eJournals Vox Romanica 68/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2009
681 Kristol De Stefani

Elisabeth Gülich/Lorenza Mondada, Konversationsanalyse. Eine Einführung am Beispiel des Französischen, Tübingen (Niemeyer) 2008, xi + 150 p. (Romanistische Arbeitshefte 52)

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2009
André  Horak
vox6810365
Im 2. Teil zu Räumen und Sprachen behandelt Djamel Eddine Lachachi das Thema «Situation sociolinguistique et multilinguisme en Algérie», Robert Kühnel die gelebte Frankophonie im Libanon und Annette Endruschat in einer nuancierten Darstellung die Konkurrenz zwischen Frankophonie und Lusophonie in Guinea-Bissau. Unter den virtuellen Räumen des 3. Teils befinden sich nicht nur Arbeiten zu den neuen Medien, sondern auch einige, welche traditionelle Medien wie Zeitungen untersuchen. Thomas Johnen zeigt die Möglichkeiten zur Stärkung und Wiederbelebung des Pikardischen durch die Verwendung des Internets auf. Judith Visser führt diesen Gedankenstrang weiter und stützt sich dabei auf die ökolinguistische Perspektive, die sie jedoch einengend im Sinne einer Kampfmetapher interpretiert, ohne einen Hinweis auf den verbindenden Ansatz, welchen die Ökolinguistik gerade in komplexen mehrsprachigen Räumen liefern kann. Britta Thörle liefert eine interessante Textanalyse aufgrund von Äusserungen aus virtuellen Gesundheitsforen im Internet. Françoise Hammer vergleicht Beispiele der Textsorte Todesanzeige aus regionalen und nationalen Zeitungen Frankreichs. Vom methodologischen Standpunkt her sollte die Wahl der nur noch von einer begrenzten Bevölkerungsgruppe gelesenen deutschen Variante der Dernières Nouvelles d’Alsace genauer erklärt werden, ebenso die Wahl des Ortes Wissembourg, welcher in seinem Einzugsgebiet aktive Gruppen aus protestantischen und katholischen Gemeinden zählt, deren unterschiedliche religiöse Praktiken sich auch in den Todesanzeigen widerspiegeln. In «Muss ein Zeitungsleser mehrsprachig sein? » untersucht Dorit Herrmann Entlehnungen in der regionalen französischen Tagespresse. Bei einigen Beispielen wie «parking» müsste klarer zwischen Anglizismus im Französischen und dem englischen Sprachgebrauch unterschieden werden (die Bereiche sind nicht immer deckungsgleich), auch eine Diskussion der verschiedenen Integrationsstufen innerhalb der Lehnproblematik würde sich anbieten: Welche Elemente sind vom Leser noch als aus der englischen Sprache stammend einzuordnen? Welche gehören zum üblichen Sprachgebrauch? Gibt es dabei Variationen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen? Der Informationsgehalt der Artikel des Buches ist als sehr unterschiedlich einzustufen. Während einige Autoren vor allem Faktenwissen vermitteln, sind die anderen eher bemüht, Zusammenhänge herzustellen und die erhobenen Daten in einen konzeptuellen Kontext einzubetten. Die Einteilung in drei Hauptteile (Räume und Identitäten, Räume und Sprachen und Virtuelle Räume) ist nur bedingt einsichtig. Viele Artikel könnten an mehreren Stellen erscheinen und dem Leser wäre geholfen, wenn er genauer darüber informiert würde, aufgrund welcher Überlegungen die Herausgeber die vorliegende Gliederung aufgestellt haben. Sabine Ehrhart ★ Elisabeth Gülich/ Lorenza Mondada, Konversationsanalyse. Eine Einführung am Beispiel des Französischen, Tübingen (Niemeyer) 2008, xi + 150 p. (Romanistische Arbeitshefte 52) Bei der Konversationsanalyse von Gülich und Mondada (unter Mitarbeit von Ingrid Furchner) handelt es sich, wie deren Untertitel entnommen werden kann, um ein Einführungsbuch (oder genauer, um ein einführendes Arbeitsheft), welches zu Illustrations- und Analysezwecken auf ausschliesslich französische Korpora zurückgreift. Folglich wird «kein spezifisches Wissen über Konversationsanalyse» (ix) vorausgesetzt. Jedoch erscheint eine linguistische Grundausbildung von Vorteil, insbesondere fürs Verständnis einzelner Fach- 365 Besprechungen - Comptes rendus begriffe 1 . Laut Vorwort besteht das Ziel des Buches einerseits darin, dem Leser «einen Überblick über konversationsanalytische Forschung [zu] vermitteln» (ix), um ihm andererseits «die verschiedenen Themen detaillierter anhand der Analyse von Gesprächsausschnitten» (ix) näher zu bringen. Da die Einführung den debütierenden Konversationsanalytiker gemäss Autorinnen darüber hinaus zu eigenständiger Arbeit befähigen soll, wird die praktische Analyse der Theorie vorgezogen. Dadurch wirkt das Buch äusserst realitätsnah und lässt keinerlei Fragen offen. Ein weiterführendes Selbststudium wird ebenso durch die zahlreichen, nützlichen Verweise auf Basisliteratur (Sacks, Jefferson, Schegloff, etc.) ermöglicht, aus der einzelne Schlüsselzitate sowie insbesondere grundlegende Termini zudem systematisch in Originalsprache angeführt werden. Als gleichermassen sinnvoll erweist sich die Angabe von (leider nicht immer aktuellen) Internetadressen, über die zu für die Analysearbeit relevanten Programmen von Forschungszentren (CLAN, ELAN, etc.) oder zu diversen Transkriptionskonventionen (mitunter ICOR) gelangt werden kann (bzw. sollte). Überprüfen lässt sich der Kenntnisstand der Leserschaft mit Hilfe interessanter und für den Unterricht bestens geeigneter Aufgaben (ohne Lösungsvorschläge) am Ende jedes Kapitels, in denen u. a. zur Analyse der drei Arbeitstranskripte im Anhang und somit zu einer praktischen Anwendung des unmittelbar zuvor angeeigneten Wissens angeregt wird. Sprachlich und formal betrachtet präsentiert sich das besprochene Buch in einem durchweg angenehmen und lesefreundlichen Stil mit nur sehr wenigen typographischen Fehlern respektive Unzulänglichkeiten 2 . Ganz im Sinne ihrer praxisorientierten Zielsetzung widmen Gülich und Mondada das Anfangskapitel des Einführungsbuches der exemplarischen Analyse eines Alltagsgesprächs, dessen Transkription durch ein Standbild aus der entsprechenden Videoaufnahme ergänzt wird. Dieser dynamische Beginn verschafft dem Anfänger auf Anhieb einen ersten, konkreten Einblick ins Wesen der konversationsanalytischen Disziplin. Schritt für Schritt und pädagogisch einwandfrei kommentieren die Autorinnen den gewählten Gesprächsausschnitt, dessen Zeilen im Verlauf der Analyse teilweise wiederholt angeführt werden; somit bleibt dem Leser ein mühsame(re)s Zurückblättern erspart. Dadurch, sowie durch die systematischen Erklärungen der Transkriptionszeichen (die am Ende des Buches nochmals in einer Übersicht aufgelistet sind), wird der Einstieg in die Konversationsanalyse wesentlich erleichtert. Pertinent ist zweifelsohne auch die im weiteren Verlauf des Arbeitsheftes immer wiederkehrende Gegenüberstellung deutscher, englischer und französischer Grundbegriffe. Das zweite der zehn Buchkapitel gewährt essentiell einen Überblick über die Entwicklung der Konversationsanalyse (KA). Dabei wird u. a. deutlich darauf hingewiesen, dass die zu beobachtenden Phänomene nicht wie in der traditionellen Linguistik prädeterminiert 366 Besprechungen - Comptes rendus 1 So ist u. a. von einer «agglutinierende[n] Sprache» oder von «gebundenen Morphemen» die Rede (71). 2 Im Unterkapitel 4.4.2 liegt ein Fehler in der Nummerierung der Beispiele vor: Es werden die Beispiele 6-9 angeführt, auf welche sich der nachfolgende Text hingegen mit den Nummern 9-12 bezieht. Ebenso ist im Unterkapitel 5.4.1 von der Zeile 9 des Beispiels 7 die Rede (55), welche tatsächlich aber der Zeile 10 des genannten Beispiels entspricht. In einer Referenz der Bibliographie (137) wird «Francke» ohne c, in einer anderen (142) «servo-mechanism» ohne a geschrieben. In Kapitel 6.3 wiederum ist ein Syntaxfehler zu verzeichnen (67): «Es handelt sich um eine konversationelle Schreibinteraktion, d. h. ein Gespräch, in dem die Gesprächspartner . . . sich darüber verständigen, was sie schreiben und wie es sie formulieren wollen» («wie es sie» statt «wie sie es»). In der ersten der Aufgaben zu Kapitel 4 (48) fehlt vor «Une dame sort de l’hôpital» ausserdem eine öffnende Klammer. Letztlich ist in den Literaturnachweisen eine geringfügige Inkonsequenz darin erkennbar, dass derselbe Verlag einmal mit «Armand Colin» bezeichnet wird, ein andermal lediglich mit «Colin» (136). sind, sondern sich aus authentischen Daten ergeben. Somit ist die analytisch-methodologische Vorgehensweise der KA von Anfang an klar erkennbar. Unterkapitel 2.5 thematisiert ferner insbesondere die Rezeption der KA in Deutschland und Frankreich sowie die daraus resultierende Problematik, wobei - anfängergerecht - weder zu wenige, noch zu viele Detailinformationen gegeben werden. Letztlich wird klargestellt, dass sich das Einführungsbuch auf die von Sacks, Schegloff und Jefferson ausgehende, klassische KA konzentriert, ohne dabei neuere Entwicklungen ausser Acht zu lassen (26). Kapitel 3 befasst sich mit der Datengewinnung, d. h. mit der Aufnahme und der Transkription natürlicher Interaktionen. Zunächst legen Gülich und Mondada dar, inwiefern sich konversationsanalytische Daten von anderen Datentypen (Feldnotizen, Interviews, etc.) unterscheiden. In der Folge wird die Wichtigkeit der Dokumentation aller relevanten Daten unterstrichen, bevor die Vorteile von Videoaufnahmen angeschnitten werden. Eine anschliessende Erörterung weist auf verschiedene Aufnahmestrategien hin (Platzierung und Anzahl der Mikrofone, etc.), die dem Gesprächskontext entsprechend zu wählen sind. Letztlich präzisieren die Autorinnen die Transkriptionspraxis (3.2) und weisen danach auf ethische Aspekte der Aufnahmetätigkeit hin (3.3). Die folgenden Kapitel des rezensierten Arbeitsheftes richten ihre Aufmerksamkeit auf die «wichtigsten [spezifischeren] Themenbereiche» (37) der KA. So geht Kapitel 4 im Anschluss an ein einführendes Beispiel der Sprecherwechselsystematik sowohl im Alltagsgespräch, als auch in der professionellen bzw. institutionellen Interaktion auf den Grund. Unter erneuter Zuhilfenahme adäquater Beispiele wird im darauffolgenden, fünften Kapitel eingehend auf die sequenzielle Organisation von Gesprächen und deren Grundformen - Paarsequenzen (5.2), Präferenzstrukturen (5.3) sowie Sequenzerweiterungen (5.4) - eingegangen. Auch die Ausführlichkeit und Präzision, mit welcher Kapitel 6 die verschiedenen Arten von Reparaturen behandelt und hierin selbst neuere Forschungen berücksichtigt, lässt praktisch keinen Raum für inhaltliche oder formale Kritik. Im Mittelpunkt des siebten Kapitels stehen Eröffnung und Beendigung von Interaktionen sowie die vor allem mit Letzterer verbundenen Schwierigkeiten. Dabei werden - wie in anderen Kapiteln auch - multimodale Ressourcen konsequent im Auge behalten (7.2.4). In Kapitel 8, welches den Titel Thematische Organisation trägt, befassen sich die Konversationsanalytikerinnen «weniger mit den Themen selbst als vielmehr damit, wie die Interaktanten sie im Gespräch erzeugen [oder einführen], entwickeln und einordnen» (85). Unterkapitel 8.5 gibt - die didaktischen Ziele des Buches fest im Blick - Auskunft über grammatische wie auch konversationelle Methoden der Gesprächsstrukturierung. Das neunte Kapitel beschreibt Erzählsequenzen mit besonderem Augenmerk auf deren interaktive Konstitution. Mit dem zehnten und letzten Kapitel richten die Sprachwissenschaftlerinnen ihr Interesse erneut - diesmal jedoch möglichst profund und anhand einer überaus gründlichen Einzelfallanalyse - auf das Phänomen der Multimodalität und finden für ihr Einführungsheft somit einen zukunftsweisenden Abschluss. Alles in allem erlaubt die Lektüre der Konversationsanalyse von Gülich und Mondada nur ein Fazit: Es handelt sich um ein Einführungsbuch, welches - sei es für das Selbststudium oder den Unterricht - nur weiterempfohlen werden kann. Zum einen weist das besprochene Lehrmittel von Anfang bis Ende eine klare und übersichtliche Struktur sowie vollends unmissverständliche Erklärungen auf. Zum anderen ist der im Vorfeld angestrebte Kompromiss zwischen Überblick und Detail zweifellos gelungen. André Horak ★ 367 Besprechungen - Comptes rendus