eJournals Vox Romanica 68/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2009
681 Kristol De Stefani

Gilles Roussineau (ed), Perceforest. Première partie, vol. 1-2, Genève (Droz) 2007, ccxxv + 1481 p. (Textes littéraires français 592)

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2009
Arnold  Arens
vox6810318
Gilles Roussineau (ed), Perceforest. Première partie, vol. 1-2, Genève (Droz) 2007, ccxxv + 1481 p. (Textes littéraires français 592) Der in sechs Teile und in insgesamt 531 Kapitel gegliederte Roman Perceforest 1 ist «une des plus vastes compositions en prose du Moyen Âge» 2 . Inhaltlich umfasst die Darstellung die Zeit ab der legendären Landung Alexanders des Großen und seiner Gefährten in Großbritannien bis hin zu den Jahren unmittelbar vor König Artus. Auf diese Weise verbindet der anonyme Autor den Zyklus Alexanders des Großen mit dem des Königs Artus und zeigt somit auf, dass in den Venen des legendären britischen Königs griechisches Blut fließt. Trotz der immensen Materialfülle ist ein durchdacht aufgebautes Werk entstanden. «L’œuvre est construite avec rigueur, selon un plan qui semble, dans ses grandes lignes, élaboré dès la rédaction du début du roman» (cx). Eine erste und heute nicht mehr erhaltene Version des Romans entstand um 1340 im Hennegau zur Zeit des Grafen Wilhelm I. und wurde wohl von einem clerc in der nahe bei Valenciennes gelegenen Abtei St-Landelin geschrieben. Der Perceforest, so wie wir ihn heute kennen und wie er in den Handschriften vorzufinden ist, muss aber eine um die Mitte des 15. Jahrhunderts vorgenommene Überarbeitung und Modernisierung der ersten Version sein. Dafür liefern sprachliche und auch inhaltliche Gegebenheiten, die Roussineau hier erneut ausführlich darstellt (ix-xlvi), «le temoignage irrécusable» (xxx). Diese zweite Version, die am Hof des burgundischen Herzogs Philipps des Guten (1419-67) entstanden sein dürfte, ist in vier Manuskripten des 15. und in zwei Drucken des 16. Jahrhunderts überliefert. Dabei enthält nur die Handschrift C (Bibl. de l’Arsenal 3483-94) den Text in seiner Ganzheit, während die übrigen Manuskripte lediglich einzelne Teile des Werkes überliefern 3 . 1970 wagte es J. H. M. Taylor als erste, mit ihrer von der Universität Oxford angenommenen Dissertation wenigstens eine kleine Parzelle dieses gigantischen Werkes in einer Edition zugänglich zu machen 4 . Ihr folgte auf diesem Weg dann 1982 G. Roussineau, heute Professor an der Sorbonne, der wiederum in einer Dissertation eine textkritische Ausgabe des gesamten vierten Teils des Perceforest vorlegte, deren überarbeitete Fassung 1987 ebenfalls bei Droz erschien 5 . Seit seiner Promotion scheint Roussineau von der Absicht geradezu besessen zu sein, den Perceforest in all seinen sechs Teilen in einer textkritischen Edition vorlegen zu wollen. In erstaunlich rascher Folge, die einem jeden tiefen Respekt abverlangt, hat er bislang immerhin zwei Drittel des umfassenden Werkes ediert (cf. nähere bibliographische Angaben dazu ccxi-ccxiii). Mit den hier anzuzeigenden zwei Bänden wird der gesamte erste Teil des Werkes ediert. Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass auch das von J. H. M. Taylor bereits edierte erste Drittel des ersten Teils hier erneut herausgegeben wird (§ 1-380 dieser Ausgabe). Letztlich kann man aber den Editor und insbesondere den Verlag zu dieser Entscheidung nur beglückwünschen, da somit eine Textedition «aus einem Guss» entstehen wird. Denn es ist zu berücksichtigen, dass sich Taylor und Roussineau nicht nur in der Auffassung über die Genese des Romans, sondern auch in der Textkritik sowie in den Prinzipien der Texterstellung und dessen materieller Präsentation erheblich voneinander unterscheiden. 318 Besprechungen - Comptes rendus 1 Ich beschränke mich an dieser Stelle auf ein Minimum an Angaben zum Perceforest in seiner Gesamtheit, denn Inhalt und literarischen Wert des Gesamtwerkes sowie dessen paläographischen Befund habe ich bereits eingehend dargestellt in meiner hier erschienenen Besprechung der Edition des ersten Buches von Teil ii des Romans: VRom. 61(2002): 328s. 2 J.-P. de Beaumarchais et al., Dictionnaire des littératures de langue française, Paris (1984): 1731. 3 Zu näheren Details cf. VRom. 61(2002): 329. 4 In überarbeiteter Fassung erschienen bei Droz: Roman de Perceforest. Première partie, Genève 1979. 5 Perceforest. Quatrième partie, 2 tomes, Genève 1987. Inhaltlich enthält der erste Teil des Werkes Folgendes: Am Anfang steht ein ausführlicher Prolog (§ 1-79), der neben einer kurzen geographischen Beschreibung Großbritanniens und Irlands (§ 1-3) die nahezu wortgetreue Übersetzung der ersten 52 Kapitel der Historia Regum Britanniae des Geoffroy of Monmouth enthält. Diese «fidélité scrupuleuse au texte latin» (lvi), in dem die Zeit seit der Zerstörung Trojas bis acht Tage vor der Landung Alexanders des Großen in Großbritannien dargestellt wird, dient dem Autor als «caution historique» (xlviii), um seinem Roman den Charakter eines glaubwürdigen Geschichtswerkes zu verleihen. Alsdann wird in § 80-85 der Bericht über die im Januar 1308 gefeierte Vermählung Eduards II. von England (1307-27) mit Isabella, der Tochter des französischen Königs Philipp IV. (1285-1314), eingeblendet. Bei dieser Hochzeitsfeier ist auch Graf Wilhelm I. aus Hennegau anwesend, der anschließend Isabella nach England begleitet. Während eines Besuchs in der Abtei von Wortimer wird ihm ein in einem Schrank verstecktes Buch über die Geschichte des britischen Königs Perceforest übergeben, das er dann, in seine Heimat zurückgekehrt, aus dem Lateinischen und teils Griechischem ins Französische übertragen lässt. Dieser Topos vom zufällig wieder entdeckten Buch steht somit vor dem Romantext selbst, der in den § 86-1212 enthalten ist. Das Romangeschehen reicht von der aufgrund eines Seesturmes zufälligen Landung Alexanders des Großen und seiner Gefährten in Großbritannien bis zu seinem Aufbruch von dort nach Babylon. Alexander wird dargestellt als «le parangon du prince idéal» (lx). Da Großbritannien nach dem Tod des letzten Regenten königlos ist und sich auch in einem desolaten Zustand befindet, lässt Alexander als erstes seinen Gefährten Betis zum König des Landes krönen, der sich alsdann Perceforest nennt. Der erste Erfolg des neuen Königs ist die Befreiung des Landes von den Untaten des Zauberers Darnant und dessen «chevaliers du mauvais lignage» (xcv). Alexander seinerseits sorgt dafür, dass «la chevalerie va connaître un nouvel essor et les royaumes d’Angleterre et d’Écosse une période de redressement et de prospérité» (lxxvii). Die Einnahme des Schlosses von Malebranche schließlich, eines Sohnes von Darnant, «confirme le renouveau de la chevalerie dans l’île» (lxxii). Die Austragung von Turnieren und «une conception rénovée de la religion» (lxxx), die zwischen dem heidnischen Polytheismus und dem christlichen Monotheismus anzusiedeln ist, begleiten die Rückkehr zu den Quellen des Rittertums.Wie in den Artusromanen fehlt auch in diesem Werk nicht das Thema der quête: Da Alexander und sein Gefolge nach dem Kampf des Perceforest gegen Darnant nicht wissen, wo sich der König befindet, beginnt die mühsame Suche. Während dieser Suchaktion begegnet Alexander auch der Fee Sebille, der Dame du Lac, die ihn, ohne dass er es bemerkt, 14 Tage festhält. Das Ergebnis dieses Aufenthalts ist die Schwangerschaft Sebilles, deren Sohn ein Vorfahr des Königs Artus ist; somit fließt, wie bereits erwähnt, griechisches Blut in den Venen des christlichen Herrschers. Mit der von Alexander vorgenommenen Krönung Gadifers zum König von Schottland, einem anschließenden Turnier und einem großem Fest findet der erste Teil des Perceforest sein Ende. Am Morgen nach dem Fest ist Alexander schon abgereist, um gegen Babylon zu ziehen. Wie der Roman in seiner Gesamtheit ist auch dessen erster Teil «construite selon un plan équilibré et bien ordonné» (civ). Das Geschehen des Romans wird zyklisch umrahmt von den Krönungen des Betis/ Perceforest am Anfang und Gadifers am Ende. Der auf diese Weise eingerahmte Handlungsteil ist «selon la technique de l’entrelard» (civ) angelegt: statt in einem linearen récit werden die Ereignisse und auch die Handlungsträger mit vielfältigen Verknüpfungen und Verflechtungen dargestellt, womit der Gefahr der Monotonie vorgebeugt wird. Ferner wechseln Szenen von höchster Spannung ab mit «scènes de détente où les personnages se divertissent librement» (cii). Und trotz der immensen Materialfülle muß man feststellen, dass «(a)u sein de cette construction bien agencée, de nombreux effets de parallélisme et de symétrie renforcent la cohésion du récit» (cvi). 319 Besprechungen - Comptes rendus Basismanuskript der Textedition (1-891) des ersten wie im übrigen auch des zweiten und dritten Teiles des Romans ist die Handschrift A (BN Paris, f. fr. 345-48), welche die generellen Skriptamerkmale des Mittelfranzösischen aufweist. Alle Stellen, an denen Roussineau die Lesart von A nicht übernommen und eine Korrektur durchgeführt hat, sind im Text mit einem Asterisk gekennzeichnet, der auf eine Fußnote verweist. Darin werden jeweils die zurückgewiesene Lesart sowie gegebenenfalls die Handschrift/ en angegeben (in den meisten Fällen nur mit Siglen und nicht mit Text angeführt), nach der/ denen die Korrektur vorgenommen wurde. Ein Vergleich des von Taylor und Roussineau edierten Romanteils zeigt deutlich, dass letzterer wesentlich häufiger und in vollkommen überzeugender Weise in den Text des Manuskripts eingegriffen hat, insbesondere bei Namensnennungen, so dass eine bessere Textversion entstanden ist. Der Edition ist eine sehr ausführliche «Introduction» (ix-ccxxv) vorangestellt. Hier werden zunächst neue Aspekte zur oben bereits angesprochenen Frage der Entstehung des Romans behandelt (ix-xlvi). Es folgen dann Darlegungen zum Stellenwert der Übersetzung einer langen Passage von Geoffroy of Monmouth’ Historia (xlvi-lvi), ein sehr langes Kapitel über den Gehalt, die literarischen Qualitäten und die Struktur des ersten Romanteils (lvi-cxvi), «Remarques sur la langue du texte» (cxvi-cxlviii) (hier ist vor allem die Auflistung der Erstbelege von großer Bedeutung für die historische Sprachwissenschaft), eine detaillierte inhaltliche Wiedergabe des Romangeschehens (cxlix-ccxi) und schließlich ein «Complément bibliographique» (ccxiccxxii). Der Textedition folgt das in mikroskopischer Kleinarbeit erstellte Kapitel «Variantes» (893-1060), in dem die Lesarten der übrigen Handschriften und auch des Frühdrucks von Galiot du Pré (1528) angeführt werden. In dem langen Kapitel «Notes» (1061-219) bietet Roussineau substantielle Kommentare zu sprachlichen und auch inhaltlichen Fragen. Zwei Indices (Sprichwörter und Eigennamen) (1221-64) und ein sehr ausführliches «Glossaire» (1264-480) beschließen die Edition. Dabei kann gerade das Glossar, das in der Tat ein «glossaire développé» (hintere Einbandseite) darstellt, jedem zukünftigen Editor als Musterbeispiel einer gründlichen philologischen Recherche dienen. Wieder einmal hat Roussineau auch mit der Edition des ersten Teils des Perceforest eine hervorragende Leistung erbracht, für die ihm die Romanisten, insbesondere die Mediävisten zu großem Dank und zu Anerkennung verpflichtet sind. Der Herausgabe des fünften und sechsten Romanteils darf man mit großer Erwartung und Freude entgegensehen. Arnold Arens ★ Eglal Doss-Quinby/ Roberta L. Krueger/ E. Jane Burns (ed.), Cultural Performances in Medieval France. Essays in Honor of Nancy Freeman Regalado, Cambridge (Brewer) 2007, xxxvi + 299 p. (Gallica 5) Parmi les contributions de ce recueil largement tourné vers des aspects littéraires et culturels se trouvent deux contributions susceptibles d’intéresser les lecteurs de Vox Romanica, toutes deux réunies dans la première partie, intitulée «Poetic and Musical Performances». Dans «Subtilitas and Delectatio: Ne m’a pas oublié», E. H. Roesner donne une édition soigneusement commentée d’un motet du recueil de Montpellier H 196 où il occupe une place significative, au début de ce qui semble être un libellus particulier, ce que soulignent les miniatures ornant la grande capitale initiale et le bas de page avec les enluminures marginales, soigneusement décrites par l’auteur. Si l’on peut reprocher à l’auteur de ne pas corriger ou discuter les éditions précédentes dont il donne cependant les références 1 , de ne pas 320 Besprechungen - Comptes rendus