eJournals Vox Romanica 68/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2009
681 Kristol De Stefani

Marieke Van Acker/Rika Van Deyck/Marc Van Uytfanghe (ed.), Latin écrit – Roman oral? De la dichotomisation à la continuité, Turnhout (Brepols) 2008, 296 p.

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2009
Roger  Schöntag
vox6810235
den romanischen Sprachen um einen neuen Sprachtypus handelt, was auch Grund für ihre bemerkenswerte Einheit ist. Am Ende des Bandes befinden sich eine sehr ausführliche Bibliographie sowie Namens-, Wort- und Sachindices, dank derer diese Kompilation von Vorlesungen, Vorträgen und Aufsätzen tatsächlich - wie vom Herausgeber angekündigt - zu einem Arbeitsinstrument sowohl für Studenten als auch für Fachleute wird. Nach eingehender Lektüre kann man nur bestätigen, dass dieser Band nicht nur für die Fachgeschichte von Bedeutung ist, sondern dass die Arbeiten Coserius auch nach wie vor von großer Aktualität sind. Gerade der eingangs dargestellte Überblick über Entwicklung und Merkmale der lateinischen Sprache und die Ausgliederung der Romania, aber auch die allgemeinen Überlegungen zu Sprachwandel und Sprachtypologie, machen das vorliegende Buch zu einer ausgezeichneten Einführung in die romanische Sprachwissenschaft, und es bleibt zu hoffen, dass dieser Band dazu anregt, sich mit den Schriften dieses Autors zu beschäftigen. Man wartet also mit Spannung auf weitere Veröffentlichungen Coseriu’scher Texte in den nächsten Jahren, wie etwa seine Aufsätze zur lateinischen und romanischen Koordination 11 und zum romanischen Futur 12 , oder aber auch die im Anschluss an die Vulgärlateinvorlesung gehaltene Vorlesung zur Entstehung der romanischen Sprachen (1967). Julia Alletsgruber ★ Marieke Van Acker/ Rika Van Deyck/ Marc Van Uytfanghe (ed.), Latin écrit - Roman oral? De la dichotomisation à la continuité, Turnhout (Brepols) 2008, 296 p. Die Untersuchung der Übergangsperiode vom Lateinischen zum Romanischen ist nach wie vor lohnenswert, zumal mit dem Fokus auf der Problematik «Schriftlichkeit vs. Mündlichkeit», da es sich hierbei um einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Entstehungsgeschichte der romanischen Sprachen handelt. Die Zielsetzung des Sammelbandes, der in der ambitionierten Reihe des Corpus Christianorum (Lingua Patrum) erschienen ist, richtet sich auf die Betonung der Kontinuität und Variabilität beim Entstehungsprozess der romanischen Sprachen: «L’objectif principal de ce recueil est de proposer des pistes pour réintégrer dans le domaine de l’émergence des langues romanes les notions de continuité et de variabilité. Ce sont là des caractéristiques fondamentales de notre conception moderne de la langue, mais qui n’ont pas toujours été présentes dans les attitudes historiques envers la langue, d’où la forte tendance à la dichotomisation, caractéristique dominante du domaine de recherche qui se consacre à l’essor des langues romanes» (5). Die thematische Breite des behandelten Sujets, in seiner interdisziplinären Ausrichtung, ist in vier Abteilungen gegliedert: I. Réalités langagières et conceptualisations, II. Variabilité et codes écrits, III. Sur la ligne de faîte entre l’oral et l’écrit, IV. Évolution et continuité. Quelques aspects morpho-syntaxiques et lexicaux. Der erste Beitrag, in Form einer längeren Rezension, übt entschiedene Kritik am Vorgehen der generativistischen Schule bei der Analyse des vorliegenden Themenkomplexes. Michel Banniard weist anhand der Ergebnisse von Salvis Formazione della struttura di 235 Besprechungen - Comptes rendus 11 E. Coseriu, «Lateinische und Romanische Koordination», in: E. Coseriu, Sprache - Strukturen und Funktionen, Tübingen 1970: 89-110. 12 E. Coseriu, «Über das romanische Futur», in: E. Coseriu, Sprache - Strukturen und Funktionen, Tübingen 1970: 53-70. frase romanza 1 die Inadäquatheit der generativistischen Prämissen nach und fordert eine Vorgehensweise nach den Kriterien der Probabilität. Einen vergleichsweise großen Zeitraum überblickend schärft Banniard in Paramètres imaginaires et paramètres réels en diachronie longue: entre typologie et probabilisme du latin au roman den Blick für die Komplexität möglicher Ursachen bei einem typologischen Wandel (z. B. bei Klitisierung und Wortstellung). Das diasystematische Modell von Koch/ Oesterreicher 2 und die «Diglossie»-Interpretation von Lüdi 3 zugrundelegend, geht Peter Koch in seinem Beitrag Le latin - une langue pas tout à fait comme les autres? Le problème de la diglossie en Gaule septentrionale der Frage nach, auf welche Weise die linguistische Variation des Lateinischen die mündliche und schriftliche Kommunikation im Laufe der verschiedenen Phasen der Übergangsperiode prägt. Ein wichtiger Hinweis erscheint dabei, dass für die große Mehrzahl der Bevölkerung Nordfrankreichs eigentlich keine diglossische Situation bestand, da sie als Analphabeten keinen direkten Zugang zur Schriftsprache hatten. Koch zeigt plausibel, wie sich die vertikale Kommunikation ab ca. 650 und noch mehr ab 750 zunehmend verschlechtert, bis sie schließlich durch die karolingische Renaissance komplett unterbrochen wird. Um diesen Zustand beschreiben zu können, plädiert er für einen dynamischen Begriff der Diglossie in Erweiterung der Kriterien von Lüdi und entgegen dem ursprünglichen statischen Modell von Ferguson. In The Sources of Standardisation in French - Written or Spoken? untersucht Anthony Lodge die Komplexität des Prozesses der Sprachstandardisierung zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert. Hierbei stellt er interessante Beobachtungen darüber an, wie das Bevölkerungswachstum der Stadt Paris in ursächlichem Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht und die mündliche Kommunikation in den ersten Jahrhunderten die treibende Kraft war, da mit einem maßgeblichen Einfluss der Schriftsprache erst nach der Renaissance gerechnet werden kann. Einzelne Merkmale analysierend, zeigt er, wie sprachliche Regionalismen mit der Zuwanderung aus den Provinzen nach Paris hineingetragen wurden. Die sich im urbanen Umfeld herausbildende koiné konnte dann diese Merkmale inkorporierend in das Umland ausstrahlen. Die zweite Sektion des Sammelbandes wird von dem Beitrag La scripta latine en Italie au X e siècle: la recherche d’un compromis eröffnet, in dem Sylviane Lazard anhand eines Korpus von Chartas aus Ravenna und Forlì die dort vorgefundene Variationsbreite aufzeigt. Diese beruht zum einen auf der jeweiligen inhaltlichen Ausrichtung eines Dokumentes und zum anderen auf dem Entstehungsort (Provinz vs. erzbischöfliche Kurie). Bemerkenswert ist dabei auch, wie innerhalb der verschiedenen Teile eines juristischen Dokumentes (datatio, minatio, corroboratio, definitio) Unterschiede nachweisbar sind. Gerade in den Teilen, die relevant für die Betroffenen sind und deren Inhalt auch von Illiteraten verstanden werden sollte, ist eine stärkere Innovation der Formen zu registrieren (Anlehnung an die gesprochene Sprache), während andere Teile stärker formelhaft sind (Ausrichtung an der Schriftnorm). Die sich dabei herausbildende scripta ist u. a. dadurch gekennzeichnet, dass für die Schreiber eine Markierung der Latinität nötig erschien, aktualisiert z. B. durch im Nominativ erstarrte Formen, verstärkte Verwendung von de zum Ausdruck des Genitivs oder den universellen Gebrauch der Endungen -is und -ibus. 236 Besprechungen - Comptes rendus 1 G. Salvi, La formazione della struttura di frase romanza. Ordine delle parole e clitici dal latino alle lingue romanze antiche, Tübingen 2004. Die Druckfehler in N1 (p.14): structura statt struttura, fraze statt frase sind zu korrigieren. 2 P. Koch/ W. Oesterreicher, Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch, Tübingen 1990. 3 G. Lüdi, «Diglossie et polyglossie», in: G. Holtus/ M. Metzeltin/ Ch. Schmitt (ed.), Lexikon der Romanistischen Linguistik V/ 1, Tübingen: 307-34. Der Beitrag Matérialité des caractères, règles d’orthographe, théories de l’écrit dans le Tractatus orthographie gallicane (XIII e et XIV e -XV e siècles) von Liselotte Biedermann- Pasques widmet sich dem Phänomen der etymologischen Orthographie des Französischen. Sie zeigt anhand einzelner Schreibformen, wie eine etymologisierende Rechtschreibung, die schon in Alkuins De orthographia wirksam wurde - hier noch für das Lateinische, aber mit Nachwirkung auf das Französische (z. B. Verwendung von y in gelehrten Wörtern und Eigennamen: Syriam, Syracussas, symbolum) - und die dann in den mittelalterlichen Traktaten zur französischen Orthographie ihre Fortsetzung fand, den Gegensatz von gesprochener und geschriebener Sprache vergrößerte (z. B. qui anstatt ki/ chi oder doubtee, tre ſdoubtee anstatt doutee, tre ſ doutee). Die periodisch ebenfalls immer wieder auftretenden Gegentendenzen zu einer phonetischen Anpassung bedeuteten hingegen jedesmal einen Bruch der Kontinuität in der Schreibtradition (z. B. enfans vs. enfants) und eine Konzession an die gesproche Sprache der entsprechenden Zeit. Das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit aus einem ganz anderen Blickwinkel wird in Latin and the Rise of Old Irish and Old Welsh von Michael Richter beschrieben. Die lateinische (Schrift-)Sprache trifft in Wales und Irland auf zwei voll ausgebaute Systeme von Oralität. Durch die römische Präsenz wird in Wales jedoch in den folgenden Jahrhunderten eine andere Entwicklung in Gang gesetzt als in dem an der Peripherie des Imperiums liegenden Irland. Dort, wo die regionale Verwaltung und Kultur in ihrer Eigenständigkeit unangetastet bleibt, eröffnet die stetige Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache wohl auch die Möglichkeit einer intensiven Beschäftigung mit der fremden, also dem Lateinischen. Auf diese Weise entsteht in Irland sowohl ein umfangreiches keltisches Schrifttum (inklusive der Schaffung einer neuen Schrift: Ogham) als auch ein vielfältiges lateinisches, während in Wales eine weitgehende Trennung von keltischer mündlicher Kultur und lateinischer Schriftlichkeit (in bescheidenem Ausmaß) lange Zeit aufrecht erhalten bleibt. Die dritte Sektion beginnt mit dem Aufsatz La communication verticale latine en Italie (VI e -VIII e siècle) von Marc Van Uytfanghe, in dem dieser anhand eines Korpus von hagiographischer und homiletischer Literatur die Kontinuität beim Übergang vom Lateinischen zum Romanischen in Italien betont. Die Brüche beim Verständnis des Lateinischen (z. B. beim liturgischen Vortrag an das einfache Volk) waren in Italien weitaus weniger spürbar als in Frankreich (karolingische Renaissance, Edikt von Tours), wie sich aus diversen Äußerungen der betreffenden Autoren erkennen lässt (z. B. Anmerkung nach dem 6. Jh.: qui plenius desiderant audire vel intellegere cupiunt (131)). Die vertikale Kommunikation scheint somit zumindest weitgehend noch bis ins 8. Jahrhundert funktioniert zu haben. In der Untersuchung The Monolingual Latin Glossaries of the Iberian Peninsula: Can they help the Romanist? prüft Roger Wright die Möglichkeiten, die frühen hispanischen Glossen auszuwerten. In einer minuziösen, vergleichenden Analyse einzelner Einträge aus dem Liber Glossarum, dem Corpus Glossariorum Latinorum, den Glosas Emilianenses und den Glosas Silenses sowie der Etymologiae des Isidor von Sevilla warnt er vor voreiligen Schlüssen, die sich womöglich anhand des verfügbaren Materials aufzudrängen scheinen. In diesem Sinn votiert er für die Betrachtung der Glossen als wichtige Quelle, um Informationen über Wortschatz und Aussprache der damaligen gesprochen Sprache zu erlangen, jedoch unter der unbedingten Beachtung der entsprechenden Glosse als lateinisch-lateinisches Erklärungsmodell und nicht unter dem Blickwinkel einer frühen Form von lateinisch-romanischem Wörterbuch. Ebensowenig sollten hierbei scheinbare Fehler der Autoren dazu verleiten, voreilig auf deren mangelnde Beherrschung des älteren lateinischen Wortschatzes und der entsprechenden Norm zu schließen (z. B. rubus zur Erklärung von rogus, wobei das lat. rubus wohl nicht mit einer iberoromanische Verschiebung g b zusammenhängt, da hier zwei semantisch distinkte Lexeme vorliegen, nämlich lat. rogus ‘Schei- 237 Besprechungen - Comptes rendus terhaufen aus Holzscheiten’ und vlat. rubus ‘Scheiterhaufen aus Zweigen’, in Anlehnung an lat. arbustus ‘Busch’ und lat. rubus ‘Brombeerstrauch’). Thomas Finbow nimmt in seinem Beitrag Interand Intra-word Spacing Conventions in Early Medieval Iberian Texts - The Implications for Reading and Writing Strategies die gegenseitige Wechselwirkung von Schreib- und Lesegewohnheiten unter die Lupe. Die im frühen Mittelalter oft verwendete scriptura continua, bei der Wortgrenzen nur schwer auszumachen sind (z. B. collectamexiliopubem: collectam ex ilio pubem vs. collectam exilio pubem), verlangt dem Rezipienten eine besonders komplexe Verstandesleistung ab, institutionalisiert in der lauten Lektüre, die einer theoretischen Dreiteilung unterliegt: lectio, discretio, pronuntiatio. Mit Messverfahren zum Abstand der einzelnen Buchstaben untereinander zeigt Finbow die Entwicklung der Schrift im Laufe der Jahrhunderte (unabhängig vom Schrifttyp) und zeigt auf, ab wann für das menschliche Lesevermögen, das nicht mehr als 15 Zeichen direkt hintereinander auf einmal verarbeiten kann, Wortgrenzen ersichtlich werden. In diesem Zusammenhang schränkt er auch die Möglichkeiten einer «logographischen» Lesetechnik ein, bei der ein lateinischer Text romanisiert vorgetragen würde, da die nötige Transferleistung ab einer bestimmten Unterschiedlichkeit von Lexik, Morphologie und Syntax nicht mehr zu erbringen ist. In ihrer phonologischen Analyse Orientations de recherche pour l’étude évolutive de structures intonatives geht Rikke Schultz den Problemen bei der Rekonstruktion von Intonation und Akzent älterer Sprachstufen auf den Grund. Zahlreiche Vergleiche aus anderen Sprachen heranziehend, betont sie dabei, wie wichtig zunächst eine synchrone Betrachtung intonatorischer Regularitäten sei, um dann die prosodische Entwicklung des Lateinischen über einen längeren Zeitraum (1.-8. Jh.) verfolgen zu können. In einem Überblick zeigt sie die Stolpersteine, die den einfachen Erklärungen im Weg liegen, und macht auf die möglichen Einflussfaktoren von intonatorischen Verschiebungen aufmerksam. Die vierte Sektion beginnt mit dem Artikel Progression through Accumulation in a Late Latin and in a Romance Text von Paolo Greco. In einer Gegenüberstellung der Historiae von Gregor von Tours (6. Jh.) und dem Tristano Riccardiano, einer italienischen Bearbeitung des Tristan-Stoffes vom Ende des 13. Jahrhunderts, erläutert Greco das in beiden Texten sichtbare stilistische Verfahren der progression through accumulation, welches sich dadurch auszeichnet, dass syntaktische Relationen zugunsten von semantischen abgeschwächt werden. Die sowohl im spätlateinischen als auch im mittelalterlichen, italienischen Text zu beobachtende Aneinanderreihung von Sätzen und Halbsätzen, oftmals verbunden durch Partizip- oder Gerundialkonstruktionen, ergibt oft nur einen Sinn, wenn man den Kontext mit einbezieht. Die eigentliche aus der Syntax abzuleitende Bedeutung variiert dabei erheblich, hauptsächlich in Abhängigkeit von der weiteren semantischen Umgebung, und ist somit oft nur unter Berücksichtigung einer gesamten Textpassage zu erschließen. Der folgende Beitrag von Rosanna Sornicola, Syntactic Conditioning of Case Marking Loss: A long Term Factor between Latin and Romance? , beschäftigt sich mit dem Kollaps des Deklinationssystems vom Lateinischen zum Romanischen. Die noch im Altfranzösischen vorhandene Zweikasusunterscheidung scheint in ihrer Anwendung oft nicht mehr «korrekt» gewesen zu sein, doch Sornicola zeigt in einer Analyse einzelner Substantive und ihrer oft mehrfachen Varianten im casus rectus und casus obliquus, dass weit weniger Willkür in der Verwendung der einzelnen Formen herrschte als angenommen, sondern syntaktische und stilistische Motive durchaus auszumachen sind. Die scheinbaren Fehler bei der Kasusattribution könnten Modellen folgen, die auch schon im Lateinischen eine größere Markierungsfreiheit unter bestimmten syntaktischen Voraussetzungen erlaubten. Wie von der Autorin selbst eingeräumt, ist in manchen Fällen allerdings die zugrundeliegende Datenbasis statistisch nicht mehr als relevant anzusehen, was den Ansatz in seiner Bedeutung jedoch nicht schmälert. 238 Besprechungen - Comptes rendus Marieke Van Acker und Rika Van Deyck widmen sich in ihrem Beitrag Comment la morpho-syntaxe romane a-t-elle remplacé la flexion casuelle du latin? Le cas du neutre ebenfalls dem Kasussystem. Die schon im klassischen Latein eher schwache Position des Neutrums wird schrittweise von einem System mit ausschließlich maskuliner und femininer Markierung überlagert. In einem Korpus von merowingischen Vitae finden sich sowohl noch alte Neutrumsformen als auch schon adaptierte Formen (ehemaliges Neutrum markiert als Maskulinum oder Femininum) in Abhängigkeit von der kontextuellen Verständlichkeit des Wortinhaltes. Der Ablösungsprozess unterliegt dabei verschiedenen Bedingungen und zeitigt schließlich im Altfranzösischen bestimmte Entwicklungsergebnisse (z. B. semantische Pluralia mit fem. Markierung: bone ( bona), fueille ( folia), laigne ( ligna), stipende ( stipendia), verve ( verba), vestemente ( vestimenta), Numerus- und Kasusindifferenz: corps ( corpus), piz ( pectus), tens ( tempus) oder Doublettenbildung: braz ( brachium)/ brasse ( brachia); char ( carrum)/ charre ( carra)). Im letzten Beitrag des Bandes, Notas y correspondencia de Coseriu sobre spatvla ‘omóplato’: Un préstamo griego también de contenido arbeitet Benjamín García-Hernández einen Teil der Hinterlassenschaft von Eugenio Coseriu auf. Anhand einiger Notizkarten und dem Briefwechsel aus dem Nachlass zeichnet García-Hernández die Arbeitsweise des Sprachwissenschaftlers nach, der in diesem konkreten Fall einer Wortetymologie auf der Spur war. Verschiedenste Wege in Betrachtung ziehend und analoge Entwicklungen im Blick, erschließt García-Hernández in Fortführung der Coseriu’schen Gedanken die Herleitung der Bedeutung «Schulterblatt» von lat. spatula aus agr. σπάθη , wo diese Bedeutung bereits angelegt war, so dass der bisherige «Umweg» über die Bedeutung «Rührlöffel» o.ä. und die Interferenz mit lat. scapula als obsolet gelten kann. Die hier vorgestellten Einzeluntersuchungen zur titelgebenden Fragestellung Latin écrit - Roman oral? eröffnen wichtige, neue Einblicke in den Prozess des Sprachwandels vom Lateinischen zum Romanischen und in das Funktionieren von Sprachsystemen an sich. Es wird an vielen Stellen deutlich, wie exakte Beobachtung und neuerliche Analyse auch altbekannter Tatbestände immer wieder neue Erkenntnisse über diese so schwierig zu erfassende Epoche liefern. Die Opposition «Latein vs. Romanisch» wird berechtigterweise immer wieder zugunsten einer Betrachtung von Einzelaspekten zurückgestellt, denn die Frage nach der gegebenen Kontinuität stellt sich nicht wirklich. Vielmehr gilt es, die einzelnen systeminternen Brüche aufzuzeigen, die abhängig von verschiedenen Umständen wie Region, Textsorte oder sozio-kulturellen Parametern unterschiedlich ausfallen können. Dabei gilt es auch, die sich daran anknüpfende Frage von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bzw. deren gegenseitige Dependenz nicht pauschal zu beantworten, sondern im Einzelnen herauszumodellieren. In diesem Sinn ist das Vorhaben des Sammelbandes durchwegs als gelungen anzusehen 4 . Roger Schöntag ★ 239 Besprechungen - Comptes rendus 4 Der Vollständigkeit halber sei noch auf fünf Druckfehler hingewiesen: *Ö STERREICHER anstatt O ESTERREICHER (15 und 42), *déclnaison anstatt déclinaison (91), *seulelent anstatt seulement (92) und *Emilinao anstatt Emiliano (168).