Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2007
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Kristol De StefaniIris Bachmann,Die Sprachwerdung des Kreolischen. Eine diskursanalytische Untersuchung am Beispiel des Papiamentu,Tübingen (Narr) 2005,215 p. (Frankfurter Beiträge zur Lateinamerikanistik 10)
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2007
Yvonne Stork
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die Erörterung der Frage, ob die Entwicklung der Lesekompetenz zunächst in der Muttersprache erfolgen soll, von Danièle Manesse (299-302), und die Ausführungen zur Frage des Erwerbs prosodischer Merkmale der Zweitsprache von Gabrielle Konopczynski und Christelle Dodane (275-82); 2) Rolle und Status der jeweils behandelten Sprachen im schulischen Unterricht bzw. in der betreffenden Gesellschaft und die damit verbundenen Perspektiven (cf. José Carlos Herreras Ausführungen zur Rolle der einzelnen Regionalsprachen Spaniens (327-34), Remi Jolivets Beitrag zum Rätoromanischen, (323-26), Hakim Smaïls Überlegungen zum gesetzlichen und reellen Status der Berbersprachen, (335-39), und die empirisch fundierte Studie zu den Einstellungen der Jugendlichen aus ein- und zweisprachigen Familien gegenüber dem Erwerb des Kasachischen und der Bedeutung des Kasachischen, Russischen, Englischen und Türkischen von Harald Weydt (315-21)). Der Titel des Bandes vermag der ausgesprochenen Verschiedenartigkeit der behandelten Sachverhalte und gewählten wissenschaftlichen Perspektiven nur zum Teil gerecht zu werden: Es ist schwer anzunehmen, dass ein mit «Créoles - Langages et Politiques linguistiques» betitelter Sammelband das Interesse des Lesers wecken dürfte, der sich etwa mit Verbalsyntagmen des Französischen, dem Genus im Spanischen, dem Status der Berbersprachen oder den morphosyntaktischen Eigenschaften des marokkanischen Arabisch befasst 1 . Das Fehlen eines genauer definierten und strenger strukturierten thematischen Rahmens und das Nebeneinander wissenschaftlich fundierter Analysen und an der Oberfläche bleibender Inputs wirken zwar stellenweise störend, doch insgesamt bietet der Band zahlreiche Anregungen und eröffnet viele interessante Perspektiven und Vergleichsmöglichkeiten, die ihn durchaus lesenswert machen. Goranka Rocco ★ Iris Bachmann, Die Sprachwerdung des Kreolischen. Eine diskursanalytische Untersuchung am Beispiel des Papiamentu,Tübingen (Narr) 2005, 215 p. (Frankfurter Beiträge zur Lateinamerikanistik 10) Den Inhalt dieser spannenden, von Birgit Scharlau betreuten Dissertation knapp zusammenzufassen, ist schwierig. Denn die originelle und dabei gut durchdachte Arbeit ist zum einen sehr dicht, zum anderen extrem breit angelegt und verknüpft mitunter Bereiche, die weit auseinanderliegen. Dadurch ist es für den Leser nicht immer leicht, am Ball zu bleiben, obwohl die Studie im Prinzip durchaus kohärent ist. Im Vordergrund steht die Frage: «Unter welchen diskursiven Bedingungen tauchen Kreolsprachen als Gegenstand der Sprachwissenschaft auf und welchen Platz erhalten sie dabei im Gefüge akademischer Linguistik? » (25).Anhand der spanischen Kreolsprache Papiamentu, die auf Aruba, Bonaire und Curaçao gesprochen wird, schildert Bachmann den langen Weg von der Abqualifizierung der Kreolsprachen als «korrumpiertes Spanisch» (resp. Französisch, Englisch, Portugiesisch) im 17. und 18. Jh. und in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jh. zu ihrer Einstufung als vollwertige, eigenständige Sprachen im Rahmen der amerikanischen Pidgin and Creole Studies. Sie konzentriert sich dabei auf die Zeit seit der Mitte des 19. Jh., weil es vorher nur vereinzelt Sprachbeschreibungen der Kreols gab. Das Korpus, auf das sich Bachmann stützt, setzt sich zusammen aus Laiendiskurs und wissenschaftlichem Diskurs, wobei beide Diskurse miteinander verzahnt 256 Besprechungen - Comptes rendus 1 Um es in Zahlen auszudrücken: Der erste, den Kreolsprachen gewidmete Teil, beinhaltet 17 von insgesamt 39 Aufsätzen des Buchs. sind. Verf. bezieht drei Arten von Texten ein: zum einen Sprachbeschreibungen von Laien (z. B. Missionarsgrammatiken), daneben sprachwissenschaftliche Analysen der Kreolsprachen (v. a. des Papiamentu) und schließlich Texte «zum allgemeinen wissenschaftlichen Sprachdiskurs» (30). Es handelt sich hierbei um Texte u. a. von Diez, Paul, de Saussure, Jespersen, Bloomfield und Lyons, die zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jh. und den frühen 1970er Jahren entstanden sind und von Verf. in Bezug zum Kreoldiskurs gesetzt werden; eine Entscheidung, die zunächst etwas überraschend anmuten mag, sich aber bei näherem Hinsehen als sinnvoll und ergiebig entpuppt. Die ersten beiden Kapitel haben einführenden Charakter. Im 1. Kapitel, «Diskursanalyse als Sprachwissenschaftsgeschichte» (9-24), präsentiert Verf. die theoretischen Grundlagen und beschreibt den Aufbau ihrer Studie. In Anlehnung an diverse in den letzten Jahren erschienene Arbeiten auf dem Gebiet der (post-)colonial studies wählt sie einen diskursanalytischen Ansatz und fasst Sprache auf als «Ergebnis einer diskursiven Praxis im foucaultschen Sinne . . ., die deren sprachwissenschaftliche Konzeptualisierung modelliert» (11). Der erste Schnitt, den sie setzt, umfasst Arbeiten zum Papiamentu, die zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Die Sprachbeschreibungen aus dem 19. Jh. kommen vor allem aus zwei Bereichen. Zum einen handelt es sich um «volkspädagogische» Arbeiten, etwa in Form von Missionarsgrammatiken oder Katechismen, d. h. also Laiensprachbeschreibungen, zum anderen um Arbeiten aus der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft, v. a. aus der Romanistik. Im Laufe des 20. Jh. kann man ein «enormes quantitatives Wachstum des diskursiven Feldes» (13) beobachten. Die Laienbeschreibungen sind einem präskriptiven Diskurs zuzurechnen, wohingegen die sprachwissenschaftlichen Beschreibungen einem deskriptiven Diskurs angehören, d. h. hier wird Sprache als reines Beschreibungsobjekt charakterisiert. Der zweite Schnitt ist gleichermaßen ein zeitlicher und ein räumlicher: Bachmann untersucht das Auftreten der Kreolsprachen im amerikanischen Diskurs ab den 1950er Jahren. Sie analysiert, wie sich der Sprachdiskurs verändert, so dass Kreols in den Pidgin and Creole Studies nicht mehr wie in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft als Derivate der romanischen Sprachen, sondern als vollwertige Sprachen aufgefasst werden. Sie vermutet, dass der «Remodellierung der Wissensformation von einer diachronen zur synchronen Linguistik» (13) bei dieser Veränderung eine nicht unbedeutende Rolle zukommt. Ein besonderes Augenmerk legt Verf. bei beiden Schnitten auf die konkrete Praxis der Datenerhebung sowie deren konzeptionelle Bedingungen. Es geht ihr nicht nur darum, die materialen Bedingungen nachzuzeichnen, sondern auch darum, die Wechselbeziehung zwischen Datenerzeugung und Gegenstandsbildung aufzuzeigen. Im 2., sehr kurzen Kapitel präsentiert Verf. «Das Korpus» (25-30). Das 3. Kapitel, «Das romanistische Modell: Kreolsprachen in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft» (31-56), beginnt mit der Feststellung, dass in den ersten wissenschaftlichen Arbeiten zu Kreolsprachen - und zwar nicht nur in den romanistischen - bezüglich der Entstehung dieser Sprachen meistens Parallelen zur Entwicklung der romanischen Sprachen aus dem Lateinischen hergestellt werden. Wurden im frühen 19. Jh. die romanischen Sprachen häufig als «korrumpierte Fortsetzer» des Lateinischen bezeichnet, so sieht man später die romanischen Sprachen als natürliche Fortentwicklungen des Lateins an und die Kreolsprachen gelten in der 2. Hälfte des 19. Jh., etwa bei Schuchardt, als «korrumpierte Fortsetzer» des Französischen oder Spanischen. Innerhalb der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft beschäftigt sich - aus naheliegenden Gründen - vor allem die Romanistik mit den Kreolsprachen. Ihr Hauptinteresse richten die Wissenschaftler auf die systematische Erfassung der Lautveränderungen, die die Kreolsprachen gegenüber den europäischen Ausgangssprachen durchlaufen haben. Vergleichsgröße für das Papiamentu ist meist das europäische Spanisch, aber mitunter werden 257 Besprechungen - Comptes rendus auch panamerikanische Charakteristika oder - wegen der geographischen Nähe und des engen wirtschaftlichen Kontaktes - das venezolanische Spanisch zum Vergleich herangezogen. Die allmähliche Durchsetzung der historisch-vergleichenden Methode bedingt es, dass Sprachwandel nicht mehr als Verfall aufgefasst wird, sondern «der natürliche Prozess des Lautwandels als Motor von Veränderungen ins Blickfeld der Forschung [rückt], der . . . alle Sprachen . . . in systematischer . . . Weise transformiert» (51). Mit diesem neuen Fokus, so Bachmanns überzeugende Argumentation, hängt es zusammen, dass die Kreolsprachen nun nicht mehr wie bei Schuchardt als Bruch, sondern als «eine Verlängerung der europäischen Entwicklung» (51) konzipiert werden. Das 4. Kapitel, «Schrift und sprachliches Wissen» (57-85), dreht sich um die Zusammenhänge zwischen dem Laiendiskurs und der sprachwissenschaftlichen Beschreibung der Kreolsprachen. Die beiden Diskurse sind über das empirische Material miteinander verzahnt. Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft arbeitet mit Texten, die von Missionaren und Kolonialbeamten bereit gestellt werden. Es handelt sich einerseits um von den Missionaren verfasste Katechismen und christliche Prosa, andererseits um volkstümliche Texte wie Lieder oder Legenden. Erst nach der Aufbereitung gemäß den Methoden der wissenschaftlichen Textkritik gelten die Texte den Sprachwissenschaftlern als valables Material. Laiendiskurs und sprachwissenschaftlicher Diskurs unterscheiden sich, wie Bachmann stichhaltig darlegt, durch eine unterschiedliche Vorstellung von Schrift. Im Laiendiskurs ist der Buchstabe «die entscheidende analytische Größe . . ., von dem ausgehend man eine Schreibung des Papiamentu entwickeln und systematisieren konnte» (82), im Diskurs der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ist es hingegen der Laut. Im 5. Kapitel: «De volkstaal van Curaçao: das Papiamentu zwischen Philologie, Volks- und Völkerkunde» (87-119) steht der Begriff der Volkssprache im Vordergrund. Feinsinnig analysiert Verf. die verschiedenen Verwendungskontexte dieses Begriffs. Er taucht im Laiendiskurs zum Papiamentu, aber auch im Diskurs der Sprachwissenschaftler auf und zwar in den Gegensatzpaaren Volkssprache - Literatursprache, Volkssprache - Schriftsprache und Volkssprache - Kultursprache. D. h. zum einen wird diastratisch differenziert zwischen der Sprache des einfachen Volkes, dem Papiamentu, und der Sprache der Gebildeten, Niederländisch oder Spanisch. Zum anderen wird medial differenziert zwischen der rein mündlichen Sprache des einfachen Volkes, dem Papiamentu, und der Literatursprache (Niederländisch oder Spanisch). Teilweise überschneiden sich die beiden Unterscheidungen (die, darauf weist Bachmann zu Recht hin, ähnlich auch in Bezug auf das Paar Vulgärlatein/ klassisches Latein zu finden sind). Eine gewisse Sonderstellung hat Rodolfo Lenz inne, der den Versuch unternimmt, «das Papiamentu, analog zu den europäischen ‹Kultursprachen› Niederländisch oder Spanisch in verschiedene sprachliche Register aufzuteilen und es damit vom Stigma des patois zu befreien» (94). Was die curaçaischen Beiträge in der Sprachenfrage betrifft, so konstatiert Verf. eine gewisse Ambivalenz. Zwar plädiert kein Autor öffentlich für das Papiamentu, doch wird immer wieder darauf abgehoben, dass das Papiamentu die Sprache aller Curaçaer sei. Einige einheimische Texte aus der ersten Hälfte des 19. Jh. zeigen eindeutig, dass das Papiamentu für die Autoren zum Symbol curaçaischer Identität geworden ist. In den 1930er Jahren wird «zum ersten Mal ein nationaler Diskurs deutlich, der auf das Papiamentu als Sprache der Curaçaer Bezug nimmt» (97). Während niederländische Kolonialbeamte das Papiamentu weiterhin als «Volkssprache» in der Bedeutung «Sprache der bildungsfernen einfachen Schichten» benützen, bezeichnet der dominikanische Priester Latour das Papiamentu als «de taal van een volk». Während volkstaal «die curaçaische Gesellschaft in verschiedene Gruppen - die gebildete Oberschicht und die ungebildete Masse - aufteilt, die unterschiedliche Sprachen sprechen», verbindet de taal van een volk «alle Bewohner Curaçaos zu einer Einheit, die sich durch ihre Sprache Papiamentu von den Niederländern unter- 258 Besprechungen - Comptes rendus scheiden» (98). Bezeichnungen des Papiamentu als neger-spaansch oder slaventaaltje (101) sind zwar zu finden, werden aber seit dem späten 19. Jh. nur noch aus der europäischen Perspektive verwendet, was wesentlich mit der Verbreitung des Papiamentu zu tun hat. Außenstehende sprechen ab dem frühen 19. Jh. von der allgemeinen Verbreitung des Kreols auch unter der weißen Bevölkerung (102). Bachmann weist - getreu ihrem Ansatz - zu Recht darauf hin, dass man daraus nicht automatisch den Schluss ziehen darf, dass die weiße Bevölkerung im 17. Jh. kein Papiamentu gesprochen hätte. «Es lässt sich aber eine unterschiedliche diskursive Konstruktion des Kreols ausmachen, das von einer eindeutigen Zuordnung als ‹Sprache der schwarzen Sklaven› zur ‹allgemeinen Umgangssprache von Curaçao› mutiert» (101). Das 6. Kapitel, «Intermezzo: Die Naturalisierung des Sprachbegriffs» (121-51), beinhaltet aufschlussreiche Informationen zum Begriff der Naturalisierung, wirkt aber andererseits aufgrund der nur kurz angerissenen Exkurse 6.3 «Kreolsprachen als Modell für eine internationale Hilfssprache», und 6.4 «Kindersprache - Muttersprache - fremde Sprache» arg heterogen. Bachmann beobachtet eine «Naturalisierung» von Sprache seit dem 19. Jh. Darunter versteht sie nicht, dass die Sprache selbst natürlicher geworden wäre, sondern «die Vorstellung von Sprache, die ihrer wissenschaftlichen Gegenstandsbestimmung zugrunde liegt» (123). Der Grund für diese Naturalisierung liegt ihres Erachtens darin, dass die Sprachwissenschaftler sich auf den Lautwandel als einen systematisch ablaufenden Prozess konzentrieren, Sprachwandel als einen natürlichen Vorgang verstehen und «der sprachverändernde Aspekt der Grammatisierung der europäischen Vernakularsprachen» (126) mit Hilfe von Wörterbüchern und Grammatiken 1 an Bedeutung verliert. Die «Ablösung des Wissenschaftsdiskurses von der Materialität der Schrift in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts» (123) ist für Verf. die Bedingung dafür, dass die Kreols zu vollwertigen Sprachen aufgewertet werden. «Die Entstehung der Pidgin and Creole Studies» (153-89) ist das Thema des 7. und - sieht man von der Schlussbetrachtung ab - letzten Kapitels. Im 20. Jh. kommt es in Amerika gewissermaßen zu einer «Wiederentdeckung» der Kreols. Nach dem Ende des spanischamerikanischen Krieges werden die USA langsam anstelle der europäischen Staaten zur neuen Hegemonialmacht in der Karibik. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen festigen sie ihre Vormachtstellung. Das ist der Hintergrund für die Herausbildung der Pidgin and Creole Studies als akademischer Disziplin seit den 1950er Jahren und für die zunächst zu beobachtende Inszenierung der Fachgeschichte als rein amerikanischer. Dass heute Pidgin und Kreol generisch verwendet und im allgemeinen in Bezug aufeinander definiert werden, dergestalt, dass Kreolsprachen als ursprüngliche Pidginsprachen gelten, die im Vergleich zu den Pidgins Grammatik und Lexikon stärker ausgebaut haben und im Unterschied zu diesen als Muttersprache fungieren, geht auf den amerikanischen Diskurs zurück. Sowohl Pidgin als auch Kreol waren ursprünglich nicht-generische Bezeichnungen für bestimmte Sprachen. Auch in anderer Hinsicht haben die Pidgin and Creole Studies der Kreolistik ein neues Gepräge gegeben. Betrachtet man z. B. die Korpusgewinnung des amerikanischen Kreolisten Charles Harris, stellt man fest, dass er mit einer recht schmalen Datenbasis operiert und zur Korpusgewinnung im Unterschied zu historisch-vergleichenden Sprachwissenschaftlern auf muttersprachliche Informanten zurückgreift. Der zentrale Unterschied, wenn man die Forschung zum Papiamentu in der amerikanischen Kreolistik mit der in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft vergleicht, ist allerdings, dass die amerikanische Kreolistik das Papiamentu als eigenständiges und unab- 259 Besprechungen - Comptes rendus 1 Bachmann stützt sich hier auf Sylvain Auroux. hängiges Sprachsystem auffasst und keinerlei Veranlassung sieht, zur Erklärung bestimmter Lautwandelphänomene auf das Spanische oder das Portugiesische zu rekurrieren. Bachmann zufolge ist es die synchrone Betrachtungsweise, die überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet, «eine größere Unabhängigkeit der einzelnen Sprachgebilde zuzulassen. [Dies] wurde in Bezug auf die Kreolsprachen zu einer Emanzipierung von der derivativen Perspektive der Diachronie genutzt» (174). Die Sprachwerdung des Kreolischen ist ein hochinteressantes und klug konzipiertes Buch. Wie Verf. ihre Schnitte setzt - sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht - ist kühn, aber sehr plausibel. Bei ihren Interpretationen geht sie im allgemeinen mit großer Umsicht und Sorgfalt vor. Nur ganz selten fällt ihr Urteil etwas grob aus, etwa wenn Verf. annimmt: «Es ist vermutlich kein Zufall, dass die von der europäischen Genealogie ausgehende historisch-vergleichende Methode für zunehmend selbstbewusste (US-)amerikanische Forscher an Interesse verlor» (174). Hier muss man bedenken, dass zu der betreffenden Zeit - es geht Verf. um die Zeit seit den 50er Jahren - die historisch-vergleichende Methode auch in Europa ihre führende Rolle verloren hatte. Ihren Entschluss, die sprachwissenschaftliche Forschung zu Kreolsprachen in Relation zum allgemeinen sprachwissenschaftlichen Diskurs zu stellen, setzt Verf. überzeugend um, bspw. wenn sie zeigt, dass sich die Neukonzeption des Sprachwandels im Gefolge der Etablierung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft auch auf die Wahrnehmung der Kreolsprachen auswirkt oder wenn sie darlegt, inwiefern der Wechsel von der diachronen zur synchronen Betrachtungsweise die Wahrnehmung der Kreolsprachen beeinflusst. Insgesamt handelt es sich bei dem Werk von Bachmann somit zweifellos um eine sehr differenzierte, anregende und faszinierende Studie. Yvonne Stork ★ Adnan M. Gökçen, I volgari di Bonvesin da la Riva. Testi del ms. Berlinese, New York (Lang) 1996, lvii + 224 p. (Studies in Italian Culture Literature in History 18) Adnan M. Gökçen, I volgari di Bonvesin da la Riva. Testi dei mss. Trivulziano 93 (v. 113fine), Ambrosiano T. 10 sup., N. 95 sup., Toledano Capitolare 10-28, New York (Lang) 2001, cv + 253 p. (Studies in Italian Culture Literature in History 32) Il primo volume dell’edizione di Gökçen (= Gökçen 1996) si compone di una Premessa (ixlvii = Prem1), in otto paragrafi, seguita dall’edizione 1 dei tredici testi di Bonvesin da la Riva contenuti nel codice milanese, presumibilmente di fine Duecento, proveniente dalla libreria quattrocentesca di Santa Maria Incoronata, chiamato per antonomasia Berlinese (Berlin, Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek, Ital. qu. 26, ff. 1r°-80v°, siglato a). I tredici testi, indicati dagli editori nella seguente maniera alfabetica, hanno la rubrica che li accompagna nel manoscritto e sono: a [De Sathana cum Virgine] «Quiloga se lomenta lo Satanas traitor» (3-23, 480v.); b Vulgare de elymosinis «Çascun homo il so stao, s’el vol a Deo servir» (25-69, 1048v.); c De quindecim miraculis que debent apparere ante diem iudicii «Aprov(o) la fin del mondo, s’el è ki’n voia odire» (71-3, 52v.); d De die iudicii «Queste en paroll(e) ter- 260 Besprechungen - Comptes rendus 1 Per opportunità tipografica si traslittera qui, nella trascrizione dei versi, il puntino espuntivo sottoscritto con le parentesi tonde. Recensione di F. Marri (autore di un Glossario al milanese di Bonvesin, Bologna 1977) in Studi e problemi di critica testuale 66 (2003): 185-89, che parla di «un’edizione in linea con le moderne esigenze della new philology, e (premesso comunque che il margine di arbitrarietà resta alto) degna di essere posta d’ora in avanti a fondamento della vulgata bonvesiniana.».
