Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniWalter De Bibbesworth, Le Tretiz, from Ms.G (Cambridge University Library Gg. 1.1) and Ms. T (Trinity College, Cambridge 0.2.21) together with two Anglo-French poems in praise of women (British Library, Ms. Additional 46919), ed. William Rothwell, Aberystwyth (The Anglo-Norman On-Line Hub) 2009, ix + 109 p.
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Arnold Arens
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los anteriores - con el fin de señalar los aportes más sustanciales al desarrollo de uno de los universos literarios más singulares del mundo occidental. Fernando Gómez Redondo ★ Walter De Bibbesworth, Le Tretiz, from Ms. G (Cambridge University Library Gg. 1.1) and Ms. T (Trinity College, Cambridge 0.2.21) together with two Anglo-French poems in praise of women (British Library, Ms. Additional 46919), ed. William Rothwell, Aberystwyth (The Anglo-Norman On-Line Hub) 2009, ix + 109 p. Der Traktat des Walter de Bibbesworth stammt aus den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Er wurde wahrscheinlich in den Jahren zwischen 1280 und 1290 geschrieben. Über den Autor sind wir nur unzureichend informiert. Er war ein Adeliger, der die Landgüter Bibbesworth in Hertfordshire und Salton sowie in Latton und Waltham in dem benachbarten Essex besaß. Wie sich aus seinem Werk ergibt, war Walter, der offenbar «originally of French extraction» 1 war, zweisprachig aufgewachsen, obwohl ihm im Gebrauch des Anglonormannischen «the elementary grammatical knowledge of French» 2 fehlte. Der Autor stand in freundschaftlichem Kontakt mit Dionysia de Munchensi, die einer angesehenen Familie in Essex entstammte. Neben dem Traktat hat Walter noch ein im anglonormannischen Dialekt abgefasstes kürzeres Streitgedicht hinterlassen, in dem er vergeblich den Grafen von Lincoln und Salisbury auffordert, am Kreuzzug teilzunehmen, wie er es gelobt hatte, und sich nicht durch eine Liebschaft fesseln zu lassen. Außerdem sollen aus seiner Feder noch zwei kleinere ebenfalls im Anglonormannischen geschriebene Poesien stammen, die hier im Anhang ediert werden (95-109). Die erste Dichtung enthält ein Loblied auf die Jungfrau Maria, die zweite ist ein Lobpreis der Frau generell. Wie im Prolog des Traktats zu lesen ist, schrieb Walter den Traktat im Auftrag der Dionysia von Munchensi. «she must have been aware of the threat to its (= the presence of the French voice in the practice of English agriculture) future continuation in that role in face of the riding tide of English» 3 . Denn das Werk entstand in einer Zeit «of a changing linguistic situation in England» 4 . Die Sprache der normannischen Eroberer wurde mehr und mehr durch die Verbreitung des Mittelenglischen zurückgedrängt 5 . Mit seinem Werk sollte Walter die zukünftige Generation der adeligen Gutsherren, die in einer anwachsenden englischen Umgebung aufwuchs, dazu befähigen, die von ihr zu erbenden Güter in französischer Sprache zu verwalten. Konkret heißt es im Prolog der Handschrift G, dass es das Ziel sei, dem Heranwachsenden «tut le fraunceis cum il encurt en age e en estate de husbondrie e manaungerie» zu vermitteln. Damit wird deutlich, dass der Traktat den Akzent auf die Vermittlung des französischen Vokabulars, speziell des Vokabulars des landwirtschaftlichen 325 Besprechungen - Comptes rendus 1 W. Rothwell, «Anglo-French in rural England in the later thirteenth century. Walter of Bibbesworth’s Tretiz and the Agricultural Treatises», VR 67 (2008): 126. 2 Id.: 102. 3 Id.: 129. 4 W. Rothwell, «A mis-jugded author and a mis-jused text. Walter de Bibbesworth and his ‘Tretiz’, MLR 77 (1982): 282. 5 Das bedeutet allerdings nicht, wie noch A. Owen, Le Traité de Walter de Bibbesworth sur la langue française. Texte publié avec introduction et glossaire, Paris 1929: 7 glaubte, dass das Anglonormannische «fut réduit à un simple jargon». Die Sprache der Eroberer blieb vielmehr bis Anfang des 15. Jahrhunderts in England Prestigesprache und offizielle Sprache der Administration. Cf. R. Ingham (ed.), The Anglo-Norman and its Contexts, York (Medieval Press) 2010. Sektors, legt. Er ist somit der Gattung der Nominalia zuzuordnen. Dabei ist es natürlich auch denkbar, dass Dionysia von Munchensi das Werk in Auftrag gab, um eine Handreichung für die Erziehung ihrer wahrscheinlich 1280 geborenen Enkeltochter Dionysia zu erhalten. Angesichts der linguistischen Situation Englands zur Entstehungszeit des Traktats ist auch verständlich, dass dieser mit mittelenglischen Glossen versehen ist, wie dies auch im Prolog des Manuskripts G angezeigt wird: «tut dis troverez vous primes le franceis e puis le engleise amount». Diese sind besonders ausführlich in der Handschrift O vorzufinden, während sie in 5 nahezu völlig fehlen und in B 6 nur spärlich vorhanden sind. Der konkrete Inhalt des Traktats, der in der Handschrift G einen Umfang von 1140 paarweise gereimten Versen hat und in Manuskript T insgesamt 839 Verse gleicher Reimanordnung umfasst und den der Prolog der Handschrift G in summarischer Form wiedergibt, beginnt mit der Schilderung der Geburt und der Pflege des Kindes, um dann alle Teile des menschlichen Körpers, die Bekleidung und die Ernährung zu thematisieren. Sodann werden die verschiedenen Namen und Stimmen der Vögel und der Tiere angeführt, die ein Kind kennen muss. Anschließend werden besonders ausführlich die vielfältigen Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Betrieb (Backen des Brotes, Brechen des Flachses, Weben des Leinen, Brauen des Biers, Fischen) und an späterer Stelle die verschiedenen landwirtschaftlichen Geräte (Pflug, Wagen) sowie auch der Bau eines Hauses und die Bienenzucht dargestellt. Die Abhandlung schließt mit der detaillierten Schilderung eines Festmahls, wobei alles (selbst die Art des Service sowie die Zusammenstellung des Menus) bis ins Detail behandelt wird. Wie die Inhaltsangabe zeigt, weist das Werk keine streng logische Anordnung des Stoffes auf, die offenbar von Walter auch nicht gewollt war. Die Darlegungen werden im Plauderton geboten, in die auch hier und da kleine Scherze und Rätsel eingeflochten sind. Damit steht «(d)iese anregende, dulce cum utili verbindende Unterrichtsweise Walters einzigartig unter allen französischen Sprachlehren da» 7 . Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass der Traktat sich wohl als Handbuch im häuslichen Bereich bei seinen Zeitgenossen einer grossen Beliebtheit erfreute. «Walters Traktat (war) in allen Gegenden Englands, in Ost und West, in Nord und Süd, verbreitet und weit über ein Jahrhundert . . . als Lehrbuch des Französischen . . . beliebt» 8 . Dies ergibt sich allein aus der ungewöhnlich großen Zahl von insgesamt 17 erhaltenen Handschriften 9 , von denen einige jedoch nur fragmentarisch sind. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass der Traktat «survives in two principal recensions: the shorter (of 850 ll.) is introduced by a brief letter addressed ‹Chere sœur› which alludes to the lady’s request that the treatise be prepared for her children; the longer (1140 ll.) has a prose prologue . . . which identifies the author as ‹Gautier de Bibbesweth› and the lady as ‹Dyonise de Montechensi›» 10 . 326 Besprechungen - Comptes rendus 6 Die Siglenangaben beziehen sich hier wie auch fortan auf A. Owen: 30-40, die 14 ihr bekannte Handschriften anführt. Auch J. Koch, «Der anglonormannische Traktat des Walter von Bibbesworth in seiner Bedeutung für die Anglistik», Anglia 58 (1934): 43-7 nennt 14 Manuskripte, gibt diesen aber von A. Owen vollkommen abweichende Siglen. 7 J. Koch: 34. 8 Id.: 58. 9 Diese Zahl an Manuskripten wird aufgelistet von R. J. Dean/ M. Boulton, Anglo-Norman Literature. A Guide to Texts and Manuscripts, London 1999, n o 285, während A. Owen und J. Koch noch 14 Manuskripte anführten. 10 R. J. Dean/ M. Boulton: 185. Ähnlich auch A. Owen: 32: «Il y a deux familles représentées, l’une par le ms. T et l’autre par G.» Allerdings zieht Owen, 32-5 aus dieser Feststellung die Schlussfolgerung, dass Manuskript T die für seine Auftraggeberin bestimmte Version, Handschrift G hingegen die für ein breiteres Publikum vorgesehene und wesentlich verbesserte Version enthalte. Die Untragbarkeit dieser These wurde inzwischen überzeugend von W. Rothwell (2008): 106-9 nachgewiesen. Der Traktat ist eine bedeutende kulturgeschichtliche Quelle «pour l’étude des mœurs de la société de Walter de Bibbesworth» 11 ; er gibt ausführlich Auskunft über die Sitten und Gebräuche des 13. Jahrhunderts sowie über das Leben der Gutsherren im östlichen Mittelengland zur damaligen Zeit. Außerdem ist er eine wichtige Quelle für die sprachwissenschaftliche Forschung der Romanistik und der Anglistik. Darum darf es nicht verwundern, dass er seit schon mehr als 150 Jahren in Texteditionen zugänglich gemacht wurde. Am Anfang stand T. Wright, der bereits 1857 eine vollständige Ausgabe des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Manuskripts A (London, British Museum, Arundel 220) vorlegte und dessen Lesarten mit denen der Handschrift 8 verglich 12 . Abgesehen davon, dass das Basismanuskript falsch ausgewählt wurde, ist auch die immer wieder festzustellende Unzuverlässigkeit dieser heute nur noch schwer zugänglichen Edition zu kritisieren. Dieselbe Feststellung gilt auch für die bereits angeführte Ausgabe von A. Owen, in der die Handschrift G (Cambridge University Library Gg. 1.1) als Basismanuskript herangezogen wurde. Immerhin hat Owen sich darum bemüht, die Lesarten und die Varianten der Glossen aller Handschriften zu verzeichnen. Außerdem versieht sie ihre Edition mit einer umfassenden Einleitung und einem ausführlichen Glossar. Wie aber W. Rothwell in seinem schon wiederholt zitierten Artikel aus dem Jahre 2008 dargelegt hat, handelt es sich um eine völlig unzuverlässige Ausgabe, die eine Vielzahl fehlerhafter bzw. falscher Lesarten und zahlreiche Mängel im Glossar enthält. Darum war es auch nur zu begrüßen, dass Rothwell 1990 eine erneute Ausgabe des Manuskripts G vorlegte 13 . Es handelt sich dabei allerdings nur um eine diplomatische Edition, welche die Lesarten der Handschrift an einigen wenigen Stellen verbessert, ohne dass dies in einem textkritischen Apparat verzeichnet wäre. Eine Einleitung, Fußnoten und ein Glossar fehlen ebenfalls. Die hier anzuzeigende Textausgabe Rothwells aus dem Jahre 2009 ist ebenfalls eine diplomatische Ausgabe, verbessert die Edition des Jahres 1990 aber in entscheidenden Punkten. Zum einen wird hier der Text der Handschrift G um den des Manuskripts T - wie bereits ausgeführt, enthalten diese zwei Manuskripte ja den Prototyp der zwei Textversionen - und der zwei Lobgesänge auf die Frauen erweitert. Und zu allen vier Texten werden umfassende Fußnoten geboten, in denen die zurückgewiesenen Lesarten der Manuskripte und lexikalische Kommentare zu altfranzösischen sowie auch zu mittelenglischen Wörtern der Texte verzeichnet sind. Es wird dem Leser allerdings nicht mitgeteilt, was durch den Kursivdruck sowie die Setzung runder wie auch eckiger Klammern in der Textedition angezeigt werden soll. Auf jeden Fall ist es zu begrüßen, dass die Texte der bedeutsamen Handschriften G und T hier erstmalig zusammen von einem ausgewiesenen Fachmann des Anglonormannischen in insgesamt überzeugender Weise ediert werden. Und positiv hervorzuheben ist auch, dass die zwei Lobgesänge auf die Frau in einer neueren Ausgabe zugänglich gemacht werden, wobei das Loblied auf die Jungfrau Maria hier sogar erstmalig ediert wird. Für die weitere wissenschaftliche Arbeit ist es aber mit Rothwells eigenen Worten notwendig, dass «the diversity of their (= manuscripts) French versions and their Middle English glosses (are) set out in full» 14 . So bleibt weiterhin zu hoffen, «that editions of other Bibbesworth manuscripts will follow» (vii). Ein guter Anfang ist auf jeden Fall schon gemacht 15 . Arnold Arens ★ 327 Besprechungen - Comptes rendus 11 A. Owen: 20. 12 «The Treatise of Walter de Bibbesworth», in: T. Wright, A Volume of Vocabularies, London 1857: 142-74. 13 Walter de Bibbesworth, Le Tretiz, London 1990 (Anglo-Norman Text Society 6). 14 W. Rothwell (2008): 109. 15 Für wertvolle Hinweise bei der Abfassung dieser Besprechung danke ich A. Kristol.