Vox Romanica
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniBrigitte Schwarze, Genus im Sprachvergleich. Klassifikation und Kongruenz im Spanischen, Französischen und Deutschen, Tübingen (Gunter Narr) 2008, 286 p.
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Andreas Schor
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gen und raschen Photosatzes längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Schade eigentlich nur, dass es keine Autographen von Briefen gibt, umso mehr, als die Herausgeber gewisse Veränderungen an der äußeren Gestalt der Originale vorgenommen haben 7 . Doch darf man diese letzte Bemerkung gerne eher als Anregung für spätere Editionen denn als Kritik interpretieren. Egbert Kaiser ★ Brigitte Schwarze, Genus im Sprachvergleich. Klassifikation und Kongruenz im Spanischen, Französischen und Deutschen, Tübingen (Gunter Narr) 2008, 286 p. In ihrer 2005 als Dissertation an der Universität Düsseldorf angenommenen Arbeit betrachtet und vergleicht Brigitte Schwarze die Genussysteme zweier romanischer (Französisch und Spanisch) und zweier germanischer Sprachen (Deutsch und, eher marginal, Englisch). Außerdem stellt sie ältere und neuere Thesen zur Genuskategorie und zum Verhältnis von Genus und Semantik und vor allem Genus und Sexus kritisch dar und prüft sie. Damit will sie in praktischer und in theoretischer Hinsicht einen Beitrag zur aktuellen Forschung leisten. Dazu stellt sie in einem ersten Teil, der für die restliche Arbeit grundlegend ist, einige allgemeine Überlegungen zum Genus an, wobei sie auch Genussysteme von nicht indogermanischen Sprachen betrachtet. Von den übrigen Nominalkategorien, Numerus und Kasus, unterscheidet sich das Genus laut Brigitte Schwarze dadurch, dass es ein inhärentes Merkmal der Nomina ist, während die anderen Kategorien am Lexem wechseln. In den meisten Fällen gehört ein Nomen tatsächlich nur einer Genusklasse an. Französisch juge oder Spanisch periodista können jedoch sowohl weiblich als auch männlich sein; das gilt auch für deutsche Wörter wie Mitwirkende, bei denen es sich aber im Grunde genommen um substantivierte Partizipien handelt. Zwar charakterisieren sich Numerus und Kasus ebenfalls durch die Kongruenz, die Autorin kommt aber zum Schluss, dass das Genus sich mehr als die anderen Formen nominaler Klassifikation durch das Kriterium der Kongruenz auszeichnet. Ein Genussystem liegt erst vor, «wenn sich die Klassenzugehörigkeit der Substantive auf die Form der mit den Substantiven verbundenen Elemente auswirkt» (263). In der Kongruenz liegt denn auch die Leistung des Genus im System der Sprache: «Die syntaktische Leistung des Genus besteht darin, über die Kongruenz die Bezüge der Elemente innerhalb eines Satzes bzw. mit Hilfe anaphorischer (und kataphorischer) Pronomen auch über die Satzgrenze hinaus zu verdeutlichen» (76). In einem Ausdruck wie una exposición de arte moderno ist es klar, dass das Adjektiv moderno das Substantiv arte beschreibt (im Gegensatz zu una exposición de arte moderna, wo es exposición näher umschreibt). Beim Hören oder Lesens eines Satzpaars wie Der Vater kommt mit dem Auto. Es ist schon ziemlich alt. wird sofort ersichtlich, dass das Auto alt ist. Eine Sprache ohne Genussystem wie das Ungarische käme in dem Fall nicht darum herum, im zweiten Satz das Auto zu wiederholen, damit jegliche Missverständnisse ausgeschlossen werden. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann die Genussysteme des Spanischen, Französischen und Deutschen beschrieben und verglichen. Dabei stellt sich heraus, dass die oben beschriebene Leistung des Genus im Spanischen wesentlich stärker zum Tragen kommt als im Französischen oder im Deutschen. In beiden letzteren Sprachen bestehen an den kongruierenden Elementen weitreichende Einschränkungen und Nivellierungen bei der 261 Besprechungen - Comptes rendus 7 Darüber legen sie im Kapitel «Critères d’édition» penibel Rechenschaft ab, cf. xxvii-xxviii. Genuskennzeichnung, so dass deren Wirkungsgrad geringer ist. «Im Deutschen ist die syntaktische Leistungsfähigkeit z. B. durch die zahlreichen Synkretismen, die das Flexionssystem insgesamt kennzeichnen, durch die generelle Aufhebung der Genusdifferenzierung im Plural, durch den regelhaften Zusammenfall von Maskulinum und Neutrum in bestimmten Kasus (Dativ und Genitiv), aber auch durch die generelle Nicht-Markierung prädikativer Adjektive und Partizipien im Vergleich zum Spanischen gemindert» (265). Aber im Deutschen erfolgt die Genusmarkierung immer im Verbund mit Numerus und Kasus. Dadurch können mit 8 unterschiedlichen Suffixen 24 Kategorienkonstellationen abgedeckt und die Ambiguitäten aufgrund der zahlreichen Synkretismen zumindest teilweise aufgelöst werden. Bei der Klassifikation zeigt sich, dass das Spanische formal durchsichtiger ist als das Französische und das Deutsche. Das gilt insbesondere für die Nomen mit dem Auslaut -o (M) und -a (F), die bis auf wenige Ausnahmen mühelos einer Genuskategorie zugewiesen werden können. Im Französischen sind die Regeln hingegen komplexer und weniger zuverlässig, und im Deutschen sind übergeordnete phonologische Kriterien kaum auszumachen. Weiter wird im Vergleich der Genussysteme der drei Sprachen auch untersucht, wie die Genusopposition semantisch genutzt wird. Dabei muss unterschieden werden zwischen der redundanten Kennzeichnung einer bestehenden semantischen Opposition (der Mann vs. die Frau) und der eigentlichen Herstellung einer semantischen Opposition mit oppositiver Genusselektion (el barco (das Boot) vs. la barca (das Schiff)). Letztere Möglichkeit wird im Spanischen häufig, im Französischen weniger und im Deutschen kaum genützt. Überlegungen zu den Personenbezeichnungen und zu Genus und Sexus leiten dann über zum dritten, wissenschaftshistorisch ausgerichteten Teil. Darin geht es um das Thema generisches Maskulin und (feministische) Linguistik. Aus strukturalistischer Sicht kann man das generische Maskulin gleichzeitig als neutral und als explizit männlich markiert betrachten. So steht zum Beispiel in den romanischen Sprachen o homem, el hombre, l’homme, il uomo, omul sowohl für ein menschliches Wesen im Allgemeinen als auch für ein männliches menschliches Wesen. Ein weibliches menschliches Wesen muss besonders mit a mulher, la mujer, la femme, la donna, femeia bezeichnet werden. So gesehen hätte die männliche Bezeichnung die Markierungen (0) und (+männlich), während die weibliche Bezeichnung nur die Markierung (+weiblich) trüge. An einer solchen Betrachtungsweise prallt natürlich die Kritik der feministischen Linguistik, wonach das generische Maskulin gesellschaftlich bedingt ist, ab. Solche Argumente können aber nicht widerlegen, dass das generische Maskulinum eine benachteiligende Wirkung hat. Das beweisen auch empirische Untersuchungen, von denen einige in dieser Arbeit vorgestellt werden. Obwohl bei einigen von ihnen der Versuchsaufbau gewisse Schwächen aufweist, bestätigen sie die Annahmen der Feministinnen im Grossen und Ganzen und erbringen den Beweis für die benachteiligende Wirkung des generischen Maskulinums. Die Versuche «bestätigen aber auch, dass es sich ‹nur› um eine Verstärkungswirkung handelt, da selbst eindeutig geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen die Hörer dazu veranlassten, in erster Linie an Männer zu denken» (270). Für die Praxis der geschlechtsneutralen Formulierung bedeutet diese Erkenntnis also, dass man wenn immer möglich Paarformen brauchen sollte: Die Lehrerin oder der Lehrer wäre besser als die Lehrkraft. Paarformen bereiten allerdings Mühe, wenn Personenbezeichnungen gehäuft vorkommen: Die Kommission besteht aus einer Präsidentin oder einem Präsidenten, einer Vizepräsidentin oder einem Vizepräsidenten, einer Sekretärin oder einem Sekretär . . . Ferner wird im Deutschen die Formulierung schwerfällig, wenn die Personenbezeichnungen noch mit einem Relativsatz näher ausgeführt werden: Die Lehrerin oder der Lehrer, die oder der mehr als fünf Dienstjahre hat. . . Bei diesem Problem kann man sich aber im Deutschen die Aufhebung der Genusdifferenzierung im Plural zunutze machen: Die Leh- 262 Besprechungen - Comptes rendus rerinnen und Lehrer, die mehr als fünf Dienstjahre haben . . . Ein weiteres Problem bei der geschlechtsneutralen Formulierung mit Paarformen besteht darin, dass oft eine gleichwertige weibliche, seltener männliche Bezeichnung nicht zur Verfügung steht. So ist das weibliche Gegenstück zum Lehrling die Lehrtochter, aber letztere Bezeichnung hat veraltende Konnotationen, so dass man doch eher auf Auszubildende ausweicht. Ein ganz besonderes Problem dieser Art ergibt sich im schweizerischen Kanton Freiburg, weil dort der Regierungsstatthalter (im Verwaltungsbezirk) hochdeutsch Oberamtmann, dialektal Oberammä heißt. Logischerweise müsste das weibliche Gegenstück Oberamtfrau heißen, was in der Hochsprache durchaus akzeptabel ist, aber was macht man im Dialekt daraus? Umgekehrt ist es schwierig, eine männliche Bezeichnung für Hebamme zu finden: Geburtshelfer ist schon besetzt als deutsche Übersetzung von Französisch obstétricien (Arzt, der bei der Geburt assistiert). Man kommt deshalb nicht immer um geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen herum, auch wenn sich die Mehrheit der Leser und Hörer dahinter einen Mann vorstellt. Um zur Arbeit von Brigitte Schwarze zurückzukommen, kann man sagen, dass sie ihr Ziel erreicht hat. Sie macht zunächst den Leser auf die besondere Stellung der Kategorie Genus aufmerksam. Es wird ihm vor Augen geführt, was diese Kategorie syntaktisch und semantisch leisten kann. In allen Teilen der Arbeit gibt die Autorin einen Überblick über den neusten Forschungsstand und zeigt auf, wo noch Forschungsbedarf besteht. Eine reichhaltige Bibliografie am Schluss des Buches rundet die Untersuchung von Brigitte Schwarze ab. Andreas Schor Italoromania Michela Russo, La metafonia napoletana: evoluzione e funzionamento sincronico, presentazioni di Max Pfister e Patrick Sauzet, Bern (Peter Lang) 2007, xxv + 469 p. Il napoletano è una delle varietà più studiate e meglio conosciute dell’àmbito linguistico italoromanzo 1 ; nel córso degli anni sono state approntate numerose edizioni 2 e ad esso sono stati dedicati vari dizionari e studi specifici 3 . Mancava tuttavia, sebbene si annoverino diversi contributi, una trattazione complessiva e organica su un fenomeno fono-morfologico caratterizzante questo idioma: la cosiddetta metafonia o metafonesi napoletana 4 . 263 Besprechungen - Comptes rendus 1 Su questo aspetto cf. R. Coluccia, «Migliorini e la storia linguistica del Mezzogiorno (con una postilla sulla antica poesia italiana in caratteri ebraici e in caratteri greci)», in: M. Santipolo/ M. Viale (ed.), Bruno Migliorini, l’uomo e il linguista (Rovigo 1896-Firenze 1975), Rovigo 2009: 183- 222 [in stampa anche in SLI 35 (2009)]. 2 Per le più recenti e affidabili cf. l’elenco fornito da M. Pfister nella Prefazione (9-10; le edizioni sono citate a p. 9) a M. Aprile (ed.), Giovanni Brancati traduttore di Vegezio. Edizione e spoglio lessicale del ms. Vat. Ross. 531, Galatina (LE) 2001, cui è da aggiungere M. Barbato (ed.), Il libro VIII del Plinio napoletano di Giovanni Brancati, Napoli 2001 (volume edito successivamente alla stesura dell’elenco). 3 Queste positive condizioni hanno consentito l’allestimento, impossibile per molte altre aree dialettali proprio a causa della carenza della documentazione di base, di una importante sintesi: A. Ledgeway, Grammatica diacronica del napoletano, Tübingen 2009 (in questo manuale non si cita il volume di M. Russo né si fa riferimento alla nuova interpretazione della metafonia in esso esposta). 4 Per metafonia napoletana si intende tradizionalmente la chiusura fonetica di / e/ tonica e / o/ tonica in [i] e [u] e il dittongamento (sia in sillaba libera, sia in sillaba chiusa) di / ε/ tonica e / ɔ/ tonica in [je] e [wo] per effetto delle vocali alte / i/ o / u/ atone in posizione finale (cf. almeno G. Rohlfs, Grammatica storica dell’italiano e dei suoi dialetti, 3 vol., Torino 1966-69: I, § 61, 79, 101 e 123 e A. Ledgeway 2009: § 2.2.2.).
