Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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2006
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Kristol De StefaniFrédéric Darbellay, Interdisciplinarité et transdisciplinarité en analyse des discours. Complexité des textes, intertextualité et transtextualité. Genève (Slatkine) 2005, 404 p.
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Nina Ulrich
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Variante frout okkasionell auch von Lebewesen («À peine eut-elle entrebaîllé [sic] la porte, que frrrout! les souris et leur Roi s’enfuirent de tous côtés en poussant des cris d’effroi.» S. C. Bille, La Maison Musique, Lausanne 1977: 161); hep ‘marque un mouvement rapide’ (gehört als Variante zu hier registriertem hop, im folgenden Kontext als Aufforderung zur Handlung [bei einer Zollkontrolle]: «Je n’ai pas passé en douce des montres suisses, je n’ai pas introduit à Kerkennah de l’opium ou de la coca. Hep! Cherche! » G. Cherpillod, La Nuit d’Elne, Lausanne 1985: 90). Das Wörterbuch des Autorengespanns ist methodisch gesehen die erste modernen Qualitätsansprüchen genügende lexikographische Darstellung dieses marginalen Sektors der fr. Lexik. Wer immer sich mit dieser Thematik befasst, wird es als Standardwerk heranziehen, das in seiner Informationshaltigkeit selbst Großwörterbüchern wie GLLF, GR und TLF überlegen ist. Joachim Lengert ★ Frédéric Darbellay, Interdisciplinarité et transdisciplinarité en analyse des discours. Complexité des textes, intertextualité et transtextualité. Genève (Slatkine) 2005, 404 p. Der Titel von Darbellays 2005 erschienenem Band ist im Detail zu lesen und zu verstehen. In seiner Monographie widmet der Autor sich dem immer noch recht diffusen Feld der (linguistischen oder auch literarischen) Diskursanalyse, wobei er versucht, diese Wissenschaftsdisziplin auf einen zeitgemäßen Nenner zu bringen. Dabei werden die zu analysierenden discours im Plural verstanden, was exhaustiv begründet wird. Zudem ist die Diskursanalyse zwar das hinter allem stehende tertium comparationis, doch behandelt das Werk nicht nur sie, sondern ebenso die vorangestellten Paradigmen der Interdisziplinarität und der Transdisziplinarität. Die Diskursanalyse wird in Abhängigkeit dieser wissenschaftlichen Methoden verstanden. Übertragen auf das vorrangig analysierte Material der Texte gelten deren Komplexität, Intertextualität und Transtextualität als Basis für die hier entwickelte Theorie. Jeder im Titel aufgeführte Begriff ist also programmatisch zu verstehen und erfährt im Text eine ausführliche Herleitung und Definition. Das Buch ist gegliedert in ein Vorwort, eine Einleitung und zwei Hauptteile, von denen jeder in vier Kapitel unterteilt ist. An eine conclusion schließt sich eine ausführliche, Primär- und Sekundärliteratur getrennt aufführende etwa 50-seitige Bibliographie an. Bereits im Vorwort wird deutlich, dass die Begriffe interdisciplinarité und transdisciplinarité logisch dem Komplex der Diskursanalyse übergeordnet sind. Sie sind für Darbellay nicht nur Methode, sondern wissenschaftliches Prinzip, das es zu verteidigen gilt. Als Anschauungsobjekt der «vision disciplinaire» einerseits und der «vision interet transdisciplinaire de la connaissance» andererseits eigne sich besonders die Analyse der Diskurse und der Kommunikation (12). Wenn Darbellay sich auch bereits hier als Verfechter der letztgenannten Vision zeigt, so legt er doch zugleich einen Grundsatz fest: «toute pratique de recherche et d’enseignement interet transdisciplinaire est amenée à se construire sur et à partir des disciplines existantes» (13). Die connaissance interet transdisciplinaire sieht sich dem Autor zufolge im heutigen Wissenschaftsalltag vier Arten von Hindernissen (obstacles) gegenüber: wissenschaftlichen, institutionellen, psycho-soziologischen und kulturellen Hindernissen. Dies wird am Beispiel der Diskursanalyse im Vorwort kurz angerissen. Auf S. 16 wird auf die Diskursanalyse französischer Prägung nach Foucault sowie auf die vor allem im angelsächsischen Bereich dominante Critical Discourse Analysis nach van Dijk verwiesen; der Verfasser (Vf.) als Schweizer und Kind der Genfer Schule erweist sich jedoch im Verlaufe des Textes eher als Vertreter der ersteren. 243 Besprechungen - Comptes rendus Spätestens im Untertitel der Einleitung («Prolégomènes à une approche interet transdisciplinaire de la complexité des discours et de la communication») wird deutlich, dass es sich hier nicht um einen deskriptiven, sondern um einen konzeptuellen Text handelt. In Form von Arbeitshypothesen und Grundsatzfragen werden nun die Prinzipien genannt, denen sich Vf. verschreibt: eine pluralistische Definition von «Diskurs», ein poststrukturalistischer Paradigmenwechsel, semiotische Heterogenität, Intertextualität und Dialogizität sowohl im textuellen als auch im epistemologischen Sinne (cf. 28/ 29). Er nimmt sich vor, mehrere in Zusammenhang mit diesen Prinzipien stehende Antagonismen aufzubrechen, und zwar in Bezug auf wissenschaftliche Arbeits- oder Denkweisen (logicogrammatical vs hermeneutique), Konzeption von Sprache (langue vs parole) und Definition von Textualität (texte vs contexte). Als wissenschaftliche Arbeitsweisen bzw. Konzepte a priori werden Inter- und Transdisziplinarität bzw. Inter- und Transtextualität als Weiterentwicklung der (Pluri-) Disziplinarität bzw. (Pluri-) Textualität einander gegenüber gestellt. Der erste Teil trägt den Titel Interdisciplinarité et transdisciplinarité. État des lieux et enjeux dans le champ de l’analyse des discours. Dieser Teil dient vorrangig dazu, die Konzepte der Disziplinarität bzw. der Pluridisziplinarität, also nebeneinander existierender, sich gegenseitig voneinander abgrenzender Wissenschaftsdisziplinen, definitorisch abzugrenzen vom zeitgemäßeren interbzw. transdisziplinären Ansatz. Jedes dieser vier Konzepte wird kategorisiert und unter Einschluss des jeweiligen Objektbezuges schematisch dargestellt. Dem traditionelleren (pluri-)disziplinären Konzept wird dabei die approche analytique zugeordnet, bei der homogene Analyseobjekte isoliert und synchronisch betrachtet werden. Dem gegenüber steht die vorzuziehende approche systémique, die diachronisch heterogene Variablengruppen in ein Beziehungsgefüge zu setzen versucht (75). Als Beispielwissenschaften für einen interbzw. transdisziplinären Ansatz werden Linguistik, Soziologie, Psychologie und Ethnologie angeführt. Die Diskursanalyse dient Vf. im Folgenden als Vorführobjekt des notwendigen inter- oder transdisziplinären Ansatzes, birgt doch der Diskurs in sich schon mindestens ein kaum aufzulösendes Paradox: Ist er langue oder discours, langue oder parole, texte oder contexte? (cf. 92s.) Vf. arbeitet anschließend vier Analyseebenen für den Diskurs heraus, die in folgende aufschlussreiche Synthese gefasst werden: «Un discours est une organisation linguistique et textuelle (A), inscrite sur un support uniou plurisémiotique (B); il est produit et interprété par des sujets communicants (C) dans un contexte psychologiquement et socialement déterminé (D)» (103). Hiermit ist das Instrumentarium des Vf. festgelegt. Es dient ihm im weiteren Textverlauf als Basis unter anderem für eine exemplarische vergleichende Analyse einer Bibelstelle (der Passion Christi) mit einer entsprechenden Parodie von Alfred Jarry sowie einer Fabel La Fontaines (La Cigale et la Fourmi) als Hypotext mit deren Parodien (als Hypertexten) von Queneau und anderen Autoren (letztere allerdings erst im zweiten Teil). Der erste Teil enthält weiterhin ein umfangreiches Kapitel mit dem Titel Vers une reconception des sciences du langage, in dem das saussuresche Erbe (ohne das Darbellays Text undenkbar wäre) für den aktuellen Kontext verwertet und der Versuch gemacht wird, seine strengen Dichotomien (ausgehend von langue vs parole), vor allem die in der Rezeption von Saussures Werk verankerten, aufzulockern. Nicht nur im Falle der saussureschen Terminologie verfolgt Vf. die Strategie, eine adversative Gegenüberstellung von Antagonismen durch eine konzessive zu ersetzen (Bsp.: «La Linguistique est une partie de la Sémiologie MAIS 1 La Linguistique est plus que la Sémiologie», 167, Hervorhebungen im Text), was ge- 244 Besprechungen - Comptes rendus 1 Im Sinne von «zwar, aber». Dieses Beispiel wird aus der Diskussion der von Barthes erstmals revidierten Hierarchie von Semiotik (bzw. sémiologie in der französischen Terminologie) und Linguistik heraus entwickelt. nerell seinem Ziel des Durchlässigmachens terminologischer und epistemologischer Grenzen entspricht. Im letzten Kapitel dieses Teils, Discours, médias et communication, geht Vf. auf die dem medialen Diskurs immanenten Charakteristiken der médiation (also die Voraussetzung sozialer Interrelationen zwischen Kommunikationsteilnehmern) und médiatisation (die Art der medialen Übertragung und Medialisierung) ein 2 . Aus dem ersten Teil gehen deutlich die epistemologischen und konzeptuellen Grundprinzipien hervor, auf denen Darbellays Text basiert: - Die wissenschaftlichen Wurzeln des Vf. liegen fest im Strukturalismus Saussures und dessen poststrukturalistischer Weiterentwicklung französischer Prägung verankert. - Der Vf. plädiert dafür, terminologische und strukturelle Dichotomien aufzulockern, aber nicht abzuschaffen. Er verfährt dabei nach dem Prinzip eines «zwar, aber» bzw. «sowohl als auch» anstelle eines «entweder oder». - Moderne wissenschaftliche Analyse sollte nach Meinung des Vf. zirkulär verlaufen und nicht linear, das heißt einzelne Wissenschaftsdisziplinen sollten sich aufeinander über ihre Objekte rückbeziehen.Als den Diskurs charakterisierend werden vor allem Heterogenität und Dialogizität hervorgehoben. - Darbellay fasst verschiedene bereits gemachte Schritte in Richtung eines wissenschaftlichen Paradigmenwechsels - als Autoren sind hier v. a. Poststrukturalisten wie Barthes, Kristeva, Bachtin etc. zu nennen - zusammen und macht sie der Diskursanalyse nutzbar. - Die angelsächsische Diskursanalyse nach v. Dijk und anderen wird zwar genannt, als Textbasis jedoch weitgehend außer Acht gelassen. - Darbellays Kommunikationsbegriff entspricht dem der neueren linguistischen Pragmatik; er ist kontext- und sprecherbezogen. Der zweite Teil ist wesentlich kompakter zusammenzufassen, da er im Grunde die im ersten Teil erhobenen Postulate auf der Textebene erprobt. Darbellays Textbegriff ist hier ein erweiterter, was von ihm zwar dezidiert hervorgehoben wird, im Zuge seines interdisziplinären Ansatzes aber kaum überrascht 3 . Der Teil trägt den Titel Complexité du discours. Textualité, intertextualité et transtextualité und behandelt in vier Kapiteln folgende Themen: den Diskurs als komplexes Phänomen (Kap. 1), die wiedergegebene Rede als Beispiel von Intertextualität (Kap. 2), eine integrative Definition von Inter-, Trans- und Hypertextualität (Kap. 3) und den Ausblick auf die Anwendung des entworfenen Begriffskanons auf die modernen Technologien der Kommunikation. In diesem zweiten Buchteil erweist sich Vf. als stark textlinguistisch geprägt. Das bereits erwähnte Beispiel des Textes La Fontaines im Vergleich mit verschiedenen modernen französischen Parodien wird als Exempel einer hyper- und transtextuellen Analyse statuiert. Die Triade Text-Kontext-Diskurs wird dabei als zirkuläres Schema, das auf den wechselseitigen force centrifuge und force centripète basiert, verstanden. Die Grafik auf p. 242 veranschaulicht die stufenweise Entwicklung der Interdependenzen vom Text zum Diskurs. Hervorzuheben bleibt noch, dass Vf. für die schrittweise Analyse vom «textuellen Diskurs» hin zum außer- oder transtextuellen Diskurs (meine Terminologie) eine Segmentierung auf typographischer, morphosyntaktischer, semantisch-lexikalischer und Äußerungsebene favorisiert (270s.) 245 Besprechungen - Comptes rendus 2 In diesem Zusammenhang sei auf den diesenAspekt vertiefenden Titel J.-P. Meunier/ D. Peraya, Introduction aux théories de la communication. Analyse sémio-pragmatique de la communication médiatique, Bruxelles 2004 2 verwiesen, auf den sich auch Darbellay mehrfach bezieht. 3 Verwiesen sei an dieser Stelle auf die Definitionen von «Text» in Bussmanns Lexikon der Sprachwissenschaft sowie in Nünnings Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Der abschließende Ausblick auf die technologische Medienkommunikation bleibt fragmentarisch; vielmehr wird hier die Möglichkeit aufgezeigt, die auf der Textebene erworbenen interdisziplinären Analyseformen auf die Medienwelt zu übertragen, als inter- und transmédialité (331). Abschließend wird der Blick geöffnet auf die Rolle der Universitäten «dans un nouvel espace, où les acteurs de l’enseignement et de la recherche interagissent de plus en plus avec les acteurs sociaux, politiques et économiques» (340). Folgendes möchte ich zu diesem Buch kritisch anmerken: Der Text ist in höchstem Maße metawissenschaftlich, also weit weniger anwendungsals theoriebezogen. Der Leser bedarf einiger vorheriger Einarbeitung in die Diskursanalyse und die (sprach-)wissenschaftlichen Grundtendenzen des 20. Jahrhunderts, um neue Erkenntnisse aus dem Werk schöpfen und seiner Vorgehensweise folgen zu können. Der Text ist außerdem postulativ, was eine gewisse Redundanz der Hauptthesen zur Folge hat. Zudem gewinnt der Leser zuweilen den Eindruck, dass hier mehr eine Synthese bereits aufgeworfener Fragen und Antworten gemacht und nicht ein vollkommen neues Konzept entworfen wird. Der Nutzen des sehr umfangreichen Kapitels über die strukturalistische Linguistik an dieser Stelle scheint doch teilweise fraglich. Als ermüdend dürfte vom einen oder anderen Leser auch die durchschnittlich immense Länge der Fußnoten empfunden werden. Einige der dort vermerkten Anmerkungen hätten es durchaus verdient, in den Haupttext mit aufgenommen zu werden. Insgesamt stellt das Buch jedoch eine schon lange wünschenswerte methodologische Fundgrube dar, die zeitgenössische, teilweise noch sehr zaghaft realisierte interdisziplinäre Tendenzen in der Wissenschaft allgemein und der Diskursanalyse im Besonderen synthetisiert und propagiert.Als Instrumentarium mehr denn als Nachschlagewerk verstanden, bietet Darbellays Text nicht nur dem Diskursanalytiker vielfältige Denkanstöße für ein interdisziplinäres, vielschichtiges und multiperspektivisches Text- und Kommunikationsverständnis. Sehr hilfreich sind die zahlreichen schematischen Darstellungen, welche die herausgearbeiteten Hauptaspekte jedes Kapitels anschaulich illustrieren. Interessant wäre es, den vom Autor nur fragmentarisch gelieferten Anstoß einer Erweiterung seiner Theorie auf die Realität der Medienwelt und auf deren Widerspiegelung in der universitären Lehre auszuweiten. Nina Ulrich ★ Jan Goes (ed.), L’adverbe: un pervers polymorphe, Artois (Artois Presses Université) 2005, 304 p. (Études linguistiques) Le présent volume qui contient les communications présentées dans le cadre du Quatrième colloque de linguistique franco-roumaine organisé par le Centre de Recherche en linguistique française de l’Université d’Artois s’inscrit heureusement dans la longue et riche tradition de recherche, en linguistique française, consacrée à l’adverbe 1 . Toutes les contributions relèvent de la linguistique française, anglaise ou roumaine et/ ou de la linguistique contrastive (notamment du domaine franco-roumain). Nous retrouvons dans les pages de ce livre des études rédigées par des spécialistes de ce champ d’étude parmi lesquels 246 Besprechungen - Comptes rendus 1 Il suffit de mentionner quelques-unes des études parues ces dix dernières années pour se rendre compte de l’importance et de la place qu’occupe cette partie du discours dans les ouvrages de grammaire: Cl. Guimier, Les adverbes du français. Le cas des adverbes en -ment, Paris-Gap 1996; Ch. Molinier/ F. Levrier, Grammaire des adverbes. Description des formes en -ment, Genève 2000; M. Nøjgaard, Les adverbes français. Essai de description fonctionnelle, 3 vol., Copenhagen 1992, 1993, 1995; Ch. Touratier (ed.), Adverbe et circonstant, Aix-en-Provence 2001.
