eJournals Vox Romanica 65/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2006
651 Kristol De Stefani

Annette Gerstenberg, Thomaso Porcacchis «L’Isole piu famose del mondo». Zur Textund Wortgeschichte im Cinquecento (mit Teiledition), Tübingen (Niemeyer) 2004, xi+ 392 p. (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 326)

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2006
Edeltraud  Werner
vox6510171
antichi: origine e condizione socio-professionale dei commentatori, tipologie strutturali, metodi di interpretazione della Commedia, utilizzazione dei commenti da parte degli studiosi di oggi, problemi di ecdotica. Anche questo in vista dello sviluppo futuro di un campo di ricerca «la cui fertilità . . . darà frutti succosi non solo per quanto riguarda lo studio di Dante», come l’autore scrive nella premessa (v). Antonio Stäuble ★ Annette Gerstenberg, Thomaso Porcacchis «L’Isole piu famose del mondo». Zur Text- und Wortgeschichte im Cinquecento (mit Teiledition), Tübingen (Niemeyer) 2004, xi + 392 p. (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 326) Die von Wolfgang Schweickard betreute Dissertation legt eine sprachhistorische Untersuchung anhand eines auch für die Text- und Wortgeschichte als Schlüsseltext der Geographie im 16. Jahrhundert eingestuften Werkes von Thomaso Porcacchi (1530-85) vor, nämlich der Isole piu famose del mondo, die nach der 6. Auflage von 1686 hier erstmals wieder, allerdings nur in ihren zentralen Kapiteln, nach modernen Prinzipien ediert werden. Die Dissertation umfasst als Kap. 1 die Einleitung mit einer kurzen Skizze zu Thema, zu problemorientiertem Forschungsstand und Quellenlage sowie mit Anmerkungen zur editionsphilologischen Methodik mit der Darlegung der Optionen für die eigene Edition (1- 19). Kap. 2 «Geographie im Cinquecento» befasst sich mit der Begriffsgeschichte von it. geografia, mit «geographischen» Texttraditionen, der Antikenrezeption (Strabon, Mela, Plinius, Ptolemäus), mit der Textsorte der Isolari (Buondelmonti, Sonetti, Bordone, Porcacchi, Boschini, Dapper, Coronelli u. a.), mit Sammlungen von Reiseberichten (Ramusio) sowie praxisorientierten Texten (Medina, Gastaldi) (21-64). Kap. 3 ist auf Thomaso Porcacchis Isole piu famose del mondo fokussiert und beschreibt das Umfeld der zugrundegelegten venezianischen Edition. Es folgen biobibliographische Hinweise zu dem Polygraphen Porcacchi. Den Kern bildet die Aufarbeitung des Textes selbst sowie dessen sprachhistorische Analyse (65-130). Kap. 4 widmet sich den Quellen in Form ihrer rescrittura in den Isole sowie der Frage nach der Kompilation von Textsorten im Werk Porcacchis (131-78). Kap. 5 enthält ein Glossar der verwendeten geographischen Fachtermini sowie die alphabetische Darstellung und Kommentierung der in den Isole behandelten Inseln der Ägäis im Vergleich der verschiedenen Ausgaben (179-258). Kap. 6 ist überschrieben mit «Schluss» und enthält eine knappe Zusammenfassung noch einmal zu Intention und Resultaten der vorangehenden Seiten (259-74). Es folgen als Kap. 8 die Edition (265-330), als Kap. 9 eine Errata-Liste (331-32) sowie das Werkverzeichnis Thomaso Porcacchis, diverse Indizes (Kap. 10) zu zitierten Autoren, Ethnika und geographischen Eigennamen sowie ein sachanalytischer Index (333-58), ein Abkürzungs- und Siglenverzeichnis (359-61) sowie die Bibliographie (363-92). Das Einleitungskapitel präsentiert zielführend die für die nachfolgende Untersuchung wichtigen Parameter, Aspekte und Probleme und ermöglicht es so dem Leser, bereits auf hohem Niveau in die wissenschaftliche Arbeit einzusteigen. Zurecht wird auf die Editionsdesiderata mit Bezug auf nicht-literarische gedruckte Texte des Italienischen aus der frühen Neuzeit hingewiesen, und soviel kann bereits an dieser Stelle gesagt werden, Vf. löst eine Reihe der Desiderata ein und wird für weitere Arbeiten in diese Richtung unbedingt als maßgebend herangezogen werden müssen, nicht zuletzt auch aufgrund der hohen wissenschaftlichen Redlichkeit und Reflexion im Interessenszusammenhang von Neueditionen von Texten aus dem ausgewählten Zeitraum. Damit wird von vornherein deutlich, dass die Neuedition der Isole vorrangig auch einem sprachwissenschaftlich-philologischen 171 Besprechungen - Comptes rendus Interesse verpflichtet wird, d. h. die (sprachlichen) Varianten der verschiedenen überlieferten Druckausgaben und damit die orthographische Genauigkeit bei der Transkription stehen im Mittelpunkt und im Dienst der Herausarbeitung des Wegs von diatopisch markierten Sprachmerkmalen eines padano illustre hin zu einem relativ unmarkierten toscano letterario. Die Transkription erfolgt weitgehend konservativ, was die Orthographie sowie die Groß- und Kleinschreibung angeht. Strikt modernisiert wird allerdings die Umsetzung der Grapheme u und v entsprechend dem heutigen Usus. Rundes s wird auf Kosten von langem s generalisiert. Kürzelauflösungen werden durch Kursivierung kenntlich gemacht; etc. Vf. verleugnet auch nicht ihre Nähe zur nouvelle philologie mit ihrem von Cerquiglini allerdings auf das Mittelalter orientierten Leitsatz «or l’écriture médiévale ne produit pas des variantes, elle est variance». Auf den eigenen Untersuchungsgegenstand bezogen, unternimmt Vf. einen exemplarischen Vergleich zwischen der Erstauflage 1572 und den Auflagen der Jahre 1576, 1590, 1604, 1620 und 1686. Im zweiten Kapitel geht es zunächst um begriffsgeschichtliche Fragestellungen um das Zentralkonzept von it. geografia. Vf. kann zeigen, dass, entgegen der zeitgenössischen und geläufigen Meinung, im 16. Jahrhundert seien cosmografia und geografia synonym verwendet worden, der Begriffsinhalt dieser Einheiten sowie seine Entwicklung unter Rückgriff auf die Quellen des 16. Jh. differenzierter beschrieben werden können. Der Synkretismus von «Erdbeschreibung» und «kartographische Darstellung/ Kartenentwurf» finde sich bereits bei Aristoteles. Und die Verwendung von cosmografia auch mit Bezug auf die kartographische Beschreibung der Erde (ursprünglich nur ‘Beschreibung von Himmel und Erde gleichermaßen’) habe sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts, insbesondere, aber nicht nur, im engeren Kontext der Ptolemäus-Rezeption etabliert. Vf. nimmt hier noch weitere Vordatierungen vor bis in das Jahr 1478/ 1479. Eine Schlüsselfunktion in der «synonymen» Verwendung der beiden Termini wird dabei Ramusio und seinen Navigazioni e viaggi zugewiesen, die auch eine der wesentlichen Quellen für Porcacchis Isole waren. Was die geographischen Texttraditionen, der zweite Aspekt, der im 2. Kapitel umfassend behandelt wird, angeht, verweist Vf. darauf, dass bereits in den frühen italienischen Drucken eine Reihe von geographischen Texten zu finden seien, die allerdings zunächst einem humanistisch-literarischen Interesse entsprungen seien. Ausschlaggebend wurde dann aber die Nutzung der geographischen Werke insbesondere auch in der Seefahrt. Dabei lasse sich die westliche mittelalterliche Geographie unter den Stichworten Antikentradition, Reiseberichte, Kosmographien und nautischer Fortschritt fassen. Der historische Rückblick mündet dann ein in die Bedeutung von geografia im 16. Jahrhundert, verbunden mit einer Ausdifferenzierung der geographischen Kenntnisse, die auch zu einer Ausdifferenzierung der Diskurstraditionen für diesen Themenbereich führt. Bedeutsam werden geographische schriftliche, aber auch mündliche Diskurstraditionen bald nicht nur für nautisch Reisende, sondern auch für die Staatskunde in der Vermittlung von Kenntnissen zu Geschichte, Herrschaftsverhältnissen, Wirtschaft, Siedlungsnetz und Bevölkerung von Ländern, die als Freunde oder Feinde von Interesse sein konnten. Die Verbindung von Politik und Geographie deutet sich auch in den Isole an. Das Ganze wird dann platziert in ein sich wandelndes Weltbild in Verbindung mit dem zurückgehenden Prestige Venedigs als politische und als Wirtschaftsmacht. Im 16. Jahrhundert ist die «vorwissenschaftliche» Geographie in vielfältigen und kaum mehr überschaubaren diskurstraditionellen und inhaltlichen Ausprägungen in italienischen Volgare-Texten sowie kartographischem Material unterschiedlichster Couleur umfassend präsent, ein Eindruck, der für die Buchproduktion geographischer Texte frühestens ab der Mitte des Jahrhunderts gilt. Eine nicht zu unterschätzende Rolle fällt dabei auch der Antikenrezeption zu. So steht Strabon mit seinen 17 Bücher umfassenden Geographie zum Beginn des 15. Jahrhunderts für Italien als Quelle im griechischen Original zur Verfügung (eine lateinische Übersetzung erscheint 1469 in Rom, eine italienische Version 172 Besprechungen - Comptes rendus 1562/ 65). Auch die kompilatorisch angelegte Chorographia des als Geograph eher unbedeutenden Pomponius Mela (1. Jh. n. Chr.) wurde in Italien umfassend rezipiert und 1557 in einer italienischen Übersetzung von Thomaso Porcacchi veröffentlicht. Ähnliches gilt für Plinius d.Ä. und seine Naturalis historia, welche in verschiedenen Übersetzungen für den italienischen Markt zur Verfügung stand. Als letztes von maßgebender Bedeutung im 16. Jahrhundert wird das auf wissenschaftlicher Basis fußende kartographische Werk des Alexandriners Klaudios Ptolemäus genannt. Ptolemäus-Editionen und Übersetzungen werden als wesentliches Charakteristikum der Renaissance-Geographie ausgewiesen. In Engführung zu Porcacchis Isole rücken dann die Isolari, Folgen von Inselbeschreibungen mit jeweils einer zugeordneten Karte, in den Mittelpunkt der Ausführungen. Diese werden seit ihrem Aufkommen im frühen 15. Jahrhundert bis zum Ende des 17. Jahrhunderts vorgeführt, einschließlich der Erweiterung ihres Beschreibungsraums von den ägäischen Inseln hin zu Beschreibungen aus der Neuen Welt. Als wichtig angesehen werden hier v. a. die Inselbücher von Buondelmonti (gattungsbegründend und mit weitverzweigter Manuskripttradition; 1420 und 1422; Ägäis), Sonetti (erstes gedrucktes isolario; 1485), Bordone (1528; v. a. Mittelmeer mit Ausweitung auf die Inseln der Ostsee und der Neuen Welt; mit Bordone werden die Isolari als venezianische Form der geographischen Darstellung etabliert), Porcacchi (1572; basierend auf dem Erkenntniszuwachs der Zeit mit entsprechender sprachlicher und inhaltlicher Aufarbeitung), Boschini (1658; wieder eher traditionell), Dapper (1688; dsgl.) und Coronelli (1696). Eine weitere Diskurstradition, die für Porcacchi wichtig wird, sind Sammlungen von Reiseberichten, hier insbesondere die Navigazioni e viaggi des Venezianers G. B. Ramusio (1550-59; europäischer und nordafrikanischer Raum; Übersetzungen frz., pt., sp. sowie lat. und griech. Vorlagen mit eigenen, teils kritischen Hinzufügungen). Alle diese Werke werden in Kap. 4 ausführlich vorgestellt. Das dritte Kapitel (65s.) ist Thomaso Porcacchis Isole sowie dem maßgebenden Umfeld gewidmet. Eine zentrale Rolle wird dabei der Drucker-Hochburg Venedig zugewiesen. Bei gedruckten Karten war Venedig damals führend (Höhepunkt zwischen 1560 und 1575). Für volkssprachliche Produktionen zeichnete v. a. das Verlagshaus Gioliti verantwortlich (zw. 1550 und 1556 waren weniger als 5 % der hier verlegten Bücher in lateinischer Sprache abgefasst), bei dem Porcacchi als Verlagsmitarbeiter, collaboratore editoriale (Herausgeber, Übersetzer, Historiker) wirkte, als Teil eines neu entstehenden Spektrums von Berufsbildern gerade auch im Umfeld der volkssprachlichen Druckproduktionen. Hinzu kommt die Beförderung einer zunehmenden sprachlichen Normierung mit Blick auf ein modello linguistico unitario. Sprachbereicherung und Sprachpflege scheinen auch Porcacchis Bewusstsein um die Volkssprache genau wie das seiner gelehrten Zeitgenossen als Anliegen zu prägen. Dabei kommt Übersetzungen sowie der Erschliessung neuer Gattungen über die antiken Vorbilder hinaus eine zentrale Rolle zu. In den Isole laufen alle sprachausbaubezogenen Bestrebungen Porcacchis zusammen. P. 83s. sind dann den Isole selbst gewidmet, die als Schreibtisch- und Kompilationsarbeit eines Gelehrten anzusehen sind, der offenbar selber keine entsprechenden Reisen unternommen hat, und sie sind wohl auch für kein Publikum gedacht, das Hilfestellung für Reisen erwartet. Der Text umfasst neben geographischen Texten im engen Sinne auch chronistische Teile, die durchsetzt sind mit Zitaten von Autoren der griechischen und der lateinischen Literatur sowie von bereits kanonisierten Autoren der italienischen Volkssprache (Dante, Petrarca, Ariosto). Neben den Inselkarten umfasst der Band zwei Weltkarten. Die Karten dokumentieren einen eleganten zeitgenössischen venezianischen Kartenstil, in dem die ästhetische vor der sachinformativen Komponente die zentrale Rolle spielt. Somit ist auch im Kartenmaterial ein Bruch mit der traditionellen Kartographie zu konstatieren. Kartenwerk und Textkorpus bilden dabei inhaltlich voneinander unabhängige Einheiten. Es gibt keine Bezugnahmen zwischen den Teilen. Und auch die Rezeption erfolgte z. T. separat. Auch die Ortsnamen können diver- 173 Besprechungen - Comptes rendus gieren (im Text italienisch, im Kartenmaterial lateinisch, italienisch und spanisch, evtl. entsprechend der benutzten Vorlagen). Der wohlsituierte Adressatenkreis (cf. die aufwändige Ausstattung mit Kupferstichen) konstituiert sich ganz offensichtlich über interessierte, gegebenenfalls auch sachkundige «Dilettanten» im damals üblichen positiven Sinn, für die das Werk vorrangig unterhaltenden Charakter hatte und dem zeitgenössischen gusto entsprach. Sorgfältig werden innertextuelle sowie außertextuelle Bezüge, einschließlich aktueller und biographischer Einbettung, herausgearbeitet (88s.). Es folgen Darlegungen zu Disposition und Inhalt der Isole, deren Darstellung, einer inneren Systematik verpflichtet, einem je analogen Aufbau folgt: Hinweise zur Lage der jeweiligen Insel, Angrenzungen nach den vier Himmelsrichtungen, konkurrierende antike und moderne Namenformen, Umfang, etc. Als Gewähr werden unterschiedliche Autoren zitiert und die dort gefundenen Angaben miteinander verglichen und gegebenenfalls bewertet. Versehen sind die einzelnen Beschreibungen mit den Leser leitenden Marginalüberschriften. Der Vergleich der herangezogenen Auflagen ergibt, dass lediglich für die Auflage von 1576 einschneidende strukturelle Veränderungen vorgenommen wurden (Gliederung in 3 Bücher: Nordsee - Mittelmeer - Amerika, Afrika, Asien). Daran ändert sich auch in späteren Auflagen nichts mehr, höchstens neue Kapitel werden dann eingefügt. Die formalen Veränderungen der herangezogenen Auflagen werden exemplarisch synoptisch vorgeführt (z. B. Inhaltsverzeichnis 98s., Orthographie und Interpunktion 102-05). Die Sprache Porcacchis entspreche dem durch Bembo geprägten toskanischen Standard mit - trotz des hohen Planungsaufwandes - Einschlüssen aus der lingua corrente, die im Dienste der Textintention des dilettare stünden und die sorgfältig dokumentiert werden (häufige Verwendung von verba dicendi in der 1. Pers. Sg.; von umgangssprachlichen Wendungen; häufige innertextuelle Verweise; Diminutivbildungen, das Temporaladverb hora, das eine Gleichzeitigkeit von Schreiben/ Sprechen und Lesen erzeuge, Intensivierung durch Doppelung; die Verwendung von basta als mündlichen Registern zugehörig, etc.). Analysiert werden des weiteren Verfahren der transphrastischen Verknüpfung, Aspekte der Morphosyntax, die v. a. eine Orientierung an der literarischen Prosa des 14. Jahrhunderts dokumentieren (Latini, Giamboni, Boccaccio), wie etwa die häufige Verwendung sog. latinisierender Konstruktionen des Typs AcI, Gerundium und Partizip, die keineswegs als Indiz eines gehobenen Stils gewertet werden könnten, sondern im Sinne der Ausdrucksökonomie eher als Effekt der lingua corrente zu sehen seien. Interessant hier der Hinweis auf das Zusammenspiel von Interpunktion und Verwendung des absoluten Gerundiums (118). Einer lingua corrente nahe ist auch die Verwendung von Verbalperiphrasen, insbesondere andare + gerundio, andare + infinito sowie essere per + infinito, sowie der redundante Gebrauch der Modalverben volere und dovere. Die Lexik erweist sich aufgrund des kompilatorischen Charakters der Isole als wenig ergiebig. Erstbelege oder Rückdatierungen sind Fehlanzeige. Im vierten Kapitel geht Vf. den Quellen der Isole nach und deren riscrittura sowie der Kompilation von Textsorten im Werk (131s.). Die Isole basieren ausschließlich auf Quellenverarbeitung, sind also eine rein redaktionelle Arbeit. Damit verbunden ist die Abgabe der inhaltlichen Verantwortung. Porcacchi schert so aus der Tradition der Isolari aus, in der es um die möglichst korrekte und beglaubigte Darstellung geographischer und damit zusammenhängender Informationen ging. Der kompilatorische Charakter der Isole bedient sich der «Quellenüberformung» als professionelle Aktivität und entspricht den Bedürfnissen der Zeit. Die Nähe zum Plagiat wird von Vf. formuliert, aber mit Bezug auf die Einbindung in zeitgenössische Erwartungen relativiert. Der Verwendung des Terminus riscrittura (Quondam) soll die positive Konnotation für den zeitgenössischen Kontext unterstreichen. Porcacchi behandelt seine Quellen dabei in unterschiedlicher Weise, teils formt er sie zu einem neuen Text, teils kopiert er sie passagenweise - und beides nicht unbedingt immer unter Nennung der Quelle. Unter den Reiseberichten nehmen Ramusios Naviga- 174 Besprechungen - Comptes rendus zioni e viaggi eine zentrale, wenn auch i. d. R. ungenannte Rolle ein. Abhängigkeit von geographischen Vorgängertexten werden nicht nur konstatiert, sondern in synoptischen Gegenüberstellungen dokumentiert und anschaulich kommentiert. Hinzu kommen mündliche Auskünfte sowie handschriftliche Darstellungen, die Porcacchi in Venedig zugänglich waren, teils resultierend aus freundschaftlicher Verbundenheit, was dem ganzen Unterfangen auch einen zusätzlichen Anstrich von Aktualität verleiht, etwa wenn auf aktuelle politische Ereignisse verwiesen wird. Ferner deckt Vf. eine Reihe verdeckter Quellen auf, wie etwa die Darstellung Sebastian Münsters, die damals auf dem päpstlichen Index stand. Die Bezüge, die Vf. herstellt, erscheinen durchweg plausibel, sind vorsichtig formuliert und gut in synoptischen Gegenüberstellungen dokumentiert. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Kompilation von Textsorten - bei vollem Bewusstsein um die Problematik dieses Begriffs - in den Isole gesetzt. Auf einem niederen Abstraktionsniveau angesetzt werden angeführt Titelblatt, Widmungsbrief, Errata, Index, Kapitelüberschriften, Marginalüberschriften und Registrum, dsgl. Prohemio, Descrittione dell’Isola di . . ., Discorso intorno alla Carta da navigare, und auch innerhalb der einzelnen Textkategorien finden sich weitere Textsorten kompiliert. Textsorteneigenschaften wie Imitationen, Zitate oder Überarbeitungen werden ebenfalls herausgelöst. Auch hier werden wieder anschauliche synoptische Fallbeispiele gegeben, zum einen texttypographisch markiert für Erzählung, Erläuterung und Beschreibung und zum anderen inhaltlich-thematisch basiert. Weitere Analyseparameter sind die situativen Bedingungen, die kommunikative Funktion sowie Überarbeitungsprinzipien bei weitmöglicher Beibehaltung der ursprünglichen Textsortencharakteristik der Vorlagen. Kapitel 5 enthält zwei Glossare, zum einen das der geographischen Termini und zum zweiten das der Inseln der Ägäis. Es wird dabei jeweils eine Auswahl getroffen. Das erste Glossar (180-85) umfasst die Lemmata altezza, arcipèlago, cherroneso (chersoneso, die formale Varianz bleibt unkommentiert), continènte, larghézza, lunghézza und polesine. Zunächst werden die Befunde in der modernen Lexikographie aufgelistet und daran anschließend das Auftreten bei Porcacchi vorgeführt und kommentiert. Gegebenenfalls wird der Terminus über Porcacchi hinaus weiterverfolgt. Das zweite Glossar (198-258) listet die Inseln der Ägäis alphabetisch auf, lemmatisiert nach der modernen Form. Es werden kurze Lagebeschreibungen gegeben sowie die aktuellen neugriechischen, z. T. türkischen und deutschen Formen aufgelistet. Es folgt der Kommentar der italienischen Namenvarianten auf der Grundlage der Belegdokumentation, unterteilt nach alten nicht-italienischen Belegen und dann nach italienischen. Es erfolgt, so möglich, die Angabe von Erstbelegen unter Hinzuziehung überlieferter alter Portulankarten sowie moderner Datenbanken wie OVI und LIZ. Ab dem 15. Jahrhundert stehen die Isolari als Quellen im Mittelpunkt der Dokumentation und gleichermaßen die frühneuzeitlichen Übersetzungen der antiken geographischen Werke. Summa summarum werden alle zur Verfügung stehenden Quellen, egal aus welcher Epoche, akribisch ausgewertet. Auch Fälle von Namenwandel werden berücksichtigt. Die Gestaltung der Artikel ist übersichtlich und kann als hervorragendes onomastisches Nachschlagewerk antiker, mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Quellen verwendet werden. Bedauerlich ist nur, dass Varianten einzelner Inselnamen, insbesondere wenn sie im Anlaut abweichen, nicht über einen Index zuweisbar werden. Während der Nutzer mit den modernen Namen wohl kein Problem haben dürfte, kann dies bei alten Bezeichnungen durchaus der Fall sein. Die Dissertation stellt soviel an Information bereit, dass dies ein kleiner zusätzlicher Liebesdienst am Nutzer gewesen wäre. Der Index der Inseln am Ende des Bandes beschränkt sich auf die Nennung der Namen in der Edition. Das Schlusskapitel (Kap. 6) resümiert noch einmal das auf den vorangegangenen Seiten ausführlich Präsentierte. Der eigenen Arbeit wird dabei paradigmenbildende Funktion für weitergehende Analysen in die gleiche Richtung zugewiesen - ein nicht geringer Anspruch, 175 Besprechungen - Comptes rendus der aber durchaus berechtigt ist. Allerdings fragt man sich, ob das methodisch und methodologisch Wesentliche nicht bereits geleistet ist, so dass nunmehr eher die philologische Seite übrig bleibt in Verifizierung oder Falsifizierung des Ansatzes von Vf. Die Edition des Textes selbst ist sehr sorgfältig durchgeführt und markiert die (wenigen) notwendigen Kürzelauflösungen durch Kursivierung. Abschließend kann festgehalten werden, dass Vf. generell sehr vorsichtig argumentiert, da oftmals hinreichende empirische Untersuchungen fehlen, bzw. eine zu schmale Untersuchungsbasis repräsentieren. Die Arbeit zeigt einen souveränen Umgang mit dem sprachwissenschaftlichen Beschreibungsinstrumentarium. En passant wird mit Topoi der traditionellen Interpretation bzw. Einschätzung aufgeräumt, etwa der Einschätzung der Nutzung von AcI und Gerundium als latinisierend und damit stilistisch hoch konnotiert. Für Porcacchi sind es im italienischen Text einfach «Sparformen», durch die redundante Informationen ausgeblendet werden, und damit stehen diese Konstruktionen tatsächlich im Dienste einer eher umgangssprachlichen Ausdrucksökonomie. Positiv zu vermerken ist auch, dass die Interpunktion ernst genommen wird, wenn etwa insbesondere das Semikolon in einer Funktion für die syntaktisch-semantische sowie die topikale Struktur einer Äußerungseinheit interpretiert wird. Die Arbeit bietet somit erstmals wohl eine so umfassende Darstellung zur zeitgenössischen Funktion der Interpunktion. Es finden sich nur wenige Versehen in der Arbeit, wie etwa p. 119: als Verbalperiphrase wird geführt andare a + gerundio, illustriert wird nur andare + gerundio; p. 121: wo mit einem ungewöhnlichen Anapherbegriff umgegangen wird; eher geht es hier wohl um formale Reihenbildung. Ferner werden Textsortenmerkmale in der Beschreibung gelegentlich etwas überstrapaziert, etwa p. 175 wenn die mehrfache Wiederaufnahme durch quello als Indiz einer analytischen Betrachtung des Gegenstandes und seiner Funktionen gesehen wird. Insgesamt gesehen stellt die Arbeit, einschließlich der sorgfältigen Teiledition, ein gelungenes Beispiel editionsgeschichtlicher Ausrichtung dar. Edeltraud Werner ★ Sergio Bozzola, Tra Cinque e Seicento. Tradizione e anticlassicismo nella sintassi della prosa letteraria italiana, Firenze (Olschki) 2004, viii + 167 p. (Biblioteca dell’Archivium Romanicum 319) Il volume è suddiviso in cinque capitoli che corrispondono (con l’eccezione del primo, inedito) ad altrettanti saggi, qui per l’occasione integrati e aggiornati, apparsi in rivista tra il 1998 e il 2000. Movendo dalle ricerche già avviate da altri studiosi a partire dagli anni Sessanta nel campo della sintassi letteraria italiana (Mortara Garavelli, Durante) l’autore esplora alcuni fenomeni ricorrenti nella prosa tra Cinque e Seicento sulla base di un corpus di autori (una trentina) che va dal Bembo a Daniello Bartoli. La prospettiva dell’analisi formale di Bozzola è per così dire oppositiva; nel senso che essa individua nella sintassi letteraria del periodo preso in esame due linee ben distinte: quella «classica» promossa dal Bembo e costruita sul modello boccacciano, ripulito e irrigidito, e quella definita «anticlassica» che ad essa si oppone. Come ricorda l’autore nell’introduzione al volume, infatti, «l’intenzione che muove questi sondaggi non è quella di delineare i tratti distintivi di uno schieramento, ma solo quella di misurare la consistenza di stilemi e figure estranei al paradigma bembiano» (VII). Se è infatti sulla base del modello di sintassi additato dal letterato veneziano nelle Prose della volgar lingua (a stampa nel 1525) e praticato già negli Asolani (1505) che si possono circoscrivere i caratteri dello stile «classico» cinquecentesco, più difficile, se 176 Besprechungen - Comptes rendus