Vox Romanica
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniJulia C. Szirmai (ed.), Un fragment de la Genèse en vers (fin XIIIe-début XIVe siècle). Édition du Ms. Brit. Libr. Harley 3775, Genève (Droz) 2005, 284 p. (TLF 574)
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Arnold Arens
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ist richtig; v. 747: S’el refuzera] Se r.: das feminine Subjektpersonalnomen kann im Pikardischen ohne End-e stehen; v. 974: gré] gié: nur gré ergibt einen Sinn; v. 1040: Se] Ne: grammatikalisch und inhaltlich falsche Korrektur; v. 1093: liëment] bonement: die Korrektur ist überflüssig, beide Lesarten ergeben einen Sinn; v. 1509: jes] je le: vorher war mit maint . . . homme der Plural angezeigt, darum ist jes = je les zwingend; v. 1559: Li poés] Si poés: nur Li ergibt einen Sinn; v. 1707: cel nus] c. nu: aus reimtechnischen Gründen muss nus stehen; v. 1781: le val] la val: val ist maskulin, darum ist der Artikel le korrekt; v. 1872: l’ajournee] la journee: überflüssige Korrektur; v. 2141: al gésir] et g.: nur al g. = zum Ruhen ergibt einen Sinn; v. 2276: que] qui: beide Formen des Relativpronomens ergeben einen Sinn; v. 2581: Felon] Selon: diese Korrektur «n’a aucun sens» 9 ; v. 2688: l’ont loé] sont loé: Gligois hat Gaben verteilt, deshalb haben die Jongleure ihn gelobt; v. 2868: par un brief] par brief: Chêneries Lesart ist die grammatikalisch korrekte. Hinsichtlich der neufranzösischen Übersetzung des Werkes ist zunächst einmal sehr positiv hervorzuheben, dass bei Lemaire der altfranzösische Text jeweils auf der linken und dessen neufranzösische Übertragung auf der rechten Druckseite steht.Auf diese Weise wird jedem Leser eine problemlose Vergleichsmöglichkeit geboten. Dies ist bei Chênerie leider nicht der Fall. Bei ihr muss man zum einen auf zwei verschiedene Publikationen zurückgreifen. Und außerdem wird der Vergleich von Original und Übersetzung noch dadurch zu einer wahren Sisyphusarbeit, dass anders als bei Lemaire in Chêneries Übersetzung keine einzige Versangabe zu finden ist, durch die ein Bezug zum altfranzösischen Text hergestellt wird. Das Anliegen Lemaires ist es, die Übertragung so anzufertigen, dass sie «la plus précise possible, la plus proche de l’œuvre médievale» (10) ist. Dies ist ihm auch gelungen. Zum einen hat er die insgesamt 37 von Chênerie offenbar aus Unachtsamkeit nicht übersetzen Verse ins Neufranzösische übertragen 10 . Zum anderen hat er die bei Chênerie an zahlreichen Stellen nicht nur viel zu freien, sondern gelegentlich auch falschen Übersetzungen 11 textnäher gestaltet bzw. korrigiert. Insgesamt bleibt festzuhalten: Auch wenn hier keine neue Textedition im engeren wissenschaftlichen Sinn vorliegt, wird mit dieser Studie Chêneries Ausgabe und insbesondere deren Übersetzung in entscheidenden Punkten verbessert. Das ist eine durchaus lobenswerte Leistung, die aus einer äußerst gründlichen Beschäftigung mit dem Stoff hervorgeht. Wie man den Worten Lemaires (10) entnehmen kann, richtet sich die Arbeit an Leser, die in der altfranzösischen Sprache und Literatur keine Spezialisten sind. Für diesen Personenkreis ist das Ausgabe gut geeignet. Arnold Arens ★ Julia C. Szirmai (ed.), Un fragment de la Genèse en vers (fin XIII e -début XIV e siècle). Édition du Ms. Brit. Libr. Harley 3775, Genève (Droz) 2005, 284 p. (TLF 574) Das hier edierte Bibelfragment, in dem Auszüge der Kapitel Genesis 22,24 bis 42,14 in altfranzösische Verse übertragen werden, enthält Teile der Geschichte der alttestamentlichen Figuren Abraham, Isaak und Jakob. Das Fragment wird eröffnet mit der Erwähnung, dass 319 Besprechungen - Comptes rendus 9 Id. 251. 10 Lemaire listet die nicht übersetzten Verse in seiner Arbeit (10) auf; ergänzt werden muss noch der von Chênerie bei der Übersetzung ebenfalls vergessene v. 44. 11 Hier einige ausgewählte Beispiele aus Chêneries Übersetzung. Mit Ch in Klammern wird diese Übertragung angezeigt, die Ziffer führt die Seite an: v. 618-22 (Ch 720), v. 786 (Ch 722), v. 822s. (Ch 723), v. 941s. (Ch 724), v. 1038 (Ch 725), v. 1271 (Ch 728), v. 1308 (Ch 729) u. a. m. aus der Verbindung Nachors, des Bruders Abrahams, mit seiner Nebenfrau Réuma Kinder hervorgegangen sind. Beschlossen wird es mit der Schilderung des Aufenthalts der Brüder Josefs in Ägypten. Obwohl Paul Meyer bereits 1888 auf diese Handschrift aufmerksam gemacht hatte (19), wird sie erst jetzt von Szirmai in einer «editio princeps» zugänglich gemacht. Die Herausgeberin hat nach eigenen Angaben (78) von dem Fragment während ihrer Arbeit an der von ihr besorgten Ausgabe der Bible anonyme 1 Kenntnis erhalten. Der Text, der von einem anonymen Autor im anglonormannischen Dialekt geschrieben wurde, ist in nur einem einzigen Ende des 13./ Anfang des 14. Jahrhunderts entstandenen Manuskript überliefert. Das Fragment, dessen Anfang und Ende fehlen, hat einen Umfang von nur 2148 Versen, «dont 25 vers corrompus» (42) 2 . Das vorherrschende Versmaß ist zwar der 10-Silbner; zahlreiche Verse sind aber auch 12- und 8-Silbner sowie «vers irréguliers» (45). Szirmai stellt der Textedition einen sehr langen und inhaltlich umfassenden Einleitungsteil (11-126) voran. Zunächst werden in den knappen Abschnitten «Avant-propos» (11) und «Introduction» (19-22) allgemeine Informationen zum Genesisfragment geboten. Es wäre besser gewesen, auf diese Darlegungen zu verzichten; denn das Meiste von dem, was hier gesagt wird, wird auf den nachfolgenden Seiten (zum Teil mehrmals) in gleicher oder leicht variierter Sprache wiederholt. Sodann schließt sich das lange Kapitel «L’auteur et son ouvrage» (23-126) an. In diesem wird kurz über das Manuskript (23-25) und ausführlich über die Sprache sowie das Metrum der Handschrift gehandelt (25-51). Alsdann folgt eine Übersicht über den Inhalt des Textes, die erfreulicherweise mit der Angabe der jeweils von dem anonymen Autor benutzten Quellen versehen ist (51-55). Den größten Raum in diesem Abschnitt nimmt dann berechtigterweise die sehr detaillierte Quellenanalyse ein (55-117). Denn «(l)’intérêt de ce fragment biblique réside entre autres dans l’emploi que fait l’auteur de ces diverses sources» (56). Vermutungen über den anonymen Autor und das Publikum, das er erreichen wollte, schließen den Einleitungsteil ab (118-26). Die Quellenanalyse, die insgesamt überzeugend ist, liefert ein beredtes Beispiel für das umfassende Wissen der Editorin. «(D)ans un ordre qui suit l’importance des emprunts» (62) wird hier eine Fülle von lateinischen wie auch altfranzösischen Texten angeführt, aus denen der Autor geschöpft hat. Zum Teil werden auch, und das ist sehr schön, Quellenauszüge und Textpassagen des Genesisfragments in synoptischer Form gegenübergestellt (cf. 63-64, 69, 91, 93-101). Konkret wird nachgewiesen: Die Historia scholastica des Petrus Comestor «est à la base du texte: l’auteur suit de près non seulement le contenu, mais aussi la division en chapitres de l’HS 3 » (62). Natürlich ist die Vulgata «(le) point de départ» (56) des Autors, deren Text er in allen Fällen, in denen er nicht der HS folgt, einerseits ziemlich treu übernimmt, andererseits aber auch resümiert, amplifiziert oder mit erklärenden sowie moralischen Kommentaren versieht. Eine ganz bedeutsame Quelle des Fragments ist Li Romanz de Dieu et de sa Mere von Herman de Valenciennes. Gemäß Szirmai hat sich der Autor «servi d’une version inconnue jusqu’à présent . . . version plus étendue» (79) als die heute bekannte. Insgesamt dürfte etwa die Hälfte der insgesamt 2148 Verse aus HdV entlehnt sein. Es sind dies insbesondere die Passagen, welche die Geburt Jakobs und Esaus sowie deren Segnung durch Isaak und außerdem das Leben Josefs in Ägypten darstellen. Als weitere Quellentexte sind anzuführen die Glossen, etwa Aurora von Petrus Riga, exegetische Texte 320 Besprechungen - Comptes rendus 1 J. C. Szirmai (ed.); La Bible anonyme du Ms. B. N. f. fr. 763, Amsterdam 1985. 2 In der Ausgabe werden die verstümmelten Versstellen durch [. . .] gekennzeichnet. Ich zähle nur 24 und nicht 25 Verse mit einer solchen Kennzeichnung. Aber das ist eine Bagatelle. 3 HS = Historia scholastica; und nachfolgend HdV = Herman de Valenciennes, Li Romanz de Dieu et de sa Mere. (von Isidor von Sevilla,Augustinus, Rabanus Maurus u. a.) sowie Flavius Josephus und zahlreiche altfranzösische Texte, darunter auch Übersetzungen der Bibel. Es liegt in dem Fragment also ein «enchevêtrement de ces sources» (57) mit «transitions d’un emprunt à l’autre» (59) vor. Dabei ist das Besondere nicht die Vielzahl der Quellen, sondern «surtout le caractère varié de ces sources» (115). Ob diese Quellenauswertung und -verflechtung das Werk des Autors ist oder ob ihm vielleicht eine Kompilation bereits vorlag, ist nicht zu entscheiden. Ebenso muss die Frage offen bleiben, ob der Autor die lateinischen Quellen im Original oder in einer schon vor ihm durchgeführten Übersetzung gelesen hat. Insgesamt stellt der Einleitungsteil eine überzeugende Leistung dar. Besonders die Quellenanalyse verdient Anerkennung. Der Wert dieser Darlegungen hätte aber noch gesteigert werden können, wenn Szirmai auf die immer wiederkehrenden Redundanzen verzichtet hätte. Hier einige Beispiele dafür, dass bereits Gesagtes an einer oder auch mehreren Stellen in derselben oder leicht variierten Formulierung wiederholt wird. «notre fragment est tronqué du début et de la fin» (20), wiederholt 42, 55; «il (= l’auteur) emprunte presque la moitié de ses vers . . . à une version inconnue de la «Bible» [sic! ] d’Herman de Valenciennes» (21), wiederholt 45, 116, 125; «on peut lire la plupart des vers comme des décasyllabes» (43), sechs Zeilen später beinahe wörtlich wiederholt; «Meyer qualifie la langue . . . de ‹barbarie›» (22), wiederholt 25, Fußnote 8; «L’intérêt de notre fragment résidant surtout dans ses rapports avec d’autres textes» (22), wiederholt 56; «les irrégularités caractéristiques de la versification» (25), wiederholt 42; die 51-55 gebotene Auflistung wird in gekürzter Version 58-59 wiederholt u. a. m. Außerdem, aber das ist nur ein Detail, ist in folgendem Zitat «Le poème contient 1074 rimes» (48) die Zahlenangabe falsch; in Wirklichkeit sind es 1034 Reime. Bei der Analyse des Metrums bleibt für mich die Aussage vollkommen unverständlich, man habe im Text «214 vers irréguliers (10,1 %, dont 2 de 7, 100 de 9,99 de 11,8 de 13 et 1 de 14 syllabes)» (45). Und es ist ein Widerspruch, einerseits zu sagen, es sei unmöglich «de savoir quel était son public» (56) und andererseits später über diese Frage Spekulationen anzustellen (120-22). Bei der Erarbeitung der Textedition selbst ist es richtigerweise Szirmais Prinzip, «(de limiter) au minimum les interventions éditorales» (127). Sie hat nur evidente Fehler des Textes korrigiert und dabei die zurückgewiesene Lesart in einer Anmerkung am unteren Rand der Seite vermerkt. [. . .] zeigt Lücken im Manuskript an; [ ] markiert von der Editorin vorgenommene Hinzufügungen und ( ) Auslassungen. Die Edition ist insgesamt mit größter Sorgfalt erstellt worden. Insbesondere überzeugt die Korrektur der zurückgewiesenen Lesarten der Handschrift. Gelegentlich wurde aber, soweit mir aufgefallen ist, unnötigerweise durch Hinzufügungen in den Text eingegriffen: v. 9 Abraham pleynt et pluré [[l’] out: die Einfügung des Personalpronomens ist überflüssig, der Sinn: Abraham hat geklagt und geweint; v. 403 Ysaac [fu] de quaraunte anz: die Altersangabe ist als Apposition zu betrachten, darum kann auf das Verb verzichtet werden; v. 628 vint a luy [luy] roi de Geraree: eine für mich unerklärliche Ergänzung; v. 676 Ysis, [fu] en Egipte menee: ohne Verb, da als Apposition zu betrachten; v. 800 [li] fiz de ta maysun: ohne Artikel, da eine Aufzählung fiz . . . roiz e princes vorliegt; v. 1412 pas n’ad [mis en] ubli: aus inhaltlichen Gründen eine überflüssige Einfügung. Außerdem hätte an einigen wenigen Stellen, an denen die Editorin eine Lücke anzeigt, eine Emendation vorgenommen werden können, etwa: v. 871 [. . .] mon pere deit murrer] [Qe] mon p.; v. 1435 Fas ce qe Deux [. . .] Fas ce qe Deux [velt]; v. 1461 [. . .] de tun aver od lui ad quit] [meynt] de tun aver. Die Edition wird ergänzt durch Anmerkungen zum Text (193-226), welche «observations codicologiques, philologiques et linguistiques, corrections proposées, renvois aux textes utilisés et aux sources» (193) enthalten, ein sorgfältig erstelltes, aber nicht vollständiges Glossar (227-61), eine umfassende Bibliographie (263-73) und erstaunlicherweise erst danach Indices (275-82). 321 Besprechungen - Comptes rendus Die Fachwelt kann Szirmai dafür dankbar sein, dass sie erstmalig eine insgesamt überzeugende Gesamtedition dieses kurzen Bibeltextes vorgelegt und diesen in exhaustiver Weise im Einleitungsteil untersucht hat. Damit liefert diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der altfranzösischen Bibelübersetzungen/ -adaptationen in Prosa- oder Versform. Arnold Arens ★ The Old French Ballette. Oxford, Bodleian Library, MS Douce 308. Edited, translated, and introduced by Eglal Doss-Quinby and Samuel N. Rosenberg; music editions and commentary by Elisabeth Aubrey, Genève (Droz) 2006, clxii + 546 p. (Publications romanes et françaises 239) Compilé au début du XIV e siècle, le chansonnier français I constitue l’une des collections les plus précieuses de poésie lyrique médiévale, avec un nombre élevé d’unica, le regroupement d’une production lyrique lorraine spécifique et une structure anthologique singulière de textes regroupés par genres, dont certains nous sont essentiellement connus à travers lui, puisque, outre la section des grans chans et celle des jeus partis qui représentent des regroupements largement illustrés par la tradition manuscrite, ainsi que celle des pastorelles qui est par contre l’un des rares regroupements connus du genre, on trouve 19 estampies, 188 balletes et 22 sottes chansons contre amours. L’ensemble avait reçu une édition en 2005 par M. Atchison 1 . Le présent ouvrage constitue la première édition critique de la section des balletes; elle permet de réviser sur certains points la régularisation abusive à laquelle avait procédé Gennrich, dans ses Rondeaux, Virelais und Balladen (1921, 1927). Les éditeurs ajoutent l’édition des mélodies dont I est dépourvu, mais qui ont pu nous être conservées dans d’autres manuscrits, qu’il s’agisse de strophes ou de simples refrains. Copieuse (90 pages), l’introduction donne une étude solide du genre, de l’hapax qui le désigne, de la versification et de la thématique abordée; une présentation du manuscrit: histoire, description, datation, rapport avec d’autres chansonniers, l’organisation par genres; une étude de la section concernée: présentation, disposition des textes, couplets et refrains, doubles rédactions, inclusion accidentelle de textes relevant d’autres genres, variantes dans d’autres sources (ceci concerne dix textes plus une trentaine de refrains), langue et signes d’abréviation, musique (source et rapports avec la forme métrique); les conventions d’éditions. Deux copistes sont intervenus sur cette section qui comporte 177 textes en copie simple ou double (14 cas); parmi ceux-ci, 10 seulement sont connus par d’autres sources qui nous ont transmis six transcriptions musicales auxquelles il eût fallu ajouter celle du modèle occitan du n° 182 (cf. infra). Trente-trois refrains se retrouvent dans d’autres textes composés dans le Nord de la France, dans la seconde moitié du XIII e siècle ou peu après, et onze d’entre eux se retrouvent dans des motets, tous conservés dans le fameux ms. de l’École de médecine de Montpellier. Quelques textes ont été visiblement déplacés: dix pièces sans refrains qui auraient dû figurer dans la section des grands chans, en groupements souvent continus (n° 70-74, 182-85) et deux rondets, auxquelles il faudrait ajouter un motet (voir infra à propos du n° 136a). Suivent vingt-et-une tables dont l’intérêt pratique est incontestable. La première inventorie les pièces listées ou non dans l’index du chansonnier, les pièces qui y sont ou non numérotées et les doubles rédactions. Les autres renseignent surtout sur la forme des pièces: 322 Besprechungen - Comptes rendus 1 M. Atchison, The Chansonnier of Oxford Bodleian MS Douce 308. Essays and Complete Edition of Texts, Burlington VT/ Aldershot.