Vox Romanica
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Francke Verlag Tübingen
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Kristol De StefaniDelphine Dalens-Marekovic (ed.), Enfances Renier. Chanson de geste du XIIIe siècle, Paris (Champion) 2009, 1239 p. (CFMA 160)
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Arnold Arens
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La troisième partie (55-98) de l’introduction au Bestiaire permet à C. Baker de faire l’histoire de la tradition manuscrite de l’œuvre, actuellement disponible par cinq copies complètes 2 et un fragment 3 . En étudiant l’organisation des chapitres ainsi que les fautes communes aux différents manuscrits, l’éditeur parvient à la constitution d’un stemma qui indique une claire divergence entre le recueil de l’Arsenal (probablement exécuté en Artois vers 1267/ 68) et les autres représentants de la tradition. C’est d’ailleurs ce manuscrit précis qui sert de base à C. Baker pour son édition, comme il s’en explique dans la quatrième partie de son introduction (99-126): «Non seulement il est le manuscrit le plus ancien de la version longue du Bestiaire, mais encore il contient moins de fautes grossières que les autres témoins, conserve plus souvent les traces de l’origine des fautes, et montre une plus grande fidélité aux leçons originelles» (103). La langue du copiste se rattache à la scripta de l’ancien français commun, mais présente un certain nombre de particularismes de la zone picarde. L’édition de la version longue du Bestiaire est accompagnée d’une bibliographie et d’un appareil critique (variantes, notes, index) extrêmement étendus. Philippe Simon ★ Delphine Dalens-Marekovic (ed.), Enfances Renier. Chanson de geste du XIII e siècle, Paris (Champion) 2009, 1239 p. (CFMA 160) Das hier edierte monumentale Epos wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von einem anonymen Autor geschrieben. Es umfasst in dieser Ausgabe 20’065 Zehnsilbler, die in 746 jeweils auf einen einzigen Reim ausgehende Laissen von unterschiedlicher Länge gegliedert sind. Ebenso wie die erste Herausgeberin C. Cremonesi 1 mit Bezug auf v. 2044 das Werk erstmalig Enfances Renier (= ER 2 ) bezeichnete, hat Dalens-Marekovic der chanson, die bis 1957 in der Forschungsliteratur stets nur Renier benannt wurde, den Titel Enfances Renier gegeben, der inzwischen allgemein gebräuchlich ist. Dabei stellt das Epos aber nur in einem Teil seines Recit die Ausbildung des Helden bis zu seinem Aufstieg zur ritterlichen Würde dar; insgesamt wird vielmehr das gesamte Schicksal Reniers ab seiner Geburt aufgezeigt. Inhaltlich nämlich «(l)es ER opèrent la jonction entre le cycle de Guillaume qu’elles achèvent et le premier Cycle de la Criosade, [sic! ] qu’elles fondent» (63). Das Epos wird eröffnet mit der Darstellung von Reniers Geburt, eines Nachkommen des Guillaume d’Orange. Renier wird als Sohn von Maillefer und Florentine geboren; sein Großvater väterlicherseits ist also der aus dem Cycle de Guillaume d’Orange bestens bekannte Rainouart au Tinel. Schon unmittelbar nach seiner Geburt statten drei Patenfeen den Neugeborenen, der als Zeichen seiner zukünftigen königlichen Würde auf der Schulter ein Kreuz 330 Besprechungen - Comptes rendus 2 Bruxelles, Bibliothèque Royale Albert I er , II.6978, fol. 22-62 v ; Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section de médecine, H. 437, fol. 195-250 v ; Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, 3516, fol. 198 v -212 v ; Collection privée, Virginie, États-Unis (ancien Cheltenham, Phillipps 6739), fol. 1-51 v ; Vatican, Biblioteca Apostolica, Reg. Lat. 1323, fol. 2-36. 3 Freiburg im Breisgau, Universitätsbibliothek 979. 1 Enfances Renier, canzone di gesta inedita del sec. XIII, Milano-Varese 1957. 2 Das Epos werden wir fortan stets unter Verwendung der Abkürzung ER anführen. Falls wir uns auf einen oder mehrere Verse dieser chanson beziehen, geben wir natürlich jeweils den/ die Vers(e) der hier anzuzeigenden Edition an. trägt (v. 17-18), mit außerordentlichen Fähigkeiten aus. Während sein Vater Maillefer gemeinsam mit Guillaume aufbricht, um die direkt am Mittelmeer gelegene Stadt Loquiferne (= Messina) den Sarazenen zu entreißen, wird Renier von dem Räuber und Magier Grymbert aus der Wiege entführt und an einen alten Kaufmann verkauft, der Brunamont, dem Emir von Venedig, jährlich einen neugeborenen Christen als Tribut liefern muss. Der Emir lässt Renier den Löwen vorwerfen, die ihn aber in wundersamer Weise verschonen. Daraufhin entschließt sich Ydoine, die Tochter des Emirs, Renier im Stillen zu erziehen. Als Renier eines Tages während eines Streits als Bastard bezeichnet wird, erbittet er von Ydoine Informationen über seine Herkunft, erhält von dieser aber keine Auskunft. Daraufhin bricht er zur Suche seiner Eltern auf trotz der Tränen Ydoines, die sich inzwischen in ihn verliebt hat. Es beginnt nun die abenteuerliche Reise des Helden durch die verschiedensten Orte und Länder. «Le poème raconte alors les interminables chassés-croisés qui amènent les païens à assiéger les villes chrétiennes, tandis que les chrétiens, de leur côté, s’en prennent aux cités païennes» 3 . Dabei liegen die Haupthandlungsorte im Bereich des östlichen Mittelmeers, wie etwa Morimont, Venedig, Rochéglise, Loquiferne = Messina, La Tour de Baudune, Portpaillart, Griechenland und Jerusalem. Stets erweist sich Renier als mutiger und immer siegreicher Kämpfer gegen die Sarazenen; zwei Mal befreit er Ydoine und ein Mal deren Mutter sowie ein Mal auch Maillefer aus den Händen der Feinde; er erobert sogar das Königreich Griechenland für dessen rechtmäßigen Herrscher Bauduïn zurück, das dessen Halbbruder Pierrus an sich gerissen hatte. Nachdem Renier alle Informationen über seine Herkunft zusammengetragen hat, lüftet er schließlich am Ende des im Manuskript erhaltenen Textes das Geheimnis seiner Abstammung, nämlich dass er der Sohn von Maillefer und Florentine ist. Renier heiratet Ydoine, die inzwischen Christin geworden ist, und zeugt mit ihr den Sohn Tancrède. Danach bricht er zu einer Pilgerfahrt ins hl. Land auf. «Le pèlerinage de Renier à Jérusalem préfigure la première Croisade» (63), wobei gerade sein Sohn Tancrède «un des héros de la première croisade (11563-70)» (62) sein wird. Wie sich aus der Darstellung des Inhalts ergibt, «l’auteur tend à substituer un nouvel art du récit multipliant les rebondissements et empruntant au roman le procédé de l’entrelacement. La structure épisodique de notre poème justifie l’appellation de chanson d’aventures» (127). Selbst M. Tyssens und J. Wathelet-Willem, die dem chanson «toute originalité et . . . toute inspiration épique véritable» 4 aberkennen, stellen über den Autor anerkennend fest, dass «(i)l conduit plusieurs récits, . . . sans rien oublier et sans perdre le fil des événements» 5 . Die ER wollen mehr unterhalten als erbauen. Darum schöpft der Dichter auch ausgiebig aus dem Bereich der Folklore, so dass hier eine «contamination romanesque» (129) gegeben ist. Eine richtige Bewertung dieses Werkes der Gattung der späteren chansons de geste, die ja lange Zeit aufgrund ihres späten Entstehungsdatums als minderwertig eingestuft wurde, darf dieses Epos nicht als Nachfolger der Epen des 12. Jahrhunderts beurteilen, sondern muss «son attrayante réincarnation» (130) beachten, die insbesondere durch «innovations romanesques» (130) gekennzeichnet ist. Der Text ist in nur einer einzigen wohl zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstandenen Handschrift erhalten, die in Paris aufbewahrt wird (BNP f.fr. 24370). Dieses Manuskript enthält insgesamt 16 Texte, die zum Cycle de Guillaume gehören. Die Handschrift, die offenbar von drei verschiedenen Kopisten erstellt wurde, ist in der literarischen Normalsprache mit «une discrète teinte picarde» (157) geschrieben. Insgesamt ist festzustellen, dass «la 331 Besprechungen - Comptes rendus 3 So F. Lecoy in seiner Rezension der Edition von C. Cremonesi in R 80 (1959): 534. 4 Grundriss der romanischen Literaturen des Mittelalters, vol. 3 «Les épopées romanes» t. 1/ 2: 77. 5 Ebenda. copie est globalement très satisfaisante: les ER ignorent les corruptions et les distorsions» (136). Bedauerlich ist allerdings, dass die ER am Ende des Recits «(sont) amputées a minima de cinq feuillets (environ 880 vers)» (138). Dieser Verlust ist um so gravierender, als es keine anderen literarischen Zeugnisse gibt, um den dénouement zu rekonstruieren. Jeder Versuch, das Ende des Epos zumindest ansatzweise wiederherstellen zu wollen, ist reine Spekulation. Diese Feststellung trifft auch auf den Abschnitt «Le dénouement perdu» (36- 42) in der Einleitung der hier anzuzeigenden Edition zu. Dessen Anliegen ist es, «(de) formuler des hypothèses sur son (= la partie manquante) contenu» (36). Allein die immer wiederkehrenden Formulierungen wie «Il est fort probable» (37), «On peut . . . supposer» (37), «pourraient aussi laisser penser» (38), «il serait aussi envisageable» (40), «Il est peu probable» (41) u. a. m. zeigen den spekulativen Charakter dieser Ausführungen deutlich an, die am Ende nur zu der ebenfalls spekulativen Annahme führen: «Incomplètes, les ER pourraient aussi se révéler interminables . . .» (42). Das Negativurteil der Forschung über die späteren chansons de geste sowie auch die außerordentliche Länge des Textes haben in der Vergangenheit offenbar Wissenschaftler lange Zeit davon abgehalten, eine kritische Edition des Textes zu erstellen. Die erste, die diesen mutigen Schritt unternahm, war die Italienerin C. Cremonesi, die 1957 ihre kritische Ausgabe des Epos vorlegte 6 . Zwar wurde die Vorlage dieser Ausgabe von der Fachwelt einerseits begrüßt; Holmes etwa schreibt: «The publication of a hitherto inaccessible text is very welcome. We are greatful to her (= Cremonesi)» 7 . Andererseits muss man aber auch festellen, dass die Edition «une réception mitigée» (195) fand aufgrund der «nombreuses mélectures, erreurs de transcription ou coquilles» (196) 8 . Somit blieb die Vorlage einer besseren kritischen Edition weiterhin eine Forschungslücke. Diese Lücke hat nun D. Dalens-Marekovic, «Docteur ès Langue et Littérature françaises» und «Agrégée de Lettres modernes», mit der hier anzuzeigenden Arbeit in mustergültiger Weise geschlossen. Diese Arbeit ist die überarbeitete Fassung ihrer 2006 von der Universität Nancy II angenommenen Dissertation. Bei der Textedition geht es der Herausgeberin anders als C. Cremonesi darum, auf Hyperkorrekturen zu verzichten, d. h. «(de) réduire singulièrement le rôle de l’éditeur» (224) Aus diesem Grunde hat sie auch darauf verzichtet, Deklinationsfehler oder Dialektmerkmale des Textes zu korrigieren. Sie hat den Text der Handschrift an insgesamt nur 449 Stellen verbessert, «ce qui est très peu pour un texte de cette ampleur» (218). Ihr alleiniges Ziel ist es, «de faciliter la compréhension du texte par un lecteur moderne» (204). Bei den korrigierten oder weggelassenen Passagen, die im Text durch eckige Klammern gekennzeichnet sind, ist die Lesart der Handschrift stets im kritischen Apparat angegeben. Die Editorin hat viele bereits von C. Cremonesi, H. Holmes, F. Lecoy und T. Matsumura vorgenommene bzw. angeführte Korrekturen übernommen, was völlig legitim ist. Wie meine stichpunktartige Überprüfung ergeben hat, ist ein insgesamt fehlerfreier Text erstellt worden, wenn es auch bedauerlich ist, dass die Deklinationsfehler nicht korrigiert wurden. Vielleicht ist dies aber auch nur eine Frage des Geschmacks. Insbesondere ist es zu begrüßen, dass die Fehler der Edition von C. Cremonesi korrigiert wurden. Der umfassende und auf einer gründlichen Auswertung der Sekundärliteratur basierende Abschnitt «Notes» (927-1019), der bei Cremonesi kaum sechs Seiten 332 Besprechungen - Comptes rendus 6 Cf. N1. 7 U. T. Holmes, Rezension der Edition in: Sp. 34 (1959): 103. 8 Cf. die Rezensionen von M. Boni in Studi Francesi 4 (1958): 263s., U. T. Holmes in Sp. 34 (1959): 101s., F. Lecoy in R 80 (1959): 533s. und K. Baldinger in ZRPh 81 (1965): 191s. sowie die Untersuchungen von T. Matsumura, «Sur le texte des Enfances Renier», in: The Proceeding of the Department of Foreign Languages and Literatures 38 (1990): 37-58 und auch D. Dalens-Marekovic Édition antérieure, hier 195-204. umfasst, enthält die substantielle Begründung der vorgenommenen Emendationen und gibt überzeugende Kommentare zu sprachlichen sowie auch inhaltlichen Problemen. Hier werden von der Herausgeberin auch Hypothesen zur möglichen Korrektur der Passagen geboten, die «ont résisté à l’analyse» (223) (cf. etwa die Anmerkungen zu v. 7557, 9913, 10170 u. a. m.). Die Edition wird beschlossen durch eine knappe «Table des proverbes et expressions sentencieuses» (1021-24), ein sehr gründliches und im Gegensatz zu Cremonesi korrektes «Glossaire» (1025-1195) und einen mit größter Akribie erstellten «Index des noms propres» (1197-1235). Der Textausgabe geht eine ausführliche «Introduction» (7-229) voran, welche die typischen Angaben zum Untersuchungsgegenstand enthält. Der Abschnitt «Contexte de l’œuvre» (9-16) geht der Frage nach dem Enstehungsdatum des Textes und dem Autor des Epos nach. Im Kapitel «Analyse du texte» (17-42) unterscheidet die Editorin «sept grandes phases narratives» (17); hier wird aber nicht deutlich, nach welchen Kriterien diese Gliederung des Epos vorgenommen wurde; bezüglich des in diesem Kapitel enthaltenen Abschnitts «Le dénouement perdu» (36-42) verweise ich auf meine obigen Darlegungen. Im sehr umfassenden Kapitel «Étude littéraire» (43-130) werden Ausführungen zu vier Aspekten der literarischen Interpretation gemacht; dabei sind nach meinem Urteil insbesondere die Darlegungen zur gattungsgeschichtlichen Stellung des Epos und zu dessen Beziehungen zum Roman sowie zur Folklore sehr überzeugend. Natürlich ist damit keine exhaustive Interpretation der ER geboten; dies ist im Rahmen einer Edition auch nicht zu erwarten.Ausführungen zum Manuskript (130-39), zum Metrum (139-57) sowie zur Sprache der chanson (157-95), Darlegungen zu den «Principes de l’édition» (195-224) und eine «Bibliographie» (224-29) schließen die rundherum überzeugende Einleitung ab. Meine Gesamtbewertung dieser Textausgabe ist uneingeschränkt positiv. Es beeindruckt, dass eine solche Leistung bereits als Dissertation erbracht wurde.An welcher deutschen Universität wäre das heute noch erwartbar? Positiv hervorzuheben ist auch die gründliche Drukküberwachung der Editorin; die Arbeit ist nahezu fehlerfrei 9 . Nachdem nun eine so gekonnte Textausgabe vorliegt, bleibt mit der Editorin nur zu hoffen, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht: «(de) relancer les recherches sur ce continent quasi inexploré que sont les ER» (8). Arnold Arens ★ La Fille du comte de Ponthieu. Nouvelle du XIII e siècle. «Roman» du XIV e siècle, traduit en français moderne et annoté par Roger Dubuis, Paris (Honoré Champion) 2010, 236 p. (Traductions des classiques du Moyen Âge 85) Clovis Brunel a édité pour la première fois l’«aventure» de la fille du comte de Ponthieu, qui a donné lieu à plusieurs récits. Le premier, assez bref, en prose, a été rédigé entre 1200 et 1220 par un auteur anonyme; le second, plus étoffé, réécriture anonyme de l’histoire, est connu sous le nom d’Histoire d’outre-mer et du roi Saladin, daterait de la fin du XIII e siècle; quant à la version du XV e siècle, elle forme la deuxième partie du Roman de Jean d’Avesnes. Le spécialiste incontesté de la nouvelle à la fin de la période médiévale, le professeur 333 Besprechungen - Comptes rendus 9 Auch wenn es besserwisserisch erscheinen mag, seien hier die wenigen Druckfehler angeführt, die mir bei der Lektüre aufgefallen sind. Nachfolgend steht links des Zeichens ] die/ das gedruckte fehlerhafte Zahl/ Wort; rechts des Zeichens wird die Korrektur angeführt: 11 Zeile 10 pensa] penssa; 11 Zeile 11 (17914-5)] (17910-11); 18 Zeile 2 (165)] (150); 18 Zeile 9 (454)] (457-8); 927 Literaturangabe zu Holmes 24] 34; 1237 fünftletzte Zeile 42] 43.
