Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniMatthias Grünert, Modussyntax im Surselvischen. Ein Beitrag zur Erforschung der Morphosyntax des Verbs im Bündnerromanischen, Tübingen/Basel (Francke) 2003, xii + 578 p. (Romanica Helvetica 122)
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Jachen Curdin Arquint
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transformaciones económicas a que se está viendo sometido hasta el último rincón de la región alpina. Naturalmente, el estudio toponomástico no se agota con un repertorio de estas características, pues queda todavía pendiente la profundización en el aspecto etimológico, después de lo cual será factible la adopción de una visión global, del conjunto de los nombres, para el necesario establecimiento de la estratigrafía histórico-lingüística y la extracción de otras conclusiones de orden lingüístico. María Dolores Gordón Peral Rätoromania Matthias Grünert, Modussyntax im Surselvischen. Ein Beitrag zur Erforschung der Morphosyntax des Verbs im Bündnerromanischen, Tübingen/ Basel (Francke) 2003, xii + 578 p. (Romanica Helvetica 122) Es entspricht einem Wunsch von Matthias Grünert, dass eine der Besprechungen seine Untersuchung auch aus dem Blickwinkel eines native speakers angehe. Im noch lebendigen sprachlichen Mikrokosmos Romanischbündens ist die Bezeichnung native speaker für den Schreiber dieser Zeilen im Zusammenhang mit dem Surselvischen nur bedingt zutreffend. Für das Unterengadinische ist das Etikett absolut unbedenklich (als Zweitsprache kam das Schriftdeutsche erst ab der vierten Klasse der Elementarschule dazu, der «bündnerdeutsche» Dialekt etwas später). Der enge Kontakt des Autors dieser Zeilen mit dem Surselvischen entstand erst im Lauf des Studiums der romanischen Philologie und vertiefte sich danach über Jahre, nicht zuletzt auch im mündlichen Austausch. Es ist deshalb einigermassen legitim, wenn dieser Beitrag zur Diskussion - als solcher sind diese Ausführungen zu verstehen - mit einer Feststellung beginnt, die dem Wunsch Matthias Grünerts auf generelle Art entgegenkommt, und in der Folge mit einigen Bemerkungen zu ausgewählten Phänomenen aus der Sicht des native speakers ergänzt wird. Nach der Lektüre von Grünerts sorgfältiger und breit abgestützter Darstellung ist man über die Modussyntax im Surselvischen umfassend informiert. Ein Desideratum zur bündnerromanischen Syntax ist damit auf vorbildliche Art Wirklichkeit geworden. Die nachfolgenden Anmerkungen sind denn auch als mögliche Einbettungs- und Verknüpfungsversuche zu verstehen. Dass Grünerts strenge und methodisch gerechtfertigte Begrenzung des Untersuchungsgegenstands immer wieder mit vergleichenden Exkursen überschritten wird, ist dabei in Kauf zu nehmen. I. Die Bündnerromanen begegnen beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch in der Schule, was die Modussyntax angeht, keinen besonderen Schwierigkeiten oder Widerständen. Diese Feststellung gilt für die Erlernung der Zweitsprache Deutsch seit den Anfängen der staatlichen Volksschule im 19. Jahrhundert und gilt auch heute im Zeitalter der fortgeschrittenen Bilinguität. Die Lehrmittel, welche eigens für die Erlernung des Deutschen als Zweitsprache geschaffen wurden, setzten denn auch die Schwerpunkte in jenen Bereichen der Grammatik, bei welchen Verstösse gegen die Norm erfahrungsgemäss häufig vorkommen, und nicht in der Modussyntax. Als sensible morphologische und syntaktische Bereiche galten und gelten für die Bündnerromanen beim Erwerb des Deutschen beispielsweise: die Fixierung der Artikel 1 , die Kasusrektion nach Präpositionen, insbesondere auch nach Präpositionen, welche sowohl den Dativ wie den Akkusativ nach sich ziehen (Bewegung 284 Besprechungen - Comptes rendus 1 Cf. B. Secchia, Der, die, das oder Nomenclatura. Quala contegn in orden alfabetic ils noms substantivs tudaschs con lur toccant genere, Scuol 1744.Auch G. Tscharner, Dicziunari vallader-tudaisch, Wörterbuch Deutsch-Vallader, Chur 2003, wo aus didaktischen Gründen sowohl bei der deutschen Entsprechung wie beim deutschen Stichwort immer auch das Genus angegeben wird. am Ort, Bewegung von einem Ort zum anderen; Typus: Wir wohnen in den Bergen vs. Wir gehen in die Berge), die Formen der Deklination, die Fixierung und Automatisierung der Stammformen des Verbs, die Verwendung der Possessivadjektive der dritten Person, wenn der Besitzer weiblich ist (Typus: Der Hirt und sein Hund vs. Die Hirtin und ihr Hund) 2 . Bei der Modussyntax wird in den Lehrmitteln vor allem der Umsetzung von der direkten in die indirekte Rede Gewicht beigemessen, wobei man vermuten darf, dass es den Autoren der Lehrmittel in erster Linie darum geht, die Zeichensetzung klaglos zum Funktionieren zu bringen. Jedenfalls macht den romanischsprechenden Schülerinnen und Schülern bei der Erlernung der indirekten Rede im Deutschen weder die Variante mit einleitendem dass noch die Variante ohne dass irgendwelche Mühe. Ganz anders geartet ist die Situation, wenn sich die bündnerromanischen Schülerinnen und Schüler eine neolateinische Dritt- und Viertsprache, Italienisch oder Französisch (auch Spanisch) aneignen. In diesem Fall muss die Modussyntax, beispielsweise die Struktur des konditionalen Gefüges oder der Gebrauch der indirekten Rede sowie die korrekte Verwendung der Consecutio temporum mit viel Aufwand erläutert, eingeübt und fixiert werden. II. Von dieser allgemein gehaltenen Beobachtung ausgehend kann man festhalten, dass die Strukturen der Modussyntax im gesprochenen Bündnerdeutschen, in der deutschen Standardsprache und im Bündnerromanischen konvergieren, wobei der in jüngster Zeit immer intensiver werdende Sprachkontakt zweifellos als bedeutender Faktor und entscheidender Vektor für Interferenzen seitens des Deutschen zu werten ist. Zu beachten ist bei dieser grundsätzlichen Diskussion aber auch der Umstand, dass für ein und dasselbe in sprachliche Form zu kleidende Phänomen innerhalb des morphosyntaktischen Systems eines bündnerromanischen Idioms sich oftmals verschiedene Strukturen als mögliche Varianten anbieten und dass sich im Lauf der Zeit die eine dank besonderer Umstände durchsetzen und dominant werden kann, sei dies im regionalen Rahmen oder im breiteren sprachgeografischen Umfeld. Drei wohlbekannte Bereiche aus dem bündnerromanischen morphosyntaktischen System mögen als Hinweis dafür gelten, dass Strukturanalogien zwischen Deutsch und Romanisch auch ohne primäre Beeinflussung seitens des Deutschen entstanden sein könn(t)en: die Inversion Verb-Subjekt nach Adverbialen und Objekten 3 , das Phänomen Verb + Adverb (trer en, [Kleider] anziehen) 4 oder die Struktur des Eventualitätsausdrucks im Konditionalsatz (sche jeu vess fom, magliass jeu oder vess jeu fom, magliass jeu, wenn ich Hunger hätte, würde ich essen) ohne die besondere Form des Konditionals im Hauptsatz (vs. fr. je mangerais, it. mangerei). Die Inversion Verb-Subjekt nach Adverbialen und Objekten war im Altfranzösischen die Regel. Formen Verb + Adverb sind auch im gesprochenen Toskanischen - allerdings in viel geringerer Frequenz - zur konkreteren Einfärbung üblich. Die Analogie zur bündnerromanischdeutschen Struktur des Eventualausdrucks im konditionalen Gefüge (-ss-Konjunktiv anstelle des Konditionals) kann man beispielsweise auch in Sizilien (nach AIS 1016 durchgehend, 285 Besprechungen - Comptes rendus 2 Zum Ganzen cf. M. Twain, A tramp Abroad, Hartford 1880. In deutscher Übersetzung: M. Twain, Bummel durch Europa, Zürich 1990: 455-78 (Anhang D, Die schreckliche deutsche Sprache). 3 J. C. Arquint, L’inversiun e seis adöver in rumantsch d’Engiadina, Cuoira 1957. A. Oetzel, «Die Nicht-Einhaltung der Inversion im Engadinischen und ihr Einfluss auf die Informationsstruktur», Annalas da la Societad Retorumantscha 107 (1994): 153-71. A. Oetzel, Die klitischen Personalpronomina im Oberengadinischen, Frankfurt am Main 1989. 4 D. Andry, Verben des Typs «dir aint, dir oura, dir giò, dir sü» im Rätoromanischen des Unterengadins, Zuoz 1993 (Typoscript). ausser Punkt 819) und an einigen Punkten der Campania antreffen 5 , während im übrigen Gebiet der Appeninenhalbinsel - Ladinien ausgenommen - die Reaktionen der Sujets auf den Impulssatz des AIS-Explorators der Variante der italienischen Standardsprache entsprechen. Für das Engadinische ist das Phänomen der Inversion Verb-Subjekt recht eingehend untersucht. Man weiss, nach welchen morphologisch-syntaktischen Gegebenheiten sich der Sprachgebrauch ausrichtet. Man kann aber auch feststellen, dass das «etablierte» morphosyntaktische System nicht so austariert ist, dass bei einzelnen Partezipanten, aber auch in Gruppen mit ähnlichem soziologischen Hintergrund Umpolungen durch fremdsprachliche Sprachgewohnheiten oder durch Sprachlenkung nicht möglich wären. Morphosyntaktisch könnte man von einem Kernsystem sprechen, das stabil ist, und von einer den Kern umgebenden Grauzone, in welcher Modifikationen durchaus Fuss fassen können, auch wenn diese nicht zur Usanz und damit zum etablierten Sprachgebrauch werden. In zwei konkreten Beispielen: Wenn engadinische Auswanderer im neunzehnten oder - weniger häufig - im zwanzigsten Jahrhundert beim Sprechen und beim Schreiben - mitunter auch als Autoren belletristischer Texte - entsprechend der Sprache ihres Auswanderungslands spontan die italienische oder die französische Satzstellung (Subjekt-Verb) verwenden, wenn das Subjekt ein Nomen ist (Typus: Cur cha no eschan gnüts a chasa, Maria d’eira fingià partida (Eb.); als wir nach Hause kamen, war Maria schon abgereist), wenn das Surmeirische eine Zeitspanne der Sprachlenkung mit forcierter Präsenz von Schreibtexten ohne Inversion (1946-48) durchsteht 6 , ohne dass dies im Kern des Systems Spuren hinterlässt, so darf man den Schluss ziehen, dass Umpolungen oder Schiebungen morphosyntaktisch innerhalb der Grauzone durchaus im Rahmen liegen könnten, dass sich aber keine Änderung oder Neuerung ohne eine mächtige soziolinguistische Schubkraft durchsetzen und dominant werden kann. Die eben beschriebene Beobachtung soll durch drei weitere Beispiele erhärtet werden. Im ganzen Engadin lässt sich - sporadisch, z. T. auch massiert - die Tendenz nachweisen, das adjektivische und das partizipiale Charakterisierende in Numerus und Genus nicht an das Charakterisierte anzugleichen (Typus: Umans chi sun cuntaint cun lur sort vs. . . . cuntaints; Menschen, die mit ihrem Schicksal zufrieden sind). Dasselbe gilt für die Flexion des Partizips der Vergangenheit von Verben, die mit esse konjugiert sind (Typus: La camariera es gnü vs. . . . gnüda; die Serviertochter ist gekommen). Beim letztgenannten Fall kann man sogar von einem relativ kompakten Raum Martina-Scuol ausgehen. Trotzdem konnte diese mögliche morphosyntaktische Variante (seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gut belegt, wahrscheinlich aber viel älter) im Engadinischen nicht dominant werden. Es fehlte und fehlt ihr der notwendige soziolinguistische Schub. Analog könnte man bei der im Münstertal bezeugten Verwendung des Indikativs in der indirekten Redewiedergabe argumentieren. Die morphosyntaktische Variante ist regional vital, kann aber nicht auch im Engadin dominant werden, da dem Münstertalerischen die soziolinguistische Schubkraft fehlt, sowohl numerisch wie vom Sozialprestige her. III. Von dieser Betrachtungsweise ausgehend - ihr liegt der Blickwinkel der vergleichenden Syntax zu Grunde - werfen beispielsweise die Möglichkeiten der sprachlichen Präsentation der «erwünschten Eventualität» im Surselvischen (156-57) einige interessante Fragen auf. Dies soll an den folgenden drei in Grünerts Untersuchung zitierten Beispielen erörtert werden. 286 Besprechungen - Comptes rendus 5 Cf. K. Jaberg/ J. Jud, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS), Zofingen 1928s., Karten 1016/ 1017: Mangeresti, se avessi fame? 6 Propagiert und angewandt in der Zeitung Igl Grischun central. Gasetta per Surmeir 1-3 (5 otgover 1946-1 matg 1948). (220) O bien Retg Dagobert, fuss jeu mai jus ord Paris . . . (Roman, 329) (Oh, guter König Dagobert, hätte ich Paris nie verlassen . . .) (222) O sche iau mo vess quei utschi! (Roman, 316) (Oh, wenn ich nur diesen Vogel hätte! ) (224) Sch’ei mo entschevess a never! (Tuor 1988: 53) (Wenn es doch zu schneien anfinge! [Tuor 1994: 55]) Beispiel 220 belegt, dass die Inversion bei Wünschen die Stelle der konditionalen Konjunktion sche einnehmen kann. Gemäss Spescha 1989: 616 7 «Dievers particulars» (Besondere Verwendungen) kann dieser Beleg gleich mit zwei von ihrem Habitus her der heutigen kolloquialen Rede zuzuordnenden Beispielen ergänzt werden: Vesses ti tschintschau cun el! (Hättest du doch mit ihm gesprochen! ) Fusses ti staus eri! (Wärst du doch still gewesen! ) Die Nachkontrolle bei native speakers ergibt, dass die invertierte Form in der spontanen Rede neben der Konstruktion mit sche + mo ihren Platz durchaus behaupten kann. Vom gesprochenen Bündnerdeutschen erhält zwar die Lösung mit sche + mo eine nicht zu unterschätzende Unterstützung: (224) Wenn’s nu kämmti go schneia! Wenn’s nu afo würd schneia! Eine bündnerdeutsche Inversionsvariante *Kämmti’s nu go schneia! wäre aber relativ ungewohnt und würde befremdend wirken. Das Bild ändert sich, wenn man ein von Spescha angeführtes Beispiel frei ins Bündnerdeutsche umsetzt. Neben der Form wenn + nu Wenn i nu gschwiga hätti! kann eine Form Hätti numa gschwiga! durchaus bestehen. Diese Feststellungen lassen den Schluss zu, dass im Bündnerdeutschen die konjunktionale Lösung ein breites Verwendungsspektrum abdeckt, die Inversionsvariante jedoch nur beschränkt verwendbar ist. In der deutschen Standardsprache hingegen ist die Inversionsvariante für den Ausdruck der «gewünschten Eventualität» (Typus: Würde es doch zu schneien beginnen! ) gang und gäbe. Wenn man in Betracht zieht, wie anfällig auch professionelle bündnerromanische Schreiber heute auf deutsche Redewendungen reagieren und diese, ohne sich des Vorgangs bewusst zu werden, tout simplement mit romanischen Wörtern wiedergeben, z. B.: Unfiern en la Via Mala, Inferno in der Via Mala, oder: Attatga sut la tschinta, Angriff unter der Gürtellinie (Schlagzeilen in der romanischen Tageszeitung LQ 180, 18. 09. 2006), ebenso: privels natürals, Naturgefahren (Posta Ladina 112, 26. 09. 2006) vs. privels da la natüra, oder: Mussà cor per ils Rumantschs, (ein) Herz gezeigt für die Romanen 8 (LQ 203, 19. 10. 2006), oder: Mo anc ina notg durmir, Nur noch eine Nacht schlafen, scil. vor den Europäischen Fuss- 287 Besprechungen - Comptes rendus 7 A. Spescha, Grammatica sursilvana, Cuera 1988. 8 Weder in DRG 4: 167s. (COUR I engad., COR surselv.) noch in A. Decurtins, Niev Vocabulari romontsch sursilvan-tudestg, Chur 2001: 200s. bezeugt. ballmeisterschaften 2008 (LQ 108, 06. 06. 2008), so darf man davon ausgehen, dass nicht nur der lexikale, sondern auch der morphosyntaktische Bereich in starkem Mass der soziolinguistischen Schubkraft des Deutschen unterliegt. Wo ein etabliertes morphosyntaktisches System des Bündnerromanischen auch nur die Spur von Grauzonen aufweist, scheinen Ausweitungen und Umpolungen, welche durch die gesprochene oder geschriebene deutschsprachige Usanz ausgelöst werden, an der Tagesordnung. Man darf sogar so weit gehen zu formulieren, dass die aktuell ablaufenden morphosyntaktischen Veränderungen im Bündnerromanischen (auch in der neu geschaffenen Kunstsprache Rumantsch Grischun) immer weniger aus dem dem Bündnerromanischen inhärenten System heraus angestossen werden, sondern immer mehr der Schubkraft des Deutschen in seiner geschriebenen und gesprochenen Form unterliegen. Dabei ist das Surselvische - im Zusammenhang mit der geografisch grösseren Nähe zum Deutschen - solchen Ausweitungen zeitlich gesehen früher und in stärkerem Mass ausgesetzt als beispielsweise das Engadinische oder das Surmeirische. Man wird davon ausgehen können, dass ehemalige Grauzonen im morphosyntaktischen System des Surselvischen unter Einfluss der Vitalität des Deutschen jeweils zur morphosyntaktischen Kernzone vorstiessen und somit zur Usanz und zum «normalen» und etablierten Sprachgebrauch wurden. IV. Im Engadinischen würden sich die von Grünert angeführten Beispiele für die sprachliche Umsetzung der «erwünschten Eventualität» spontan wie folgt präsentieren: (*220) O bun rai Dagobert, be ch’eu nu füss mai i davent da Paris! (*222) O be ch’eu vess quel utschè! (*224) Be chi cumanzess a naiver! Der bei diesem Umsetzungsprozess ins Engadinische zu beobachtende auffällige Ersatz der Inversion oder der konditionalen Konjunktion sche im Surselvischen durch ein einleitendes be cha (wörtlich: ‘nur dass’) zeigt, dass die engadinerromanische Lösung ihre Vitalität dem Kernbereich des optativen Ausdrucks im Hauptsatz (Typus: Cha’l Segner ans perchüra! Gott möge uns behüten! Cha’l diavel porta! Zum Teufel! ) und der sehr frequenten und vitalen morphosyntaktischen Strukur des Imperativs der Höflichkeitsform verdankt (Typus: Ch’El vegna! Kommen Sie (m.)! Ch’Ella spetta be ün mumaint! Warten Sie (f.) bitte einen Augenblick! Chi piglian pazienza! Gedulden Sie (m.+f./ pl.) sich! ). Dank dem sehr stabilen syntaktischen cha-Umfeld konvergiert der gängige engadinerromanische Bau bei der Formulierung der «erwünschten Eventualität» (vorläufig) nicht mit der Lösung im Deutschen und im Surselvischen. Allerdings ist bei dieser Diskussion zu beachten, dass auch im Engadinischen das cha in Einzelfällen durch die Inversion ersetzt werden kann. Neben einer Lösung Be ch’eu füss stat a chà! (Wäre ich doch zu Hause geblieben! ) kann durchaus eine Variante Füssa be stat a chà! Platz finden, während sich die Inversion bei den Beispielen *220, *222, *224 nicht erzwingen lässt. Man kann also nur von einer äusserst schmalen Grauzone ausgehen, die im Engadinischen dem Eindringen der Neuerung (mit Inversion) in den Kernbereich den Weg bahnen könnte. Was aber im Engadinischen nicht im Bereich des demnächst zu Erwartenden zu sein scheint, ist der Ersatz des den optativen Ausdruck einleitenden cha durch eine Konstruktion, welche für den Ausdruck der «erwünschten Eventualität» der konditionalen Konjunktion scha den Weg ebnet. 288 Besprechungen - Comptes rendus V. Ein anderer Mechanismus, der Interferenzen begünstigt, kann beim Ausdruck der «abgeschwächten Affirmation» im Surselvischen (157) beobachtet werden. (236) El mira silla ura. «Schia, nus fussen aschi lunsch -» (Camenisch 1995: 76) (Er schaut auf die Uhr. «So, wir wären so weit -») Dem native speaker fällt beim Lesen dieses Beispiels unweigerlich der heute im Surselvischen durchaus geläufige Ausdruck Quei fuss! (Das wär’s! ) ein, verwendet als Formel, die den Abschluss einer Diskussion oder einer Tätigkeit markiert. In der Konjunktivform stösst die Formel bei der Übernahme aus der deutschen Umgangssprache ins Surselvische offensichtlich auf keinerlei Widerstand, obwohl bekannterweise die bündnerromanische Entsprechung für das unbetonte neutrale Pronomen «es/ ’s» heute fehlt und die Ergänzung somit nicht zum Ausdruck kommen kann. Die Indikativform «das isch as! » hingegen fände kein geeignetes Feld für die Übernahme. Sie (wie übrigens auch die standardsprachliche Imperfektform «das war’s») kann nicht - wie dies bei der Konjunktivform der Fall ist - von der Anziehungskraft eines vitalen syntaktischen Umfelds profitieren. Im Engadinischen wäre der Formel *Quai füss! ohne Ergänzung, beispielsweise mit tuot (‘alles’, das gerne in der Funktion eines Sachpronomens verwendet wird), der Weg versperrt. Demgegenüber ist aber - seit rund dreissig Jahren - der Weg frei für die Übernahme von Wia häsch as? Co hast? oder gar Häsch as guot? Hast bun? Dies aber lediglich im syntaktischen Umfeld der in Begrüssungsformeln sehr vitalen Frageform und trotz der auch in dieser Formel fehlenden Entsprechung für «es/ ’s». In der affirmativen Form liesse sich der Ersatz der hergebrachten Formeln, die dem Verwendungsbereich der Verben ir (i va bain; es geht gut) oder star (ella sta bain; es geht ihr gut) entsprechen, durch Formeln mit avair (z. B. eu n’ha bun) zurzeit nur sporadisch belegen. VI. In den bisherigen Ausführungen wurde der Blickwinkel auf Kontaktbereiche der Modussyntax gelenkt, wobei der Begriff Kontaktbereich sowohl für syntaktische Erscheinungen steht, welche mit der Modussyntax verzahnt und mitbetroffen sind (z. B.: Konjunktion sche, surselv./ scha, engad. vs. Inversion), wie auch für syntaktische Strukturen der Kontaktsprache Deutsch, in der standardsprachlichen wie auch in der dialektalen Ausprägung. Dem Autor dieser Zeilen erging es beim Lesen von Grünerts umfassender Studie so, dass viele Belege ihn dazu brachten, sie mit Bemerkungen zu anderen syntaktischen Lösungsmöglichkeiten für die zu versprachlichende Aussage zu versehen. Gleichzeitig fügte er vor allem bei Belegen mit kolloquialem Charakter der vorhandenen deutschen Übersetzung auch eine Übersetzung ins Bündnerdeutsche bei. Dies aus zwei Gründen. Zum einen, da die Konvergenzen, welche der gesprochenen Syntax zuzuordnen sind, auf diese Weise deutlich gemacht werden können. Zum anderen, da die Diglossie Romanisch-Bündnerdeutsch seit den Fünfzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts bei der Beurteilung syntaktischer Innovationen als ein immer gewichtigerer mitzuberücksichtigender Faktor zu be- 289 Besprechungen - Comptes rendus trachten ist. Wenn früher, vom Beginn der schreibsprachlichen Tradition bis zu den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts die romanische Literatur zur Hauptsache aus Übersetzungen aus dem Deutschen bestand und somit das Schriftdeutsche als Vorlage sprachlich zumindest verführerisch wirken konnte, so darf man heute davon ausgehen, dass die Diglossie so weit gediehen ist, dass sehr viele Romanen «deutsch denken» und sich romanisch ausdrücken, sei dies schreibend oder sprechend, handle es sich um «gewöhnliche» Partezipanten oder um «Professionelle», z. B. Medienleute. Letztere stellen ja in den letzten Jahrzehnten den weitaus grössten Teil der täglichen bündnerromanischen Textproduktion bereit, welche gesprochen (Radio, TV) oder geschrieben (Zeitungen, Kalender, etc.) an die romanische Öffentlichkeit herangetragen werden. Zwei Anekdoten aus dem Beginn bzw. aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, als im Deutschen der Engadiner «romanische Denkschemata» durchschimmerten, wären heute nur mehr invers denkbar. Die erste: Ein erfolgreicher Engadiner Hotelier bestellt: «Spiegeleier mit Schinken, zwei für eins» (d. h. zwei pro Person) - eins zu eins zu romanisch: «Övs in painch cun dschanbum, duos per ün». Die zweite: Ein Engadiner, der sich für das Militär stellt, wird ärztlich untersucht und sollte beim Durchleuchten einatmen und dann den Atem anhalten. Dies will ihm nicht gelingen und so äussert er sich dem Arzt gegenüber: «So kann i nit d’Luft züha» - wortwörtlich passend zu: «Uschea nu possa trar il flà»; der Dialektausdruck schnufa scheint ihm nicht geläufig gewesen zu sein. VII. In Einzelfällen kann auch das geistesgeschichtliche Umfeld die Einfärbung eines modussteuernden Ausdrucks beeinflussen und damit syntaktisch zumindest mitbestimmend werden. Dies scheint in den in Grünerts Studie zitierten vier biblischen Belegen aus dem Altsurselvischen (323-26) zum Verb crer ‘glauben’, auf welches ein Indikativ folgt, der Fall zu sein. (323) Iou saueua bein ca ti mi udisses adina, mo iou hai gig quei pigl pievel, ca stat enturn, perquei chels creian, ca ti mi has tarmess (Alig 1674: 169: Johannes 11,42) (Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, dass du mich gesandt hast. [Die Bibel 1980: 1211]) (324) . . . a vus leids bucca creer a mi, scha cartei a las ouras, perquei ca vus ancunascheias, a carteias, chigl Bab ei enten mei, ad iou enten el. (Alig 1674: 185: Johannes 10,38) (. . . glaubt wenigstens den Werken, wenn ihr mir nicht glaubt. Dann werdet ihr erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin. [Die Bibel 1980: 1210]. Nach Alig: . . . damit ihr erkennt und glaubt, dass der Vater in mir ist und ich in ihm bin.) (325) Carteits vus buca ca iou sun ent igl Bab, a igl Bab enten mei? (Alig 1674: 401: Johannes 14,11) (Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist . . . [Die Bibel 1980: 1216]. Nach Alig: Glaubt ihr nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? ) (326) Mo scha nus essen morts cun Christo, scha cartein, ca nus vegnin era a viver cun el . . . (Alig 1674: 315: Römer 6,8) (Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. [Die Bibel 1980: 1269]) Bei der Interpretation dieser Belege kann Grünerts präzise Analyse durch die Frage ergänzt werden, ob die semantische Nuancierung des modussteuernden Ausdrucks nicht 290 Besprechungen - Comptes rendus letztlich auch die theologische Überzeugung Aligs bezeugen soll oder durch seine Konzeption des Glaubens bestimmt ist. Bei allen vier Belegen geht es ja um eine fundamentale Glaubensfrage. Ausgehend vom Beispiel 324 (Johannes 10,38) kann man ersehen, dass der Evangelist mit seinem Gedankengang die Gewissheit dessen, was er glaubt, zum Ausdruck bringen will. Im Vers 10,38, der den Gedankengang des Evangelisten eröffnet, wird das Verb crer ‘glauben’ durch das Kraftfeld des unmittelbar vorangehenden enconuscher ‘erkennen’ eingefärbt. In der Lutherübersetzung (Cöln 1862) heisst es analog: « . . . dass ihr erkennet und glaubet», in der Zürcherbibel (Zwingli-Bibel, Zürich 1952) gar: « . . . dass ihr erfasst und erkennt». Dass auf eine solch explizite Stützung des modussteuernden Ausdrucks glauben der Indikativ folgen muss, ist einsichtig. Die weiteren Ausführungen des Evangelisten zu diesem Thema (Johannes 11,42 und Johannes 14,11) sind von diesem ersten kraftvollen Bekenntnis her (Johannes 10,38) zu verstehen. Für den offenbar strenggläubigen Alig bedeutet dies, dass er crer auch in den weiteren Versen nach Johannes 10,38 interpretiert, im übrigen in vollem Einklang mit der Vulgata. Mit anderen Worten: die theologische Überlegung hat bei Alig dem Sprachgebrauch gegenüber den Vorrang. Nicht so bei Luther. Im Vers 11,42 aus dem Johannesevangelium lässt er sich vom Sprachgebrauch leiten und schreibt: « . . . dass sie glauben, du habest mich gesandt». Auch Jachen Ulrich Gaudenz übersetzt Joh. 14,11 nach dem ihm geläufigen engadinischen Sprachgebrauch: Am crajai ch’eu saja in il Bab e’l Bap in mai. (Bibla 1953) (Glaubet mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist) [Zwingli-Bibel 1952]). Damit verhält er sich anders als die Verfasser der Engadiner Bibelübersetzung aus dem Jahr 1679, welche für dieselbe Stelle den Indikativ bevorzugen: Crajà’m ch’eug sun in il Bap, è chia’l Bap ais in mai. Übereinstimmung zeigen die eben zitierten Engadiner Bibelübersetzer bei der Wiedergabe des Verses aus Römer 6,8 (Beispiel 326 in Grünerts Studie). Beide lassen sich vom Sprachgebrauch leiten und verwenden im Gegensatz zu Alig den Konjunktiv nach crajer. Den Vorrang des Sprachgebrauchs gegenüber theologischen Überlegungen seitens der zitierten Engadiner Übersetzer bezeugt auch eine zur Kontrolle herangezogene analog gelagerte Stelle aus dem Jakobusbrief (2,19): Tü crajast chia Deis saja ün sulet: tü fast bain (Bibla 1679) (Du glaubst, dass ein einiger Gott ist; du thust wohl daran. [Lutherbibel 1862]) Tü crajast chi detta be ün Dieu. Bain cha tü fast. (Bibla 1953) (Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt. Du tust wohl daran. [Zwingli-Bibel 1952]) Dieser kleine Exkurs mag aufzeigen, wie sehr die breit angelegten und bis ins kleinste Detail durchdachten Ausführungen Matthias Grünerts zu Anmerkungen und weiterführenden Überlegungen anregen können. VIII. Nicht zu unterschätzen ist in bestimmten Fällen auch der Einfluss sprachlicher Modeströmungen, die vorab in der älteren romanischen Literatur im Zug der sich entwikkelnden Schriftidiome für eine gewisse Zeitspanne und für einzelne Texte charakteristisch sein können. Bestimmte syntaktische Phänomene treten denn auch als Stilmittel gehäuft auf, andere können gar dank ihrer üppigen Verwendung zu Statussymbolen für die Autoren werden, ähnlich etwa - um dies in ein zeitgemässes Bild umzusetzen - kunstvollen Möbelstücken in einem Herrschaftshaus. Die Ausgabe der gesamten Bibel im Engadineridiom aus dem Jahr 1679 wird dementsprechend mit einer rhetorisch kunstvollen von Jacobus Anthonius Vulpius und Jacobus 291 Besprechungen - Comptes rendus Dorta à Vulpera unterzeichneten Einleitung versehen. Besonders auffällig ist dabei auch die Verwendung von Gerundialkonstruktionen als Kennzeichen der Eleganz und als Mittel für eine getragene und gehobene Registrierung des Textes. So bereits im ersten Satz: Avrind il benevol, è Christian Lectûr quaist Cudesch, è chiatand ch’el ais la Sacra Bibla, vertida e stampada in la Lingua Romanscha d’Ingiadina, s’pô’l appussaivelmaing müravgliar, è dir: Chi mà s’ha tant inavant presümà! (Bibla 1679) (Wenn der geneigte und christliche Leser dieses Buch öffnet und erkennt, dass es sich um die Heilige Bibel handelt, in der romanischen Sprache des Engadins gefasst und gedruckt, dann kann er sich womöglich wundern und sich sagen: Wer hat sich so weit vorgewagt! ) und dann noch - auf vier Seiten - in nicht weniger als siebzehn weiteren rhetorisch und rhythmisch gekonnt aufgebauten Sätzen. Interessant dabei ist die Beobachtung, dass umgangssprachliche Verwendungen des Gerundiums, wie ir ‘gehen’ + Gerundium oder dudir ‘hören’, tadlar ‘hinhören’, verer ‘schauen’ + Gerundium oder Gerundium als Variante für cun + Infinitiv, Typus: Giond vers chasa vs. Cun ir vers chasa (auf dem Nachhauseweg), gar nicht zum Zug kommen, da sie offenbar dem Kriterium der vornehmen Eleganz nicht zu genügen vermögen 9 . Es ist anzunehmen, dass italienische und/ oder lateinische Vorbilder die Rolle rhetorischer Exempla gespielt haben. Dass auf dieser Stilebene immer wieder auch komplexer gebaute ebenso wie kunstvoll konstruierte Relativsätze ihren Platz finden können, erstaunt keineswegs. Von diesen Feststellungen ausgehend - sie gelten mutatis mutandis auch für surselvische Texte aus derselben Zeit - ist es nicht abwegig, die altsurselvischen Belege, die Grünert unter dem Titel «Der Modus im Relativsatz» wie immer genau analysiert, zusätzlich auch in Bezug auf ihr Register zu bewerten. Die Belege 1330-36 sind einer getragenen Stilebene zuzuordnen, ebenso die Belege 1362-65 und 1382 sowie 1405-08. Es stellt sich demgemäss die Frage, ob die Frequenz der volitiven und dubitativen Nutzungen des Konjunktivs im Altsurselvischen, wie selbstverständlich auch das Auftreten des NE-Konjunktivs nach superlativischen Antezedenten, nicht weitgehend über die damals üblichen Bemühungen um sprachliche Eleganz zu verstehen sind. Inwieweit die Eleganz italienischen Vorbildern abgeschaut ist, lässt sich, ausser im Spezialfall der Vita de Soing Giosafat (510), nicht genau belegen. Ein leiser Verdacht auf Beeinflussung durch die damals in volkstümlichen Texten üblichen rhetorischen Modeströmungen 10 , auf welchen Wegen sie auch immer in die Surselva gelangt sind, ist mehr als berechtigt. IX. Wie bei einigen anderen Untersuchungen zur bündnerromanischen Syntax waren es zunächst morphologische Auffälligkeiten (in diesem Fall die Entstehung der neuen Formen auf -ssi und -vi), welche die Aufmerksamkeit der Forschung erregten. Die Annäherung an eine Gesamtsicht des Phänomens Modussyntax im Surselvischen erfolgte in Etappen. Es ist vor allem das Verdienst von Ricarda Liver, das Phänomen ins Licht gerückt zu haben und den Bezug des lautlich-morphologischen Erscheinungsbilds im Surselvischen mit der Ad- 292 Besprechungen - Comptes rendus 9 Es gibt aber auch Texte, welche volkssprachliche Maschen übernehmen. In der oberengadinischen Fassung von L’istorgia dall cavalier Peter et da la bella Magullonia, publiziert in C. Decurtins, Rätoromanische Chrestomathie, Erlangen 1904s.: 14-24, wird das deiktische que (quella) anstelle des bestimmten Artikels in schier unglaublicher Frequenz verwendet: In einem Verhältnis von 40: 20 zu Gunsten von que (quella). 10 R. R. Bezzola, Litteratura dals Rumauntschs e Ladins, Cuira 1979: 316. La prosa dal 17e 18evel tschientiner consista in granda part da traducziuns da cudeschs populers chi circulaivan in tuot l’Europa. (Die Prosa des 17. und 18. Jahrhunderts besteht vor allem aus Übersetzungen volkstümlicher Bücher, die in ganz Europa zirkulierten). stratsprache Deutsch zur Diskussion gestellt zu haben. Grünert (59), vermerkt zu Recht, dass «Liver und Wunderli in ihren Beiträgen Erkenntnisse zum Sprachwandel mit strukturalistischen Analysen von Sprachzuständen» verbinden und damit die Erforschung der surselvischen Modussyntax ein wichtiges Stück vorangebracht haben. Seine Studie knüpft denn auch an diesen Ansatz an, wobei Peter Wunderlis Untersuchungen ihm als tragende theoretische Grundlage dienen. Entsprechend dem Stand der Forschung ist Grünerts Studie durch eine breite, differenziert kategorisierte, immer auch quantitativ verwertbare Materialbasis gekennzeichnet und durch die Beschränkung auf das Idiom des Surselvischen. Letzteres will der Autor in direktem Zusammenhang mit dem hohen Anspruchsniveau an das Material verstanden wissen. Die beinahe 600seitige Studie (578) ist umfassend und ebenso geschickt wie sorgfältig gegliedert. Der zweite Teil, der Einleitung folgend, gibt eine Übersicht über den Stand der Forschung und Grammatikographie im Surselvischen und wertvolle Einblicke in die Ansätze in der Forschung in anderen Sprachen, sei dies zum Konjunktiv, zum Ausdruck der Eventualität, oder zu Modus und Tempus. Damit sind im zweiten Teil auch die theoretischen Grundlagen für die Beschreibungen der surselvischen Verhältnisse dargelegt, dies sowohl in Bezug auf die Grundwerte und Hauptnutzungen der Formen des «Konjunktivbereiches» im kürzeren dritten Teil, wie auch bezüglich der Modussetzung und -Nutzung in «Konjunktivkontexten» im breit angelegten vierten Teil. Sehr dienlich ist schliesslich der Index der modussteuernden Ausdrücke. Für Forscher, die sich mit morphosyntaktischen Themen in den neolateinischen Sprachen und in der Adstratsprache Deutsch befassen sowie für Rätoromanisten, ist Grünerts Studie ein Referenzwerk, das durch seinen theoretischen Hintergrund, seine Materialauswahl und seine präzise Analyse überzeugt, und das in der Reihe der Studien zur bündnerromanischen Syntax einer bedeutenden Wegmarke gleichkommt. Jachen Curdin Arquint Galloromania Marieke Van Acker, Ut quique rustici et inlitterati hec audierint intellegant. Hagiographie et communication verticale au temps des Mérovingiens (VII e -VIII e siècles), Turnhout (Brepols) 2007, 662 p. (Corpus christianorum. Lingua Patrum 4) La seule lecture du titre de cet ouvrage, publication d’une thèse de doctorat réalisée à l’Université de Gand, suffit à dévoiler les deux maîtres qui sont à sa source. Cette recherche s’insère en effet dans un chantier ambitieux, ouvert par M. Banniard en 1992. Ce dernier tente de comprendre les mécanismes de la transition langagière latin/ langues romanes en termes de «communication», question à laquelle Marieke Van Acker contribue par l’étude de textes de l’hagiographie mérovingienne, sujet cher à M. Van Uytfanghe. La supervision de ces deux grands maîtres laissait présager une thèse excellente, mais il faut louer Marieke Van Acker d’avoir su mener jusqu’à son terme, avec indépendance et esprit critique, une recherche nouvelle par ses applications et par une méthode qui s’avère désormais incontournable pour tout ce qui touche à l’étude du passage du latin au français. Déjà dans Viva voce 1 , M. Banniard proposait une chronologie du processus et identifiait pour la Gaule une période «critique», datée de 650 à 750, menant à la rupture de la com- 293 Besprechungen - Comptes rendus 1 M. Banniard, Viva voce. Communication écrite et communication orale du IV e au IX e siècle en Occident latin, Paris 1992.