eJournals Vox Romanica 66/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2007
661 Kristol De Stefani

Roger Friedlein, Der Dialog bei Ramon Llull. Literarische Gestaltung als apologetische Strategie,Tübingen (Niemeyer) 2004,348 p.(Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 318)

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2007
Louise  Gnädinger
vox6610367
Arrè lou fau! Bòli lou bray! Qu’en se pintran d’autres mentisquen E se fardan e s’enbelisquen. Jou, me fau tel que suy ; res de may, res de mens. Se nou suy pas poulit, me bôli ressemblen. (Mous soubenis, II) Dans son article, Claire Torreilles reste pourtant très sceptique; chez ce poète, qui était surtout célèbre pour ses récitations, la mise en scène littéraire l’emporte selon elle sur la véracité des propos: «Mous soubenis est écrit pour se dire, mais sur la scène et avec le masque du poète comédien. On le classerait aujourd’hui dans l’autofiction» (280). Le même problème apparaît dans l’article de Philippe Martel (Les jeux de l’amour et de la mémoire: l’autobiographie de Batisto Bonnet, 363-88), qui clôt le volume. Baptiste Bonnet devait son succès relatif à la protection de Frédéric Mistral et d’Alphonse Daudet. Il a raconté sa vie de valet de ferme d’abord dans L’Aioli, la revue félibréenne de Mistral, puis dans deux volumes traduits en français et préfacés par Alphonse et Léon Daudet. Martel compare les deux versions et découvre que le récit de sa vie sentimentale change considérablement d’une version à l’autre. Comme le souligne Martel, ce n’est pas la question de savoir si le poète a menti qui est importante. Il s’agit là bien plutôt d’un questionnement sur le genre autobiographique en tant que tel. Jakob Wüest ★ Roger Friedlein, Der Dialog bei Ramon Llull. Literarische Gestaltung als apologetische Strategie,Tübingen (Niemeyer) 2004, 348 p.(Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 318) Die vorliegende äusserst wertvolle, da vielseitig ausgreifende und überzeugend klärende, für die Llull-Forschung also inspirierende Untersuchung mit Textedition - dies sei der folgenden Präsentation vorweggenommen - wurde im Februar 2001 durch die Freie Universität Berlin, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, als Inauguraldissertation gutgeheissen, für den Druck nur leicht überarbeitet und aktualisiert. Bei der inhaltlichen Fülle und der Vielfalt der Blickrichtungen und Untersuchungsfelder mit gleichzeitig ausgebreitetem Detailreichtum lässt sich die Studie kaum resümieren. Es werden darum hier lediglich die kapitelbildenden Schwerpunkte genannt und kurz vorgestellt. Die dichte Einführung (I., 1-58) befasst sich vorerst allgemein mit dem Thema Dialog im Mittelalter, um sich dann auf Ramon Llull (1238-1316) zu konzentrieren. Ein Blick auf die antiken und frühchristlichen Dialogtraditionen führt zu den nachhaltig traditionsbildenden Namen Plato und Cicero sowie Boethius und Augustinus. Unter den im Forschungsüberblick zahlreich erwähnten Arbeiten (Sekundärliteratur) zum Dialog im Mittelalter fällt jene von P. Schmidt (1977) auf: anstelle einer gattungsmässigen Idealtypenumschreibung propagiert er neu eine Klassifikation der literarischen Dialoge in die Kategorien Kontroversdialog, philosophischer, didaktischer, hagiographischer und selbstbetrachtender Dialog. Der funktionale und sozio-kulturelle Aspekt, dazu der weitere epocheneigene literarische Kontext führen denn auch den Autor Roger Friedlein (fortan R. F.) zu einem neuen, revidierten Dialogkonzept für das Mittelalter, speziell für das Werk Ramon Llulls, nachdem vorgängig die Dialogkonzepte der bisherigen Llull-Forschung (Llinarès, Colomer, Domínguez, Jauss) kritisch befragt wurden. Drei mediävistischen Themenbereichen - selbstverständlich immer im Hinblick auf die Dialogliteratur Llulls - schenkt R. F. besondere Beachtung: der dialogisch strukturierten 367 Besprechungen - Comptes rendus Trobadorlyrik, den Debatten und den Religionsgesprächen. Religionsdialoge machen einen eigenen, für das Werk Llulls höchst bedeutenden Bereich aus. Im Unterschied zu älteren Untersuchungen geht hier bei R. F. die Frage nicht nach der möglichen «Echtheit» (Authentizität) eines realiter stattgefundenen Gesprächs und dessen Verschriftlichung. Die Frage dreht sich vielmehr um die Bedeutung von Fiktion und (simulierter) Spontaneität des Dialogs im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, denn historische Mündlichkeit ist kaum rekonstruierbar. R. F. möchte die Bezeichnung «Dialog» für das rein literarisch angewandte Bau- und Gestaltungsprinzip von Dialogtexten reservieren, während ein schriftlich fingierter mündlicher Kommunikationsvorgang als «Gespräch» zu bezeichnen wäre. Damit gelingt es R. F., die im Mittelalter in grosser zeitlicher Spannweite und idiomatischer Vielfalt vorkommende Dialogform begrifflich einzugrenzen und auf einen für Llulls Dialogliteratur gültigen Kernbereich einzuschränken. Da gibt es in den religiösen und theologischen Texten in Dialogform eine Verankerung in Zeit und Raum, den situativen Kontext also, dazu oft den Einsatz eines Erzählers. Kennzeichnend ist weiter, gemäss R. F., die Argumentativität des Dialogs, was den gegenseitigen Bezug der Sprecher aufeinander bei gemeinsamem Thema impliziert. Konstitutiv für den mittelalterlichen Dialog erweist sich, wiederum gemäss R. F., die Ernsthaftigkeit. Bloss der Unterhaltung dienende Texte, wie etwa nugae, werden aus dem Dialogkonzept ausgeschlossen. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Mündliche Gespräche können der Entstehungsanlass des schriftlichen Texttyps «Dialog» sein, welcher notwendig in einem Kontext situiert ist und dessen Szenerie oder begleitende Handlung durch einen Erzähler oder durch sprechende Figuren vermittelt werden. Der kulturelle und literarische Kontext von Llulls Dialogen - gut zwei Dutzend seiner über 250 hinterlassenen Texte - ist Gegenstand des zweiten Teils des Einführungskapitels. Die literarische Selbststilisierung Llulls im autobiographischen Bericht (Vita coaetanea) und die Neuheit der Ars Lulliana und ihrer Frage-Antwort-Form mit einem entschieden rationalistischen Denkansatz wird nun in seiner Eigenart charakterisiert. Auch der notwendige Hinweis auf die erstaunliche Reise- und Missionstätigkeit des weitgehend autodidaktisch ausgebildeten, des seiner Arabischkenntnisse wegen arabicus Christianus genannten Doctor illuminatus fehlt nicht. Die Ars Lulliana, auch Ars magna benannt, ein zur Ars generalis evolvierendes System, will bei vernunftgemässer Beweisführung eine Einheit des Glaubens und der Kirche herbeiführen. Durch die von Llull entwickelte universal-rationale Erkenntnismethode, ein auf einer relationalen Ontologie aufgebautes relationales System, soll Muslime, Juden und Heiden mit den Christen in Übereinstimmung bringen. Llulls Ars combinatoria steht im Dienste einer analogisch zu erfassenden Realität und einer Beweisfindung für alle Glaubensartikel durch eine Reihe «relativer Prinzipien», wobei die dazu eingesetzten Fragen und Antworten, kombinatorisch generiert, alles Wissbare umfassen. Die Verbindung des llullschen Frage- und Antwortschemas mit dem Dialog als literarischer Form wird anhand von Parallelen wie den Joca monachorum, Alcuins Disputatio, Adria und Epictitus, den Fragedialogen des Elucidariums (Honorius Augustodunensis) und dem Livre de Sidrac (Frage-Dialog, 13. Jh.) dargelegt. Denn, so R. F., als literarische Gattung ist der Dialog in seinen typischen Merkmalen beschreibbar und abgrenzbar, sodann mit Texttraditionen relationierbar. Alle diese vorgängigen, minutiös durchgeführten Untersuchungen und festgemachten Differenzierungen dienen dem endlich simpel genannten Ziel, ein llullsches Dialogkorpus etablieren zu wollen (56-58). Die dabei in Frage kommenden 26, zwischen 1275 und 1314 entstandenen Texte decken fast die gesamte Schaffenszeit Llulls ab. Teil II der Untersuchung (59-98) zeigt dann am ältesten der llullschen Dialogtexte, dem Llibre del gentil, grundsätzlich die strukturellen Möglichkeiten der literarischen Gattung Dialog auf und er- 368 Besprechungen - Comptes rendus arbeitet anhand weiterer ausgewählter llullscher Dialoge deren spezifische Kennzeichen. Der Liber Tartari (III., 99-138) erweitert die im Llibre del gentil vorgestellte Religionsdisputation und Missionsinitiative Llulls durch einen literarischen Dialog, der als Spiegel der göttlichen Trinität fungieren will, dabei das im Mittelalter allgegenwärtige Buchmotiv (liber creaturae, (Lebens)Buch und Richter u. a.) variiert. Hauptabschnitt IV (139-304) entdeckt in Llull den Autor der Dialoge als Figur. Die relevante Ichdarstellung erfolgt zumeist im Prolog. Ramon als Figur wird umschrieben am Beispiel der Consolatio Venetorum, einem Tröstungsdialog in boethianischer Tradition, und des Desconhort (autobiographisches und moralisches Ich). Die Oracions i contemplacions de l’enteniment (V., 205-21) nehmen die Soliloquientradition und Elemente der mittelalterlichen Betrachtungsliteratur wieder auf, die als Ichdarstellung erscheinen. Ein Exkurs über Llulls Llibre de sancta Maria, insbesondere zu den dort auftretenden Personifikationen, schliesst sich an. Die Disputatio Fidei et Intellectus (VI., 223-42) - in der damaligen europäischen Einheitssprache der Gelehrten, in Latein, abgefasst - zeigt exemplarisch die mögliche Gesprächskohärenz in einer bestimmten Gesprächskonstellation. Dabei stellt der Dialog selbst schon eine gattungspoetische Stellungnahme dar. Im Anschluss an diesen Text weist R. F. ausdrücklich auf Llulls Tendenz hin, seine Dialogproduktion zu mechanisieren durch eine zunehmende Regelhaftigkeit der Gesprächsabläufe, etwa durch den reihenhaften Einsatz von Quaestionen als Vertextungsverfahren. Der Einsatz der Ars lulliana zur Generierung von Fragen und Antworten wirkt ebenfalls schematisierend. Der llullsche Dialog galt fortan als Modell, das besonders im iberoromanischen Llullismus des Mittelalters weitergeführt wurde (VII., 243-58). Sämtliche Dialoge des llullschen Dialogkorpus werden in Anhang 1 (259-86) nicht nur in weitgehend chronologischer Abfolge aufgelistet, sondern vor dem Hintergrund der nächst verwandten Textsorte bei Llull, dem Traktat, vorgestellt und anhand folgender Stichworte kurz analysiert: Entstehungszeit, Erstausgabe, Gliederung, Thema, Ort und Zeit, Figuren, Handlung, Gesprächsdynamik, Besonderes. Das Verhältnis der Rollen der Interlokutoren (Sprecherkonstellation) erweist sich in der Analyse von Belang. Diese Textbeschreibungen - sie überschreiten nie den Umfang einer Druckseite - verstehen sich in Bezug auf den Dialog im Mittelalter als exemplarisches Vorgehen, in Bezug auf Ramon Llull sind sie ein einfacher Vorschlag, wie R. F. zugesteht. Anhang 2 (287-312) bringt eine Textedition der Consolatio Venetorum, wovon es bisher nur eine Teiledition gab (Hauréau 1892). Dieser Consolatio-Text wird nach zwei Handschriften (Paris, Bibl. Nat. Ms. lat. 15 145, fol. 206r°-222v° und Vat. lat. 13680, fol. 108r°- 131v°) ediert, um ihn «in einer gut lesbaren Arbeitsversion zugänglich zu machen» (287). Reproduktionen der Illuminationen zum Llibre del gentil lassen sich in Anhang 3 betrachten (313-17). Sie zeigen in graphischer Darstellung durch Baumstrukturen Ausschnitte aus Llulls kombinierbarem Begriffssystem; die Serie der llullschen geometrischen Figuren ist hier nicht zu sehen. Im Beisein verschiedener Religionsvertreter präsentiert sich einmal der Baum der göttlichen Eigenschaften, dann der Baum der Tugenden und göttlichen Eigenschaften, weiter der Baum der göttlichen Eigenschaften und der Todsünden sowie der Baum der Tugenden und der Baum der Tugenden und der Todsünden. Bibliographische Angaben und Register (343-8) schliessen den positiv beeindruckenden, umfassenden Beitrag zur llullschen Dialogkenntnis ab. Er mag, wie vom Autor erwünscht, der künftigen Llull-Forschung förderlich dienen. Louise Gnädinger ★ 369 Besprechungen - Comptes rendus