eJournals Vox Romanica 65/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2006
651 Kristol De Stefani

Alain Corbellari, Les «Dits» d’Henri d’Andeli, suivis de deux versions du Mariage des Sept Arts. Textes traduits et présentés, Paris (Champion) 2003, 127 p. (Traductions des Classiques du Moyen Âge 66)

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2006
Arnold  Arens
vox6510215
a few typos and the fact that pages 18 and 19 have been reversed. These flaws notwithstanding, the volume will make a useful addition to the libraries of Chrétien scholars. Amy L. Ingram ★ Alain Corbellari, Les «Dits» d’Henri d’Andeli, suivis de deux versions du Mariage des Sept Arts. Textes traduits et présentés, Paris (Champion) 2003, 127 p. (Traductions des Classiques du Moyen Âge 66) A. Corbellari, professeur associé für mittelalterliche Literatur an der Universität Lausanne, legte 2003 die Edition der vier von Henri d’Andeli verfassten Texte vor (bei Zitaten aus der Edition wird nachfolgend vor die Angabe der Seitenzahl Ed. gesetzt) 1 . Noch in demselben Jahr erschien dann das hier anzuzeigende Bändchen, das die neufranzösische Übersetzung dieser sowie zwei weiterer kurzer Texte enthält (Seitenangaben ohne Zusatz verweisen auf dieses Werk). Natürlich wäre es mehr als wünschenswert gewesen, Edition und Übersetzung in einem einzigen Werk gegenübergestellt zu bekommen; aber offenbar entspricht das nicht dem Konzept des Verlags Honoré Champion. Henri d’Andeli, der zwischen 1220 und 1240 literarisch aktiv war, stammt gebürtig aus der Normandie und lebte dann als «clerc» in Paris. Er wirkte somit in einer Zeit, als sich mit der Gründung der Universitäten den «clercs» die «occasion unique» (10) bot, dem Bereich von Hof oder Kloster zu entrinnen, sich somit «avec une liberté nouvelle» (10) zu äußern und eine Literatur «fondamentalement différente de celle du XII e siècle» (7) erstehen zu lassen. Diese neue «poétique de la ville» (8) befasste sich naturgemäß auch mit den «problèmes directement ou indirectement liés au savoir et à ses représentants (plus ou moins) autorisés» (11). Und auch hier zählen die Texte des Autors wieder zu «les plus anciennes et les plus réjouissantes de l’humour estudiantin» (hintere Umschlagseite). Henri d’Andeli verfasste seine in acht Manuskripten erhaltenen Texte - dabei sind in keiner Handschrift alle vier Texte zusammen vorzufinden - in Paris, so dass sie «les premiers textes littéraires français dont la provenance parisienne soit indubitable» (Ed. 7) sind. Und zugleich bilden seine Werke «l’un des plus précieux témoignages d’un changement de paradigme majeur dans la pratique littéraire» (Ed. 28). Die vier kurzen Texte des Autors, die nur einen Gesamtumfang von 1513 Versen haben, wurden letztmalig 1881 ediert 2 . Eine Neuedition war somit schon seit geraumer Zeit ein dringendes Desiderat. - Die vier Texte des Autors sind: 1) La Bataille des Vins: Dieses ca. 1224 geschriebene, 204 Verse zählende Werk ist «une des plus précises descriptions de l’état du vignoble français au Moyen Âge» (26). 2) La Bataille des Sept Arts: Der Text, der «aux alentours de 1230» (Ed. 19) entstanden sein dürfte und 462 Verse umfasst, lässt Henri d’Andeli als einen «batailleur impénitent» (Ed. 24) erkennen, der «le combat . . . contre les livres d’Aristote et leurs sectateurs menés par la Logique» (24) führt. 3) Le Lai d’Aristote: Dieser mit 581 Versen längste Text Henris, dessen «date approximative» (Ed. 22) das Jahr 1235 ist, stellt ohne Frage «un grand chef-d’œuvre» (Ed. 29) dar. Es geht dem Autor darum, «[de] ridiculiser Aristote» und ein Plädoyer zu halten «en faveur d’une science qui puisse tenir compte de la totalité de l’humain» (Ed. 25). 215 Besprechungen - Comptes rendus 1 Les «Dits» d’Henri d’Andeli, Paris (Champion) 2003 (CFMA 146). 2 A. Heron (ed.), Œuvres de Henri d’Andeli, trouvère normand du XIII e siècle, publié avec introduction, variantes, notes, glossaire, Rouen 1881 2 . 4) Le Dit du Chancelier Philippe: Dieses ohne Zweifel Anfang des Jahres 1237 entstandene Werk, das einen Umfang von 266 Versen hat, ist «une œuvre de circonstance» (21), in dem Henri den im Dezember 1236 gestorbenen «puissant chancelier de l’Université de Paris» (23) würdigt, mit dem er freundschaftlich verbunden war. Corbellari stellt der Übersetzung der Texte eine umfassende, teilweise langatmige und mit spekulativen Gedanken angereicherte (cf. 12-14, 21, 28-29 u. a.) Einleitung (7-45) voran. Hier wird zum einen (7-20) der literarische, geistesgeschichtliche und gesellschaftliche Hintergrund zu Beginn des 13. Jahrhunderts generell und zum anderen (20-45) Henri d’Andeli und sein Werk dargestellt. Letzteres ist naturgemäß in weiten Teilen eine Wiederholung dessen, was in der Einleitung zur Textedition bereits gesagt wurde. An die Einleitung schließt sich eine detaillierte, systematisch und überzeugend gegliederte Bibliographie (47-55) an. Als Rezensent kann man sich der Vermutung nicht erwehren, dass durch eingehende Darlegungen in der Einleitung Raum gewonnen werden sollte, weil die Übersetzung der Texte allein nur ein Minimalbändchen ergeben hätte. Darum hat Corbellari offenbar auch nicht nur die vier Texte Henris ins Neufranzösische übersetzt, sondern zusätzlich noch die neufranzösische Übertragung von Le Mariage des Sept Arts aus der Feder von Jean Le Teinturier (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) und von Le Mariage des Sept Arts eines anonymen Autors (ebenfalls zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) hinzugefügt 3 . Zwar sprechen inhaltliche Gründe dafür, diese beiden Texte an die Seite von Henris La Bataille de Sept Arts zu stellen. Denn es werden dadurch «[des] conceptions bien différentes d’un même thème» (44) deutlich. Aber es ist abwegig, als Begründung für dieses Unterfangen außerdem anzuführen, dass die zwei Versionen von Le Mariage de Sept Arts «n’avaient jamais été traduits en français moderne» (44). Dieses Argument gilt analog für sehr viele andere Texte. Bei der Übersetzung hat sich Corbellari darum bemüht, «d’être fidèle», «de ne pas trahir les finesses de l’original» (44), um auf diese Weise u. a. die Wort- und Klangspiele sowie den familiären Ton der altfranzösischen Texte zum Vorschein kommen zu lassen. Fußnoten sind eingefügt worden in den Fällen, in denen diese Zielsetzung nicht immer erreicht werden konnte, und dort, wo erläuternde Hinweise zum Textverständnis notwendig waren. Insgesamt ist zu sagen, dass Corbellari eine gekonnte und überzeugende Textübertragung vorgelegt hat, wenn er sich gelegentlich auch nach meinem Urteil trotz seines Vorsatzes zu weit vom Original entfernt. Dadurch bedingt kommen dann die rhetorischen Feinheiten des Originals nicht mehr zum Ausdruck; cf. etwa 89, um nur ein Beispiel anzuführen, wo in der Übersetzung die Wiederholung von «Bien dut/ . . . Bien redut» (Ed. 91, v. 12 und 14) nicht wiedergegeben wird. Arnold Arens ★ 216 Besprechungen - Comptes rendus 3 Diese beiden Texte hat in einer Edition zugänglich gemacht A. Langfors, Le Mariage des Sept Arts par Jehan Le Teinturier d’Arras, suivi d’une version anonyme. Poèmes français du xiii e siècle, Paris (Champion) 1923 (CFMA 31).