Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2004
631
Kristol De StefaniJacques de Bruyne, Spanische Grammatik. Übersetzt von D.-J. Gütschow, 2., ergänzte Auflage, Tübingen (Niemeyer) 2002, xxvi + 663 p.
121
2004
Andreas Schor
vox6310371
vergrößert hätte, sollten die Mutmaßungen des wohlwollenden Lesers/ Rezensenten weniger in Richtung «konzeptuelle Schwäche» gehen - vielmehr darf vermutet werden, dass ein solches Kapitel verlegerischen Imperativen zum Opfer gefallen ist. B. Pöll ★ Jacques de Bruyne, Spanische Grammatik. Übersetzt von D.-J. Gütschow, 2., ergänzte Auflage, Tübingen (Niemeyer) 2002, xxvi + 663 p. Die Spanische Grammatik von Jacques de Bruyne ist laut einer Fußnote «in der Hauptsache als Arbeitsmittel und grundlegendes Nachschlagewerk für Studenten und all diejenigen gedacht, die eine mehr als elementare Kenntnis von der Struktur und bestimmten typologischen Merkmalen des castellano anstreben» (xxv, N10). Sie will vor allem beschreibend sein und stützt sich hauptsächlich auf Texte von mehr oder weniger zeitgenössischen Schriftstellern und in geringerem Masse auf mündliche Zeugnisse. Die Grammatik von de Bruyne ist der strukturalistischen Schule zuzurechnen und lehnt sich in ihrem Aufbau eng an den Esbozo 1 an. Nach einer allgemeinen Einleitung über Alphabet, Aussprache, Betonung und Akzentsetzung sowie Satzzeichen werden die einzelnen Wortarten in je einem Kapitel behandelt. Nach diesem Hauptteil werden einige Besonderheiten der spanischen Sprache behandelt, die den Deutschsprechenden im Allgemeinen einige Probleme verursachen können: Die Verwendung von ser und estar, haber und tener, die Übersetzung der deutschen werden, lassen und müssen, die Zeitenfolge und die Kongruenz von Verb und Subjekt. Zwei Kapitel, eines über Wortbildung mit Hilfe von Suffixen und eines über die Wortstellung im Satz, runden die Grammatik von Jacques de Bruyne ab. Bei allen Phänomenen lässt der Autor es nicht nur bei einer traditionellen Beschreibung bewenden, sondern er zeigt auch Tendenzen, die im modernen Spanisch existieren, wie z. B. morphologische Vereinfachung. Besonderheiten des in Lateinamerika gesprochenen Spanischen wie der voseo werden ebenso erwähnt wie regionale Sprachvarianten innerhalb Spaniens, so zum Beispiel der im Baskenland verbreitete Gebrauch des condicional nach si (Si tendría dinero, compraría una casa), der vermutlich auf den Einfluss des Baskischen, wo der Konditional eben dazu dient, Bedingungssätze zu markieren, zurückzuführen ist. Es würde natürlich den Rahmen einer Rezension sprengen, wollte man die Grammatik in allen Einzelheiten besprechen. Deshalb werde ich mich damit begnügen, auf einige Punkte hinzuweisen, die mir beim Lesen aufgefallen sind. In den Vorbemerkungen wird darauf hingewiesen, dass gewisse Zitate aus Texten spanischer Autoren verkürzt wurden, um das Verständnis zu erleichtern und Platz zu sparen. Das sind legitime Anliegen. Wenn ein Satz La gente, frente a ellas, sonríe de lo atrasados que estaban nuestros abuelos e incluso nuestros padres, sin meditar en lo viejos que somos, y sobre todo, en lo deprisa que envejecemos, der aus Francisco Umbrals Werk Amar en Madrid stammt, verkürzt wird auf La gente sonríe, sin meditar en lo deprisa que envejecemos (xxv), kann man sich dennoch fragen, ob dieser Satz in dieser verkürzten Form noch dem bekannten spanischen Schriftsteller zugeschrieben werden kann. Platz hätte man auch sparen können, wenn man auf die Übersetzung spanischer Sätze in den Fußnoten verzichtet hätte: Ein Anfänger, der der spanischen Sprache noch kaum mächtig ist, wird sich kaum in das Studium dieser Anmerkungen vertiefen, und fortgeschrittene Lernende verstehen die Sätze auch im spanischen Original. 371 Besprechungen - Comptes rendus 1 Real Academia Española, Esbozo de una nueva gramática de la lengua española, Madrid 1973. Bei der Präposition por weist der Autor auch auf den Gebrauch in Beteuerungsformeln (por Cristo) hin, und schreibt, dass der Esbozo diese Möglichkeit nicht erwähne (352). Dies dürfte wohl daran liegen, dass dieser Gebrauch verwandt ist mit demjenigen von por zur Bezeichnung der Ursache und deshalb im Esbozo nicht als besondere Kategorie behandelt wird. In n° 1170 erscheint mir die Unterscheidung zwischen den Buchstaben b. (a trabajar) und c. (a desalambrar), deren erster einen Imperativ in der ersten Person Plural (machen wir uns an die Arbeit) und deren zweiter eine Art unpersönlicher Imperativ (Weg mit dem Stacheldraht) ausdrücken soll, etwas an den Haaren herbei gezogen; man könnte auch genauso gut übersetzen «An die Arbeit» und «Lasst uns den Stacheldraht niederreißen». Die Konstruktion haber de + Infinitiv wird nicht nur in Lateinamerika mit der Bedeutung eines Futurs gebraucht, diesen Gebrauch findet man in der spanischen Volkssprache. Ich erinnere mich daran, wie meine Zimmervermieterin in Pamplona (die weder lesen noch schreiben konnte) mich einmal fragte, wann ich meine Sardellen braten wolle - da ich noch nie Fische ausgenommen hatte, wollte sie mir zeigen, wie man das richtig macht. Ihre Frage lautete ¿Cuándo las has de freir? In diesem Satz brauchte sie haber de + Infinitiv eindeutig mit dem Wert eines Futurs. Ferner haben sich auch einige kleine Fehler eingeschlichen: Beim Hinweis auf das Verschwinden des intervokalischen d wird auf die Entwicklung -ades -áis, -ás; -edes -és, -éis; -ides -ís verwiesen (5, N13). Richtig müssten die Zeichen natürlich folgendermaßen gesetzt werden: -ades -áis, -ás, usw. In N22 auf Seite 144 ist ein Satz wiederholt: «Tatsächlich ist zu beobachten, dass dieser Gebrauch trotz der Missbilligung nicht weniger Grammatiker immer grössere Verbreitung findet. Häufig hört und liest man gegenwärtig auch veinteavo (für vigésimo)». Zwei falsche Verweise auf andere Nummern in der Grammatik sind mir aufgefallen: Anstatt auf die n° 255 und 256 sollte in n° 258 eher auf 256 und 257 verwiesen werden, in n° 292 wird auf n° 32 anstatt 33 verwiesen. Die Fußnoten 72s. auf Seite 358 sind etwas durcheinander geraten, ihre Reihenfolge stimmt nicht, und auf Seite 488 spricht man gar von «Fußnummer» anstatt von Fußnote. Diese Fehler müsste man bei einem allfälligen Neudruck korrigieren. Bei der Übertragung der Grammatik ins Deutsche konnte sich der Übersetzer nicht nur damit begnügen, einfach den Text von de Bruyne zu übersetzen. Er musste ihn vielmehr anpassen an die Probleme der Deutschsprachigen, denn auch wenn die Probleme für Niederländischsprechende in vielen Fallen ähnlich sein dürften (ser und estar, Übersetzung von werden), lassen sich die Erklärungen der Unterschiede vermutlich nicht einfach im Maßstab eins zu eins in die andere Sprache übertragen. D.-J. Gütschow ist es jedoch gelungen, eine Fassung auszuarbeiten, die dem Deutschsprechenden die Unterschiede zwischen seiner Muttersprache und dem Spanischen gut verständlich aufzeigt. Der deutsche Text liest sich gut; ein einziges Mal bin ich etwas gestolpert: Am Anfang des Buches liest man in einer Fußnote den Hinweis auf «das Diccionario de uso del español von María Moliner» (xxiii, N4). Nach Duden ist das sächliche Genus (in Anlehnung an «das Wörterbuch» oder «das/ der Diktionär») hier nicht falsch, spontan hätte ich eher «der Diccionario . . .» geschrieben. Die Bibliographie ist knapp, aber die wichtigsten spanischen Grammatiken werden aufgeführt. Ein Register am Schluss des Buches hilft einem beim Nachschlagen. Durch die obigen Bemerkungen, Kritiken und Hinweise auf Fehler soll der Wert dieses Werks keineswegs geschmälert werden. Nach meinen Kenntnissen existiert im deutschen Sprachraum keine andere Grammatik der spanischen Sprache, die sich punkto Ausführlichkeit mit dem besprochenen Buch messen kann. A. Schor ★ 372 Besprechungen - Comptes rendus