Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2005
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Kristol De StefaniFrank Jodl, Francia, Langobardia und Ascolis Ladinia. Die Bedeutung außersprachlicher Faktoren im Zusammenhang mit innersprachlichen Entwicklungen in drei Teilgebieten der Romania, Frankfurt/M. (Peter Lang) 2004, xiii + 367 p.
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2005
Sabine Heinemann
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p. 207 Buseno GR (Moesa): Die Herleitung aus *b ü cinu ‘condotto’ ist zweifellos richtig, cf. Soazza busen m.pl. ‘condotte per l’acqua’ (1554, VSI 2,1236a) und die Angaben im LEI 7,1394,25-39. p. 214 Cadro TI (Lugano): Die ältesten urkundlichen Formen lauten: Cadelo (735), Cadolo (774), Càdulo (11. Jh.). «L’origine e il significato di Cadro sono ignoti.» Möglicherweise handelt es sich wie bei Coppet VD, Brontallo TI (Vallemaggia) *brenta ‘recipiente per portare’ um eine Senke (‘conca’), cf. LEI s. *catula ‘oggetto curvo’, das zu lat. catulus ‘specie di catena’ (4. Jh., Itala; ThesLL 3,623,1) gestellt wird. p. 217 Caneggio TI (Mendrisio): Die Etymologie tic. canecc ‘casa diroccata, costruzione in rovina’ ist überzeugend. Fast zeitgleich wie der toponomastische Erstbeleg (1261, territorio de Caneçio) findet sich das mittellat. Appellativum cum multis canegiis seu casaritiis (1298, CDT 1,150). p. 218 Carabbia TI (Lugano): «L’origine del toponimo Carabbia è incerta. È possibile però il rinvio al sostantivo dialettale ticinese carabia ‘sostegno longitudinale della pergola’ *c ù l ù b u la sorta dal latino c ù t ù b u la, plurale di c ù t ù b u lum ‘stalla’, o latino c ù t ù b ö la, *c ù l ù b ö la «deposizione», rifatta su calare, VSI 4,20.» Der Hinweis auf tic.alp.centr. karábya ist zutreffend, cf. lat.mediev.tic. calabias et trastos (San Vittore 1495, VSI 4,20) und die etymologische Bearbeitung s. cala ‘legno, fusto’ in LEI 9,727,3-6. p. 218 Carabietta TI (Lugano): Bei der Interpretation sollte der toponomastische Erstbeleg La Carabieta (1375) mit dem Appellativ tic.alp.occ. (Brione Verzasca) carabieta f. ‘palo minore della pèrgola’ (VSI 4,20b) zusammengestellt werden. p. 222 Cavagnago TI (Leventina): «Cavagnago riflette un toponimo prediale *(fundus) Cavanniacus ‘podere di Cavannius’.» Es könnte auf die Verbreitung dieses Ortsnamens in der Galloromania hingewiesen werden, cf. Buchmüller-Pfaff n° 194 Chavigny. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der romanistische Teil des DTS/ LSG die für die entsprechenden Regionen verfügbaren Informationen von Grund auf erneuert. Wenn es auch, wie der Herausgeber in der Einleitung 39 vermerkt, «den Umständen entsprechend kein völlig homogenes Werk» darstellt, so hat der DTS/ LSG doch einen entscheidenden Fortschritt gebracht. Ich bin überzeugt, dass dieses Werk das Interesse einer breiten Bevölkerungsschicht finden wird und die schweizerische toponomastische Forschung dadurch einen neuen Antrieb erhält. Max Pfister ★ Frank Jodl, Francia, Langobardia und Ascolis Ladinia. Die Bedeutung außersprachlicher Faktoren im Zusammenhang mit innersprachlichen Entwicklungen in drei Teilgebieten der Romania, Frankfurt/ M. (Peter Lang) 2004, xiii + 367 p. Wie bereits der Titel der vorliegenden Arbeit zeigt, verfolgt Verf. das Ziel, durch sprachlichen Kontakt induzierte innersprachliche Entwicklungsprozesse aufzudecken, die einen Kommunikationsraum Nordfrankreich - Norditalien für das Mittelalter offen legen sollen. Wie Verf. bereits in seinem Vorwort angibt, versteht sich die Arbeit als interdisziplinärer Forschungsbericht, was sogleich an der Einbindung historischer Bedingungen und germanistischer Forschungsergebnisse erkennbar wird. Das zweite Ziel der Studie, nämlich die Überprüfung der Adäquatheit des substratbasierten Modells zur dialektalen Gliederung, wie es Ascoli vertritt, gerät dabei ein wenig in den Hintergrund, wenngleich an dieser Stelle das diesbezügliche Ergebnis vorweggenommen werden kann, das nämlich in der Akzeptanz und Verteidigung des Modells Ascolis besteht. 214 Besprechungen - Comptes rendus Das in der Arbeit maßgebliche Phänomen, das auf den Kontakt zum Fränkischen bzw. «Frankoromanischen» (für Norditalien) zurückgeführt wird, ist die schon von Wartburg in diesem Kontext diskutierte Palatalisierung von lat. C/ G a , die sich bekanntermaßen synchron sowohl im Galloromanischen (v. a. Französischen) als auch in den norditalienischen Dialekten (nur mehr relikthaft) und insbesondere in den rätoromanischen bzw. ladinischen Varietäten findet (inwieweit die Bezeichnung letztgenannter Idiome als «räto-friaulisch» (so vereinzelt bei Francescato) vorteilhaft sein soll, zumal sich die Bezeichnungen «rätoromanisch» bzw. «ladinisch» etabliert haben, bleibt fraglich). In diesem Zusammenhang ist weiter bedeutsam, dass neben dieser weitere lautliche und v. a. morphologische Parallelen zwischen nördlicher Galloromania und Ladinia bestehen. Das einleitende Kapitel klärt das Verständnis von Sprachwandel in der vorliegenden Arbeit und rekapituliert bisherige Erklärungsversuche für die Parallelen in den benannten Idiomen (Kapitel 0: 1-26). Dabei moniert Jodl die bisher außer acht gelassene Erklärung der relativen Einheitlichkeit der rätoromanischen/ ladinischen Idiome über früh- und hochmittelalterliche Einflüsse (prinzipiell ist hier natürlich der unterschiedliche Ladinitätsgrad zu berücksichtigen, wie er von Ascoli benannt wird, d. h. einige als rätoromanisch oder ladinisch klassifizierte Merkmale treten präferiert in den westlichen, nicht immer aber auch in den östlichen Gebieten auf, weshalb schon Ascoli für das Friaulische einen Sonderstatus innerhalb der ladinischen Idiome reklamiert und gleichzeitig auf eine unità abhebt, die sich durch eine für die fraglichen Sprachräume spezifische Merkmalverbindung auszeichnet; vgl. auch das Konzept des Geotyps bei Goebl). Wenngleich unzweifelhaft ist, dass die rätoromanischen/ ladinischen Idiome eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten aufweisen, so ist also gerade zu berücksichtigen, dass der sprachliche Abstand etwa von Bündnerromanisch und Friaulisch beträchtlich ist. Gerade in diesem Punkt ist zu kritisieren, dass in der vorliegenden Arbeit vielfach nur die äußerst westlichen Idiome in die Betrachtung eingebunden werden, die Ladinia also nicht immer in ihrer Gänze Berücksichtigung findet. Es folgt eine eingehende Untersuchung der Form des Sprachkontakts in den diversen gesellschaftlichen Bereichen, der viel Raum gegeben wird (Kapitel 1: 27-92). Auf der Grundlage des von Jodl gewählten Sprachwandelmodells, das nicht einfach nur direkte, sondern auch indirekte Vermittlung vorsieht - bekannt aus der Diskussion um die sogenannten Wanderwörter - diskutiert Verf. äußerst detailliert die unterschiedlichen Kontaktsituationen und damit verknüpft die Ausprägung individueller und sozialer Zweisprachigkeit. Zentral sind hierbei Fragen der Siedlungsdichte und -kontinuität, der Durchmischung der fraglichen Völkerschaften (Romanen/ Franken) sowie solche nach dem Grad der Zweisprachigkeit. Eine Sonderstellung mit Blick auf die soziale Zweisprachigkeit nimmt der Nordosten der Galloromania ein, da hier eine besonders alte und intensive fränkische Besiedlung gegeben ist, die einen Sprachkontakt nicht nur in den hochstehenden Bevölkerungsschichten, sondern auch für die ländlichen bedeutet, was also eine direkte Beeinflussung möglich macht (s. v. a. die lautlichen Übernahmen [w], [h]). Für die Annahme eines gemeinsamen Kommunikationsraums Nordgalloromania - Norditaloromania ist nach Verf. auch die durch Befunde der Archäologie nachweisbare allmähliche Durchmischung der langobardischen und romanischen Bevölkerungsschichten maßgeblich.Ausgehend von den langobardischen farae dehnen sich die Siedlungen bereits im 7. Jh. ins Umland aus. Wesentlich ist hier aber im Vergleich zur fränkisch-romanischen Situation in der nördlichen Galloromania die maximal im lexikalischen Bereich sichtbar werdende Beeinflussung des Romanischen durch das Langobardische. Neben der germanisch orientierten Heiratspolitik des merowingischen Königshauses ist die Verwendung des Lateinischen als Verkehrssprache bei der germanischen Oberschicht feststellbar, deren Funktionsbereich eine immer stärkere Ausdehnung erfährt, bis es schließlich zur Umgangssprache wird. Verf. fasst diese Entwicklung mit der Entstehung 215 Besprechungen - Comptes rendus einer fränkisch geprägten Sonderlatinität zusammen, die zur koinè verfestigt wird und weitgehend frei ist von fränkischen Merkmalen. Für die Landbevölkerung ist eine Verzögerung in der Beeinflussung anzunehmen, die gleichzeitig die Parallelität von fränkisch geprägtem und gallorömischem Latein wahrscheinlich macht (also nicht mehr Fränkisch - Latein). Allgemein lassen sich nach Verf. die merowingische und die karolingische Epoche scheiden: Während für erstere die sprachkontaktbedingte Innovation lediglich eine bestimmte, nämlich die Adelsschicht betrifft, erfolgt in der karolingischen Epoche die Verfestigung der Innovation sowie deren Ausbreitung (Kapillarwirkung der Adelsschicht; cf. Kapitel 2: 93- 123). In der Folge ordnet Jodl die hier vorliegende Sprachkontaktsituation in das Modell von Schlieben-Lange (1977) zur Typologie von Sprachkontakten ein. Zur Untermauerung der Annahme, dass eine Einflussnahme - über das «Frankoromanische» als Verbreitungsbasis - prinzipiell möglich war, führt Verf. weiter vergleichbare Fälle aus der romanischen Sprachgeschichte an. Gleichermaßen diskutiert Jodl Palatalisierungstendenzen in Idiomen, für die fränkisches Superstrat nicht in Anschlag gebracht werden kann. In diesem Rahmen weist Verf. auf eine mögliche Parallele zwischen einer tendenziell palatalen Realisierung der Velarokklusive c/ g a und den Verhältnissen im Neufr. hin, wobei er zu bedenken gibt, dass die aktuelle Entwicklung nicht zu Affrikaten geführt hätte und entsprechend auch keine systemimmanente Entwicklung im Falle des Lateinischen anzunehmen wäre. Daraus folgert Verf., dass ein palatales Allophon zu / a/ für das regionale Latein zwar angenommen werden könne, dies aber nicht alleine für die Palatalisierung der vorausgehenden Plosive ausreiche. Interessant ist hier die die Superstratthese stützende westgermanische Palatalisierungstendenz für / a/ , die Verf. im Weiteren erläutert. Eine konsonantische Palatalisierung dürfte nach Jodl durch die noch virulente zweite Palatalisierung (lat. c/ g e,i ) begünstigt worden sein. Für die nicht erfolgte oder rückgängig gemachte dritte Palatalisierung (lat. c/ g a ) etwa im Pikardischen führt Verf. die lautliche Kollision von Entwicklungsergebnissen als möglichen Grund an (Parallelität mit den Ergebnissen aus prävokalischem -ti-), die etwa auch in den nordit. Dialekten als Kriterium herangezogen werden kann (hier überlagern sich die Ergebnisse mit denjenigen aus -cl-), aber natürlich nicht zwangsläufig in allen Gebieten Gültigkeit besitzt (gerade in den rätoromanischen/ ladinischen Varietäten treten unterschiedliche Entwicklungsergebnisse auf, die eine Schub- oder Zugkette abbilden). Im Folgenden wird die Ausdehnung der Palatalisierung genauer beleuchtet, wobei für die Alpengebiete auf eigene fränkische Zentren hingewiesen wird, die Synergieeffekte hervorgerufen, gleichzeitig aber auch Quelle für Sonderentwicklungen dargestellt hätten. Interessant ist die für die bündnerromanischen Varietäten angenommene «frankoromanische» Beeinflussung sowohl von Norden als auch von Süden. Dennoch liegt gerade in der Annahme einer vermittelten Veränderung der Artikulation - deren Ursachen entsprechend für die Gebersprache zu klären sind - die Problematik. Abgesehen von der Verschiedenheit der Kontextbedingungen ist nicht nur für Gebiete, die keine fränkischen Ansiedlungen gekannt haben, eine erhebliche Verzögerung in der Entwicklung zu palatalen Affrikaten auszumachen. Für das Friaulische wird z. B. in der Regel das 18. Jh. für diese Entwicklung angesetzt, in einigen Varietäten liegen als Ergebnisse noch die palatalen Okklusive für c/ g a vor. Gerade für das Friaul setzt Verf. aber eine günstige Kontaktsituation an, so dass es auf der Basis der von Verf. vertretenen Annahme verwundern muss, dass hier eine verzögerte Entwicklung vorliegt. Für die horizontale Erstreckung wird die Ausdehnung über die Po-Ebene angenommen (cf. die These von Schmid), gleichzeitig unterbleibt aber eine genauere Betrachtung der mittelalterlichen Verhältnisse in den norditalienischen Dialekten. Bei Einnehmen einer synchronen Perspektive für die nördliche Italoromania mag dies verzeihlich sein, zumal wenn 216 Besprechungen - Comptes rendus über die mit dem 13. Jh. einsetzende Toskanisierung die hier interessierende Palatalisierungserscheinung rückgängig gemacht wird. Bei Annahme von Polygenese aber gilt dies nicht, und eine stärkere Einbindung der Diachronie könnte eine diesbezügliche Klärung herbeiführen. Auch mit Blick auf die heutige Sprachsituation wäre eine sprachgeographische Analyse der Distribution der Entwicklungsergebnisse von c/ g a in Abgrenzung zu c/ g e,i (nach Kontext differenziert) sowie zu den ebenfalls als «frankoromanisch» bedingt betrachteten morphosyntaktischen Erscheinungen wünschenswert gewesen.Als lautliches Kriterium, das sich nach Verf. dem merowingischen Adelsmilieu weiter zuweisen lässt, wird die Diphthongierung geschlossener Mittelvokale zu [e i - ]/ [o ÿ ] angeführt (teilweise sind auch Ergebnisse mit offenem vollvokalischem Bestandteil möglich), die aber auch in anderen Gebieten als dem hier interessierenden auftritt (z. T. im Dalmatischen sowie in süditalienischen Dialekten). Die historische Situation wird äußerst ausführlich in Kapitel 3 (125-262) behandelt, wobei hier nach den einzelnen Gebieten unterschieden wird und jeweils Befunde aus der Geschichtswissenschaft herangezogen werden. Wesentlich sind in diesem Zusammenhang natürlich auch die historischen Konstellationen, die etwa für den Raum Dolomiten bis Verona eine enge Verbindung nach Bayern ausweisen. Kulturelle Kontakte zwischen den einzelnen Gebieten fallen unterschiedlich stark oder schwach aus, teilweise lassen sich solche für das 4./ 5. Jh. nachweisen, was allerdings noch keineswegs bedeutet, dass diese für die weiteren Jahrhunderte aufrecht erhalten blieben (es werden einzelne Beispiele aus der Architektur und Kunstgeschichte angeführt; Handelsbeziehungen ließen sicher auf eine tiefergehende gegenseitige Beeinflussung schließen). Bedauerlicherweise wird die These Alineis, wonach die hier behandelte Palatalisierung slavischen Ursprungs sein könnte, auf p. 262 (N1) als in der Arbeit nicht behandelbar abgetan, obwohl gerade eine eingehende Erläuterung für die Beurteilung des Superstrateinflusses maßgeblich sein dürfte. Auch zu anderen Erklärungsversuchen für die Palatalisierung erfolgt keine nähere Erläuterung; Verf. beschränkt sich hier auf eine Nennung der Ansätze und wendet sich ausführlicher nur den Annahmen von Wartburg und Schmid zu. In Kapitel 4 (263-307) werden nun die bereits angesprochenen weiteren gemeinsamen Merkmale für den angenommenen Kommunikationsraum knapp erläutert. Als auffällige Parallelentwicklungen für die nördliche Gallo- und Italoromania werden neben lexikalischen Parallelen (Wanderwörter) zunächst die aus Verb und Ortsadverb bestehenden Periphrasen angeführt, die aber eher auf einem romanischen Modell aufsetzen dürften (s. schon lat. angelegt). Lediglich die Variantenvielfalt sowie die hohe Frequenz (unterschiedlich in den einzelnen Gebieten) lässt sich möglicherweise auf germanischen Einfluss zurückführen. Bedauerlich ist, dass für den lexikalischen Bereich äußerst wenige Elemente angeführt werden, die Jodl zudem selbst z. T. als strittig beurteilt. Für den Bereich der Syntax wird die obligatorische Setzung der Subjektspronomina und die Verbzweitstellung angeführt, wobei auf die Parallelität in mittelalterlichen Dokumenten und die in den einzelnen Idiomen z. T. erheblich voneinander abweichende Entwicklung hingewiesen wird. Für die Morphologie wird des weiteren die Verwendung ursprünglicher Akkusativals betonte Nominativpronomina angeführt (dies gilt für die norditalienischen Dialekte in Gegenüberstellung zu rätoromanischen Idiomen, die die Fortsetzung der lat. Nominativform in dieser Funktion kennen) sowie die Bewahrung der Zwei-Kasus-Deklination in der Galloromania: Interessant ist hier der durchaus lange Erhalt für den okzitanischen Sprachraum, den Jodl damit erklärt, dass es sich hier nicht um eine Neuerung handele, der Ablösungsprozess hier durch fränkisches Superstrat bedingt entsprechend ebenso verlangsamt erscheine (die Ablösung ist im Vergleich dazu in Norditalien schneller erfolgt). Das Okzitanische bleibe somit länger der römischen Tradition verhaftet (zeigt aber in den nördlichen Varietäten auch die in der Arbeit zentrale Palatalisierung von c a ). 217 Besprechungen - Comptes rendus Insgesamt liegt mit der Arbeit eine interessante Materialzusammenstellung vor; allerdings bleiben gerade für die nördliche Italoromania und die Ladinia Zweifel an der «frankoromanischen» Entwicklung. Die Parallelisierung mit anderen Entwicklungen ist aufgrund der knappen Darstellung wenig überzeugend (zumal einige ihren Ausgangspunkt bereits in lateinischen Sprachverhältnissen haben). Vielfach liegen zu den Einzelentwicklungen, die auf ca. 40 Seiten abgehandelt werden, wichtige und interessante Detailstudien vor, die so leider nicht in die Studie eingebunden werden können (teilweise fehlt die Bezugnahme auch auf klassische Referenzwerke). Für die fraglichen Erscheinungen sind ebenso wie für die Palatalisierung von c a polyzentrische Entwicklungen denkbar, was in letztgenanntem Fall insbesondere aus rätoromanistischer Perspektive ohnehin angenommen wird. Eine stärkere Berücksichtigung der gegen die Superstratthese von Wartburgs vorgebrachten Argumente wäre wünschenswert gewesen. Viele der hier genannten Kritikpunkte können zusammengefasst werden als durch die primäre Absicht des Autors bedingte Ausrichtung auf eine Stützung der Superstrattheorie von Wartburgs, der die Abwägung anderer Erklärungsmodelle leider zum Opfer fällt. Sabine Heinemann ★ Georg A. Kaiser, Verbstellung und Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen, Tübingen (Niemeyer) 2002, 194 p. (Linguistische Arbeiten 465) Wenn ein anderes Satzglied als das Subjekt den Satz einleitet, so kann noch heute unter Umständen im Französischen eine Subjektsinversion eintreten: - Peut-être craignait-elle pour sa voix. - Au bout de la table était assis un vieil homme. Ähnliches gilt auch für andere romanische Sprachen. Dabei war diese Art von Inversion im Mittelalter noch deutlich häufiger als heute, so dass sich ein Vergleich mit eigentlichen Verb-Zweit-Stellungssprachen aufdrängt. Dieser Wortstellungstyp ist für das Deutsch und die anderen germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen charakteristisch. Die Tendenz des Altfranzösischen zur Verb-Zweit-Stellung war denn auch schon Rudolf Thurneysen (1892) und vor allem József Herman (1954) aufgefallen. In neuerer Zeit wurde sogar die These, dass die romanischen Sprachen ursprünglich Verb-Zweit-Stellungssprachen waren, in generativistischen Arbeiten vertreten. Georg A. Kaiser gelingt es nun in diesem Buch, diese These in überzeugender Weise zu widerlegen. Seine Abhandlung will ein Beitrag zu einer generativen historischen Grammatik sein. Obwohl nicht wenige Generativisten sich auch mit historischen Themen beschäftigt haben, hatten diese immer Mühe, sich gegen eine - nach wie vor sehr traditionalistische - historische Sprachwissenschaft durchzusetzen. Kaiser bedauert (14) diesen Zustand und führt ihn (im Anschluss an Jürgen Lenerz) auf die «fehlende diachrone Ausbildung der meisten generativen» Linguisten zurück, betont allerdings auch die «mangelnde generative Ausbildung» der diachronen Linguisten. Er fügt bei: «In der vorliegenden generativen Studie wird versucht, diesem Manko entgegenzutreten, indem hier auch ausführlich nicht generative Literatur berücksichtigt wird» (15). Man hätte sich allerdings wünschen können, dass der Verfasser einer Leserschaft, welche nicht unbedingt über die letzten Entwicklungen der generativen Grammatik auf dem Laufenden ist, besonders im zweiten Kapitel Von Verb-Zweit-Stellung in den germanischen und romanischen Sprachen (16-52) einige Hilfen gewährt hätte. So hält er es nicht einmal für nötig, Abkürzungen wie SpezCP oder SpezIP zu erklären. Immerhin glaube ich ver- 218 Besprechungen - Comptes rendus
