweise ohne Sprecherzahleinschätzungen) und einer kurzen Vorstellung der wichtigsten Verkehrssprachen (Pidgin-Englisch, Fulfulde usw.) folgt eine von Zé Amvela 1 übernommene, in vier Etappen gegliederte Sprachgeschichte (mit wenig einleuchtender Korrelierung territorial-administrativer und demographischer Fakten (23): «La République du Cameroun comprend dix provinces dont huit sont francophones et deux anglophones. Ainsi, quatre-vingt pour cent de la population camerounaise a le français comme première langue officielle, tandis que l’anglais est la première langue officielle de vingt pour cent de la population.») und abschließend ein kurzer Beitrag zum Status der beiden offiziellen Sprachen Französisch und Englisch, der u. a. die Restriktivität der französischen Sprachpolitik gegenüber dem Gebrauch lokaler Sprachen zum Ausdruck bringt. Die Sprachpolitik Frankreichs bildet gleichfalls den Gegenstand des Kapitels 3 (La diffusion du français au Cameroun à l’époque coloniale), diesmal in Gegenüberstellung zu den sprach- und bildungspolitischen Maßnahmen der katholischen und protestantischen Missionen und mit einem Blick auf die Nachkriegszeit, die trotz des fortwährenden kirchlichen 352 Besprechungen - Comptes rendus 7 P. Rézeau (ed.), Dictionnaire des régionalismes de France. Géographie et histoire d’un patrimoine linguistique, Bruxelles 2001. 1 Zé Amvela, E. 1989: Reflexions on the social implications of bilingualism in the Republic of Cameroon, Annales de la faculté des lettres, Université de Yaoundé, série lettres, 5/ 2: 16-34.
