eJournals Vox Romanica 68/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2009
681 Kristol De Stefani

Jean Widmer/Renata Coray/Dunya Acklin Muji/Eric Godel (ed.), Die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs – La diversité des langues en Suisse dans le débat public, Bern et al. (Peter Lang) 2004, 517 p.

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2009
Georges  Lüdi
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scenze, ma anche c’è chi ha competenza maggiore e chi ha competenza minore) e il fatto che la competenza sia qualcosa di modulare e di stratificato, che può variare da settore o livello d’analisi della lingua a settore e livello d’analisi (spesso si hanno competenze maggiori in certi settori o livelli di analisi rispetto ad altri); e infine, strettamente connessa con le precedenti, la questione degli indicatori di competenza linguistica, di che cosa voglia dire essere un parlante competente e di come la competenza si possa testare ed eventualmente misurare, tenendo conto che non è empiricamente attingibile la competenza stessa, ma solo il suo prodotto (cf. ora su tutti questi temi L EHMANN , «Linguistic competence: Theory and empiry», Folia linguistica 41(2007): 223-78; ma si veda già il pionieristico saggio di F ILL - MORE , «On fluency», in C. J. F ILLMORE / D. K EMPLER / W. Y.-S. W ANG (ed.), Individual differences in language ability and language behavior, New York 1979: 85-101). Ma nel complesso il volume dà eccellente conto dell’importanza della figura di Coseriu nella linguistica della seconda metà del Novecento, e ne mette bene il rilievo il profilo di studioso di vaste competenze linguistiche e di non comune profondità culturale, capace di unire in una rara sintesi l’eredità dell’idealismo con prospettive razionaliste e la padronanza empatica di diverse prospettive teoriche, e di approdare a quadri di sintesi e a sistemazioni concettuali contrassegnate da rigore e chiarezza di analisi e articolatezza dell’argomentazione, con risultati ben vivi nei gangli della linguistica europea contemporanea. Cimentarsi con il pensiero di Coseriu, anche quando ci si possa trovare non del tutto d’accordo su singoli punti, è sempre un gran guadagno, e una bella impresa intellettuale. Gaetano Berruto ★ Jean Widmer/ Renata Coray/ Dunya Acklin Muji/ Eric Godel (ed.), Die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs - La diversité des langues en Suisse dans le débat public, Bern et al. (Peter Lang) 2004, 517 p. Zweifellos ist die sprachliche Vielfalt eine der im In- und Ausland am stärksten wahrgenommenen Eigenschaften der Schweiz. Die Besonderheit ist dabei nicht die Existenz mehrerer Sprachen auf einem nationalen Territorium an sich - dies ist für die meisten europäischen Staaten der Fall -, sondern die Tatsache, dass sich die Schweiz als mehrsprachiger Staat konstituiert hat (1). Diese Mehrsprachigkeitsidee ist weder besonders alt - sie tritt 1848 zum ersten Mal in der Verfassung auf - noch scheint sie im öffentlichen Diskurs eine herausragende Rolle zu spielen. Man könnte sich angesichts der Analysen von Jean Widmer und seines Teams geradezu fragen, ob die Schweiz nicht gleichsam «per Zufall» ein mehrsprachiger Staat geworden ist. Wie wird die sprachliche Vielfalt anlässlich der Schaffung des Bundesstaates und der späteren Transformationen der Sprachenordnung in den öffentlichen Diskursen thematisiert? Welche Rolle spielt sie im «nationalen Imaginären» und als Identifikationskriterium in diesen Auseinandersetzungen? Dies sind die Leitfragen dieser auf einem Nationalfondsprojekt beruhenden sozio-historischen Studie, welche den Zeitraum von 1848 bis 2000 umfasst, beginnend mit der ersten Verfassung, obwohl die Gleichberechtigung der Sprachen schon 1798 formuliert worden war (3). Dabei liegt der Fokus auf drei als relevant angesehen Etappen in dieser Entwicklung, welchen je ein Kapitel gewidmet ist: I. Nationales Selbstverständnis und Sprache in der Bundesverfassung von 1848 (31-126) aus der Feder von E. Godel und D. Acklin Muji; II. La première révision de l’article des langues. Vers la reconnaissance du romanche comme langue nationale (1935-1938) (127-245), verantwortet von D. Acklin Muji; III. Minderheitenschutz und Beziehungspflege: die zweite Revision des 222 Besprechungen - Comptes rendus Sprachenartikels (1985-1996) (247-427), gezeichnet Renata Coray. Dazu kommen eine substantielle Einleitung von J. Widmer, in welcher der theoretisch-reflektorische Raum skizziert wird, innerhalb dessen sich die Einzelstudien bewegen (Constitutions d’une Suisse plurilingue, 1-30), eine Zusammenfassung von Renata Coray (IV. Die Transformation der Sprachenordnung und des nationalen Imaginären, 429-78) sowie ein Anhang (479-517), in welchem Renate Coray die der Untersuchung zugrunde liegenden Texte auflistet und ihre Auswahl überzeugend begründet, namentlich jene auf das Bundeshaus und die Presse als die «zwei wichtigen Arenen des öffentlichen Diskurses über nationale sprachpolitische Themen und Ereignisse» (479). Die Ergebnisse sind spannend. Zunächst halten die Autoren fest, dass in den drei untersuchten Phasen recht unterschiedliche «Sprachordnungen bzw. Konzeptionen der Schweiz und ihrer Sprachensituation» zu beobachten sind (429). Während 1848 «eine politisch-republikanische Sprachenordnung» dominiert, in welcher die Sprachen zweitrangig sind, wird rund um die total revidierte Verfassung die sprachliche Heterogenität zu einem die Vorstellungen mitbestimmenden Faktor. Freilich seien «dannzumal sprachliche Kategorien weder integraler Teil des staatspolitischen Diskurses der Regierung, noch handlungsleitende Konzepte von Politikern» (431). Erst in den von patriotischen Diskursen geprägten 1930-er Jahren entwickelt sich eine «territoriale, patrimoniale Sprachenordnung» (ibid.), in welcher «die Existenz verschiedener Sprachen und Sprachgruppen . . . als zentrale Voraussetzung für die nationale Einheit» konzipiert wird (432). Dennoch waren Begriffe wie «Sprachgemeinschaft» oder «sprachliche Minderheit» in jener Zeit weitgehend unbekannt (erst 1999 wird der Begriff «sprachliche Minderheit» in die Verfassung aufgenommen, nachdem er in der Botschaft des Bundesrates von 1937 zur Anerkennung des Rätoromanischen als Landessprache noch ausdrücklich als «dem schweizerischen Recht fremd» bezeichnet worden war); im Zentrum stand die Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landessprache, nicht zuletzt unter dem Druck faschistischer Herrschaftsansprüche (238s.). Zu dieser ethischlegalen und patrimonial-territorialen Logik tritt Ende des 20. Jahrhunderts eine «psychologische und liberale Logik», welche mit ersterer allerdings kaum vereinbar sei (433). Aus der Fülle von bemerkenswerten Beobachtungen seien hier nur einige wenige, die letzten Jahrzehnte betreffende, herausgegriffen. (a) Renata Coray deutet einen «auf lange Dauer angelegten und zirkulären Diskurs» als Indiz einer Problemlösungsstrategie, welche sie in Anlehnung an Barel 1982 als «Strategie des Unlösbaren» bezeichnet. Die ausgemachten Probleme würden nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben, was eine dauerhafte Auseinandersetzung mit der Schweizer Sprachensituation garantiere - wobei diese Krisendiskurse durchaus identitätsstiftenden Charakter hätten (436-39). (b) Neu am Ende des 20. Jahrhundert taucht gemäß den Verfassern ein «Verständigungsdiskurs» auf, was im «semantischen Kampf» als zunehmende Dominanz einer psychologischen Sprachenordnung gedeutet wird (378s. und 440).Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften stelle die eigentliche Substanz der Kohäsion dar. Dabei wird u. a. die im Sprachendiskurs verwendete Metaphorik analysiert als Indiz der in der Öffentlichkeit dominierenden Bilder der schweizerischen Sprachenordnung, wobei neben den räumlichen Metaphern («Rösti-Graben») vor allem eine hohe Zahl von Beziehungsmetaphern auffallen, mit der Ehemetapher als Kern eines vielfältigen Metaphernfeldes (449s.). (c) In der aktuellen Diskussion über das Englische stießen ein staatspolitisches und ein zunehmend wichtiger werdendes wirtschaftsliberales Regulierungsmodell aufeinander. Dabei würden die geringen sprachpolitischen Eingriffsmöglichkeiten des Bundes manifest - und seien zukünftige Auseinandersetzungen gleichsam vorprogrammiert (462s.). 223 Besprechungen - Comptes rendus Freilich lebt der hier besprochene Band nicht nur von den detaillierten Analysen von Diskursen aus verschiedenen Perioden, sondern auch vom einleitenden Essai von Jean Widmer, der dem Band einen kohärenten begrifflichen Rahmen verleiht. Begründet wird zunächst überzeugend die Fokussierung auf den Arenen des parlamentarischen Diskurses und seiner Wiedergabe in der Presse (4). Die dominante politische Ordnung entspreche, wird gesagt, den dominierenden diskursiven Logiken eines Staats und insbesondere seiner Verfassung bzw. dessen verfassungsgebender Versammlung und der Berichte von diesen Diskussionen in der Presse (2). Ziel der Sprachenpolitik sei, meint Widmer, der sprachlichen Heterogenität der Bevölkerung eine Ordnung zu überstülpen (3), wobei im Band deutlich wird, dass über die 150-jährige Berichtsperiode in den sukzessiven Verfassungsordnungen unterschiedliche Lösungen dieses Problems gefunden wurden. Das Kriterium für die Analyse dieser Ordnungen ist die Relevanz der Sprache, sei es, dass die Protagonisten als Mitglieder einer Sprachgemeinschaft identifiziert werden, sei es, dass die Sprache als solche zur Herausforderung wird. Entscheidend ist dabei nicht, ob eine Kategorie grundsätzlich vorhanden ist, sondern ob sie in den Diskursen relevant ist. So seien z. B. die subjektive Dimension der sprachlichen Identität und der Begriff der Minorität erst am Ende des 20. Jh. relevant geworden (7 und 24). Widmer analysiert dann die Zirkularität des Verfassungsdiskurses am Beispiel von drei Möglichkeiten des Verständnis des Staatsvolkes vom «imaginären Volk», in dessen Namen die Verfassung geschaffen wird, über die Bürger, welche darüber abstimmen, bis zum «Zielvolk», das der Gesetzgebung unterworfen wird (9s.). Je nach Periode dominiert das eine oder das andere Verständnis. 1848 wird - im Gegensatz zu Frankreich, Italien oder Deutschland - die Mehrsprachigkeit des Zielvolkes wahrgenommen (Übersetzungsproblematik) (14), 1938 unterscheidet die Verfassung zwischen einem viersprachigen imaginären Volk (Nationalsprachen) und einem dreisprachigen Zielvolk (Amtssprachen) (17) mit einer Ikonisierung des ersteren im Sinne zu jener Zeit gültiger autoritärer Vorstellungen des Staates, wie die Analyse der Rede von Bundesrat Motta von 1938 zeigt (19s.). Demgegenüber dominiere Ende des 20. Jh. ein von der Angst von Verlusten einer Minorität und der nationalen Kohäsion geprägter bewahrender Diskurs, gespickt mit zahlreichen durativen Verben (préserver, sauvegarder, veiller à la répartition traditionnelle, etc.). Grundsätzlich kann man sich natürlich fragen, inwiefern eine Konzentration der Aufmerksamkeit auf die nationalen Arenen der Sprachenfrage in einer politischen Landschaft gerecht wird, die stark von der Diskussion auf lokaler, kantonaler oder allenfalls sprachregionaler Ebene und in anderen Mediengefäßen als jenen der Berichterstattung über die parlamentarischen Debatten (politische Leitsendungen am Deutschschweizer Fernsehen auf Dialekt! ) geprägt ist. Inwiefern könnten z. B. Begriffe wie «Mehrsprachigkeit» (als Ziel der Schulbildung) oder «corporate language» (bei der Festlegung von Firmenstrategien), die ihre Relevanz aus anderen Diskursen als denen von verfassungsgebenden Gremien beziehen, das sprachliche Selbstverständnis der Schweizer maßgeblich mitbestimmen? Gerade bei den Debatten um die Rolle des Englischen erweitern ja auch die Autoren selbst den Kreis der berücksichtigten Diskurse, z. B. durch Einbezug jener im Umfeld der EDK. Dennoch ist die Auswahl der dem Band zugrundeliegenden Diskurse stimmig - und dekonstruiert in überzeugender Weise in der Öffentlichkeit zirkulierende Mythen über die Schweizer Mehrsprachigkeit. Sowohl von der sich an der Ethnomethodologie und an der Diskursanalyse orientierenden, originalen Ausrichtung wie von den Resultaten her lohnt sich die Lektüre dieser Studie, die Teil des Vermächtnisses des im Februar 2007 verstorbenen Jean Widmer geworden ist. Georges Lüdi ★ 224 Besprechungen - Comptes rendus