Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniPierre Nobel (ed.), Variations linguistiques. Koinè, dialectes, français régionaux, Besançon (Presses Universitaires de Franche-Comté)/Le Kremlin-Bicêtre (Les Belles Lettres) 2003, 192 p. (Journées d’étude du programme pluriformation: Formes, Langages et identités dans les sociétés multiculturelles 1 = Collection «Littéraire»)
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Joachim Lengert
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toujours pas compatibles avec l’exigence scientifique . . . » (18) wird von Matsumura im Einzelnen erarbeitet. Aufschlussreich ist sein resümierender Satz: «Seuls les lecteurs expérimentés de Gdf. en version papier pourront éviter les pièges tendus par la version numérisée et exploiter efficacement les données qu’elle nous offre» (408) 5 . Hier zeigt sich, dass Fortschritt durchaus auch Rückschritt bedeuten kann, vor allem dann, wenn Wissenschaft dem kurzfristig zu erzielenden monetären Gewinn (wenn er denn - bei der Qualität - zu erzielen war) geopfert wird. Abgeschlossen wird der Band durch das «Inventaire du fonds Frédéric Godefroy et de l’Institut catholique de Paris» (411-35) von F. Duval und G. Veysseyre, durch die Bibliographie der Werke von Godefroy von F. Duval (437-47) und einen Index verborum (449- 52). Das Fazit ist schnell gezogen: Alle, die sich für historische französische Lexikographie und Lexikologie interessieren, müssen F. Duval und den Beiträgern dankbar sein. Dieser Band rehabilitiert den Menschen Godefroy als Wissenschaftler und auch sein Wörterbuch. Im Bereich des mittelalterlichen Französisch ohne den Dictionnaire zu arbeiten wird auch in Zukunft unmöglich sein 6 . Und dieser Tagungsband sollte jetzt neben jedem Godefroy-Exemplar stehen. Stephen Dörr ★ Pierre Nobel (ed.), Variations linguistiques. Koinè, dialectes, français régionaux, Besançon (Presses Universitaires de Franche-Comté)/ Le Kremlin-Bicêtre (Les Belles Lettres) 2003, 192 p. (Journées d’étude du programme pluriformation: Formes, Langages et identités dans les sociétés multiculturelles 1 = Collection «Littéraire») Vorliegender, aus einer Tagung an der Universität Besançon hervorgegangener Sammelband umfasst elf Beiträge, die dialektalen und regiolektalen Phänomenen gewidmet sind. Die Perspektive ist dabei sowohl auf die Gegenwartssprache wie auf ältere Sprachstufen gerichtet, Objektsprache ist vorrangig das Französische (9), je einmal vertreten sind Italienisch und Neugriechisch. Zu den romanistischen Aufsätzen im Einzelnen. Nach einer kurzen Einführung von P. Nobel (3-4) sind die ersten vier Beiträge mittelalterlichen Sprachdokumenten gewidmet. Y. Greub (15-24) präsentiert einige Resultate seiner inzwischen erschienenen Dissertation 1 , deren Objekt die Analyse der Regionalismen in einem Korpus von 65 mittelalterlichen Farcen ist. Zunächst werden aus vorrangig methodischer Warte die Prinzipien der Lokalisierung der Regionalismen und der Texte erläutert; anschließend werden zentrale Ergebnisse vorgestellt, die vor allem in der Ermittlung geographisch zusammenhängender Großzonen der Verbreitung von Regionalismen bestehen, aber auch belegen, dass es sich vornehmlich um semantische Phänomene handelt. Im Anschluss betrachtet G. Roques (25- 31) die lexikalischen Regionalismen im Fabliau Le Vilain de Bailluel. Nach Ausführungen zum Toponym Bailluel sind es neun im Pikardischen und anderen Zonen beheimatete Re- 329 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. die ausführliche Besprechung Matsumuras in RLiR 67 (2003): 265-70. 6 Noch im Jahr 2003 findet sich in der Bibliographie von F. Laurent (ed.), Guillaume de Berneville, unter der Rubrik Langue-Dictionnaires nur das AND , der TL und das FEW . 1 Les régionalismes lexicaux du moyen français et la formation des français régionaux: d’après l’exemple d’un corpus de farces (1450-1550), Phil.Diss., 2 vol., Neuchâtel 2002; Les mots régionaux dans les farces françaises. Étude lexicologique sur le Recueil Tissier (1450-1550), Strasbourg 2003. gionalismen, die beschrieben und in ihrer Bedeutung für die Ermittlung des zentralen Manuskripts des Werkes gedeutet werden. Eine spezifische Varietät des Altfranzösischen macht P. Nobel (33-52) zum Objekt seines Beitrages, das im Kreuzfahrerstaat Jerusalem gesprochene Französisch. Auf der Grundlage von Bibelübersetzungen des 13. Jh. arbeitet der Autor Spezifika des dortigen Französischen heraus. Aus lexikalischer Perspektive sind dies Entlehnungen aus dem Okzitanischen und Arabischen, wohingegen Graphie und Morphologie der analysierten Dokumente dem binnenfranzösischen Sprachgebrauch entsprechen, mit diversen regionalen Einflüssen. Nur wenige Sprachelemente sind typisch für den lokalen Gebrauch, darunter insbesondere die Pluralform zeaus für yeux sowie das im Altfranzösischen seltene Adverb queinces ‘c’est-à-dire’ (bzw. die Konjunktion queinces que). Der einzige italienische Beitrag stammt von C. Pignatelli (53-94), die zwei lateinisch-italienische Glossare des 14. Jh. aus Arezzo analysiert. Nach einer allgemeinen, Struktur und Quellen vorstellenden Präsentation dieser Werke, folgt eine umfängliche sprachliche Analyse, die vornehmlich auf lexikalische Fragestellungen eingeht, nämlich die Frage nach der Klassifikation der lateinischen Neologismen der beiden Texte, aber auch Probleme der Graphie und der morphologischen Adaptation volkssprachlicher Elemente behandelt. Es folgt eine Untersuchung der lexikographischen Behandlung der in den Glossaren aufgenommenen Lemmata, die unter anderem den Gebrauch des Lateins und die Übersetzung der lateinischen «Neologismen» sowie die Strategien der volkssprachlichen Paraphrasierungen und generell der Charakteristika der Volkssprache in den Glossaren darstellt, bevor abschließend die Herkunft dieser «Neologismen» systematisiert wird. Der Übergang zu Problemstellungen der neufranzösischen Diatopie, bei denen in Anbetracht des Tagungsortes nicht verwunderlich ist, dass die Franche-Comté besonders gut vertreten ist, wird durch J.- F. P. Bonnot (95-110) geleistet, der allgemeine Ausführungen zum Verhältnis von Norm und Regiolekt im normativen Diskurs des 17. und 18. Jh. trifft und hierbei auf die Rolle regiolektaler Sprachelemente bei den Puristen der Epoche z. B. in Bezug auf Aussprachephänomene abhebt. Einen methodologisch orientierten Forschungsüberblick steuert H. Madec (111-27) bei, der, differenziert nach Arbeiten zum «patois francisé» (also zu den Dialekten vor 1914) und zum «français patoisé» (also zu den Regiolekten nach dem ersten Weltkrieg), selektive methodische Aspekte diskutiert und unter anderem einschlägige Regionalismensammlungen wie Beauquier 1881 oder Colin 1993 vorstellt. Nach einer knappen Präsentation des von ihm edierten Dictionnaire des régionalismes de France (2001) betrachtet P. Rézeau (129-36) drei spezifisch freigrafschaftliche Regionalismen näher, cancoillotte, tartiflette und boîte chaude. Mit M. Francard/ G. Geron/ R. Wilmet (137-50) kommen Mitarbeiter der mit der Erforschung des Französischen in Belgien befassten Gruppe Valibel zu Wort. Nach der Diskussion genereller Probleme der lexikographischen Inventarisierung von Regionalismen hinsichtlich der Referenz auf standardfranzösische Wörterbücher und der Repräsentativität der Materialselektion werden die Erstellung des Inventars für das Forschungsprojekt Dictionnaire du français en Belgique sowie daran anschließend die Problematik des Begriffs «Belgizismus» diskutiert. An das Ende des Bandes sind zwei der außereuropäischen Frankophonie gewidmete Aufsätze gesetzt worden. A. Queffélec (151- 64) liefert einen summarischen Abriss der lexikalischen Kreativität im Französischen Afrikas, der Phänomene der Wortbildung (Kürzungsformen und Derivate auf der Basis von Wortkürzungen) und des Bedeutungswandels (Metaphern etc.) vorstellt. Weiter holt C. Frey (165-90) aus, der angesichts der oftmals in größeren Zonen der afrikanischen Frankophonie beheimateten lexikalischen Spezifika die Dialektik von zentripetalen und zentrifugalen Kräften untersucht. Mit zahlreichen Belegen werden nationale und regionale Identitäten ebenso wie divergente Adstrate als Faktoren für die Herausbildung individuierender Sprachmerkmale benannt, wohingegen die gemeinsame Zugehörigkeit zur Frankophonie, Phänomene des Sprach- und Kulturkontakts sowie der Einfluss der Stan- 330 Besprechungen - Comptes rendus dardvarietät z. B. in der Wortbildung als universalisierende Elemente hervorgehoben werden. Der Autor betont auf dieser Basis die komplexe Relation von sprachlicher Variation und Identität. Es bleibt abschließend festzuhalten, dass ein Großteil der Arbeiten recht allgemeiner Natur ist und somit nur in begrenztem Maße wirklich Neues bieten kann. Nicht selten stehen Forschungsberichte und die resümierende Darstellung von Generalitäten im Vordergrund. Belangreicher sind daher einige der an den Beginn des Sammelbandes plazierten Beiträge zu mittelalterlichen Sprachstufen. Eine Anschaffung des Buches rentiert sich letztlich auf dem Hintergrund seines eingeschränkten Neuigkeitswertes nur bei ausgeprägtem Spezialinteresse im Bereich diatopischer Variation. Joachim Lengert ★ Michel Roché, La variation non flexionnelle du genre des noms. Diachronie, diatopie, diastratie, Toulouse (Cahiers d’Études Romanes) 1997, 456p. Das Anliegen der Arbeit ist «d’examiner d’une façon systématique la question de la variation non flexionnelle du genre des noms» (4), im Unterschied zum Genus als «fait de flexion, qui ne concerne vraiment que les adjectifs, les déterminants et les pronoms» (3), d. h. zur kongruenzbedingten Variation bei Wortarten mit variablem Genus. Somit erklärt sich auch der Buchtitel, wobei allerdings eine weniger ambivalente und umständliche, schlechthin auf Genus als inhärente Kategorie des Nomens verweisende Formulierung, etwa Variation du genre nominal, sicher nicht fehl am Platz gewesen wäre. Im ersten, mit Typologie überschriebenen Kapitel (7-32) unterscheidet der Verf. zwischen drei Typen der Genusvariation: à signifiant et signifié constants (z. B. art, dent: afr. und mfr. m. und f.), à signifiant constant et signifié variable (un/ une livre), à signifiant variable et signifié constant (photocopieur/ -euse), wobei er den zweitgenannten Typ ausklammert, den die Grammatiken öfters undifferenziert unter mots à deux genres behandeln bzw. dem Unterschied zwischen Homonymie- und Polysemiefällen und der eigentlichen Genusschwankung ungenügend Rechnung tragen (21p.). Die vorgestellten Typen werden ferner in variations primaires und secondaires unterteilt, d. h. in einerseits dès l’apparition du mot dans la langue (8) und andererseits zu einem späteren Zeitpunkt einsetzende Schwankungen - eine zwar weder risikofreie noch (wie der Verf. selbst einsieht, p. 8) bei allen Belegen problemlos zu treffende Differenzierung, die jedoch als Systematisierungsgrundlage sicher ihre Berechtigung hat. Die einzelnen Typen und Untertypen werden jeweils an mehreren Beispielen veranschaulicht. So illustriert doute, behandelt unter variation à signifiant et signifié constants, variation primaire (12), französische Wortbildungen mit anfänglicher Genusschwankung, zu welchen neben impliziten deverbalen Ableitungen u. a. auch substantivierte Adjektive und auf Eigennamen zurückgehende Bildungen zählen. Diese Beispiele dienen außerdem der Darstellungsökonomie der durchaus informativen tabellarischen Zusammenfassung am Ende des Buchs (Inventaire, 261-342): Hier werden ca. 1650 Nomina im Hinblick auf die Etymologie, Datierung der Schwankungsbelege und das jeweilige Prinzip der Variation systematisiert (Kurzhinweise in Form von Angaben wie doute, die auf entsprechende Textstellen zurückverweisen). Das zweite Kapitel (Les facteurs externes, 33-57) gilt zum Einen den soziolinguistischen Faktoren, unter welchen Zweisprachigkeit, soziales Milieu und Bildungsgrad der Sprecher sowie Gelehrteneinfluss fungieren. So wird z. B. die von Gelehrten und Grammatikschreibern geforderte Rückkehr zu lat. und gr. Etyma, soweit sie den morphonologi- 331 Besprechungen - Comptes rendus
