eJournals Vox Romanica 64/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2005
641 Kristol De Stefani

Maria Careri et al. (ed.), Album de manuscrits français du XIIIe siècle. Mise en page et mise en texte par Maria Careri, Françoise Fery-Hue, Françoise Gaspari, Geneviève Hasenohr, Gillette Labory, Sylvie Lefèvre, Anne-Françoise Leurquin, Christine Ruby, Roma (Viella) 2001, xxxix + 238 p. + 16 fig.

121
2005
Stephen  Dörr
vox6410300
Maria Careri et al. (ed.), Album de manuscrits français du XIII e siècle. Mise en page et mise en texte par Maria Careri, Françoise Fery-Hue, Françoise Gaspari, Geneviève Hasenohr, Gillette Labory, Sylvie Lefèvre, Anne-Françoise Leurquin, Christine Ruby, Roma (Viella) 2001, xxxix + 238 p. + 16 fig. Die Kodikologie ist ein vergleichsweise junges Mitglied der Familie der historischen Hilfswissenschaften. Sie beschreibt Handschriften, zumeist mittelalterliche, in ihrer materiellen Ganzheit unter Berücksichtigung ihrer Realisierung und ihrer Geschichte. Umfassende Informationen werden gegeben zum Pergament, zu Datierung, Schrifttypen, Satzspiegel, Einbänden, den Besitzern etc. Auf diese Weise geht sie weit über die reine Identifikation der in Handschriften vorhandenen Texte hinaus, die sich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in Handschriftenkatalogen wieder findet. Der vorliegende Band liefert nun als Exempla gedachte kodikologische Analysen von 52 in der langue d’oïl geschriebenen Kodizes, die zwischen 1220 und 1300 entstanden sind. Schon diese Auswahl macht das Album für sprachhistorisch ausgerichtete Romanisten interessant. Nach der Begründung der Handschriftenauswahl vor allem mittels geographischer («manuscripts copiés en France d’oïl même») und zeitlicher Kriterien bietet die Introduction Informationen zum Verhältnis Spaltenzahl/ Seitengröße, zur Linierung, zur Anzahl der Linien etc. (xvi-xxxvii). Diese Seiten bieten eine höchst willkommene Entsprechung der Kapitel II 1-3 von B. Bischoffs «Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters» (Berlin 2 1986). Den Hauptteil des Bandes bilden die 52 Notices zu den ausgewählten Handschriften (3- 210). Alle Notices sind identisch aufgebaut: Sie bestehen aus vier Seiten. Die erste Seite beginnt mit einem Kopf, in dem Informationen zu den Texten, Folioangaben, die Datierung und die Herkunft der Handschrift, ihre Geschichte (anhand der Eigentümer) und die physikalische Beschreibung aufgeführt werden (Größe, Breite, Spaltenzahl, Größe der Buchstaben). Unter diesem Kopf findet sich ein ausführlicher kodikologischer Kommentar, der die schon gegebenen Informationen verbalisiert und in Zusammenhang bringt mit Elementen wie dem Verhältnis von Text und Seitengröße, der Linienzahl und -breite oder auch paläographischen Besonderheiten. Diese Angaben reichen bis auf die dritte Seite des jeweiligen Katalogeintrags, auf der zusätzlich Angaben zur Schrift, zu den Kürzeln, zur Interpunktion und zur segmentation (das ist vereinfacht die Worttrennung) verzeichnet sind. Die jeweils zweite Seite zeigt eine schwarz-weiße Abbildung einer Seite der Handschrift. Abgeschlossen wird jede Notice durch die synoptisch angeordnete diplomatische und kritische Edition der abgebildeten Seite. Ein fachsprachlich kodikologisches Glossar auf französisch (212-15) und italienisch (216- 18), die Bibliographie générale (219-23), die Bibliographie particulière aux Notices (224-32), der Index aux manuscrits cités (233-34), die Table des matières (237-38), sowie 16 farbige Abbildungen besonders interessanter Handschriftenseiten runden den optisch anspruchsvoll gestalteten Band ab. Einzelne Anmerkungen: Die zu Beginn jeder Notice genannten Texte hätte man mit den Nummern in Bossuat oder besser noch mit den Sigeln des DEAF versehen können. Auch wenn das Hauptaugenmerk der Kodikologie auf den Handschriften und nicht auf den Texten liegt, wäre ein solches Vorgehen ein Service für alle Philologen, und somit für ungefähr zwei Drittel der Benutzer, da es eine schnellere Identifizierung der Texte erlaubte 1 . 300 Besprechungen - Comptes rendus 1 Vgl. die Beprechung von A. Derolez: «Mais c’est surtout au philologue, au spécialiste de la littérature française médiévale s’intéressant aux mss. que s’adresse ce livre . . . » Scriptorium LVI: 142*- 43*, insbes. 143*. Die Datierungen der Handschriften sind für den Romanisten von großer Bedeutung. So ist es erfreulich, in vielen Fällen Korrekturen und Präzisierungen der bisherigen Daten vorzufinden 2 . Aber es finden sich auch Datierungen, die zu hinterfragen sind, wie etwa in Notice 2: Hier finden sich divergierende Informationen: Christine Ruby datiert den Kodex auf die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, Françoise Gasparri noch präziser auf das 2. Viertel. Eine unkommentierte Nebeneinanderstellung von zwei oder mehr Datierungen lädt im Grunde dazu ein, die Arbeit der Autorinnen neu zu machen. Geht man davon aus, dass Gasparri gute Gründe für ihr genaueres Datum hat, so sollte das unspezifischere Datum getilgt werden (dies betrifft auch die Notice 15: 2. Hälfte 13. Jh. gegen 2. Viertel oder Mitte 13. Jh.; die Notice 20: für BN fr. 25407 4. Viertel 13. Jh. gegen 3. Viertel 13. Jh. [dieses Datum muss falsch sein, da SecrSecrAbern 3 , einer der Texte der Handschrift, auf ca. 1270, sicher nach 1267, zu datieren ist]; etc.). Noch gravierender stellt sich das Problem in der Notice 19 dar. Dort werden für die Handschrift BN fr. 1471 die Datierungen 4. Viertel 13. Jh. (nach Albert Henry) und 1290 (ermittelt von Patricia Stirnemann) genannt. Ist das präzisere Datum 1290 richtig, so ist es nachgerade unsinnig, ihm ein unschärferes Datum an die Seite zu stellen 4 . Das unkommentierte Verzeichnen von unterschiedlichen Datierungen aus der vorhandenen Literatur ohne einen eigenen Vorschlag wie in der Notice 21 erstaunt. Wer anderes als die Experten der Kodikologie könnte die Kodizes besser datieren? Zu der Notice 4 fehlt in der Bibliographie particulière aux Notices ein Hinweis auf YvainM, wo neben einer diplomatischen Edition der Folios 79v°-105r° zum Teil präzisere kodikologische Angaben als im Album selbst gemacht werden. Prinzipiell ist nicht klar, nach welchen Kriterien diese Bibliographie erstellt wurde. So fehlen zur Notice 5 Verweise auf RigomerF, auf 6 Ausgaben des Erec, auf FergM und FergMich, auf HunbautW und -B, auf RenBeaujBelW und -H, auf VengRagF und -H etc. In der Notice 5 ist in der Edition d’Encheborg in de Richeborg (= Roxburgh! ) zu korrigieren. Die Image du Monde aus der Handschrift BN fr. 25407 (Notice 20) gehört zur zweiten Redaktion (ImMondeOct 2 ) und nicht zur ersten. Die Lokalisierung der Handschrift in der Notice 26 nach der Sprache ist eine von der Kodikologie her gesehene Notlösung. Ist in der Notice 49 auf S. 197 g mit hochgestelltem a wirklich als gré aufzulösen? Und zum «seul cas de monosyllabe abrégé»: was ist mit qui f°66r°b12? Diese Anmerkungen sollen nicht den Wert des Albums schmälern.Wie man schnell sieht, erfüllt es voll und ganz die Vorgabe, die Jacques Dalarun, der Direktor des IRHT, am Ende des Vorwortes (VIII) formuliert: «Voici donc ce livre, à utiliser pour la formation comme pour la recherche, à disséquer, à méditer, à discuter». Stephen Dörr ★ 301 Besprechungen - Comptes rendus 2 Diese Veränderungen werden auch eingehen in die Bibliographie des DEAF, die online und gratis zu konsultieren ist unter: www.deaf-page.de. 3 Alle hier verwendeten Sigel sind die des DEAF. 4 Der Eindruck einer unkritischen Kompilation sollte vermieden werden, vgl. die Besprechungen von FrankHart durch F. Vielliard, CCM (2000) 43: 294-98 und G. Roques, RLiR (1998) 62: 470- 75: « . . . les parties les plus problématiques de chacune des fiches sont celles de la date du ms. et du texte . . . ».