eJournals Vox Romanica 66/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2007
661 Kristol De Stefani

Colette Feuillard (ed.), Créoles – Langages et Politiques linguistiques. Actes du XXVIe Colloque International de Linguistique Fonctionnelle, 30 septembre-7 octobre 2002 à Gosier (Guadeloupe), Berne (Peter Lang) 2004, 358 p.

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2007
Goranka  Rocco
vox6610254
Colette Feuillard (ed.), Créoles - Langages et Politiques linguistiques. Actes du XXVI e Colloque International de Linguistique Fonctionnelle, 30 septembre-7 octobre 2002 à Gosier (Guadeloupe), Berne (Peter Lang) 2004, 358 p. Der 358-seitige Band umfasst insgesamt 56 Beiträge, in denen neben den Fragestellungen der Kreolistik, dem Hauptgegenstand des 2002 in Gosier stattgefundenen Kolloquiums, auch zahlreiche andere Themen aus verschiedenen sprachwissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet werden. Das erste Kapitel (I.1) des ersten Teil des Bandes (I. Les créoles, 3-141) umfasst zwei einleitende Beiträge: eine dichte und informative Übersicht über die sprachtypologische Beschaffenheit und die phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Merkmale des Kreolischen von Guadeloupe (Marie-Christine Hazaël-Massieux, 3-11) und einen ökolinguistisch ausgerichteten Blick auf die sprachliche Situation auf Martinique (Jean Bernabé, 13-29). Das mit Structure et diversité betitelte zweite Kapitel (I.2, 31-99) beinhaltet zehn Aufsätze, die sich größtenteils strukturellen Eigenschaften und Besonderheiten der einzelnen Kreolsprachen zuwenden. Besonders lesenswert sind der Vergleich der Systeme der Aspekt- und Tempusmarker der Kreolsprachen von Haïti und Martinique von Robert Damoiseau (87-99), die Analyse des kontextbedingten Gebrauchs der auxiliaires de prédication in der nominalen Prädikation des Kreolischen von Martinique von Béatrice Jeannot- Fourcaud (83-86) und die Ausführungen von Gillette Staudacher-Valliamee (55-60) zu den unités complexes, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum lexikalischen und grammatikalischen Inventar (z. B.: bann: in bann, ‘une bande’ vs. bann liv, ‘les livres’; (la)kaz: in gran kaz ‘une grande maison’ vs. lakaz madamelà, ‘chez cette femme’) Aufschluss über die Grammatikalisierungsprozesse geben und zugleich brauchbare Parameter des Sprachvergleichs liefern. Interessante Untersuchungsperspektiven eröffnen auch der kurze Überblick über das Variantenspektrum des englisch basierten Kreols bêndè auf der Inselgruppe San Andrés y Providencia (Jean Caudmont, 43-45), die Darstellungen der lautlichen, morphosyntaktischen und lexikalischen Eigenschaften des Kreolischen von Cabo Verde (Manuela Tatilon, 47-54) und des phonologischen Systems des Kreolischen von Guadeloupe (Juliette Sainton, 61-70), sowie die methodologischen Vorschläge zur diachron ausgerichteten phonologischen Untersuchung des Kreolischen von Martinique ausgehend von den Korpora der Dialekte der Normandie (Adrienn Gulyás, 71-77) und die Ausführungen von Fabrice Delumeau, der ausgehend von einem Beispiel aus dem Kreolischen von Guadeloupe verschiedene Positionen zum Verhältnis zwischen dem oral und dem écrit und zur Verschriftung des Kreolischen erörtert (79-81). Weniger einleuchtend sind die Vorgehensweise und der Erkenntniswert des sechs Seiten umfassenden phonologischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Vergleichs von «Créoles et interlingua» von Jeanne Martinet (37-42), dessen wissenschaftliche Grundlage sich auf einen 12 Zeilen langen kreolischen Text und dessen Übersetzung in Interlingua und Valdmans «Le créole: structure, statut et origine» (1978) beschränkt: «N’étant pas spécialiste de créole, j’ai puisé mon information à ce sujet dans l’ouvrage d’Albert Valdman. Le titre même de l’ouvrage suggère des critères de comparaison.» (37). Zu erwähnen bleibt noch der Aufsatz von Jean-Michel Charpentier (31-36), der sich ausgehend von Kritik an den herkömmlichen (und mit Blick auf die Funktion und strukturellen Eigenschaften des Pidgins im Pazifik unzulänglichen) Kriterien der Differenzierung zwischen pidgins und créoles der Frage zuwendet, welche Rolle die Pidgins im Unterricht spielen sollen. Es wäre einer Überlegung wert gewesen, diesen Beitrag eher im dritten und letzten Kapitel des 1. Teils zu veröffentlichen, in dem unter dem Titel «Créoles, bilinguisme et enseignement» sprach- und bildungspolitische Aspekte der Situation in kreolophonen Gebieten und ihre Auswirkungen auf die Unterrichtspraxis behandelt werden (101-41). 254 Besprechungen - Comptes rendus Zwei empirisch fundierte Beiträge behandeln die Frage nach dem Einsatz des Kreolischen als Unterrichtssprache und -fach: Der Beitrag von Paulette Durizot Jno-Baptiste bietet eine interessante Gegenüberstellung der Argumente zugunsten bzw. zuungunsten des Kreolischen, die in Befragungen der niederländisch-, französisch-, englisch- und spanischsprachigen Karibikbevölkerung erhoben wurden (101-06), während Christine Van Berten (113-21) aufgrund von Befragtenaussagen der Frage nachgeht, inwieweit die Aufwertung des Kreolischen von Guadeloupe auf der Ebene der Repräsentationen mit dem konkreten Wunsch nach dem Einsatz des Kreolischen als Unterrichtssprache und -fach korreliert. Vor dem Hintergrund der Aufnahme des Kreolischen in das Programm des I. U. F. M. (2001/ 02) und der neuen Prüfungsregelungen, die u. a. Textproduktion und Interviews auf Kreolisch vorsehen, berichtet Juliette Sainton (135-41) über Schwierigkeiten, die den Studenten diese neuen sprachlichen Erfahrungen bereiten (z. B. Unsicherheiten bei der Einschätzung des Sprachregisters kreolischer Texte) und über die von ihnen eingesetzten mündlichen und schriftlichen Strategien wie z. B. Bildung von Neologismen und Kodewechsel. Alain Dorville analysiert in «Dyslexies phonologiques en contexte bilingue créole-français» die Leseschwierigkeiten der kreolischen Muttersprachler und plädiert mit Blick auf die Entwicklung metalinguistischer Kompetenzen für den Einsatz des Kreolischen im vorschulischen Unterricht (107-12). Marie-Rose Lafleur untersucht die Möglichkeiten des Einsatzes kreolischer Sprichwörter im Unterricht (123-34). Der zweite (Langages, 145-268) und dritte (Enseignement et politiques linguistiques, 271- 358) Teil des Buchs umfassen insgesamt 39 kurze Beiträge (durchschnittlich 3 bis 4 Seiten) und bieten ein thematisch sehr diversifiertes Nebeneinander von strukturellen, stilistischen, semiologischen, sprachpolitischen und sprachpädagogischen Fragestellungen, bei dem man allerdings leider öfter den roten Faden vermisst. So untersucht z. B. Colette Feuillard im Abschnitt II.1 (Généralités, 145-55) die gegenwärtigen Tendenzen im Gebrauch des Subjonctif und Conditionnel (145-48), während Aris Xanthos einen knappen und eher abstrakt bleibenden Vergleich der Sprachstruktur mit Bohrs Atommodell (149-51) anstellt und Alexeï Prikhodkine (153-55) sich mit Spracheinstellungen gegenüber ausgewählten Regionalismen und Dialektalismen im Kanton Waadt befasst. Im Abschnitt II.2 (Phonétique/ phonologie, 157-72) werden von Alexandre Veiga phonologische Oppositionen und das Verhältnis zwischen Phonologie und Phonetik (157-62) und von François-Xavier Nève (163- 72) aktuelle Entwicklungen im Gebrauch des e muet behandelt. Im Abschnitt II.3 (Morphologie et syntaxe, 173-94) analysiert Bonifacio Rodrígues Díez die dem Genus im Spanischen zugrunde liegenden semantischen Oppositionen (173-77); Denis Costaouec wendet sich ausgehend von standardfranzösischen und dialektalen Beispielen dem Wert und Status der Kopulae (179-82) zu, während Nizha Chatar-Moumni die Rolle des pronom copule hüwa im marokkanischen Arabisch (183-85), Nuria Rodrígues Pedreira den kontextabhängigen Wert des adjectif qualificatif und adjectif relationnel (187-90) und Laura Pino die syntaktische Rolle des objet interne im Französischen untersuchen. Es folgen die Abschnitte II.4 Lexique et sémantique (195-214), II.5 Synthématique (215-36), II.6 Stylistique (237-43), II.7 Langue et santé (245-58) und II.8 Sémiologie (259-68), in denen neben wissenschaftlichen Analysen leider auch fachfremde persönliche Stellungnahmen zu lesen sind; so beklagt z. B. Tsutomu Akamatsu in seinem Artikel zum Gebrauch von englischen Lehnwörtern im Japanischen: «I personally find it difficult to reconcile myself to the rampant lexical mishmash in current Japanese. The threat of English loanwords in Japanese is a regrettable reality to me.» (214). In den 16 Beiträgen des dritten und letzten Teils werden ausgehend von Beobachtungen der soziolinguistischen und sprachpolitischen Situation im jeweils untersuchten sprachlichen Kontext verschiedene sprach- und unterrichtspolitische Themen erörtert, die sich um folgende Themenkreise gruppieren: 1) Mechanismen und Methoden des Spracherwerbs (cf. 255 Besprechungen - Comptes rendus die Erörterung der Frage, ob die Entwicklung der Lesekompetenz zunächst in der Muttersprache erfolgen soll, von Danièle Manesse (299-302), und die Ausführungen zur Frage des Erwerbs prosodischer Merkmale der Zweitsprache von Gabrielle Konopczynski und Christelle Dodane (275-82); 2) Rolle und Status der jeweils behandelten Sprachen im schulischen Unterricht bzw. in der betreffenden Gesellschaft und die damit verbundenen Perspektiven (cf. José Carlos Herreras Ausführungen zur Rolle der einzelnen Regionalsprachen Spaniens (327-34), Remi Jolivets Beitrag zum Rätoromanischen, (323-26), Hakim Smaïls Überlegungen zum gesetzlichen und reellen Status der Berbersprachen, (335-39), und die empirisch fundierte Studie zu den Einstellungen der Jugendlichen aus ein- und zweisprachigen Familien gegenüber dem Erwerb des Kasachischen und der Bedeutung des Kasachischen, Russischen, Englischen und Türkischen von Harald Weydt (315-21)). Der Titel des Bandes vermag der ausgesprochenen Verschiedenartigkeit der behandelten Sachverhalte und gewählten wissenschaftlichen Perspektiven nur zum Teil gerecht zu werden: Es ist schwer anzunehmen, dass ein mit «Créoles - Langages et Politiques linguistiques» betitelter Sammelband das Interesse des Lesers wecken dürfte, der sich etwa mit Verbalsyntagmen des Französischen, dem Genus im Spanischen, dem Status der Berbersprachen oder den morphosyntaktischen Eigenschaften des marokkanischen Arabisch befasst 1 . Das Fehlen eines genauer definierten und strenger strukturierten thematischen Rahmens und das Nebeneinander wissenschaftlich fundierter Analysen und an der Oberfläche bleibender Inputs wirken zwar stellenweise störend, doch insgesamt bietet der Band zahlreiche Anregungen und eröffnet viele interessante Perspektiven und Vergleichsmöglichkeiten, die ihn durchaus lesenswert machen. Goranka Rocco ★ Iris Bachmann, Die Sprachwerdung des Kreolischen. Eine diskursanalytische Untersuchung am Beispiel des Papiamentu,Tübingen (Narr) 2005, 215 p. (Frankfurter Beiträge zur Lateinamerikanistik 10) Den Inhalt dieser spannenden, von Birgit Scharlau betreuten Dissertation knapp zusammenzufassen, ist schwierig. Denn die originelle und dabei gut durchdachte Arbeit ist zum einen sehr dicht, zum anderen extrem breit angelegt und verknüpft mitunter Bereiche, die weit auseinanderliegen. Dadurch ist es für den Leser nicht immer leicht, am Ball zu bleiben, obwohl die Studie im Prinzip durchaus kohärent ist. Im Vordergrund steht die Frage: «Unter welchen diskursiven Bedingungen tauchen Kreolsprachen als Gegenstand der Sprachwissenschaft auf und welchen Platz erhalten sie dabei im Gefüge akademischer Linguistik? » (25).Anhand der spanischen Kreolsprache Papiamentu, die auf Aruba, Bonaire und Curaçao gesprochen wird, schildert Bachmann den langen Weg von der Abqualifizierung der Kreolsprachen als «korrumpiertes Spanisch» (resp. Französisch, Englisch, Portugiesisch) im 17. und 18. Jh. und in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jh. zu ihrer Einstufung als vollwertige, eigenständige Sprachen im Rahmen der amerikanischen Pidgin and Creole Studies. Sie konzentriert sich dabei auf die Zeit seit der Mitte des 19. Jh., weil es vorher nur vereinzelt Sprachbeschreibungen der Kreols gab. Das Korpus, auf das sich Bachmann stützt, setzt sich zusammen aus Laiendiskurs und wissenschaftlichem Diskurs, wobei beide Diskurse miteinander verzahnt 256 Besprechungen - Comptes rendus 1 Um es in Zahlen auszudrücken: Der erste, den Kreolsprachen gewidmete Teil, beinhaltet 17 von insgesamt 39 Aufsätzen des Buchs.