Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniFrédéric Godefroy. Actes du Xe Colloque international sur le moyen français, organisé à Metz du 12 au 14 juin 2002 par le Centre «Michel Baude, littérature et spiritualité» et par l’ATILF (UMR 7118). Textes réunis et présentés par Frédéric Duval, Paris (École des Chartes) 2003, 455 p.
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Stephen Dörr
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la mer [= ImMondOct 1 C 0 3777], Rom. 22 l. Rom. 21 unter avancier). Daneben finden sich aber auch neue Fehler: unter aquaire 1 liest man jetzt Montp. H 137 statt richtig 437; unter maleurté stand in Gdf 5,118a ein Beleg mit dem Verweis «Id., ib., Richel. 1553, f°163v°» [= ImMondeOct 1 C 0 91] unter einem Beleg aus dem Rosenroman (er hätte vier Zitate weiter oben stehen müssen). Daraus wurde nun «Gauthier de Mes, Rose, Richel. 1553». Am meisten wundert man sich natürlich, den Beleg für stature aus GdfC 10,713b nicht zu finden. Sucht man unter dem Wort, so erklärt sich das Fehlen dadurch, dass statt des Titels «Creat. du monde» der Druckfassung nun ein vertipptes «Cret. du monde» zu lesen ist, welches von der Suchmaschine verständlicherweise nicht gefunden werden konnte. Weitere Fehler - und die Liste ließe sich beträchtlich verlängern: unter boutement ist aus dem boutemens der Hs. Montpellier ein boulemens geworden; aus dem «Rom. de Ham» in Gdf 2,602a unter desjoer wurde ein «Rom. de Hom»; usw. Fazit: Mit dem elektronischen Gdf besitzen wir eine nette Spielwiese, deren Benutzung je nach gewünschtem Ziel nicht ganz unproblematisch ist. Ersetzt ist die gedruckte Version dadurch in keiner Weise, da man sie zur Sicherheit immer mitbenutzen muß, um nicht neuen Fehlern aufzusitzen. Wer sich vorstellen kann, Interesse an der Spielwiese zu entwickeln, dem sei empfohlen, vor dem Kauf der CD-ROM für 156 bzw. 169 € erst einmal ein Jahresabonnement für die Internet-Version zu erstehen. Wer jedoch kein eigenes Exemplar des Gdf zu Hause hat und damit zufrieden ist, ihn einfach am Bildschirm benutzen zu können, der sei an die Internet-Adresse www.gallica.bnf.fr verwiesen, wo man das gesamte Wörterbuch kostenlos als Image-Datei zur Verfügung hat. Thomas Städtler ★ Frédéric Godefroy. Actes du X e Colloque international sur le moyen français, organisé à Metz du 12 au 14 juin 2002 par le Centre «Michel Baude, littérature et spiritualité» et par l’ATILF (UMR 7118). Textes réunis et présentés par Frédéric Duval, Paris (École des Chartes) 2003, 455 p. Eine Tagung 105 Jahre nach dem Tod von Frédéric Godefroy und exakt 100 Jahre nach der Fertigstellung seines Wörterbuches gerät schnell in den Verdacht, allein der Kommemoration zu dienen. Genau das war aber nicht intendiert. F. Duval, der Herausgeber der Akten, lässt hieran keinen Zweifel: «Le sujet du colloque ne doit pas tromper. Ce centenaire n’avait pas pour objectif de rendre justice à Godefroy et d’honorer sa mémoire d’un regard nostalgique vers le passé. Il n’aura servi à rien s’il ne permet pas de considérer d’un œil neuf ce dictionnaire et s’il ne modifie pas nos réflexes à son égard» (17). Er geht sogar noch einen Schritt weiter: «Consacrer un colloque à un dictionnaire âgé d’un siècle, ce n’est pas regarder derrière nous, mais préparer l’avenir . . . » (11). Das Hauptinteresse der Veranstaltung lag also in der Absicht begründet, mit dem Blick auf das Wörterbuch von Godefroy die Weichen zu stellen für die Zukunft der französischen Lexikographie. Dies zu äußern, und dazu noch in einer Publikation der einflussreichen École des Chartes, beeindruckt in Zeiten, in denen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft modernistisch nur noch in kurzen Zeitintervallen denken. Dass man aber auch im 21. Jahrhundert etwas von einem Wörterbuch des 19. Jahrhunderts lernen kann, belegen die 21 im Tagungsband versammelten Aufsätze. Sie wurden auf die drei Sektionen L’homme et l’érudit (25-74), Le Dictionnaire, méthodes et sources (77- 294) und Postérités du Dictionnaire (297-408) verteilt. Sehen wir uns kurz die einzelnen Beiträge an: F. Duval zeigt in seinem «Parcours bio-bibliographique» (25-42), wie viele Facetten das Werk Godefroys aufweist. Godefroys Name steht nicht nur für das Wörterbuch, sondern 324 Besprechungen - Comptes rendus auch für zahlreiche pädagogische Schriften und Schulbücher wie etwa Grammatiken und Literaturgeschichten. Seine Beschäftigung mit der Literatur mündete in einer Literaturgeschichte, der Histoire de la littérature française, depuis le XVI e siècle jusqu’à nos jours.Außerdem beschreibt Duval die Vor- und die Entstehungsgeschichte des Godefroy und andere, nicht realisierte lexikographische Projekte Godefroys. In ihrem Aufsatz «Frédéric Godefroy, historien de la littérature» (43-57) beschäftigt sich S. Hériché-Pradeau mit der zweiten Auflage in 10 Bänden der Histoire de la littérature française, depuis le XVI e siècle jusqu’à nos jours, Paris 1878-81, einem «livre fantôme que les ouvrages de référence modernes ne répertorient plus» (43). Sie beschreibt die Konzeption dieser Literaturgeschichte, die Auswahl der ausgewählten Stücke zum Zwecke der études de style und belegt, wie sehr Godefroy die Rezeption der zitierten Werke am Herzen lag. Seine Position war dabei die eines «rigoureux moraliste»: «Le respect de la morale chrétienne intervient souvent comme ultime critère de jugement» (52). Diese christliche Moral schloss schon im 19. Jahrhundert nicht aus, ein glühender Patriot und Revanchist zu sein, wie die Autorin zeigt (54-55). Als maßgeblichen Grund, dass aus Godefroys Literaturgeschichte ein «livre fantôme» geworden ist, führt sie die Unvereinbarkeit der critique laïque der republikanischen Universität mit der critique catholique von Godefroy an (56). Die erste Sektion, L’homme et l’érudit, wird abgeschlossen mit F. Vielliards «Frédéric Godefroy et les institutions philologiques françaises. La réception du Dictionnaire» (57-74). Nach einem kurzen Überblick über die institutionell getragenen lexikographischen Projekte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zeigt sie, welchen Anfechtungen Godefroy, ein nicht aus einer institution philologique hervorgegangener Autodidakt, ausgesetzt war und wie wenig ihm seine tiefe Ergebenheit gegenüber Gaston Paris und Paul Meyer eingebracht hat. Am Ende des Beitrages finden sich vier Briefe von Paul Meyer und Gaston Paris bezüglich eines von Hachette geplanten Wörterbuchs der französischen Sprache des Mittelalters; Quellen, die belegen, dass das Scheitern dieses Projektes wahrscheinlich dazu führte, dass E. Littré Godefroy zu seinem Wörterbuch ermutigte (64). Die zweite Sektion, Le Dictionnaire, méthodes et sources, beginnt mit einem Beitrag aus der Feder von G. Veysseyre mit dem Titel «L’atelier du lexicographe. Les méthodes de Godefroy» (77-92). Hier erfährt man, dass Godefroy 29(! ) Jahre Belege gesammelt hatte, bevor er das erste Faszikel seines Wörterbuches publizierte und dass eine Reihe von Mitarbeitern ihn bei der Materialsammlung unterstützten 1 . Frau Veysseyre geht auch der Frage nach, wieso Godefroy auch dann Folioangaben zu einem Text nach einer Handschrift gibt, wenn der Beleg aus einer Edition stammt. Nicht sehr überzeugend ist jedoch ihr Schluss: «Godefroy renvoie donc indifféremment au manuscrit ou à l’édition, désinvolture toute médiévale vis-à-vis des références, qui permet mal de déterminer ses sources exactes» (81). Interessant ist der Vergleich des Spécimen, einer Probelieferung, die zwischen 1872 und 1878 entstanden sein muss, mit der tatsächlich publizierten Fassung. So verzichtete Godefroy in der endgültigen Fassung völlig auf eine explizite Etymologie, die für immerhin 38 % der Einträge im Spécimen noch vorhanden war. Andere untersuchte Details betreffen die Struktur der Artikel, die Lemmatisierung, die Auswahl der graphischen Varianten und die Glossen. Frau Veysseyre schließt: «Celui-ci [Gdf.] est incontestablement l’un des monuments les plus importants de la lexicographie du XIX e siècle. Une entreprise comme celle du DEAF comblera à n’en pas douter les imperfections de Gdf . . . » (92). 325 Besprechungen - Comptes rendus 1 So stammen die den Gdf.-Nutzern altbekannten Belege aus den Archives de Tournai von Pierre Maquest, der eine große Anzahl penibel verzeichneter Belege an Godefroy geliefert hatte (cf. auch F. Möhren, TraLiLi. 26 (1988): 175 N3: Edouard Leroux und weitere Helfer). Diese Zusammenarbeit erinnert an die Anfänge des OED, in denen Dr. W. C. Minor, Insasse der Irrenanstalt Broadmoor, tausende von Belegen an den Herausgeber James Murray schickte. I. Turcan betitelt ihren Beitrag folgendermaßen: «Ambulations et déambulations philologiques dans Godefroy. Discours étymologique ou étymologisant et sources bibliographiques» (93-111). Sie zeigt, dass sich im Wörterbuch Etymologien finden, auch wenn sich Godefroy selbst im Band 6 davon distanziert hatte 2 . Sie belegt darüber hinaus, welche Anleihen Godefroy in anderen Wörterbüchern genommen hatte und schließt mit der Feststellung, dass die Fehler, die von Godefroy gemacht wurden, heute nuancierter beurteilt werden müssen «face à l’envergure de la masse documentaire ainsi constituée dans un dictionnaire qui, appartenant au vaste ensemble des dictionnaires anciens, offre un extraordinaire chantier d’études métalexicographiques aux nouvelles générations de chercheurs . . . » (111). C. Buridant analysiert in seinem Artikel «Unica et mots-fantômes dans le Godefroy. Réflexions et propositions» (113-28) Wörter, die nur einmal in Gdf. belegt sind. Seiner Meinung nach ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Unica falsche Lesarten darstellen. Außerdem präsentiert er eine Art Typologie für die Entstehung dieser Fehler. Sein Artikel endet mit zwei bedenkenswerten Vorschlägen. Zum einen fordert er ein Supplement zu Godefroy, das diese Unica erklärt, zum anderen regt er die Schaffung einer Webseite an, die als Diskussionsforum für Problemfälle dienen soll 3 . Für seinen Artikel «La Vie des Pères et Gautier de Coincy dans Godefroy» (129-41) hat T. Matsumura ein weiteres Mal die 10 Bände des Godefroy gelesen. Er zeigt, dass bei einigen der 3700 von ihm isolierten Belege Fehler bei der Quellenangabe (sei es bei der Referenz der Handschrift oder bei der Textidentifikation) vorkamen, die in späteren Wörterbüchern tradiert wurden. Gleichzeitig belegt er, dass die Methode Godefroys, einzelne Handschriften genau zu exzerpieren, den Lexikographen des 21. Jahrhunderts wichtige Materialien in Form von graphisch interessanten Formen und außergewöhnlichen Bedeutungen an die Hand gibt. Häufig fehlen diese Einträge nämlich in den Glossaren der entsprechenden Editionen. Die vollständige, im Band nicht publizierte Konkordanz hat Matsumura dem DEAF zur Verfügung gestellt; sie ist ein wichtiges Hilfsmittel bei der täglichen Wörterbucharbeit. M. Plouzeau versucht in ihrem Beitrag «À propos de Godefroy et de Jourdain de Blaye» (143-57) anhand von ca. 1000 Zeilen herauszuarbeiten, mit welcher Methode Godefroy Texte exzerpierte. Sie zeigt, wie ökonomisch Godefroy mit seinen Belegen umgegangen ist.Von 450 von ihr als interessant erachteten Belegen aus dem Textabschnitt finden sich nur 21 im Wörterbuch. Die Frage nach der Methode musste vor diesem Hintergrund unbeantwortet bleiben. G. Roussineau analysiert in seinem Aufsatz «Perceforest dans La Curne et Godefroy» (159-74) die Qualität ausgewählter Belege und ihre Definitionen in La Curne und veranschaulicht, wie Godefroy Daten aus diesem Wörterbuch in sein eigenes integriert hat. Bemerkenswert ist Roussineaus Aussage: «Pour ma part, au terme de cette étude, je dirais que sa consultation [die von La Curne] n’est pas seulement intéressante. Elle paraît indispensable pour qui étudie le lexique du moyen français» (174). D. Trotter belegt in seinem Beitrag «Godefroy et les archives: des attestations trompeuses? » (175-90) dieVielfalt archivalischer Belege in Godefroy.Allein im Band 1 konnte er 2478 Zitate aus Archivmaterial ausfindig machen, die er nach archives départementales, archives municipales, archives étrangères ou non identifiées und den Archives nationales kategorisierte. Zudem analysiert er die geographische Verteilung. Er kommt zu dem Schluss, dass die Re- 326 Besprechungen - Comptes rendus 2 «Nous avons resisté à la tentation de donner des étymologies, parce que nous en connaissions tous les dangers» Gdf. 6, vi b. 3 Eine solche Seite könnte eventuell im ATILF eingerichtet werden; dort ist eine Seite bezüglich der FEW-Korrekturen geplant. gionen ungleichmäßig in Godefroy vertreten sind, dass aber gleichzeitig die verzeichneten Belege durchaus ein repräsentatives Bild der französischen Sprache des Mittelalters abgeben. Das Aufnehmen von Sprachmaterial aus Archiven macht aus Godefroy ein unersetzliches Werkzeug der französischen Lexikographie, auch wenn die Belege im einzelnen kontrolliert werden müssen (so gehandhabt in der Überarbeitung des FEW und im DEAF). Mit der «Bibliographie des sources de Frédéric Godefroy» (191-206) beschäftigt sich J.-L. Ringenbach. Sein Ziel ist es, eine möglichst vollständige Bibliographie der von Godefroy zitierten Quellen zu erarbeiten, wobei neben der eigentlichen Identifikation fehlerhafte Textangaben ein weiteres Problem darstellen. Er gibt einige prototypische Zettel für einen Fichier der Werke vor 1500, auf denen die zitierten Werke nach Godefroy-Abkürzungen, dem DEAF-Sigel, den Abkürzungen des DMF und der entsprechenden Nummer in Boss 2 zu finden sind. Ich denke, alle an französischer Lexikographie Interessierten wünschen ihm dabei viel Erfolg 4 . Der längste Aufsatz im Band stammt aus der Feder von T. Städtler. Er beschäftigt sich mit den «Mots astérisqués du Lexique de Godefroy» (207-78). Dieser Beitrag ist in mehrfacher Hinsicht verdienstvoll. Erstens rückt er den für die Identifizierung von unbelegtem Material der Lexikographie (besonders im FEW) überaus wichtigen Lexique wieder in das Blickfeld der Wissenschaftsgemeinde. Dieses Werk verzeichnet im Prinzip alle Wörter des Godefroy Band 1-8 ohne Berücksichtigung des Complément und gibt Definitionen, aber keine Belege. Es fehlen die Wörter, für die in Godefroy keine Bedeutung gegeben wurde. Außerdem finden sich dort mehr als 1250 Wörter, die im eigentlichen Wörterbuch fehlen. Diese Addenda sind mit einem Asterisk ausgezeichnet. Zweitens gelingt es Städtler für ca. 75 % dieser Wörter die Quellen zu identifizieren. Drittens können mithilfe dieser Liste Fehler in den Wörterbüchern ausgemerzt werden, die die Materialien des Lexique unkritisch integriert hatten. Eine Nutzung der Materialien des Godefroy und des Lexique ist ohne Konsultation dieses Artikels nachgerade ausgeschlossen. Wissenschaftspolitische Anklänge finden sich schon im Titel zu F. Möhrens Beitrag «Le Godefroy, une source encore valable au XXI e siècle? » (279-94). So stellt er bezüglich der Beschäftigung mit unseren wissenschaftlichen Vorgängern die Frage: «Est-ce pour mieux connaître ce que nous sommes sur le point de mettre aux ordures de l’histoire? ». Optimistisch verneint er diese Frage und geht davon aus, dass man sich im konkreten Fall mit Godefroy beschäftigt, um etwas von ihm zu lernen. Indem er die negativen Urteile über Godefroy der letzten 100 Jahre falsifiziert, rückt er ihn wieder in das Zentrum der Lexikographie des Alt- und Mittelfranzösischen. Möhren umreißt in metalexikographischer Analyse verschiedene Problemfelder wie Chronologie, regionale Markierung, Quellen, etc. Er kommt zu folgendem Schluss: «un glossaire n’est pas un dictionnaire et mille glossaires ne font toujours pas un dictionnaire. De plus, un travail lexicographique qui n’intègre pas la tradition lexicographique et lexicologique est inefficace et constitue une déperdition de fonds. C’est dans cette perspective que Gdf garde toute sa valeur» (294). Die dritte Sektion, Postérités du Dictionnaire, wird eröffnet von G. Roques mit einem Artikel, der «Godefroy et les autres» (298-321) betitelt ist. Nach einem kurzen Überblick über einige (Fehl-)Urteile verschiedener Forscher bezüglich der Qualität von Godefroy belegt Roques, wie dort Materialien aus dem Glossar von Roquefort integriert wurden. Er zeigt anhand der Analyse der Artikel bargaigne und bargaignier und eines Abgleichs der Materialien mit TL, FEW, AND und DMF, dass Godefroy auch heute noch ein wichtiges Arbeitsinstrument für die Lexikographie des mittelalterlichen Französisch ist. 327 Besprechungen - Comptes rendus 4 Bis dahin tut die DEAF-Bibliographie gute Dienste (frei und kostenlos unter www.deafpage.de). J.-P. Chauveau, der jetzige Leiter des FEW, interessiert sich in seinem Beitrag «L’utilisation du Dictionnaire de F. Godefroy dans le FEW» (323-44) dafür, auf welche Art die Daten Godefroys im FEW integriert wurden. Er beschreibt im Detail, wie diese Übernahme funktionierte. Gleichzeitig weist er nach, warum ein Teil der Informationen im FEW fehlen, zeigt aber andererseits, dass das FEW auch hilft, den Godefroy zu vervollständigen. Erwähnenswert ist sein wichtiger Hinweis, dass als Basis für Wartburg der Lexique diente, der, wie schon erwähnt, nicht alle Einträge des Wörterbuches selbst aufführte (cf. auch DEAF- BiblEl zu GdfLex). Ein wenig aus der Reihe fällt der Aufsatz von L. Rodriguez mit dem Titel «Le rôle du Godefroy dans la description du français du Canada. Identification de formes lexicales et de traits morphologiques de moyen français dans un corpus franco-manitobain de la fin du XX e siècle» (345-58). Sie versucht zu erklären, welch wichtige Funktion dem Godefroy zufällt bei der Beschreibung ihres franko-kanadischen Korpus. Wahrscheinlich ist die Benutzung des FEW für ihre Fragestellung hilfreicher. Als Historiker äußert sich P. Contamine. Sein Artikel «Le dictionnaire de Frédéric Godefroy: le point de vue de l’historien» (359-70) belegt, wie ein Historiker bei der Analyse von Textzeugen mit Wortmaterial konfrontiert wird, das er nur mithilfe von Wörterbüchern klären kann. Außerdem zeigt er exemplarisch am Wortfeld des Feudalwesens, dass Godefroy eine wichtige Funktion für historisch angelegte Studien haben kann. Definitiv in das 21. Jahrhundert führt der Beitrag von M.-D. Gleßgen: «L’élaboration philologique et l’étude lexicologique des plus anciens documents linguistiques de la France à l’aide de l’informatique» (371-86). Er beschreibt sein interessantes Projekt der Edition von 290 lothringischen Urkunden des 13. Jahrhunderts, die elektronisch erfasst und mit modernen Werkzeugen der Informatik linguistisch analysiert werden sollen. In Bezug auf den Godefroy definiert Gleßgen folgendermaßen das Ziel des Projektes: «Il [= sein Projekt] n’en élargira pas fortement la nomenclature, sauf pour le volet onomastique [der im Gdf freilich ausgeklammert ist]; mais il enrichira l’utilisation du Dictionnaire de l’ancienne langue et permettra une véritable contextualisation des mots dans leur usage, dans leur entourage syntagmatique et dans leur trajectoire pragmatique». P. Kunstmann und A. Stein präsentieren in ihrem Artikel «Le Godefroy comme source pour un dictionnaire électronique des formes graphiques occurrentes» (387-92) die Methode einer lemmatisierten Erfassung der Graphien Godefroys. Diese sollen zusammen mit dem von Dees entworfenen «Korpus von Amsterdam» (i. e. ein elektronisches Korpus alt- und mittelfranzösischer Texte, deren Wortschatz morphologisch analysiert ist) in eine Lemma-Datenbank einfließen. Dass das hochgesteckte Ziel, «établir un important fichier lexicologique, précieux pour décrire le vocabulaire de l’ancienne langue (ancien français d’abord) dans sa diversité par région, époque, forme littéraire», erreicht werden kann, nämlich die Materialien durch ihre Integration ins Wörterbuch und in die Grammatik fruchtbar werden zu lassen, bleibt zu wünschen. Unter dem Titel «Quelle postérité électronique pour le Godefroy» (393-403) definieren R. Martin und G. Souvay die Mindestanforderungen an ein digitalisiertes Wörterbuch, wobei sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der CD-Fassung des Godefroy durch Champion hatten. (Dass diese Fassung eben diesen Anforderungen nicht entspricht, belegt T. Matsumura im abschließenden Artikel, cf. infra.) Anschließend stellen Martin und Souvay den DMF vor, der Godefroy für den Bereich des Mittelfranzösischen komplettieren wird. Der abschließende Beitrag von T. Matsumura bespricht kurz die elektronische Fassung des Godefroy, die von Champion publiziert wurde. Die harte Kritik von F. Duval in seiner Présentation: «Volontairement coupée de la communauté scientifique, il était inévitable que la numérisation aboutît à un résultat peu convaincant. Certes, les visées ‹marketing› ne sont 328 Besprechungen - Comptes rendus toujours pas compatibles avec l’exigence scientifique . . . » (18) wird von Matsumura im Einzelnen erarbeitet. Aufschlussreich ist sein resümierender Satz: «Seuls les lecteurs expérimentés de Gdf. en version papier pourront éviter les pièges tendus par la version numérisée et exploiter efficacement les données qu’elle nous offre» (408) 5 . Hier zeigt sich, dass Fortschritt durchaus auch Rückschritt bedeuten kann, vor allem dann, wenn Wissenschaft dem kurzfristig zu erzielenden monetären Gewinn (wenn er denn - bei der Qualität - zu erzielen war) geopfert wird. Abgeschlossen wird der Band durch das «Inventaire du fonds Frédéric Godefroy et de l’Institut catholique de Paris» (411-35) von F. Duval und G. Veysseyre, durch die Bibliographie der Werke von Godefroy von F. Duval (437-47) und einen Index verborum (449- 52). Das Fazit ist schnell gezogen: Alle, die sich für historische französische Lexikographie und Lexikologie interessieren, müssen F. Duval und den Beiträgern dankbar sein. Dieser Band rehabilitiert den Menschen Godefroy als Wissenschaftler und auch sein Wörterbuch. Im Bereich des mittelalterlichen Französisch ohne den Dictionnaire zu arbeiten wird auch in Zukunft unmöglich sein 6 . Und dieser Tagungsband sollte jetzt neben jedem Godefroy-Exemplar stehen. Stephen Dörr ★ Pierre Nobel (ed.), Variations linguistiques. Koinè, dialectes, français régionaux, Besançon (Presses Universitaires de Franche-Comté)/ Le Kremlin-Bicêtre (Les Belles Lettres) 2003, 192 p. (Journées d’étude du programme pluriformation: Formes, Langages et identités dans les sociétés multiculturelles 1 = Collection «Littéraire») Vorliegender, aus einer Tagung an der Universität Besançon hervorgegangener Sammelband umfasst elf Beiträge, die dialektalen und regiolektalen Phänomenen gewidmet sind. Die Perspektive ist dabei sowohl auf die Gegenwartssprache wie auf ältere Sprachstufen gerichtet, Objektsprache ist vorrangig das Französische (9), je einmal vertreten sind Italienisch und Neugriechisch. Zu den romanistischen Aufsätzen im Einzelnen. Nach einer kurzen Einführung von P. Nobel (3-4) sind die ersten vier Beiträge mittelalterlichen Sprachdokumenten gewidmet. Y. Greub (15-24) präsentiert einige Resultate seiner inzwischen erschienenen Dissertation 1 , deren Objekt die Analyse der Regionalismen in einem Korpus von 65 mittelalterlichen Farcen ist. Zunächst werden aus vorrangig methodischer Warte die Prinzipien der Lokalisierung der Regionalismen und der Texte erläutert; anschließend werden zentrale Ergebnisse vorgestellt, die vor allem in der Ermittlung geographisch zusammenhängender Großzonen der Verbreitung von Regionalismen bestehen, aber auch belegen, dass es sich vornehmlich um semantische Phänomene handelt. Im Anschluss betrachtet G. Roques (25- 31) die lexikalischen Regionalismen im Fabliau Le Vilain de Bailluel. Nach Ausführungen zum Toponym Bailluel sind es neun im Pikardischen und anderen Zonen beheimatete Re- 329 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. die ausführliche Besprechung Matsumuras in RLiR 67 (2003): 265-70. 6 Noch im Jahr 2003 findet sich in der Bibliographie von F. Laurent (ed.), Guillaume de Berneville, unter der Rubrik Langue-Dictionnaires nur das AND , der TL und das FEW . 1 Les régionalismes lexicaux du moyen français et la formation des français régionaux: d’après l’exemple d’un corpus de farces (1450-1550), Phil.Diss., 2 vol., Neuchâtel 2002; Les mots régionaux dans les farces françaises. Étude lexicologique sur le Recueil Tissier (1450-1550), Strasbourg 2003.