Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniCarlo Enrico Roggia, Le frasi scisse in italiano. Struttura informativa e funzioni discorsive, Genève (Slatkine) 2009, 189 p.
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Martina Nicklaus
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Carlo Enrico Roggia, Le frasi scisse in italiano. Struttura informativa e funzioni discorsive, Genève (Slatkine) 2009, 189 p. Beim Blick auf die Bibliographie des vorliegenden Bands fällt der hohe Anteil nichtselbständiger Publikationen zum Thema frasi scisse auf: Eine veritable Gesamtdarstellung für das Italienische, vergleichbar mit Collins 1991 1 für die cleft sentences, liegt nicht vor. Roggias Studie könnte helfen, diese Lücke zu schließen. Auf der Basis repräsentativen Korpusmaterials (für die Zusammenstellung der 650 Belege wurden das C-ORAL-ROM, das LIP sowie ein Korpus zum gesprochenen Italienisch, LISUL, ausgewertet) gelingt Roggia eine Gesamtschau der Problematik, verknüpft mit einem guten Forschungsüberblick, sowie schließlich eine neue Funktionsbestimmung. Roggia versteht seine Arbeit empirisch und deskriptiv (Einleitung, 8), er geht sogar soweit, die Theorie den zu analysierenden Belegen unterzuordnen, d. h., je nach Typ von Costruzione Scissa (Roggias Großschreibung der Termini wird im weiteren übernommen) unterschiedliche theoretische Beschreibungsansätze zu erlauben. Ein Rückgriff auf die Construction Grammar 2 ist ebenso möglich wie auf textlinguistische 3 und pragmatische Analysen. Dieser vom Autor selbst zugegebene «Eklektizismus» (8) stört im ersten und zweiten Teil noch nicht: «Frasi Scisse, Costruzioni Scisse, Costruzioni ‹Rivestite›» (13-68) und «Le Frasi Scisse nell’italiano contemporaneo» (69-82). Hier werden im Rahmen einer feinmaschigen Typologie alle relevanten Befunde sowie die gemischte Belegbasis der Studie präsentiert. Roggias theoretisches Instrumentarium wird erst im dritten Teil entwickelt («Struttura informativa delle Frasi Scisse», 83-128) und kommt schließlich im vierten Teil zum Einsatz: «Frasi Scisse e discorso» (129-62). De facto liefert Roggia jedoch entscheidende theoretische Prämissen (Unterscheidung dato-nuovo) im 4. Kapitel nach. Es folgen die «Conclusioni» (163-67), die Belegquellen (169s.), die Bibliographie (171-79) und ein äußerst nützlicher «Indice analitico» (181-85). Im ersten Teil durchleuchtet der Autor systematisch und im Rückgriff auf Forschungsergebnisse schon bestehender Studien alle in formaler Hinsicht unterscheidbaren Typen von Costruzioni Scisse, darunter auch mehrere Ausprägungen der Frase Scissa. Bei den Frasi Scisse wird grundsätzlich der Hauptsatz mit einer Form von essere eingeleitet, bei anderen Spaltkonstruktionen (z. B. Costruzioni Scisse interrogative: «Quanto è che non vedi Maria? », 52s.) muss dies nicht der Fall sein. An die formale Einteilung der Costruzioni Scisse legt Roggia semantische und informationelle Kriterien an und kommt schließlich zu einer gemischten Typologie (cf. 20), in der Frasi Scisse, wie «È la nebbia che mi fa paura» als «dichiarative, identificative» charakterisiert sind. Für sie gilt: «L’esito è appunto quello dell’identificazione di un elemento all’interno di un paradigma di alternative evocato dalla subordinata.» (23). Im zweiten Teil schränkt Roggia seinen Objektbereich auf die Frasi Scisse (ohne die temporalen) ein und stellt seine Belegbasis vor. Hier werden auch erste numerische Befunde zur Distribution der Typen geliefert. So lässt sich etwa keine signifikante diaphasisch, diamesisch oder diatopisch begründbare Variation feststellen. Hinsichtlich der syntaktischen Funktion der abgespaltenen Konstituente wiederum zeigt sich über das gesamte Korpus eine deutliche Tendenz zur Subjektfunktion. Etwas erstaunlich bleibt die gewissermaßen klassische Zusammensetzung des Korpus aus geschriebenen (Print-Journalismus) und ge- 287 Besprechungen - Comptes rendus 1 P. C. Collins, Cleft and Pseudo-Cleft Constructions in English, London 1991. 2 Verf. favorisiert die Arbeiten von K. Lambrecht, z. B. Information Structure and Sentence form. Topic, Focus and the Mental Representation of Discourse Referents, Cambridge 1994. 3 Im Zentrum steht das Modell von A. Ferrari et al. (ed.), L’interfaccia lingua-testo, Alessandria 2008. sprochenen Belegen: es fehlen belletristische Belege sowie Beispiele des sogenannten italiano digitato, des Italienisch der elektronischen Medien. Der dritte Teil des Bandes liefert, wie nachträglich in den «Conclusioni» festgestellt wird, den «nucleo dell’argomentazione» (163). In der Tat, hier versucht Roggia die funktionale Konstante der Frasi Scisse herauszuarbeiten um im folgenden Kapitel deren Ausnutzung im Diskurs darzustellen. Geklärt werden muss für die funktionale Einordnung die Rolle von Präsuppositionen (85-95), sowie die Zuweisung der Funktionen Fokus (95-115) und Topic (116-28). Roggia unternimmt jeweils eine Begriffsbestimmung und bewertet im Anschluss die Frasi Scisse hinsichtlich des definierten Aspekts. So beschreibt er Präsupposition - in Ergänzung zur logisch-semantischen Definition - als eine bestimmte Relation zwischen Sprecher und Proposition; eine Präsupposition sei «un contenuto che il locutore giudica non controverso nella situazione comunicativa in atto» (87). Als präsupponiert gilt in Frasi Scisse der Inhalt des Nebensatzes; leicht nachvollziehbar im prototypischen Beispiel «È la nebbia che mi fa paura» (19): hier dürfte das Angstgefühl des Sprechers im Ko- oder Kontext präsent sein. Roggias Definition der Präsupposition umfasst aber auch solche Inhalte, die lediglich vom Sprecher als faktisch angenommen werden. Typisch didaktische Formulierungen wie «Fu nel corso del 1800 che Cantor e Dedekind introdussero il concetto di infinito attuale . . .» (92) sind ja gerade darauf angelegt, im Nebensatz Inhalte zu vermitteln, die keinesfalls kognitiv aktiv sind, sondern für den Rezipienten vollkommen neu, somit von höchster informativer Dynamik («il dinamismo della subordinata è massimo», 94). Dank Roggias erweitertem Präsuppositionsbegriff kann solchen «neuen» Inhalten problemlos die Rolle der Präsupposition zugewiesen werden. Anders als bei der Präsupposition bleibt Roggia bei der Abgrenzung des Begriffs «Fokus» unscharf. Er versucht vielmehr nahe an den Belegen zu argumentieren und «le caratteristische semantico-pragmatiche dello specifico tipo di focus coinvolto nelle FS» (96, FS = Frasi Scisse) zu beschreiben. Somit operiert Roggia mit der Benennung «Fokus» ohne eine präzise Definition geliefert zu haben oder ohne sich eindeutig für einen den zitierten Ansätze (darunter die von Halliday und Jackendoff 4 ) entschieden zu haben. Anstatt einer allgemeingültigen («omnicomprensiva», 96) Definition stellt Roggia zunächst die drei zentralen semantisch-pragmatischen Eigenschaften beim Fokus der Frasi Scisse heraus (cf. 96): der Fokus ist nicht variabel, sondern liegt auf der abgespaltenen Konstituente, er steht einem präsupponierten Inhalt gegenüber und füllt eine Leerstelle innerhalb der gesamten Proposition. Die formalen Eigenschaften wiederum waren bereits Gegenstand des ersten Kapitels, Roggia ergänzt hier nur eine Kurz-Beschreibung konkurrierender formaler Strategien zur Fokalisierung, etwa die syntaktische des end-focus. Interessanterweise lässt sich diese syntaktische Strategie zur Fokussierung sogar gut mit der Strategie der Spaltung verknüpfen, so dass eine Konstruktion mit zwei Foki enstehen kann: «È solo grazie ad un errore difensivo che abbiamo vinto noi» (110). Der Hauptfokus freilich liegt auf dem abgespaltenen Element, nur eine Frage nach diesem Element kann dem Satz vorausgehen (cf. 111). Trotz einer im Einzelnen bestechenden argumentativen Schärfe und trotz seiner mit Forschungsergebnissen gut gestützten Beobachtungen lässt Roggia den Leser mit leichter Verunsicherung zurück; der bewusst gewählte Eklektizismus ohne Zuspitzung auf eine verbindliche funktionale Definition wirkt sich hier, im Zusammenhang mit «Fokus», eher negativ aus. 288 Besprechungen - Comptes rendus 4 M. A. K. Halliday, «Notes on transitivity and theme in English. Part 2», Journal of Linguistics 3 (1967); R. S. Jackendoff, «Focus and Presupposition», in: id., Semantic Interpretation in Generative Grammar, Cambridge (Mass.) 1972: 229-78. Wesentlich eindeutiger umreißt Roggia die Funktion «Topic». Gerade weil sich im Zusammenhang mit Thema/ Topic und Rhema/ Comment «quella tipica instabilità concettuale e semantica delle categorie pramalinguistiche» (116) manifestiert, scheint die Vorgabe einer endgültigen Begriffsbestimmung mehr als erforderlich. Roggia stützt sich hier auf die Relation der «aboutness» (117), die das Topic als jenen textuellen Referenten identifiziert, über den, nicht zuletzt, damit die Kommunikation überhaupt weiterläuft, zusätzliche Information geliefert wird. Missverständlich erscheint hier die Wahl des Ausdrucks «referente»: abgedeckt wird damit nämlich jede «rappresentazione mentale di un’entità . . . che si assume condivisa da chi parla ed ascolta» (117), also nicht unbedingt ein Sachverhalt, auf den im Kotext referiert worden ist. Eine stabile Zuweisung der Funktion Topic für eine Position innerhalb der Frasi Scisse schließt Roggia aus, zu sehr hängt diese Funktion auch von textexterne Variablen ab (cf. 125). Wie die Strategie der scissione schließlich im Diskurs genutzt wird, arbeitet Roggia im letzten Teil seiner Studie heraus. Dafür erweitert er sein theoretisches Handwerkszeug um die sprechaktbasierte Feineinteilung sprachlicher Äußerungen in kleinste Handlungseinheiten von Ferrari 2008 (cf. N2). So wird etwa als Nucleo einer Äußerung das Segment definiert, von dem die illokutionäre Kraft ausgeht und das erfragt werden kann; ein Fokus kann nur - wenig überraschend - Teil dieses Kerns sein (132). Interessant wird dieser Ansatz für die Identifizierung des Haupt-Fokus bei Äußerungen, die mehrere Fokus-Marker beinhalten, was im realen Diskurs keine Seltenheit ist: «Dato che era Matteo ad esser stato invitato, fu lui [Haupt-Fokus, M. N.] a scusarsi, anche se il disastro l’aveva combinato Giovanni.» (134). Überraschenderweise greift Roggia im Folgenden diesen Ansatz praktisch nicht mehr auf. Hauptziel seiner Analyse ist die Beschreibung des «tipo di lavoro discorsivo che la costruzione nel suo insieme è chiamata a svolgere all’interno di testi scritti e orali» (139) - und dies sei, so Roggias These, bestimmbar über die Beziehungen, die von den zwei Teilen einer Frase Scissa jeweils mit dem Kotext etabliert werden (cf. 139). Hierfür müssen die Größen dato/ nuovo, mit den Abstufungen inferibile (von Kotext implizit vorgegeben) und attivo (kognitiv aktiv) definiert werden. Erstaunlicherweise («risultato . . . in parte inatteso», 142) verfügt der weitaus größte Anteil aller Beispiele von Frasi Scisse, und zwar gleichermaßen in gesprochenen und geschriebenen Texten (cf. 160) über einen «Focus dato» oder wenigstens «inferibile», d. h. über einen Focus mit anaphorischem Charakter (64 %), lediglich in 16,9 % der Fälle liegt ein «Focus nuovo non ancorato» vor (cf. 142). Die Funktion des präferierten Focus dato ist, besonders in distanzsprachlichen Texten eine primär metatextuelle: das Bestätigen der Relevanz vorher eingeführter referenti für den weiteren Text («una giustificazione della pertinenza testuale di tale elemento», 146). Während die Information im fokussierten Segment also tendenziell eine schon gegebene ist, folgt im Nebensatz meist eine Information, die für sich genommen zwar neu ist, deren Präsupposition jedoch aus dem Kotext hergeleitet werden kann: «il presupposto non è quindi dato, ma implicato o almeno garantito dal cotesto» (152). Somit zeigt ein Großteil der Frasi scisse eine informationelle Struktur, die nicht von der unmarkierten abweicht und gleichzeitig besondere textkohärenzstiftende Effekte hervorruft, wie Roggia resümiert (159). Für Kohärenz mit der Gesprächssituation dagegen sorgen die Frasi Scisse mit einem focus dato in der «interazione conversazionale»: doppelt so häufig wie in geschriebenen Texten finden sich in den Belegen gesprochener Sprache deiktische, pronominale Elemente als focus dato, sowie im Nebensatz metadiskursiver Inhalt, wie z. B. in «è questo che voglio dire io» (161). Die gesamte Konstruktion verweist somit auf die Konversation selbst. Nachvollziehbares Hauptfazit aus Roggias Studie: Im Vergleich zu anderen Fokalisierungsstrategien (etwa end-focus) verfügt die Frase Scissa durch ihre strukturelle Komplexität über eine «funzionalità testuale più ricca e articolata» (166). Ein Ausnutzen all dieser 289 Besprechungen - Comptes rendus Möglichkeiten erfordert Planung - die Frasi Scisse sind somit tendenziell eine distanzsprachliche Strategie. Formal weist der vorliegende Band keine Mängel auf. Lediglich die fehlenden Seitenangaben im Inhaltsverzeichnis zum Beginn der vier Teile ist ungünstig. Der etwas unbekümmerte Umgang mit Übersetzungen von Standardwerken irritiert: So wird z. B. Levinson wörtlich aus der it. Übersetzung von Pragmatics zitiert (9) und nur die Übersetzung ist in der Bibliographie aufgeführt; ebenso verfährt Roggia mit Hallidays Spoken and Written Language. Nicht ganz so unproblematisch, wie es Roggia sieht, scheint der Rezensentin das Anführen von italienischen, nicht originalsprachlichen, sondern übersetzten Beispielen (cf. 94) zur Beschreibung informationeller Gegebenheiten. Wie sehr die vom Übersetzer gewählten Strukturen von den ausgangssprachlichen Strukturen beeinflusst und somit nicht mehr beispielhaft für muttersprachliche Formulierungen sind, lässt sich nicht überprüfen. Trotz dieser vergleichsweise geringen Defizite bleibt Roggias Studie ein besonders wegen seiner umfassenden deskriptiven Erfassung bedeutsamer Beitrag im Rahmen der Erforschung der Spaltkonstruktionen im Italienischen. Martina Nicklaus ★ Maria Tikka, Manifestarsi plurilingui a tavola. La commutazione di codice di una famiglia italo-svedese, Stockholm (Stockholms universitet) 2009, 194 p. (Forskiningsrapporter / Cahiers de la Recherche 40) Il volume illustra la tesi di dottorato dell’autrice presso l’Università di Stoccolma, ed è dedicato ad un tema, la commutazione di codice, che ha goduto di sempre maggiore attenzione in sociolinguistica a partire dagli anni Ottanta, e che ha portato numerosi analisti della conversazione ad esaminare il plurilinguismo da una prospettiva interazionale. È questo l’approccio che anche Maria Tikka segue nella sua ricerca, in cui analizza nel dettaglio un singolo evento comunicativo, un pranzo di Natale di una famiglia italo-svedese residente in Svezia, concentrandosi in particolare sulle funzioni interazionali e identitarie del parlato plurilingue. La prima parte del volume (capitoli 2-4) fornisce una panoramica di approcci al plurilinguismo, soffermandosi sul fenomeno della commutazione di codice e approfondendone la caratterizzazione fornita da John Gumperz e successivamente ampliata nell’approccio di Peter Auer, che l’autrice prende come riferimento principale per la propria analisi. Orientandosi all’analisi della conversazione di matrice etnometodologica, da cui Tikka attinge le nozioni di recipient design, membership categorization analysis e una visione dell’interazione come co-costruzione, l’autrice fa inoltre riferimento a lavori di impianto conversazionale che hanno esplorato il tema dell’identità in interazione, considerandola come oggetto di negoziazione in contesto, e mostrandone l’articolazione sul piano discorsivo, situazionale e categoriale. Nella seconda parte del volume Tikka ci conduce nel vivo della ricerca, che si basa su registrazioni audio dell’evento considerato e su questionari sociolinguistici somministrati ai partecipanti, che affiancano l’analisi conversazionale. Tanto lo scambio comunicativo quanto la costellazione dei partecipanti costituiscono motivo d’interesse per lo studio presentato. Il dinner talk costituisce infatti un terreno ideale per esplorare la questione dell’identità per parlanti plurilingui in contesti migratori (si vedano ad es. Blum Kulka 1997, Ciliberti 2007, Pasquandrea 2008); la presenza di otto partecipanti (nonni, figli e coniugi, nipoti) con repertori linguistici differenziati che coinvolgono un dialetto ligure, l’italiano, lo svedese e l’arabo, permette inoltre di esaminare le modalità in cui tali repertori possono diventare 290 Besprechungen - Comptes rendus
