Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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2009
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Kristol De StefaniAnnette Endruschat/Jürgen Schmidt-Radefeldt, Einführung in die portugiesische Sprachwissenschaft, 2.Auflage, Tübingen (Gunter Narr) 2008, 293 p.
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2009
Andreas Schor
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Annette Endruschat/ Jürgen Schmidt-Radefeldt, Einführung in die portugiesische Sprachwissenschaft, 2. Auflage, Tübingen (Gunter Narr) 2008, 293 p. Während der Büchermarkt mehrere linguistische Einführungswerke für die am meisten studierten romanischen Sprachen (Französisch, Spanisch und Italienisch) bereit hält, mussten Hochschullehrer und Studenten im deutschen Sprachraum bis zum Erscheinen der ers ten Auflage dieses Buchs 2006 ohne ein vergleichbares Hilfsmittel für das Portugiesische auskommen. Die erste Auflage der Einführung in die portugiesische Sprachwissenschaft hat in diesem Sinn eine Lücke gefüllt. Bei der nun vorliegenden 2. Auflage handelt es sich im Wesentlichen um eine wenig veränderte, korrigierte Neuauflage. Druckfehler aus der 1. Auflage wurden ausgemerzt sowie Kritikpunkte aus den Rezensionen und kritischen Durchsichten so weit möglich berücksichtigt. Eigentlich könnte man das Buch auch eine «Einführung in die Sprachwissenschaft für Lusitanisten» nennen, denn außer den Kapiteln 1 (Weltsprache Portugiesisch), 2 (Geschichte der portugiesischen Sprache) und 11 (Weiterentwicklung des Portugiesischen außerhalb Portugals) werden die Fragestellungen der allgemeinen Sprachwissenschaft, immer in einer am Portugiesischen orientierten Sicht, behandelt. Selbstverständlich enthält auch die Bibliografie am Ende des Buches neben einigen Einführungen in die allgemeine und romanische Sprachwissenschaft hauptsächlich Untersuchungen zur portugiesischen Sprachwissenschaft. Das Werk ist eine prägnante Einführung, anhand der sich die Studierenden der portugiesischen Sprachwissenschaft einen Einblick in dieses Studienfach verschaffen können. Am Ende jedes Kapitels findet sich außerdem ein Hinweis auf Grundlagenliteratur. Das Studium der angegebenen Werke ermöglicht zusammen mit den Übungen am Ende eines Kapitels den Studierenden, die Kenntnisse zu verfestigen und zu vertiefen. Nachstehend erlaubt sich der Rezensent einige Bemerkungen wiederzugeben, die ihm beim Lesen durch den Kopf gegangen sind. Bei der Aufzählung der Zahl der Portugiesisch-Sprecher im Ausland (14) vermisst man einen Hinweis auf die Schweiz. Immerhin lebten 2007 nicht weniger als 193’299 Portugiesinnen und Portugiesen in der Schweiz (Quelle: Bundesamt für Statistik). In der Untersuchung der Stellung des Portugiesischen in der Romania werden die verschiedenen Kriterien der Unterteilung des romanischen Sprachraums vorgestellt. Bei der phonetisch-morphologischen Unterteilung nach von Wartburg (22) wird anhand des portugiesischen Wortes amiga ( amica) die Zugehörigkeit des Portugiesischen zur Westromania belegt. Als Gegensatz werden die Ergebnisse der lautlichen Entwicklung desselben lateinischen Wortes im Italienischen (amica) und Rumänischen (amic ă ), die beide zur Ostromania gehören, genannt. Nun gibt es im Rumänischen das Wort amic ă tatsächlich, es wird aber kaum gebraucht, vielmehr hat sich das aus dem Slawischen stammende Wort prieten ă durchgesetzt. Allerdings ist es nicht einfach, ein besseres Beispiel zu finden. Man könnte sich vielleicht die vom Lateinischen vesica (‘Blase’) stammenden it. vessica, rum. b ăş ic ă , span. vejiga, port. bexiga, franz. vessie, vorstellen. Manchmal müssen die Verfasser des Buches auch zugeben, dass bestimmte Theorien nicht ganz zur vollkommenen Erklärung von sprachlichen Erscheinungen beitragen können. So schreiben sie über die Valenz (128): «Insgesamt ist zu den Valenztests festzustellen, dass keiner von ihnen wirklich befriedigende Ergebnisse erbracht hat, außerdem sind die Ergebnisse verschiedener Tests nicht miteinander vergleichbar». Bei der strukturalen Semantik werden die Wortfelder anhand der verschiedenen portugiesischen Bezeichnungen für Sitzmöbel gezeigt (165). Sie haben alle das gemeinsame semantische Merkmal ‘zum Sitzen’. Daneben unterscheiden sie sich dadurch, dass die einen Sitzmöbel eine Rückenlehne, Armlehnen haben, für mehrere Personen sind usw. Dieses 380 Besprechungen - Comptes rendus Beispiel, das ursprünglich von Pottier stammt, wird in der Terminologie (Gesamtheit aller Termini einer Fachsprache) immer als klassisches Beispiel für die Gliederung eines Fachwortschatzes (in dem Fall ‘Sitzmöbel’) angeführt. So könnte man cadeira in einer Terminologie der Sitzmöbel definieren als ‘Sitzmöbel für eine Person mit Rückenlehne’, das sich von poltrona ‘Sitzmöbel für eine Person mit Rückenlehne und Armlehnen’ unterscheidet. In den Fachsprachen, die zu einem Gebiet gehören, ermöglicht die Terminologie also, die verschiedenen Realitäten, die hinter den Bezeichnungen stehen, (Begriffe) klar herauszuarbeiten. Anhand dieser Merkmale kann dann beispielsweise ein Übersetzer erkennen, dass cadeira im Deutschen mit Stuhl und poltrona mit Sessel wiedergegeben werden muss. Wenn nun eine Sprache aus einem Gebiet stammt, in dem man keine derartigen Sitzmöbel kennt, wird man in ihr auch keine entsprechenden Bezeichnungen finden, und entsprechend schwierig wird dann die Übersetzung. Im Buch werden als Beispiele asiatische und afrikanische Sprachen genannt. Ein Hinweis auf die Fachsprachen und die Terminologie, die dann auf p. 219 erwähnt werden (ohne dass jedoch das Wort Terminologie ausdrücklich genannt wird), wäre schon an dieser Stelle vielleicht nützlich gewesen. In einer Fußnote wird erwähnt, dass es bei den Definitionen von Substrat- und Superstratsprache zwischen der Kreolistik und der Historischen Sprachwissenschaft einen gewichtigen Unterschied gibt (246 N341). Kreolsprachen entstanden meistens dann, wenn Sklaven, die eine außereuropäische (meistens afrikanische) Sprache sprachen, auf Plantagen in der dort gesprochenen europäischen Sprache kommunizieren mussten. Obwohl an Ort die europäische Sprache vor den außereuropäischen Sprachen gesprochen wurde, bezeichnen die Kreolisten die Sprachen der Sklaven als Substrat, während sie in der diachronischen Linguistik als Superstrat bezeichnet würden. («Substrat» waren sie tatsächlich in der persönlichen Biographie der betroffenen Sprecher. Dies ist jedoch nicht die traditionelle Definition des Begriffs in der historischen Linguistik.) Das Schicksal von Substrat- und Superstratsprachen ist allerdings dasselbe: Sie verschwinden und hinterlassen in der neuen Kreolsprache in der Regel lediglich einige strukturelle oder lexikalische Eigenschaften. Leider ist das Buch nicht ganz vom Druckfehlerteufel verschont worden. So müsste es auf p. 214 «Geschlechter» und nicht «Geschleschter» heißen. Auf p. 226 und 227 ist die Nummerierung der Fußnoten durcheinander geraten. Sie springt von 290 direkt auf 292, wobei die Verweise im Text fortlaufend nummeriert sind (291 verweist deshalb auf die Fußnote mit der Nummer 292). Dafür fehlt die Nummer 294, so dass es so aussieht, als gehöre der Text unten auf p. 227 ganz zur N293, während es sich in Wirklichkeit um zwei Fußnoten handelt. Schließlich müsste am Schluss der N327 auf p. 241 auf das Kapitel 11.4 (und nicht 11.3) verwiesen werden. In der Bibliografie vermisst man den Compêndio de gramática histórica portuguesa von José Joaquim Nunes, ein Standardwerk zur historischen Grammatik des Portugiesischen. Unter den Grammatiken des Portugiesischen wird diejenige aufgeführt, die Celso Cunha 1984 zusammen mit Lindley Cintra herausgegeben hat, nicht aber seine Gramática do português contemporâneo, die lange Zeit als die Standardgrammatik des Portugiesischen galt. Auch wäre es übersichtlicher, wenn das Kapitel mit den Einzeluntersuchungen nach Teilgebieten getrennt wäre. Diese Bemerkungen sollen aber das Verdienst der Verfasser nicht schmälern, die mit ihrer Einführung in die portugiesische Sprachwissenschaft den Studierenden dieses Fachs im deutschen Sprachraum ein wichtiges Standardwerk mit auf den Weg geben. Mit dessen Hilfe können sich angehende Lusitanistinnen und Lusitanisten einen Überblick über den sprachwissenschaftlichen Teil ihres Studiengebiets verschaffen. Andreas Schor ★ 381 Besprechungen - Comptes rendus
