Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2006
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Kristol De StefaniHans Tyroller, Grammatische Beschreibung des Zimbrischen von Lusern. Wiesbaden (Franz Steiner Verlag) 2003, 291 p. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 111)
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2006
Heinz Dieter Pohl
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L’impression générale qui se dégage de l’ouvrage est très positive. Claudia Maria Riehl fournit, dans un format très accessible, une multitude de renseignements sur les phénomènes de contact entre les langues qui n’ont jamais été recueillis par une seule personne Sabine Ehrhart ★ Hans Tyroller, Grammatische Beschreibung des Zimbrischen von Lusern. Wiesbaden (Franz Steiner Verlag) 2003, 291 p. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 111) Die vorliegende Studie beschreibt die einzige (wirklich) noch lebende «zimbrische» Mundart des Trentino und der benachbarten «Sieben und Dreizehn Gemeinden» in den Provinzen Vicenza und Verona. Die Zahl der Sprecher gibt der Vf. mit ca. 350 an (nach anderen Angaben 370 1 ), von denen aber nur 200 ständig in Lusern leben. Diese Mundart wird von den Nachkommen jener Einwanderer aus dem 11.-13. Jh. verwendet, welche damals die mittelhochdeutsche Ausprägung des bairischen Großdialektes sprachen. Die Isolation vom zusammenhängenden Herkunftsraum ließ einerseits diese Mundart sprachliche Eigentümlichkeiten bewahren, die dem Bairischen heute fehlen, andererseits bewirkte die romanische Nachbarschaft in vieler Hinsicht eine andere Weiterentwicklung, wodurch sie sich vom Deutschen entfernt und dem Romanischen angenähert hat. Jahrhunderte lang wurde Lusernerisch nur mündlich gebraucht und nicht geschrieben (die Funktion einer Schriftsprache übte das Italienische aus). Auch während des deutschen Schulunterrichts von 1866-1915 wurde die Mundart nicht geschrieben - die deutsche Orthographie war nicht geeignet, dieser Sprachform schriftlich gerecht zu werden. Durch das in den letzten Jahren stärker gewordene Sprachbewusstsein der Luserner Bevölkerung und das gestiegene gesellschaftliche Interesse an den kleinen sprachlichen Minderheiten entstand der Bedarf nach einer mehr oder weniger geregelten schriftlichen Darstellung dieser Sprache. Daher war das Ziel der vorliegenden Arbeit, nicht nur eine der modernen Linguistik und Dialektologie entsprechende Darstellung des lusernischen Zimbrisch zu verfassen, sondern auch den Lusernern ein verlässliches Hilfsmittel in die Hand zu geben. Dies ist dem Verfasser auch gelungen; die Grundlage dazu ist das Kapitel 2, das der Phonetik und Phonologie gewidmet ist und auch einen Abschnitt «Graphische Realisation» enthält. Dieses entwickelt eine «Orthographie», welche auch zur Transkription der Beispiele dient. Nur wo es notwendig erscheint, wird zusätzlich die phonetische Umschrift verwendet. Das Buch umfasst 5 Kapitel: 1. Einleitung, 2. Phonetik und Phonologie, 3. Wortarten und ihre morphologische Struktur («Formenlehre»), 4. Wortbildung (mit Informationen zum Sprachkontakt: «Integration von Lehnwörtern»), 5. Syntax. Die Einleitung enthält neben allgemeinen Angaben auch Hinweise zur historischen Entwicklung der Sprache von Lusern. Der Name Lusern selbst wird auf ein älteres rom. Liserna zurückgeführt, Stamm lis-/ liz- ‘eisiger, schlüpfriger Boden’ (der auch im Tiroler Lizum vorliegt) + Kollektiv -erna. Die Sprache von Lusern hat eine eindeutig bairische Grundlage, sowohl im Laut- (z. B. goas ‘Geiß’, khemmen ‘kommen’) als auch im Formensystem (z. B. Adjektivsuffix -at in stokhat ‘stockig’) sowie im Wortschatz (gute Bewahrung der «bairischen Kennwörter» wie khrånewitt ‘Wacholder’ oder erta ‘Dienstag’). 148 Besprechungen - Comptes rendus 1 Ch. Pan/ B. S. Pfeil, Die Volksgruppen in Europa (Ethnos 56, Wien 2000), 89s.; K. Heller/ L. T. Prader/ Ch. Prezzi (ed.), Lebendige Sprachinseln [Lusern 2004], 172) nennen 297 Einwohner, von denen sich 267 Personen als «zimbrisch» deklarieren, wozu noch 397 Bewohner anderer Gemeinden der Provinz Trient kommen (auf Grund der Volkszählung von 2001). Das Verbum hat durchaus bairisches Gepräge; auffallend ist jedoch die Verallgemeinerung der schwachen PPP-Endung -t, auch bei den starken Verben (z. B. geprocht ‘gebrochen’), nach Meinung des Verfassers nach italienischem Vorbild. Die Nominalflexion entspricht (morphologisch) im großen und ganzen der der anderen bairischen Dialekte, u. a. kein Genitiv, aber -n im Dativ Plural (z. B. khindarn ‘Kindern’), Pluralbildung mit Ø- Morph, mit Umlaut, mit -n und mit -ar, die mit Präposition umschriebenen Ersatzformen sind nach romanischem Vorbild stärker ausgebildet; der Genitiv-Ersatz ist die Präposition vo ‘von’ (z. B. s’ haus vo moin vatar ‘das Haus meines Vaters’). Integrierte Lehnwörter aus dem Romanischen bilden den Plural nach rom. Vorbild, wobei -i zu -e wird (z. B. dar konedjo, di konedje ‘das/ die Kaninchen’, di mosketta, di moskette ‘die Kinnlade(n)’). Feminine und Diminutivbildungen folgen grundsätzlich dem bairischen Muster, auch Lehnwörter können solche Formen bilden (di patrünen ‘die Hausherrin, Patronin’, s’ kharözzle ‘der kleine Wagen’); romanische Vorbilder (wo es kein Neutrum gibt) haben Feminina wie di rössen ‘die Stute (Rössin)’ entstehen lassen. Entlehnte Verben wurden in älterer Zeit nach dem Muster rivan ‘ankommen’ (dial. rivàr), in jüngerer wie partirn ‘abreisen’ (partire) übernommen. Ein bemerkenswertes Lehnpräfix scheint szu sein (lat. ex), z. B. sfortuna ‘Unglück’ (also ähnlich dt. un-), sglesar ‘Glassplitter’ (vom Plural glesar ‘Gläser’). Sehr informativ ist der syntaktische Teil, der eine klare Darstellung des Satzbaues liefert, von den Grundstrukturen bis zu komplexen Sätzen. Auch hier kommen Fragen des Sprachkontakts nicht zu kurz. So entspricht z. B. dar pua hat gelirnt vor di schual ‘der Bub (Junge) hat für die Schule gelernt’ genau dem ital. Modell: il ragazzo ha studiato per la scuola. Hingegen entspricht eine Wortfolge wie dar pua hat gemucht lirnen ‘der Bub hat lernen müssen’ zwar auch der italienischen (il ragazzo ha dovuto studiare), kommt aber auch in anderen bairischen Mundarten vor (z. B. Kärnten). Italienischen Vorbildern folgen Sätze wie disar boi hat nå schopp ‘dieser Wein hat (riecht) nach Korken’, ital. questo vino sa da tappo (eigentlich ein Partitiv). Ein ausführliches Register und eine Bibliographie beschließen die Monographie, die Interessenten an den deutschen Sprachinselmundarten und an deutsch-romanischem Sprachkontakt in gleicher Weise nützliche Dienste leistet und auch für die Sprecher des Luserner Zimbrischen ein wertvoller Ratgeber ist. Der Verfasser beschäftigt sich schon seit 1980 mit dieser Mundart und hat eine Reihe von einschlägigen Publikationen vorgelegt. Das vorliegende Buch ist somit als reifes Werk zu bezeichnen, das mehr als ein Vierteljahrhundert intensiver eigener Forschung zusammenfasst. Heinz Dieter Pohl ★ Claudine Moulin/ Damaris Nübling (ed.), Perspektiven einer linguistischen Luxemburgistik. Studien zu Diachronie und Synchronie, Heidelberg (Winter) 2006, viii + 356 p. Anzuzeigen ist ein Sammelband, der die Beiträge eines Löwener Colloquiums über «Luxemburgisch in Synchronie und Diachronie» vereint, das im August 2001 unter den Auspizien der Societas Linguistica Europaea stattfand. Da das Luxemburgische 1 zur Germania gehört, kommen primär Germanisten zu Wort, aber sowohl wegen der Lage Luxemburgs an der Grenze zur Romania als auch wegen der Phänomene, die beim unlängst erfolgten 149 Besprechungen - Comptes rendus 1 Ob man die deutsche Bezeichnung Luxemburgisch oder die einheimische Bezeichnung Lëtzebuergesch wählt, ist Geschmackssache; im vorliegenden Sammelband kommen, je nach Autor(in), beide Bezeichnungen vor.
