eJournals Vox Romanica 64/1

Vox Romanica
vox
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Francke Verlag Tübingen
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2005
641 Kristol De Stefani

Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert

121
2005
Jürgen  Storost
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Vox Romanica 64 (2005): 110-120 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert Anacharsis Cloots (1755-1794), Prussien francophile et francophone, citoyen français dès 1792, avait participé au concours de l’Académie des Sciences de Berlin que celle-ci avait lancé en 1782 pour susciter des contributions à la question, à l’époque très discutée, des causes et de l’avenir de l’universalité de la langue française. Son court manuscrit qui se présente plutôt sous forme de thèses, n’a pas été récompensé (les lauréats, il est connu, étaient Rivarol et Schwab) et disparaît dans les caves de l’Académie où il est maintenant dans un état lamentable, puisque très endommagé. Cependant Cloots l’a publié en 1785 dans son livre intitulé Les Vœux d’un Gallophile qui est une déclaration d’amour pour Paris, ses habitants, la culture et la langue françaises. Storost 1994 n’avait pas pu faire imprimer le texte de Cloots tel quel car l’état du manuscrit ne le permettait que partiellement. De plus, il n’avait pas reconnu que l’auteur en était Anacharsis Cloots. Le présent article comble cette lacune: il publie le texte de Cloots, le commente et le place dans la perspective de la discussion en cours sur l’universalité de la langue française. Die Universalität des Französischen bildete einen Topos insbesondere des 17. und 18. Jahrhunderts sowohl in Frankreich als auch im europäischen Rahmen. Die französische Sprache als Kulturgut und Lebensart erfuhr zunächst ihre Sublimierung im Mutterland selbst. Frankreich und Italien waren seit dem 16. Jahrhundert maßgebend für Galanterie, Etikette, Höflichkeit, Manieren und Konversation. Die Art des honnête homme mit seiner geschliffenen Eleganz und französischer Provenienz, Lebensart und Erziehung strahlte über Europa. Seine Konversation, eigentlich frei von Alltäglichem und Grobschlächtigem, von Pedantischem und Satirischem, vergegenständlichte sich beispielsweise in den zumeist von Damen der Gesellschaft geführten Salons. Das 18. Jahrhundert weichte diese Strenge allerdings zugunsten der leichten Vergnüglichkeit auf. Nach diesem Muster richteten Adlige und gebildete Bürgerliche auch in den deutschen Ländern ihr Leben aus; hinzu kam die breite Basis des Hugenottentums mit seinen Gewerken, Geschäften und Industrien. Zudem wurde die Wissenschaft gerade unter sprachlichem Aspekt auf eine französische Grundlage gestellt. In Preußen hatte Friedrich II. eine französische Erziehung genossen, die ihn zur französischen Aufklärung führte und hier starke Bindungen entstehen ließ. Allerdings war sich Friedrich auch der Tatsache bewusst, dass dieses außerhalb Frankreichs, in Preußen gepflegte Französisch nicht so gut oder korrekt war, wie es hätte sein müssen. Deshalb duldete und förderte er in seinem Land in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch Sprachkritiker wie Prémontval oder Laveaux, die kein Blatt vor den Mund nahmen, schonungslos Sünden wider die französische Sprache brandmarkten und auch nicht vor ehrwürdigen Persönlichkeiten wie Wissenschaftlern und Akademiemitgliedern einhielten. Dieser Niedergang der Sprachkultur in der Romania borussica verlief parallel mit dem Missfallen, das Friedrich gegenüber der französischen Spätaufklärung 111 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert empfand, die nicht mehr nur den Klerus, sondern auch die staatlichen Grundlagen der Monarchie angriff. Symptomatisch mag hier der Essai sur les préjugés von 1770 stehen, der von Holbach unter dem Pseudonym Dumarsais veröffentlicht worden war. Dazu kam, dass der von Friedrich so geschätzte Voltaire im Jahre 1778 verstorben war. Zudem drängte der preußische Patriot und Minister Hertzberg seinen König, sich doch einmal mit der deutschen Sprache und Literatur zu beschäftigen. Das war sicher ein schwieriges Unterfangen, da Friedrich seine Bekanntschaft mit der deutschen Literatur um 1740 eingestellt und danach auch die deutsche und vor allem die Berliner Aufklärung ebenso wie die moderne deutsche Literatur nicht zur Kenntnis genommen hatte. Es entstand immerhin Friedrichs kleine Schrift De la Littérature allemande von 1780, die des Verfassers eklatante Wissenslücken offenbarte, aber bemerkenswerterweise der deutschen Sprache eine große Zukunft in der Nachfolge des Französischen zusprach. In vornehmer Zurückhaltung engagierte sich der Sekretär der Classe de Belles- Lettres der Berliner Akademie der Wissenschaften, der Schweizer Philosoph Johann Bernhard Merian (1723-1807), schon in den siebziger Jahren des 18. Jahrhundert in Fragen zur universellen Position des Französischen, was schließlich im Jahre 1782 in eine Preisfrage der Akademie einmündete, die den Gründen für die Universalität des Französischen nachspüren wollte und die Frage nach der künftigen Stellung dieser Sprache aufwarf. Die genaue Fragestellung lautete im Jahre 1782 so: Qu’est-ce qui a fait de la langue française la langue universelle de l’Europe? Mérite-t-elle cette prérogative? Peut-on présumer qu’elle la conserve? Deutete sich mit dieser Problematik schon an, dass die Herrschaft des Französischen in der Romania borussica zur Rüste ging? Kann es sein, dass die deutschsprachige Berliner Aufklärung deutlicher zur Geltung kam? Es wird sich weisen. Die Weichen waren gestellt. Unmittelbar nach Friedrichs Ableben im August 1786 wird das deutsche Element in der Berliner Akademie entscheidend gestärkt werden. Lediglich infolge der französischen Revolution von 1789 wird es retardierende Momente im Sinn der Wahrung französisch-monarchischer Tradition an der Akademie geben, Jahre, die im Gefolge des sich anbahnenden romantischen Patriotismus und der Freiheitskriege bald dahingingen. Die hier in Rede stehende Preisfrage wurde auch in der damals vielgelesenen Gazette littéraire de Berlin publiziert, die ebenfalls in Frankreich ihr Publikum hatte, so mit Sicherheit auch im Salon de conversation der Madame de Cheminot 1 , in 1 Madame de Cheminot, die von Louis XVI gefördert und vom Prinzen von Condé hofiert wurde, hatte ihren luxuriösen Salon in der rue Neuve-des-Mathuriens in Paris. In diesem Salon, der auch wegen der von ihr gegebenen Dîners gerühmt war, verkehrten zunächst nur Herren; erst später waren auch Damen zugelassen. Cf. zu Cheminot: Félix Feuillet de Conches (1798- 1887), Les salons de conversation au dix-huitième siècle, Paris 1882. Feuillet de Conches beschrieb die Hausdame als charmant, aber von primitiver Erziehung sowie freudegewinnend mit schlüpfrigen Einlassungen und fügte hinzu: «A soixante ans, elle aimait encore à déployer ses grâces, à danser des menuets, à chanter des légendes galantes et des chansons un peu grassettes» (p. 199). 112 Jürgen Storost dem berühmte Namensträger wie unter anderen Diderot, Raynal, d’Alembert, Holbach, Cerutti, Beaumarchais, Guinguené und eben der künftige Preisträger Rivarol verkehrten; so finden wir dort auch den deutschen Gallophilen, wie er sich selbst nennen wird, Anacharsis Cloots. Ohne Zweifel wurde im Salon Cheminot über die Frage der Akademie diskutiert. Das Schicksal dieser Preisfrage und der Antworten zeichnete Storost 1994 nach. Es ging in Berlin eine ganze Reihe von Zuschriften ein, von denen zwei ex aequo ausgezeichnet wurden (Rivarol und Schwab), während der Rest in seiner Anonymität im Archiv der Akademie deponiert worden ist, es sei denn, dass die Verfasser ihre Antworten selbst im nachhinein veröffentlicht haben. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlitten diese Manuskripte zum Teil umfassende Schäden durch Alterung und Wasser, so dass sie mitunter nicht mehr ausgewertet werden können. Der Publikation und Untersuchung dieser Schriften, die oftmals interessante analytische Ideen bargen, war das genannte Buch von Storost bestimmt. Die Manuskripte von Rivarol und Schwab wurden 1784 nach ihrer Krönung zum Druck gegeben und befinden sich nicht mehr im Akademiearchiv. Das gleiche Schicksal teilte ein Manuskript, das zu spät in Berlin eintraf, im nachhinein ebenfalls als auszeichnungswürdig angesehen und schließlich von seinem Verfasser zurückerbeten wurde. Dieses letztere Manuskript konnte Storost in der Bibliothèque municipale von Bordeaux einsehen und es schließlich mit Einführung und Kommentar zum Druck geben (cf. Storost 2000). Zudem versuchte Storost die Anonymität der Verfasser aufzulösen, was beim Erscheinen des Werks noch nicht zu hundert Prozent gelungen war. Weitere Forschungen führten schließlich dazu, dass Storost 2001 in seiner Geschichte der romanischen Sprachen und Literaturen, wie sie im Blickfeld der Akademie lagen, auch die restlichen Autoren mitteilen konnte. Von dem bemerkenswerten Wissenschaftshistoriker François Labbé 2 wurde Storost im Jahre 2003 auf das Werk Vœux d’un Gallophile (Amsterdam 1786) von Jean-Baptiste, baron de Cloots du Val-de-Grâce, aufmerksam gemacht, in dem dieser Verfasser seine Antwort auf die Berliner Preisfrage von 1782 abdruckt (p. 155- 59), die bei der Preiszuerkennung unberücksichtigt geblieben war. Damit stellte sich erfreulicherweise heraus, dass Storost einer Täuschung aufgesessen war, als er die Autorenschaft des stark beschädigten Manuskripts dem damaligen Berliner Französisch-Professor und Sprachkritiker Laveaux zuordnete. Mit großer Dankbarkeit für die Mitteilung, die im Interesse der Wissenschaft einen Erkenntniszugewinn bringt, soll an dieser Stelle nun der vollständige, skizzenhafte, daher knappe Text abgedruckt werden, wie ihn der Autor selbst veröffentlicht hat. Der Tatsache, dass das Manuskript so gewaltige Schäden aufweist, dass es nicht mehr 2 Prof. Dr. François Labbé (*1948), Direktor der französischen Sektion des Französischen Gymnasiums in Freiburg i. Br. Promotion in Rennes im Jahre 1975 mit der Arbeit Le message maçonnique au XVIII e siècle (maschinenschriftlich). Zunächst Lehrer in der Bretagne, dann höherer Mitarbeiter in der zentralen Schulverwaltung des Elsaß. 113 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert im Zusammenhang gelesen werden kann, ist es geschuldet, dass an dieser Stelle kein Abdruck des Berliner Originalmanuskripts vorgelegt werden kann; es stellte sich auch heraus, dass Cloots seinen Text bei der Publikation geringfügig verändert hat. Das Manuskript lag übrigens Brunot noch unbeschädigt vor, als dieser es zur Auswertung für seine Geschichte vor Augen hatte. Die Zitate Brunots sind in der Schreibweise jedoch modernisiert und zum Teil ungenau abgeschrieben, so dass sie für eine Ausgabe auch nicht herangezogen werden können. Wer war nun Cloots? Bei näherer Betrachtung findet man eine umfangreiche Bibliographie dieses Mannes, der sich insbesondere durch seine Mitwirkung an der französischen Revolution, seine diesbezüglichen Reden und Schriften sowie durch originelle Ideen im Sinn eines nahezu utopischen Kommunismus einen Namen gemacht hat. Das Modernste und Gründlichste der Forschung sind François Labbé geschuldet, der sich unter anderem zu einem Cloots-Spezialisten entwickelt hat (cf. Labbé 2000a, 2000b, 2001). Johann Baptist Cloots 3 wurde am 24. Juni 1755 im Schloss Gnadenthal bei Kleve im preußischen Rheinland als Sohn des finanziell vermögenden, früheren Amsterdamer Reeders Thomas Franziskus Cloots (1720 Amsterdam-1767 Brüssel) geboren, der neben anderen Gründen als strenger Katholik das protestantische Holland verlassen und jenes Schloss bei Kleve im preußischen Rheinland gekauft hatte. Der Vater wurde von Friedrich II. zum Geheimrat ernannt und machte sich beim europäischen Adel unentbehrlich als Ratgeber und Finanzier; Maria Theresia verlieh ihm das Adelsprädikat. Die Mutter war die Schwester des berühmten Cornelius de Pauw 4 , der als Kanonikus (ab 1761, aus Utrecht kommend) an der Xantener Domkirche wirkte und sich als Schriftsteller, Gelehrter und Philosoph einen Namen gemacht hatte. Er sollte eine Art Mentor des jungen Cloots werden. Gemäß der in Preußen vor allem auch in Adelskreisen gepflegten Frankophilie und -phonie erhielt Johann Baptist eine fundierte französische Erziehung. Selbst der Name lautete nunmehr: Jean-Baptiste, baron de Cloots du Val-de-Grâce, wobei Val-de-Grâce die französische Entsprechung für Gnadenthal ist. Zur Erziehung auf jesuitischer Basis schickte der Vater seinen Sohn nach Brüssel (1764), nach Mons und nach Paris (ca. 1766) an den weithin renommierten Collège du 3 Cf. auch Stern 1914 und Mortier 1995. 4 Cornelius de Pauw (1735 Amsterdam-1799 Xanten): Hauptwerk: Recherches philosophiques sur les Américains, ou, Mémoires intéressants pour servir à l’histoire de l’espèce humaine, Berlin 1768. Neuauflage in Berlin 1771, augmentée d’une Dissertation critique par Dom Pernety. Neuauflage Cleve 1772: Nouvelle édition corrigée et considérablement augmentée. Weitere Auflage in London 1774. Mit klimatheoretischen Argumenten begründete de Pauw den Barbarismus, die Degeneration und die Zurückgebliebenheit der amerikanischen Ureinwohner. Dieser rassistische Antiamerikanismus war im 18. Jahrhundert schon in Buffons Dégénération des animaux von 1766 angelegt, wiewohl noch nicht vollzogen; De Pauw war da schon entschiedener und beeinflusste auch Raynals Histoire des deux Indes (cf. zu diesem Problemkreis Roger 2002). - 1775/ 76 wirkte de Pauw bei Friedrich II. als Vorleser. Im Jahre 1792 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft; er galt als ein Wegbereiter der französischen Revolution. 114 Jürgen Storost Plessis-Sorbonne, der insbesondere humanistisch-klassische Bildung vermittelte. In Paris hatte der Schüler schon erste Kontakte zur antiklerikalen französischen Aufklärung. Und am 15. August 1770 5 trat der Fünfzehnjährige ohne Zweifel auf Veranlassung seines in Berlin tätigen Onkels de Pauw in die Berliner Académie des nobles ein, die in dem zu absolvierenden Triennium (Cloots ging am 1. März 1773 ab) ein besonderes Gewicht auf die französische Sprache legte. In dieser höheren Militärschule sollten geeignete Adlige für eine Offiziers- oder Diplomatenlaufbahn vorbereitet werden. Der Lehrplan enthielt neben Militärpraktika Mathematik, Geographie, Geschichte, Physik, Chemie, Russisch und eben Französisch. Die Lehrkräfte für die Realien und Geisteswissenschaften rekrutierten sich zumeist aus der Berliner Akademie der Wissenschaften. So unterrichteten Jean- Alexis Borrelly (16. 8. 1738 Salernes [Var] - 2. 5. 1815 Salernes; ab 1771 in der Nachfolge des verstorbenen François-Vincent Toussaint [geb. 21. 12. 1715 Paris]) Rhetorik, Logik; Dieudonné Thiébault (26. 12. 1733 La Roche [Remiremont] - 5. 12. 1807 Versailles) französische Grammatik; Jakob Weguelin (19. 6. 1721 Sankt Gallen - 7. 9. 1791 Berlin) Geschichte und Geographie; Johann Georg Sulzer (16. 10. 1720 Winterthur - 25. 2. 1779 Berlin) Philosophie (Metaphysik); Jean de Castillon (15. 1. 1708 Castiglione - 11. 10. 1791 Berlin) Mathematik und Astronomie. Die Einführung in griechische, lateinische und französische Literatur erfolgte ebenfalls durch Borrelly in französischer Sprache. Durch den dreijährigen Berlinaufenthalt baute sich Cloots eine gewisse Beziehung zu der preußischen Metropole auf. Seine geistige Bildung machte weitere Fortschritte; ohne Zweifel kam er mit der deutschen und französischen Aufklärung in Berührung; gerade die französische Spätaufklärung dürfte für ihn bestimmend gewesen sein. Mehrere Stränge flossen in dem jungen Cloots zusammen: da war zum einen die notorische jesuitische Erziehungsstrenge, die schon manchen jungen Menschen dem Katholizismus abhold werden ließ. Zum anderen erreichte die Aufklärungsliteratur mit Holbachs Essai sur les préjugés von 1770 einen Höhepunkt, in dem die vermeintlichen Privilegien des Adels (Cloots wird seinen Adelstitel bald ablegen), der Monarchie und des Klerus auf heftige Art und Weise attackiert wurden. Dieses spätaufklärerische Werk trug ohne Zweifel auch dazu bei, dass sich Friedrich II. in zunehmendem Maße von der französischen Literatur und von der Aufklärung abgestoßen fühlte. Die Aussicht auf eine militärische Laufbahn behagte dem jungen Cloots nicht. Er verließ Berlin mit allen Voraussetzungen für einen militanten Atheismus und Pazifismus sowie mit einem ungebrochenen Streben nach Wissenszuwachs und Bildung. Schließlich legte er selbst seine Vornamen ab und nannte sich künftig Anacharsis Cloots nach dem bildungsbeflissenen Skyten, der zur Zeit Solons Griechenand auf der Suche nach Weisheit bereiste 6 . 5 Cf. Friedlaender 1854: 336. 6 Die Anacharsis-Geschichte war ein vielbeachtetes Thema zu der Zeit. Im Jahre 1788 erschien in Paris das Werk Voyage du jeune Anacharsis en Grèce in vier Bänden von Jean-Jacques Barthélemy (20. 1. 1716 Cassis - 30. 4. 1795 Paris). 115 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert Nach der Berliner Schule pendelte Cloots zwischen Paris und Gnadenthal, wo ihm eine reiche, gut sortierte Bibliothek für die geistige Vervollkommnung zur Verfügung stand. In Paris, wo auch Verwandte lebten, verkehrte er in gebildeter Gesellschaft, in Salons und lernte Rousseau, möglicherweise auch Voltaire kennen. Da Cloots nach dem Ableben des Vaters aller finanziellen Probleme bar war, konnte er ganz seinen Interessen und Neigungen leben. Im Jahre 1784 ließ er sich endgültig in Paris nieder, und die Reisen nach Gnadenthal wurden seltener. Das Pariser Leben hielt ihn völlig gefangen, und sein Buch Les Vœux d’un Gallophile von 1785 kann als eine Liebeserklärung an Paris, dessen Bewohner und die französische Sprache angesehen werden. Der Autor bewundert die französische Kultur und den französischen Genius. Wie gern sähe er Frankreich und Preußen Hand in Hand auf dem Weg zu einem universellen, einem Weltfrieden; und er bedauert, dass sich Deutschland infolge der Kleinstaaterei nicht zu gleicher Größe wie Frankreich erheben kann. In dem französisch-preußischen Zusammengehen glaubt Cloots die Basis für eine Weltrepublik mit Paris als Hauptstadt und dem Französischen als Amtssprache zu erkennen (cf. Labbé 2000b: 265-74). Da hier Cloots’ Antwort auf die Berliner Preisfrage in den Mittelpunkt gerückt wird, müssen wir es uns versagen, über eine simple Andeutung hinaus auf das philosophische, spätaufklärerische Gedankengut von Cloots und dessen utopische Konsequenzen einzugehen. Das Hauptübel der Menschheit sah Cloots ganz im Sinne Holbachs im Aberglauben, in den Vorurteilen und in religiöser Strenge begründet. Der Weg zur Überwindung von Aberglauben, Vorurteilen und Unmündigkeit eröffnet sich für Cloots mit einem Grundanliegen der Aufklärung, der konsequenten Anwendung von Verstand und Denken. Cloots macht zwei Hauptursachen für die herrschende Universalität des Französischen aus, eine historische und eine zeitgenössische, zu denen sich eine Vielzahl sekundärer Faktoren gesellt. Der historische Aspekt wird in einer Epoche angesiedelt, in der die französische Sprache und Kultur bereits einen hohen Ausprägungsgrad erlangt hatten: gemeint ist die Ära der Kreuzzüge, die stark vom französischen Engagement geprägt waren und mit denen die französische Sprache in das östliche Mittelmeer (Levante) getragen wurde. Den modernen Aspekt siedelt Cloots bei den als vorbildhaft empfundenen französischen Künsten (Kultur, Lebensart) und Wissenschaften der Gegenwart an. Dabei rückt der Autor den vermeintlich unterentwickelten Stand anderer europäischer Sprachen ins Blickfeld; dieser habe zur Übernahme der französischen Sprache geführt. Zudem führt Cloots den hohen kulturellen Rang des Jahrhunderts Ludwigs XIV. ins Feld, exemplarisch für viele Höfe Europas, die Ludwigs Hof mit seiner Prachtentfaltung imitierten, das französische Militärwesen bewunderten und die französischen literarischen Leistungen im Original kennenlernen wollten. Der Preuße Cloots erkannte überdies die Bedeutung der Hugenotten bei derVerbreitung der französischen Lebensart und Sprache im außerfranzösischen Europa. Nicht zuletzt haben der Charakter des Franzosen, seine Liebenswürdigkeit und 116 Jürgen Storost Jovialität, Geschmack und Mode zu dem Wunsch nach Imitation und Kenntnis dieser Kultursprache beigetragen. Die Sprache selbst bot sich als klare und gefällige Umgangssprache an: das Kriterium bildete für Cloots deren gemeinhin empfundene conversabilité. Die Sprache war im Preußen Friedrichs eingeführt, und Friedrich bevorzugte die französische Literatur, französische Literaten und frankophone Wissenschaftler in seinem Umfeld, so dass sich im 18. Jahrhundert in Preußen und den anderen deutschen Ländern gleichsam eine «Außenstelle» Frankreichs herausgebildet hatte, wobei Cloots insbesondere die Bedeutung der Berliner Akademie der Wissenschaften heraushob, die sich bei ihren Verhandlungen des Französischen bediente und damit einen Weltruf erlangen konnte. Und schließlich weist Cloots auch auf den Einfluss Frankreichs und des Französischen in Russland hin. Konkurrenten des Französischen hätten in Cloots Sicht das Spanische und Italienische sein können. Allein diesen Gedanken vertieft er nicht. Die Bedeutung des Spanischen sieht der Autor in der spanischen Monarchie, während das Italienische auf die Rolle des italienischen Theaters reduziert wird. Mit Blick auf die Zukunft der universellen Bedeutung des Französischen ist Cloots der Auffassung, dass die französische Sprache ihre Rolle solange uneingeschränkt behaupten kann, wie sie in Frankreich gesprochen wird. Die ins Feld geführten Ursachen seien nach wie vor gültig, so dass das Französische weiter lebensfähig und vorbildhaft bleiben wird, wofür als Beweis der jüngste Einfluss oder die neuere Verbreitung der französischen Sprache in Amerika herangezogen wird. Kurze Zeit später wird Cloots diesen weltumspannenden Gesichtspunkt der Bedeutung des Französischen in die Idee einer Weltrepublik unter französischer Führung einfließen lassen. In der skizzenhaften Zuspitzung stellt die Antwort Cloots’ auf die Berliner Preisfrage eher eine Art Thesenpapier dar, das in Ermangelung einer Vertiefung der angeführten Kriterien kaum Aussicht auf eine Preiszuerkennung gehabt haben dürfte. Lesen wir also im Nachfolgenden den Text, wie Cloots ihn im Jahre 1785 in seiner Hommage an Frankreich selbst publiziert hat. Er nannte zunächst den Wortlaut der Preisfrage und fuhr dann fort: «Coup-d’œil sur cette question intéressante. J’apperçois deux causes principales de l’universalité de la langue française. 1°. Les croisades auxquelles la France eut toujours la plus grande part & dont elle recueillit les meilleurs fruits, répandirent sa langue dans tout le levant. 2°. Les arts & les sciences, qui furent apportés dans le Nord par le canal de la France, nous ont rendu la grammaire de nos instituteurs presqu’indispensable. 3°. La barbarie de nos langues septentrionales encore ébauchées dans le siècle dernier. Nous adoptâmes une langue plus épurée, comme nos ayeux grossiers adopterent une religion plus épurée. Le Goth, vainqueur du Romain, le Tartare, vainqueur du Chinois, le Turc, vainqueur du Sarrazin, se soumirent aux loix des vaincus, par la même raison qui donna tant d’ascendant à la maréchale d’Ancre 7 sur l’esprit de la reine Marie de Médicis. 4°. Le brillant 7 Leonora Dori, genannt Galigaï (1580-1617), Gemahlin (1601) von Concino Concini (1575- 1617), dem späteren (1613), aus einem Florentiner Senatorengeschlecht stammenden Maréchal 117 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert & glorieux siecle de Louis XIV, où la France étonna l’Europe entiere par la générosité & la munificence de son Roi, par le faste & l’élégance de sa cour, par les victoires de ses armées, par les travaux de ses artistes, par les chef-d’œuvres de ses littérateurs, par ses triomphes en tout genre. L’étranger desira connoître & goûter les productions admirables des Corneille, des Racine, des Moliere, des Boileau, des Fénélon, des Fontenelle, des la Fontaine, des la Bruyere & de tant d’autres écrivains illustres. Une telle jouissance devoit être achetée par l’étude de la langue française. 5°. La révocation de l’édit de Nantes qui, dispersant six à sept cent mille Français loin de leur patrie, donna une facilité singuliere aux étrangers de se procurer d’excellens maîtres pour apprendre l’idiôme de Louis le grand, de Louis qui étendoit une main libérale sur toute la république des lettres. 6°. L’amabilité, la sociabilité, l’urbanité si naturelles au François, son caractere insinuant, son humeur joviale, ses manieres aisées, son goût exquis, ses modes séduisantes, ses moyens de plaire, son penchant pour la galanterie, ses conquêtes en amour, firent desirer ardemment de posséder la langue d’une nation si charmante. Les meres & les filles l’apprirent par coquetterie, & les hommes naturellement durent suivre l’exemple des femmes. 7°. La beauté, la conversabilité de cette langue, sa douceur, sa clarté, sa simplicité, sa régularité; point d’inversion, point de surabondance, point de confusion; ce qui fait qu’on l’apprend aussi facilement (purisme à part) qu’on souhaite impatiemment de l’apprendre. 8°. Le regne à jamais mémorable de Frédéric le grand dans les états duquel les plus fameux auteurs françois se sont fait gloire de demeurer & de répandre abondamment les fleurs & les fruits de la plus excellente littérature. Les Voltaire, les Nivernois 8 , les Maupertuis, les d’Arnaud 9 , [ 10 ], les Toussaint 11 , les Rousseau, les Formey, les Thibaut 12 , les d’Ancre. Sie war die Milchschwester von Maria di Medici, der nachmaligen Frau von Henri IV. Auf Maria hatte sie einen starken Einfluss, den die Zeitgenossen mit Astrologie und Hexerei erklärten. In dem Prozess, der ihr gemacht wurde und der mit ihrer Enthauptung endete, erklärte sie ihren Einfluss damit: «Mon charme fut celui des âmes fortes sur les esprits faibles.» 8 Louis-Jules Mancini Mazarini, duc de Nivernais oder (in zeitgenössischer Schreibweise) Nivernois (1716-98), französischer Diplomat und Literat, 1743 Mitglied der Académie française, später auch der Académie des inscriptions. Gesandter in Rom, Berlin (1755) und London. 1756 wurde er Auswärtiges Mitglied der Berliner Akademie. Er schrieb Lieder, Romanzen, Fabeln, leichte Gedichte; er imitierte und übersetzte klassische griechische und römische Autoren. 9 François-Thomas-Marie de Baculard d’Arnaud (1718-1805), Dramatiker und Literat; durch Protektion Voltaires rief ihn Friedrich II. 1750 nach Berlin, wo er Ordentliches Mitglied, 1751 Auswärtiges Mitglied der Akademie wurde. 1751, von Voltaire verspottet, entließ ihn Friedrich, und über Dresden ging er nach Paris zurück. 10 Im Vergleich mit dem Originalmanuskript fehlt an dieser Stelle (cf. das Zitat bei Brunot) die Einfügung «les d’Argens». Jean-Baptiste de Boyer, marquis d’Argens (1704-71) stammte aus der Provence; er war Schriftsteller, Vorgänger von Merian als Direktor der Classe de Belles-Lettres der Akademie, zu deren Ordentlichem Mitglied er im Jahre 1744 ernannt worden war. Seit 1740 fungierte er als Kammerherr bei Friedrich II. 11 François-Vincent Toussaint (1715-72), Literat. 1764 Ordentliches (seit 1751 schon Auswärtiges) Mitglied der Berliner Akademie. Seit 1764 arbeitete er als Professor für Logik und Rhetorik an der Kriegsschule in Berlin. 12 Jean-Charles Thibaut de Laveaux (1749-1827). In der biographischen Literatur findet man unterschiedliche Schreibweisen dieses in Troyes geborenen Verfassers: Thiébaud de Laveaux, Thiébault de Laveaux, Thibaulz Laveaux. In der Regel steht auf den Titelblättern seiner Werke de Laveaux. Eine Nachforschung im Acte de baptême, der sich in der Bibliothèque municipale de Troyes befindet, brachte zu Tage, daß er am 17. September 1749 als Jean Charles Thibaut geboren wurde (der Vater hieß Charles Thibaut). Nach den Studien in Paris nahm die Regenz der Universität Basel Laveaux, der hervorragend deutsch gesprochen haben soll, als Civis Academicus auf und gestattete ihm, dass er zu seiner Sicherheit als Proselyt den Namen de la Veaux anneh- 118 Jürgen Storost Borelli 13 , les Bitaubé, les d’Alembert, les Raynal 14 , je ne finirois pas en les désignant tous, ont vécu sous les auspices de l’étonnant monarque qui lui-même est un des beaux génies du parnasse français. La Prusse & l’Allemagne, le Nord & le Midi voulurent lire Frédéric, voulurent s’instruire à l’école de Frédéric & toute l’Europe sçut la langue française. 9°. La restauration de l’illustre académie de Prusse, qu’on peut considérer comme une académie française depuis que ses mémoires sont écrits en français. Une compagnie de grands hommes qui adopte aux bords de la Sprée une langue usitée aux bords de la Seine, ne contribue pas peu à faire désirer à tout le monde la connoissance de cette langue, préliminaire indispensable pour assister à vos séances, Messieurs; pour lire vos mémoires, Messieurs; pour marcher sur vos traces, Messieurs; Quelle puissante recommandation! 10°. La grande révolution de l’empire de Russie sous Pierre I, qui liant les intérêts réciproques de tous les états de l’Europe à ceux des Russes, obligea le corps diplomatique de renoncer au latin, en faveur d’une puissance du rit[e] grec: on choisit la langue vulgaire la plus goûtée; aussi les dernieres négociations, les derniers traités de paix entre les peuples de la chrétienté se sont-ils faits en français. men dürfe. In Basel unterrichtete er bis 1780 Französisch. Kurze Zeit lebte er in Hamburg, bevor ihn Friedrich II. im Jahre 1782 als Lehrer für französische Sprache und Literatur nach Berlin rief. In Berlin machte sich Laveaux höchst unbeliebt, als er ohne Unterschied die Französischkenntnisse von Deutschen und Franzosen in Frage stellte - was übrigens von Friedrich durchaus mit Wohlwollen beobachtet wurde. Laveaux griff rücksichtslos und undiplomatisch alles an, was ihm nicht genehm war. Opfer Laveaux’ war eine Reihe von Akademiemitgliedern in der Schrift Leçons de langue françoise, données à quelques Académiciens et autres françois de Berlin. Par un Maitre de Langue, Hambourg 1782. Als besonderen Gegner erkor sich Laveaux den Südfranzosen Jean-Alexis Borrelly (1783-1815), der sein Kollege an der Militärschule und Mitglied der Berliner Akademie war. Laveaux verfasste eine zynisch-böse Schrift gegen ihn: Défense de Mr. l’Abbé Raynal et de Mr. Borrelly contre les attaques clandestines de quelques chenilles littéraires. Ouvrage en forme de lettres adressées au Mr. Borrelly, Membre de l’Académie de Berlin, Professeur d’Eloquence à l’Académie militaire des Nobles & Fabricant de savon dans la même ville. Par Mr. de la Veaux, La Haye 1783. Besonders rüde ging Laveaux mit Rivarol, dem Preisträger der Berliner Preisfrage zur Universalität des Französischen ins Gericht und wies diesem eine Vielzahl von Vergehen gegen die französische Sprache nach: Cours théorique et pratique de langue et de littérature françoise, 2 Bände, Berlin 1784s. - Kaum war sein Gönner Friedrich im August 1786 gestorben, bereitete Laveaux, getrieben von Hass in Berlin (cf. z. B. Storost 2002: 105- 22), seinen Weggang nach Stuttgart vor. Dorthin war ihm freilich schon sein Ruf vorausgeeilt, so dass, als dieses Vorhaben ruchbar wurde, der Stuttgarter Professor Schwab und Preisträger der Akademie ex aequo mit Rivarol, bereits am 14. Oktober 1785 an Johann Bernhard Merian (1723- 1807), den Direktor der Philologischen Klasse der Akademie, nach Berlin schrieb (Archiv der Berliner Akademie: V-80,b): «Une nouvelle que j’ai apprise, il y a quelques jours, et qui m’a bien étonnée, c’est que M r . de la Veaux va venir ici en qualité de professeur dans notre Carolinum avec 500 florins d’appointements. Un homme d’esprit, à qui je dis cela l’autre jours à la promenade, et qui connoit le penchant qu’a M r . de la Veaux à la Critique, me dit là-dessus: ‹il trouvera ici beaucoup à mordre, et peu à manger›. Je souhaite de tout mon cœur, qu’un homme, qui a d’aussi bonnes parties, et que dans le fond je crois très-homme de bien, ne trouve pas ici son attente trompée. Il a sans doute eu de bonnes raisons pour quitter Berlin, et les ennemis qu’il s’est fait par ses critiques, en sont peut-être la principale.» 13 Jean-Alexis Borrelly (1783-1815), Ordentliches Mitlied der Akademie von 1772 bis zu seiner Ausweisung aus Preußen im Jahre 1792 wegen jakobinistischer Äußerungen. 14 Guillaume-Thomas-François Raynal (1713-96), französischer Philosoph und Historiker, seit 1750 Auswärtiges Mitglied der Berliner Akademie. Von 1781 bis 1785 lebte er in Potsdam, weil er in Frankreich Verfolgungen ausgesetzt war, anschließend bei Katharina II., Freund der Materialisten Helvétius und Holbach. 119 Anacharsis Cloots zur Universalität des Französischen im 18. Jahrhundert Les langues espagnole & italienne n’eurent jamais cette vogue, & elles n’ont eu qu’une vogue passagere. Pourquoi? C’est que la première ne dut son crédit qu’à l’influence de la monarchie espagnole, & l’autre ne dut le sien qu’aux charmes du théâtre italien. La langue française remporta bientôt la palme, parce qu’à ces causes isolées se joignirent toutes celles que nous venons d’indiquer. Si Bossuet dans un saint délire nous assure que les langues greque & latine devinrent universelles par une sage dispensation de la providence, afin que l’évangile fût provigné plus facilement; ne pourrions-nous pas avancer, sans être repris, que dieu a rendu la langue française universelle pour que la lumiere philosophique se répandît rapidement d’une extrémité de la terre à l’autre? Nous serions d’autant mieux fondés dans notre assertion, que ce fut par l’effusion du sang humain que le grec & le latin prirent ce grand ascendant; au lieu que le français [sic] ne doit sa prépondérance qu’à des moyens pacifiques. Ici je vois le doigt de dieu, pour m’exprimer comme Bossuet; là je vois le doigt de l’homme. Cette langue si accueillie, si chere aux amis, aux amans, aux gens lettrés & non lettrés, aux gens d’affaire & sans affaires, aux gens de la premiere volée & de la seconde volé, aux voyageurs & à ceux qui ne voyagent point, cette langue demeurera universelle aussi longtems qu’elle sera parlée en France; car la plupart des causes sus-mentionnées auront toujours la même énergie, & l’on sentira de plus en plus l’utilité, la commodité, & l’agrément d’entendre une langue vivante qui, dispensant de l’étude fastidieuse d’une langue morte, servira de trucheman à toute la chrétienté. Et l’indépendance des Etats-Unis de l’Amérique dont la fortune est désormais liée à celle de la France, va donner un nouveau prix à l’idiôme d’un roi libérateur.» Die übrigen Beiträger zur Beantwortung der Preisfrage fanden in unterschiedlicher Akzentuierung ähnliche mehr oder weniger ausführlich dargestellte Argumente für die Begründung der Universalität. Interessanter ist aber die schlussendliche Folgerung für die Lebensperspektive des universellen Charakters: im wesentlichen wird deutlich, dass sich eine Hälfte der Beiträger für die Fortführung der bisherigen Lage aussprach, während die andere gute Gründe für eine Ablösung des Französischen durch in der Hauptsache das Deutsche ins Feld führt, ohne Zweifel hier auch Gedanken Friedrichs von 1780 aufgreifend. Die aus umfassender Frankophilie hervorgegangene Haltung Cloots zu Frankreich, zur französischen Aufklärung und deren revolutionären Konsequenzen fand im revolutionären Frankreich zunächst große Anerkennung und trug dem Preußen am 25. August 1792 die französische Staatsbürgerschaft ein, übrigens zusammen mit seinem Onkel Cornelius de Pauw. Doch das Preußentum blieb nicht vergessen: Robbespierre warf Cloots kurze Zeit später dessen ausländische Herkunft und den früheren Adelstitel sowie den Reichtum wie auch ein eigenständiges, von ihm nicht nachvollziehbares oder nicht akzeptiertes Denken vor und veranlasste die Verkürzung des Lebens unseres «gallophilen» Preußen am 24. März 1794 in Paris. Berlin Jürgen Storost 120 Jürgen Storost Bibliographie Cloots, Jean-Baptiste 1786: Les Vœux d’un Gallophile, Amsterdam Feuillet de Conches, Félix 1882: Les salons de conversation au dix-huitième siècle, Paris Friedlaender, Gottlieb 1854: Die Königliche Allgemeine Kriegs-Schule und das höhere Militair- Bildungswesen. 1765-1813. Aus amtlichen Quellen dargestellt. Berlin Labbé, François 2000a: Anacharsis Cloots, le Prussien francophile. Un philosophe au service de la Révolution française et universelle, Paris Labbé, François 2000b: «Anarcharsis Cloots (1755-94). Le Prussien gallophile et le rêve d’une union franco-prussienne, clef de voûte de sa République Universelle», Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 27/ 2: 265-74 Labbé, François 2001: «Un concurrent pour Rivarol: le baron philosophe Jean-Baptiste Cloots du Val-de-Grâce», Lendemains 101/ 102: 199-211 Mortier, Roland 1995: Anacharsis Cloots ou l’utopie foudroyée, Paris Roger, Philippe 2002: L’Ennemi américain: généalogie de l’antiaméricanisme français, Paris Stern, Selma 1914: Anacharsis Cloots, der Redner des Menschengeschlechts als Mitglied des Nationalkonvents, München (Nachdruck Vaduz 1965) Storost, Jürgen 1994: Langue française - langue universelle? Die Diskussion über die Universalität des Französischen an der Berliner Akademie der Wissenschaften. Zum Geltungsanspruch des Deutschen und Französischen im 18. Jahrhundert, Bonn Storost, Jürgen (ed.) 2000: Guillaume Henri Charles de Goyon d’Arzac: Essais littéraires et philosophiques sur les causes de l’universalité de la langue française. Ein Beitrag aus dem Jahre 1783 zur Berliner Preisfrage nach der Universalität des Französischen, Bonn Storost, Jürgen 2001: 300 Jahre romanische Sprachen und Literaturen an der Berliner Akademie der Wissenschaften, 2 Teile, Frankfurt/ M. Storost, Jürgen 2002: «Laveaux und sein Eusèbe. Eine Zensurgeschichte aus dem friderizianischen Preußen», Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte 27/ 1: 105-22