Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2012
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Kristol De StefaniGrammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD im gesprochenen europäischen Französischen und Spanischen
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2012
Karin Ewert-Kling
vox7110109
Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD im gesprochenen europäischen Französischen und Spanischen Einleitung Im gesprochenen Französischen und Spanischen existieren syntaktische Konstruktionen, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden, da sie vom Sprecher im Diskurs sehr häufig und in gewissen Gesprächskontexten sogar weitestgehend routinisiert verwendet werden. In der folgenden Analyse dieser Left Detachment- und Right Detachment-Konstruktionen (im Folgenden kurz LD und RD) wird das Augenmerk ausschließlich auf den Automatisierungsbzw. Pragmatikalisierungstendenzen dieser Konstruktionen liegen, wobei die Grammatikalisierungsprozesse von LD und RD, welche im français parlé und español hablado unterschiedlich stark ausgeprägt sind, für beide Sprachen jeweils separat ermittelt werden (cf. Koch/ Oesterreicher 2 2011: 180). 1. Begriffsdefinitionen: Topic, Left Detachment und Right Detachment Zur Definition der syntaktischen Konstruktionen Left Detachment und Right Detachment ist zunächst eine Erläuterung des in der Wissenschaft viel diskutierten Begriffs Topic unabdingbar. In der vorliegenden Abhandlung wird das Topic als Gesprächsgegenstand bzw. als Sachverhalt definiert, über welchen eine Aussage gemacht bzw. eine Information eingeholt wird 1 . Das Topic, das funktional als reine diskurspragmatische Kategorie betrachtet und in Satztopic (ST) und Diskurstopic (DT) unterteilt wird, ist (im Unterschied zum ‚Thema‘ 2 ) weder an eine bestimmte Stellung im Satz noch an einen gewissen Informationsgehalt gebunden 3 . Das ST, welches sich immer nur auf einen Satz bzw. eine Äußerung bezieht und im Diskursverlauf nicht weiter verwendet wird, kann syntaktisch gekennzeichnet sein (z. B. durch ein Left Detachment oder Right Detachment). Als pragmatisch un- 1 Cf. hierzu u. a. van Dijk 1980: 114, 1981: 178, Reinhart 1982: 5, Wehr 1984: 1, 2007: 478, Gundel 1988b: 210, Lambrecht 1995: 127, Stark 1997: 38, 2002: 311, Gabriel 2007: 23, Ewert-Kling 2010: 63, 2011: 84. 2 Näheres zur häufig widersprüchlichen Thema-Rhema-Diskussion und den Anwendungsproblemen dieses Begriffspaares siehe Ewert-Kling 2010, Kap. 3.1., 3.1.2 und 2011: 81s. 3 Cf. Dik 1978: 131, 1989: 267, Haftka 1982: 196, Wehr 1984: 1s., 1994: 621, 2000: 252s., 2007: 479, Barnes 1985: 28, Reinhart 1982: 3, Gundel 1985: 95, 1988a: 32, Lötscher 1987: 233, Jordan 1994: 40, Lambrecht 1995: 117, 201, Zubizarreta 1999: 4218-20, Gutiérrez Bravo 2005: 26, Gabriel 2007: 24, Likhacheva-Philippe 2007: 375 und Ewert-Kling 2010, Kap. 3.2.1 und 2011: 85. Vox Romanica 71 (2012): 109-130 Karin Ewert-Kling markiert gilt das ST, wenn es z. B. als Subjekt kodiert ist (cf. Reinhart 1982: 9), oder, wie im Spanischen, indirekt durch die finite Verbform zum Ausdruck gebracht wird (z. B. Voy a casa). Allerdings können STs auch in anderen syntaktischen Funktionen agieren, z. B. als direkte oder indirekte Objekte (cf. Dik 1978: 143), was in den Äußerungen fr. Pierre tu le connais? oder sp. Le he dado un regalo a mi hermana deutlich wird (cf. Dik 1978: 143 und Ewert-Kling 2010: 67). Der Aboutness-Test mit Propositionen der Form fr. On dit À PROPOS DE (Topic) QUE (Comment) bzw. sp. Se dice A PROPÓSITO DE (Topic) QUE (Comment) oder ähnlich (cf. auch Gundel 1988a: 34) dient dabei der Ermittlung des ST (cf. Reinhart 1982: 5, weiteres dazu auch Gundel 1985: 86, Lambrecht 1995: 151s. und Erteschik- Shir 2007: 19s.). Allerdings unterliegt dieser Test einigen Einschränkungen und ist demzufolge nicht immer aussagekräftig (näheres hierzu cf. Vallduví 1993: 6). Das transphrastisch zu definierende DT muss bzw. kann häufig nicht formal explizit genannt werden (cf. u. a. Zubizarreta 1999: 4218 und Hidalgo Downing 2003: 45), da ein DT sowohl durch eine bzw. mehrere NPs als auch in Form eines ganzen Satzes paraphrasiert werden kann 4 (cf. Barnes 1985: 28 und Jordan 1994: 49). Im Falle von nicht expliziter Nennung des DT scheint die menschliche Intuition bei der Identifizierung des DT behilflich zu sein (cf. hierzu u. a. Gundel 1988b: 210 und Hidalgo Downing 2003: 39): Dieses Sprachgefühl drückt sich darin aus, dass jeder Sprecher einer bestimmten Sprachgemeinschaft zu «natürlichen Interpretationen» bei der Benutzung der Alltagssprache fähig ist, ohne über besonderes lexikalisches Wissen zu verfügen (Hänsel 2002: 58). Allerdings stellt sich diese intuitive Identifizierung eines DT, für welche es keine allgemein gültigen Ermittlungsregeln gibt (cf. Jordan 1994: 44), häufig als schwierig heraus, da unsere intuitive Kompetenz subjektiv geprägt ist (cf. Lutzeier 1985: 58) und somit von Sprecher zu Sprecher bzw. Hörer zu Hörer unterschiedlich ausfällt. Sehr wahrscheinlich kann die Intuition tatsächlich bis zu einem gewissen Grad als «Behelfskriterium» bei der Diskurs- und Textanalyse gelten. Allerdings sind noch weitere Identifikationsfaktoren zur Bestimmung des DT notwendig, z. B. die Welt- und Situationskenntnis, das Textbzw. Diskursverständnis der Diskursteilnehmer und die Kenntnis des Informationsstandes der Gesprächspartner (cf. van Dijk 1981: 192). Über diese so genannte «pragmatische Kompetenz» (Tschida 1995: 98) verfügt in der Regel jedes Mitglied einer kulturellen Sprachgemeinschaft, allerdings besteht die Option einer unterschiedlichen Ausprägung bei jedem Sprecher. Dies kann bei mehreren Gesprächspartnern durchaus zu unterschiedlichen Interpretationen ein und desselben Topics führen, was wiederum belegt, dass die Identifizierung eines DT häufig kein objektiver, sondern ein von subjektiven Faktoren abhängigerVorgang ist. 110 4 Lötscher 1987: 6s. merkt jedoch an, dass einige Linguisten im Rahmen der «Bezugstheorie» (ibid. 7) allerdings die Auffassung vertreten, ein Topic (bzw. Thema) müsse stets in Form einer NP auftreten. Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD In der gesprochenen Sprache ist im Regelfall nicht nur ein ST oder ein DT vorzufinden, sondern es handelt sich vielmehr um eine Akkumulation mehrerer Topics («multiple topics», Barnes 1985: 40) in einer Äußerung (cf. Alcaraz Varó/ Martínez Linares 1997: 553), d. h. um eine Kombination aus STs und DTs (cf. Wehr 2000: 252). LD- und RD-Konstruktionen, welche u. a. auch als segmentierte Sätze (phrase segmentée von Bally 1941: 36 und 4 1965: 60) oder als Dislokationen (cf. u. a. Gundel 1985: 88) bezeichnet werden, sind topic-markierende Satzstrukturen, die v. a. in der gesprochen Sprache Verwendung finden 5 . Beim LD wird eine links abgesetzte (satzinitiale) Konstituente (z. B. eine Nominalphrase, Präpositionalphrase oder auch ein ganzer Nebensatz) im Bezugssatz durch ein kongruentes koreferentielles Pronomen wieder aufgenommen 6 , z. B. Fr. (1) . . . moi je suis . . . à la retraite maintenant . . . (CRFP, LIL-R00PRI001, p. 6). (2) . . . les animaux bon . . . ça les perturbe pas . . . (CRFP, LIM-R00PRI001, p. 3). Sp. (3) . . . a mí me tiemblan las piernas . . . (HCM, p. 133). (4) . . . esto no lo digo por capricho . . . (HCM, p. 17). Beim RD wird eine satzfinal stehende Konstituente im Kernsatz durch ein kataphorisches koreferentielles Pronomen gleicher syntaktischer Form vorweggenommen 7 (cf. Hidalgo Downing 2003: 190), z. B. Fr. (5) L1 est-ce que c’est un site le moteur de recherche [. . .] L1 hum hum - et qu’est-ce qu’on lui dit au moteur de recherche . . . (CRFP, PSO- R00PUB001, p. 1). (6) . . . c’est pour me faire plaisir à moi . . . (PAU-R00PRO001, p. 1) Sp. (7) . . . le puedo asegurar a usted . . . (HCM, p. 5). (8) . . . Y allí estuvimos, pues, ocho días en la Universidad. (HCM, p. 154). 111 5 Aber auch in geschriebenen Texten wie Zeitungsartikel, Werbetexte etc. werden Detachment-Konstruktionen verwendet (cf. z. B. die Analysen von Blasco-Couturier 1990, Schmitt 2004 und Schafroth 2006). 6 Cf. hierzu u. a. Barnes 1985: 1, Stark 1997: 15 N71 und 2002: 313, Padilla García 2005: 75, Wehr 2007: 483. Ausführliche Erläuterungen, auch zur Problematik von Subjekten in LD-Position, finden sich in Ewert-Kling 2010, Kap. 5.1, 5.1.1 und 5.1.2. Hanging Topic- und Chinese-style Topic-Konstruktionen bleiben in der vorliegenden Abhandlung unberücksichtigt, da sie aufgrund ihrer starken Topic-Markiertheit nicht zur Grammatikalisierung neigen. Einen Überblick über Formen und Funktionen von Hanging Topic und Chinese style-Topic gibt Ewert-Kling 2010, Kap. 5.1.3 und 5.1.4. 7 Sowohl bei LD als auch bei RD ist von pronominaler Reprise des LDbzw. RD-Elements im Kernsatz die Rede. In Ewert-Kling 2010, Kap. 5.2, 5.2.1 und 5.2.2 werden RD-Konstruktionen detailliert besprochen, darunter u. a. auch der problematische Fall des Subjekts in RD-Position. Karin Ewert-Kling 2. Grammatikalisierung: eine kurze definitorische Einführung In der folgenden Abhandlung, welche auf empirischen Datenauswertungen verschiedener Corpora des gesprochenen Französischen und Spanischen 8 beruht, sollen LD- und RD-Konstruktionen auf ihre Grammatikalisierungsbzw. Automatisierungstendenzen hin eingehend analysiert werden. Unter «Grammatikalisierung» 9 sprachlicher Elemente ist ursprünglich der diachron verlaufende Prozess des «affaiblissement du sens» (Meillet 1948: 139) zu verstehen, bei welchem eine lexikalische Einheit entsemantisiert wird und eine neue, grammatikalische Funktion erhält. Ferner können auch grammatische Einheiten grammatikalisiert werden und neue (zusätzliche) grammatikalische Funktionen entwickeln 10 , welche unter Umständen noch weiteren Grammatikalisierungsprozessen unterliegen können. Bei LD und RD handelt es sich jedoch nicht um Grammatikalisierung in diesem ursprünglichen Sinne, d. h. um semantisches Ausbleichen einer lexikalischen oder grammatischen Einheit, sondern vielmehr um syntaktische Fixierung und funktionale Routinisierung dieser Konstruktionen. Ein wichtiger Faktor, welcher bei der Untersuchung der Automatisierungsbzw. Grammatikalisierungstendenzen von LD und RD daher als ausschlaggebend betrachtet werden muss, ist die funktional-pragmatische Motiviertheit beim Einsatz der Dislokationen durch den Sprecher (cf. Detges/ Waltereit 2011: 183). Zunächst besitzen diese Konstruktionen als freie Diskurskonstruktionen pragmatisch markierte Topic-Funktion (cf. Diewald 1997: 11). Zunehmende «Generalisierung» (Koch/ Oesterreicher 2 2011: 179) bzw. «expressive routine» (Detges/ Waltereit 2002: 184, cf. auch «routinization» bei Haspelmath 1999: 1062) löst dann einen «rhetorically motivated over-use» (Detges/ Waltereit 2011: 184) bzw. eine frequente Verwendung dieser Konstruktionen durch den Sprecher aus. Dies bedeutet, dass LD und RD in bestimmten Kontexten ihrer ursprünglich emphatische Funktion und somit ihre Expressivität einbüßen und zu syntaktisch festgelegten Konstruktionen erstarren. In diesem Fall 112 8 Ausgewertet wurde das Corpus de référence du français parlé (CRFP), das Corpus El habla de la ciudad de Madrid (HCM) aus dem Jahre 1981 und das Corpus Oral de Referencia del Español Contemporáneo: Corpus Oral Peninsular (COREC) aus den Jahren 1991 und 1992. Ausführliche Erläuterungen hierzu finden sich in Ewert-Kling 2010, Kapitel 4. 9 Die Bezeichnung Grammatikalisierung stammt von Meillet 1912 (abgedruckt 1948). Weiteres zur Grammatikalisierung cf. u. a. Meillet 1948: 140s., Heine/ Reh 1984: 68s., Mair 1992: 158s., Lehmann 1995: 20, Diewald 1997, 2008, 2010, 2011, im Druck, Traugott 1997, 2010, Detges/ Waltereit 2002, Heine/ Kuteva 2006, 2007, Ewert-Kling 2010, Kap. 8.1 und Traugott/ Trousdale 2010. 10 Cf. u. v. a. Heine/ Reh 1984: 36, Haspelmath 1989: 344, 1999: 1044, Lehmann 1995: 12, Detges 1999: 31, Kuteva 2001: 167, Detges/ Waltereit 2002: 171s., Hopper/ Traugott 2 2003: 1, 16, Marchello-Nizia 2006: 35, Heine/ Kuteva 2006: 14s., 2007: 32, 39s., Diewald 2008: 2 und Levin- Steinmann 2010: 21. In Detges/ Waltereit 2002 findet sich zudem Näheres zum Verhältnis von Grammatikalisierung und Reanalyse. Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD ist auch von Fossilisierung oder «‹Versteinerung› . . . von diskurspragmatischen Strategien» (Bussmann 4 2008: 261) die Rede. Ursprünglich pragmatisch markierte Konstruktionen werden vom Sprecher in bestimmten Kontexten folglich als funktional routinisiert bzw. pragmatisch unmarkiert (cf. Detges/ Waltereit 2002: 182), d. h. als automatisiert bzw. grammatikalisiert betrachtet. Ehemals fakultativ gesetzte markierte Diskurskonstruktionen werden somit zu obligatorischen Strukturen, d. h. «speakers are no longer free to choose them in certain contexts, but the context forces speakers to use them if they want to conform to the rules» (Haspelmath 1999: 1058). Grammatikalisierung stelle, laut Haspelmath 1989: 318-22 und 1999: 1045s., einen unidirektionalen und irreversiblen Prozess dar. Dies werde dadurch bedingt, dass sprachliche Einheiten, welche durch funktionale Routinisierung und der daraus folgenden häufigen Verwendung durch den Sprecher grammatikalisiert wurden, nicht wieder «de-routinisiert» werden könnten (cf. Id. 1999: 1061 und Detges/ Waltereit 2002: 189). Diese Auffassung wird jedoch u. a. von Lehmann 1995 (Kap. 2.3) und Hopper/ Traugott 2 2003 (Kap. 5.7) anhand von einigen wenigen Beispielen für Degrammatikalisierung bestritten 11 . Bezüglich des für den funktionalen Wandel in Grammatikalisierungsprozessen häufig als charakteristisch erachteten kontinuierlichen Übergangs (cf. Haspelmath 1989: 326) geben Detges/ Waltereit 2002: 188 jedoch zu bedenken, dass «[i]f grammaticalization is . . . a basically functional type of change, it cannot be gradual, since functional shift is abrupt change between discrete entities». 3. Grammatikalisierungstendenzen von LD und RD im gesprochenen Französischen Bei der Untersuchung der Grammatikalisierungsprozesse von LD und RD im gesprochenen Französischen und Spanischen unter synchronen Gesichtspunkten sind bestimmte Faktoren für die Automatisierung von LD und RD bestimmend. Außer der in Kapitel 2 bereits angesprochenen Einbuße an pragmatischer Markiertheit bzw. funktionaler Demarkierung und der damit einhergehenden syntaktischen Verfestigung der Konstruktionen ist vor allem der diskurspragmatische Kontext Hinweis gebend für einen Automatisierungsprozess von LD und RD, indem er Auskunft über eine mögliche kommunikative Obligatorik dieser Konstruktionen gibt 12 . Bei der Beurteilung der pragmatischen Automatisierungstendenzen von LD und RD werden daher immer die Gesprächssituation sowie die Frage berücksichtigt 113 11 Eine kritische Diskussion über Degrammatikalisierungsprozesse führen z. B. auch Heine/ Kuteva 2007: 47s. 12 Cf. hierzu u. a. Heine/ Reh 1984: 67, Koch 1993: 172, Lehmann 1995: 12, Ewert-Kling 2010: 261, Traugott/ Trousedale 2010: 3, Detges/ Waltereit 2011: 181s. und Diewald 2011: 3. Karin Ewert-Kling werden, wann die Verwendung von LD und RD durch den Sprecher automatisch bzw. obligatorisch erfolgt. Bei der Untersuchung wird sich herausstellen, dass gewisse LD- und RD-Konstruktionen im gesprochenen Französischen und Spanischen nur in bestimmten kommunikativen Kontexten obligatorisch verwendet werden (cf. auch Detges/ Waltereit 2011: 185). Dieses Phänomen wird u. a. als Pragmatikalisierung 13 oder funktionale Routinisierung (cf. Detges/ Waltereit 2011: 184, cf. auch Id. 2002: 178) bezeichnet. Im Folgenden wird in diesem Zusammenhang auch der Terminus (pragmatische) Automatisierung verwendet werden, welcher verdeutlicht, dass der obligatorische Einsatz von LD und RD pragmatisch, d. h. diskursfunktional begründet ist. Da die untersuchten LD- und RD-Konstruktionen jedoch nur in bestimmten Kontexten als pragmatisch automatisiert gelten, kann im Folgenden nicht von genereller Grammatikalisierung, sondern lediglich von pragmatischen Automatisierungstendenzen gesprochen werden. 3.1 Grammatikalisierungsbzw. Pragmatikalisierungstendenzen bei [+ HUM ] Subjekten in LD- und RD-Position Um den pragmatischen Automatisierungsprozessen von LD und RD im gesprochenen Französischen näher auf den Grund zu gehen, ist zunächst der Frage nachzugehen, in welchen Kontexten dieser Prozess bereits eingetreten bzw. wie weit er bereits fortgeschritten ist und welche Konstruktionen im Besonderen von diesem Pragmatikalisierungsvorgang betroffen sind. Im CRFP wurden wesentlich häufiger menschliche ([+hum]) als nicht-menschliche ([-hum]) Subjekte in LD- und RD-Position ermittelt, was vermutlich durch die stärkere Identifikation des Sprechers mit [+hum] als mit [-hum] Referenten bedingt ist. Dieses Prinzip nennt sich speaker’s empathy (Kuno 1987: 206) oder «ego/ anthropocentric nature of discourse» (Givón 1976: 152, cf. auch Dufter/ Stark 2008: 124). Bei diesem Empathieprinzip wird von folgender inhärenten Topikalitätshierarchie ausgegangen: «human non-human, definite indefinite, more involved participant less involved participant, 1st person 2nd person 3rd person» (Givón 1976: 152, cf. auch Wehr 1984: 5). Gerade aus dem gehäuften Vorkommen menschlicher Subjekte in LD- und RD-Position lässt sich folgern, dass derartige Konstruktionen in bestimmten Diskurskontexten vom Sprecher als funktional unmarkiert und somit automatisch verwendet, d. h. grammatikalisiert werden. 114 13 Unter Pragmatikalisierung ist der Vorgang zu verstehen, «innerhalb dessen eine sprachliche Einheit in einem entsprechenden Kontext ihren semantischen Gehalt und ihre sprachliche Funktion zugunsten einer rein diskursorganisierenden Bedeutung und Funktion verliert» (Frank-Job 2010: 300, cf. hierzu auch Rossi 1999: 186, Dostie 2004: 27, Diewald 2008, 2011 und im Druck). Eine Darstellung der schwierigen Abgrenzung der Begriffe Grammatikalisierung und Pragmatikalisierung bieten Günther/ Mutz 2004: 98 sowie Diewald 2010: 34s., 2011: 1-9. Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD Für [+hum] lexikalische Subjekte in LD-Stellung wird im français parlé häufig eine supplementäre Subjektkonjugation, d. h. ein bereits fortgeschrittener Automatisierungsprozess angenommen. Hierbei erfolgt die Setzung des Subjektpronomens auch dann, wenn das Subjekt bereits in Form einer lexikalischen NP im Satz vertreten ist (cf. u. a. Schafroth 2006: 60 und Koch/ Oesterreicher 2 2011: 178). Im français parlé ist dies sehr häufig der Fall. Allerdings ist nicht von einer obligatorischen supplementären Subjektkonjugation auszugehen (cf. Bossong 2008: 170 und Koch/ Oesterreicher 2 2011: 179), da der Sprecher im gesprochenen Französischen noch immer die Wahl hat zwischen Konstruktionen der Form je voudrais que les mécanos ils viennent . . . einerseits und alors dans les petites loges les gens étaient bien installés andererseits (cf. Koch/ Oesterreicher 2 2011: 179). Diese beiden Optionen demonstrieren, dass LDs mit lexikalischen [+hum] Subjekten (noch) nicht vollständig grammatikalisiert bzw. automatisiert sind (cf. hierzu u. a. Ewert-Kling 2010: 266) und folglich ihre weitere Entwicklung abzuwarten bleibt. LD-Konstruktionen mit [+hum] pronominalen Subjekten (z. B. der Form moi je) wird im français parlé häufig eine obligatorische supplementäre Subjektkonjugation zugesprochen (cf. Koch 1993: 183). Aus syntaktischer Sicht ist dies unumstritten, da die pronominale Reprise (z. B. je) des LD-Elements (z. B. moi) innerhalb des Kernsatzes aus syntaktischen Gründen obligatorisch bzw. grammatikalisiert ist (cf. ibid. und Koch/ Oesterreicher 2 2011: 178). Wesentlich interessanter ist allerdings die Frage, wie sich derartige Konstruktionen im diskursfunktionalen Kontext verhalten und ob Pragmatikalisierungstendenzen sichtbar werden. Analysebasis ist zunächst die pragmatisch markierte Topic-Konstruktion (z. B. moi je) und die unmarkierte Konstruktion mit unbetontem klitischem Subjektpronomen (z. B. je parle) (cf. Barrenechea/ Orecchia 1970/ 71: 62), welche dem Sprecher beide zur freien Verfügung stehen. Zu untersuchen ist nun, in welchem Kontext bzw. aus welchen diskursfunktionalen Gründen der Sprecher eine dieser beiden Konstruktionstypen bevorzugt und in wie fern die diskurspragmatische Markiertheit der pronominalen LD-Konstruktion in ihrer ursprünglichen Intensität dann überhaupt noch vorhanden ist. Bestünde z. B. zwischen den Äußerungen moi je parle und je parle nach Ansicht des Sprechers kein pragmatischer Unterschied mehr, d. h. würde die ursprünglich topic-markierende LD-Konstruktion «durchweg auch dann gelten . . ., wenn keine Topikalisierung vorliegt» (Bossong 1980: 13s.), müsste im Falle der pronominalen LD-Konstruktion von einem kompletten Verlust der pragmatischen Markiertheit und somit von einer vollständigen Grammatikalisierung bzw. pragmatischen Routinisierung ausgegangen werden. Auch eine komplette Funktionsumkehrung wäre denkbar, d. h. die ursprünglich unmarkierte SVO-Wortstellung würde nun als markiert gelten: «moi je, toi tu und Pierre il wären damit die Regel, je, tu und Pierre Ausnahmen» (Sokol 2001: 125). Keine dieser beiden Möglichkeiten kristallisiert sich jedoch bislang heraus (cf. Waltereit 1996: 65). Vielmehr bleibt dem Sprecher weiterhin die Wahl zwischen pragmatisch markierter Konstruktion der Form moi je (parle) und der unmarkierten Konstruktion je (parle). Allerdings ist die LD-Konstruktion moi je im CRFP in 115 Karin Ewert-Kling gewissen Gesprächssituationen so stark generalisiert bzw. routinisiert, was durch ihre sehr frequente Verwendung zum Ausdruck kommt, dass zumindest in bestimmten Kontexten von eindeutigen pragmatischen Automatisierungstendenzen auszugehen ist. Dies ist verstärkt der Fall bei der Anzeige von turn-taking (cf. Beispiel (9) und Barnes 1985: 38) und bei der Perspektivierung bezüglich eines DT, d. h. beim Ausdruck von experiencer (10) und bei der Angabe der Sprechermeinung bzw. -emotion 14 (11): (9) [DT: Das Korsische, das in der Familie gesprochen wird]: L2 moi 15 personnellement chez moi moi ça parle corse L3 moi je vois ma grand-mère ma grand-mère . . . L4 ouais mes grands-parents non L3 ma grand-mère elle elle parle elle parle bien - mais avec moi elle parle jamais mon grand mon pauvre grand-père il parlait d’accord mais . . . (CRFP, COR- R00PUB001, p. 3). (10) [Sprecher berichtet über seine Erfahrungen beim Filmdreh]: L1 euh ben moi j’ai j’ai tourné tout seul euh - mais j’ai participé au film d’une copine - euh pour le le tournage quoi - euh sinon moi j’ai j’ai fait ça tout seul . . . (CRFP, PCR-R00PRI001, p. 5) (11) [DT: Die aktuelle Mode]: L2 quelle quelle est votre opinion sur la mode actuelle pour . . . les jeunes hein L1 pour les jeunes L2 ouais ouais L1 bien - moi j’aime ça mais moi 16 c’est mon truc les fringues . . . (CRFP, CAH- R00PRI002, p. 3). Die pronominale LD-Konstruktion ça + c’(est) scheint bei funktionaler Betrachtung ebenfalls Routinisierungsanzeichen in bestimmten Kontexten aufzuweisen. So wird ça + c’(est) im CRFP beispielsweise sehr häufig zur Anzeige der anaphorischen Synthese verwendet (näheres hierzu cf. Barnes 1985: 46 und Ewert-Kling 2010, Kap. 6.2). Hierbei wird ein zuvor erwähnter Sachverhalt, welcher Topic-Status besitzen kann, aber nicht muss, in Form des pronominalen LDs ça + c’(est) wieder aufgegriffen und zugleich resümiert. Konstruktionen wie in Beispiel (12) sind im gesprochenen Französischen hoch frequent: (12) [Sprecherin erzählt von ihrem Beruf]: L2 j’avais des liens très très étroits avec les familles ça c’était quelque chose d’extraordinaire . . . (CRFP, BOR-R00PRI002, p. 2). 116 14 Näheres zu den pragmatischen Funktionen der turn-Übernahme und -Abgabe und zur Perspektivierung bezüglich eines DT durch pronominale LDs und RDs siehe Ewert-Kling 2010, Kap. 6.3.1, 6.3.2, 7.3.1 und 7.3.2. 15 Das CsT zeigt an dieser Stelle auch die turn-Übernahme an. Eine ausführliche Erläuterung der diskurspragmatischen Funktion dieses CsT erfolgt in Ewert-Kling 2010: 207-09. 16 Hierbei handelt es sich um ein CsT, das dem turn-holding dient (Näheres hierzu cf. Duranti/ Ochs 1979: 403). Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD In der Fachliteratur wurde die Thematik der Automatisierungsprozesse von [+hum] Subjekten RD-Position meinem Wissen nach bislang nicht ausreichend erörtert. Aus diesem Grund kann im Folgenden lediglich auf die Ergebnisse der vorliegenden Corpusuntersuchungen zurückgegriffen werden. RD-Konstruktionen mit [+hum] Subjekten treten im CRFP seltener auf als LDs mit [+hum] Subjekten, d. h. sie gelten als stärker markiert und weniger stark routinisiert. Allerdings existieren im untersuchten Corpus durchaus Kontexte, in welchen eine deutliche pragmatische Automatisierungstendenz derartiger Konstruktionen nicht zu übersehen ist. So ist z. B. bei der Abgabe des Redebeitrags (turn-closing) ein hoher Automatisierungsgrad bei [+hum] Subjektpronomina der 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform) in Form von Fragesätzen in RD-Position zu erkennen. In diesen Fällen ist das turn-closing durch pronominales RD sehr häufig an die Frage nach der persönlichen Meinung oder den Empfindungen des Gegenübers über ein DT 17 gekoppelt, was die folgenden Beispiele belegen: (13) [Sprecherin spricht über ihre Arbeit als Sekretärin an einer Schule]: L2 alors euh - donc euh ben vous intervenez dans les dans les classes vous le faites vous L1 non moi je suis secrétaire . . . (CRFP, ROU-R00PRO001, p. 2). (14) [DT: Auslandsreisen]: L1 tu tu tu trouves ça bien ou pas toi d’avoir à - <voyager comme ça L2 moi personnellement> ça me 18 plaît beaucoup d’aller à l’étranger . . . (CRFP, VAL- R00PRI002, p. 3). Auch bei RD-Konstruktionen mit lexikalischen Subjekten in Fragesätzen wurden Routinisierungstendenzen deutlich, da diese im français parlé hoch frequenten Konstruktionen die turn-Abgabe und zugleich die Fokussierung des Interrogativpronomens ermöglichen (cf. Ewert-Kling 2010: 253) und somit durch ihre «Doppelfunktion» für den Sprecher in pragmatischer Hinsicht sehr ökonomisch sind: (15) [Gespräch über die Arbeit der Sprecherin L1]: L2 ça consiste en QUOI la blanchisserie donc L1 la blanchisserie c’est la calandre qui est au magasin là comme tu as tu as vu . . . (CLE-R00PRI003, p. 1). (16) [DT: Das medizinische Fachgebiet des Sprechers L1]: L2 mais c’est QUOI ton ta X ta spécialité L1 ma spécialité normalement c’est les c’est les douleurs de l’appareil locomoteur c’est-à-dire ce qui touche les os les articulations les muscles les tendons . . . (PAU- R00PRO001, p. 1). 117 17 Eine detaillierte Darstellung der Funktionen turn-closing und Ausdruck der persönlichen Sprechermeinung und -emotion durch RD anhand von Corpusbeispielen findet sich in Ewert- Kling 2010, Kap. 7.3.1.2 und 7.3.2. 18 In Beispiel (13) greift Sprecherin L1 ihren Redebeitrag in Form der pragmatisch routinisierten LD-Konstruktion moi je auf; in Beispiel (14) verwendet Sprecher L2 hingegen die funktional stärker markierte Hanging Topic-Konstruktion moi . . . me, vermutlich um sein positives Empfinden bezüglich Fernreisen damit zu unterstreichen. Karin Ewert-Kling 3.2 Grammatikalisierungstendenzen von LD und RD mit Objekten Bei der Untersuchung möglicher Grammatikalisierungsbzw. Automatisierungsprozesse von LD und RD mit Objekten stößt man unweigerlich auf den Begriff der Objektkonjugation 19 . Hierbei wird die pronominale Reprise des direkten oder indirekten Objekts im Kernsatz obligatorisch gefordert. So können z. B. lexikalische Objekte (das semantische Merkmal [+hum] kann hierbei unberücksichtigt bleiben) in LD-Position als quasi-grammatikalisiert bzw. automatisiert betrachtet werden, da satzinitiale (pronominale und lexikalische) Objekte aus syntaktischen Gründen in der Regel im Kernsatz wieder aufgenommen werden (cf. u. a. Rothe 1966: 544 und Ulrich 1985: 42). Allerdings sprechen Konstruktionen der Form Jean, tu as vu? , La maison, Pierre a achetée oder À elle, il a donné sa voiture, die ausschließlich im gesprochenen Französischen auftreten (cf. Koch/ Oesterreicher 2 2011: 180) und die entweder als «einfache Topikalisierung» (Stark 2002: 312) mit diaphasisch niedriger Markiertheit (ibid. 313) definiert werden können oder als intonatorisch markierte Fokuskonstruktionen der Form À ELLE il a donné sa voiture (et pas à lui), lediglich für eine supplementäre und gegen eine generelle Objektkonjugation im français parlé (cf. Koch/ Oesterreicher 2 2011: 181). RDs mit pronominalen Objekten gelten ebenfalls als syntaktisch automatisiert (cf. *Je vois lui, Koch/ Oesterreicher 2 2011: 180). Bei satzfinalen lexikalischen Objekten (z. B. J’ai rencontré ma mère) ist im Kernsatz hingegen aus syntaktischer Sicht keine pronominale Vorwegnahme nötig (cf. ibid.). RDs mit lexikalischen Objekten wurden im CRFP dennoch sehr häufig in Fällen analysiert, in welchen der Sprecher den RD-Referenten subjektiv (positiv oder negativ) bewerten wollte. Häufig ist dabei das letzte Kernsatzelement fokussiert (näheres hierzu cf. Ewert- Kling 2010, Kap. 7.4): (17) [DT: Der Neffe des Sprechers]: L1 je veux dire il est comme un coq en pâte - et comment lui reprocher quoi que ce soit à ce gosse - c’est pas possible - c’est nous qui sommes des anormaux quoi . . . (SAI-R00PRO001, p. 8). (18) [Radiogespräch über einen okzitanischen Dialekt in den Alpen]: L1 bon je fais - une émission d’un quart d’heure par semaine tout en gavot des jeux - des jeux de traduction le dimanche matin etc. bon des petits trucs comme ça des proverbes le matin - bon - c’est vrai et lla grosse surprise c’est l’él’écho que ça a . . . . . . L1 ce qui semble montrer qu’il y a encore des locuteurs . . . 118 19 Cf. hierzu u. v. a. Heger 1966, Rothe 1966: 534, Llorente/ Mondéjar 1974: 2s., 11, Marcos Marín 1978: 89, 97s., 118, Bossong 1980: 15, Silva Corvalán 1980/ 81: 565, Berretta 1985: 186, Riiho 1988: 20s., García-Miguel 1991: 375, Koch 1993: 172, 176, 181, 1988: 187, 1994: 175, Padilla García 2005: 144, 149, Schafroth 2006: 60, Ewert-Kling 2010: 271, Koch/ Oesterreicher 2 2011: 180. Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD L2 . . . il disait déjà à l’époque c’est-à-dire au début du siècle il disait pourquoi - au lieu de faire la guerre - euh au patois - puisque on l’appelait ainsi cette merveilleuse langue qui a mille ans de littérature beaucoup plus que le français comme chacun le sait peut-être pas . . . (GAP, R00PRI002, p. 1s.). In derartigen Gesprächssituationen kann von pragmatischen Automatisierungstendenzen ausgegangen werden. Abschließend werden idiomatisierte, d. h. quasi-lexikalisierte Wendungen im gesprochenen Französischen betrachtet. Neben klitischen Objektpronomina in LD- und RD-Konstruktionen können auch Objektpronomina oder Pronominaladverbien wie y und en in Zusammenhang mit bestimmten Verben als obligatorische Inflektionsmorpheme oder Kongruenzmarker bezeichnet werden (cf. Lambrecht 1981: 31, 45). In diesen Fällen handelt es sich nicht mehr um LDs oder RDs im ursprünglichen Sinne, da die Konstruktionen keine Topic-Markierung mehr signalisieren, sondern um automatisierte Strukturen mit völlig neuer Bedeutung, z. B. s’en aller (de là) (‘weggehen’) vs. aller (‘gehen’) oder la fermer (la bouche) (‘den Mund halten’) vs. fermer (‘schließen’) (cf. ibid. 30s., zum Italienischen cf. diesbezüglich Berretta 1985: 188). Auch bei umgangssprachlich häufig verwendeten Phraseologismen wie J’en ai marre de ces Romains (cf. Lambrecht 1981: 32) wird die Automatisierungstendenz im Vergleich zur unmarkierten Aussage (J’ai marre de ces Romains) deutlich (cf. ibid. 31). Resümierend kann festgehalten werden, dass bestimmte LD- und RD-Konstruktionen im français parlé in gewissen Diskurskontexten einen deutlichen Grammatikalisierungsbzw. Pragmatikalisierungssprozess in actu durchlaufen, wobei einige Konstruktionen bereits durch weitaus stärkere Routinisierungstendenzen hervortreten als andere. 4. Grammatikalisierungsbzw. Pragmatikalisierungstendenzen von LD und RD im gesprochenen Spanischen Im español hablado gelten LD- und RD-Konstruktionen mit [+hum] pronominalen Subjekten 20 als relativ stark markiert 21 , weshalb sie keine Pragmatikalisierungstendenzen aufweisen. Die folgenden Ausführungen werden sich daher auf die Untersuchung von Objekten in LD- und RD-Position beziehen: LDs und RDs mit Objekten weisen bereits deutlich stärkere Automatisierungstendenzen auf als 119 20 Näheres zur Problematik von Subjekten in LD- und RD-Position im gesprochenen Spanischen cf. u. a. Ewert-Kling 2010, Kap. 5.1.1 und 5.2.1. 21 Das Spanische besitzt keine obligatorischen klitischen Subjektpronomina, da diese bereits durch die konjugierte Form des Verbs vertreten sind. In diesem Fall spricht man von «Pro-Drop»- Sprachen (cf. Lambrecht 1995: 190 und Padilla García 2005: 44). Ferner existiert im Spanischen nur eine Form von Subjektpronomina (das Französische differenziert hingegen zwischen betonten und unbetonten Subjektpronomina). Karin Ewert-Kling im gesprochenen Französischen oder Italienischen (cf. Koch 1994: 184), was die graphische Darstellung der Untersuchungsergebnisse in den Kapiteln 4.1 und 4.2 bestätigen wird. Aus syntaktischer Sicht sind LD-Konstruktionen mit Objekten als grammatikalisiert zu bewerten, d. h. innerhalb des Kernsatzes ist die pronominale Reprise des Objekts in LD-Position obligatorisch (cf. Dufter/ Stark 2008: 113). Äußerungen der Form A Juan/ a él veo oder El libro doy a María sind im Spanischen nur dann akzeptabel, wenn es sich um Konstruktionen mit hervorgehobenem satzinitialem Fokus-Element handelt 22 . Bei satzfinalen Objekten ist die Sachlage etwas komplexer, denn hier müssen pronominale und lexikalische Konstituenten separat betrachtet werden. So gelten RD-Konstruktionen mit Objektpronomina im Kernsatz als syntaktisch grammatikalisiert, da im Kernsatz eine kataphorische pronominale Reprise erfolgt 23 (cf. Marcos Marín 1978: 77). Lexikalische direkte Objekte in RD-Position müssen hingegen pronominal nicht vorweggenommen werden (cf. Veo el coche), bei RDs mit [+hum] lexikalischen indirekten Objekten der Form (Le) da un beso a María zeigen sich wiederum deutliche Routinisierungserscheinungen (cf. Fernández Soriano 1999: 1223 und Dufter/ Stark 2008: 113, 119), v. a. unter bestimmten semantischen Bedingungen (cf. Vera Morales 1995: 429) und in Gesprächskontexten, die im Folgenden näher beschrieben werden. Dass LD- und RD-Konstruktionen mit Objekten aus syntaktischen Gründen teilweise als grammatikalisiert gelten, wurde oben kurz erläutert. In funktionalpragmatischer Hinsicht, welche in dieser Untersuchung im Vordergrund steht, hat der Sprecher jedoch immer noch die freie Wahl zwischen der unmarkierten Satzstruktur ohne Reprise, z. B. Veo a Juan oder Lo veo, und der topic-markierten Konstruktion mit pronominaler Wiederaufnahme im Bezugssatz, z. B. A Juan lo veo bzw. Lo veo a Juan oder A él lo veo bzw. Lo veo a él. Im Folgenden wird zu analysieren sein, in welchen Kontexten sich der Sprecher nun für eine LDbzw. RD- Konstruktion entscheidet und ob in diesen Gesprächssituationen bereits eine Routinisierung bzw. eine pragmatische Automatisierung erkennbar ist. Die Analysen der spanischen Corpora bestätigen zweifellos, dass LDs und RDs mit [+hum] Objekten in bestimmten Gesprächssituationen vom Sprecher als funktional routinisiert bzw. generalisiert betrachtet werden, was zu einer sehr häufigen Verwendung dieser Konstruktionen in gerade diesen Kontexten führt. So weisen v. a. LDs mit Objektpronomina der 1. Person Singular (und Plural) z. B. bei der Anzeige von turn-taking eindeutige Pragmatikalisierungstendenzen auf (cf. hierzu 120 22 Cf. Vera Morales 1995: 182, Gabriel 2007: 68 und Ewert-Kling 2010, Kap. 3.4.2. 23 Äußerungen wie Veo a él oder Da un beso a ella konnten in den Corpora nicht belegt werden und gelten als nicht strukturgerecht (cf. Marcos Marín 1978: 77 und Gabriel/ Rinke 2011: 99; letztere weisen allerdings auf die wenigen Ausnahmen wie (Le) agradezco a Usted su atención hin). Als Fokus-Konstruktionen, also mit intonatorischer Hervorhebung des satzfinalen Objektpronomens (Veo A ÉL oder Da un beso A ELLA), sind diese Äußerungen jedoch durchaus möglich. Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD auch Dufter/ Stark 2008: 118s. und 125 sowie Detges/ Waltereit 2011: 182-85), was Beispiel (17) eindrücklich belegt: (19) [Debatte über die Wohnorte]: - A mí no me gustan las zonas tan saturadas. - A mí me encanta vivir en el centro . . . - A mí me gusta vivir en el Norte. . . . - A mí me gusta vivir en el centro, ¿eh? (HCM, p. 361). Auch beim turn-closing, der v. a. durch RDs mit Objektpronomina der 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform) signalisiert wird (cf. Beispiel (20)), sind deutliche Tendenzen zur pragmatischen Automatisierung sichtbar: (20) [Gespräch über Mädchen, die Motorrad fahren]: - Sí, ahora se ha puesto muy de moda que las chicas vayan en moto, ¿qué te parece a tí eso? - ¡Je, je! Pues, no sé, quien tenga un espíritu avanzado o con ganas de, de aventura, pues vale. (HCM, p. 373). Gerade im Zusammenspiel mit Verben der subjektiven Empfindung und der wertenden Stellungnahme wie gustar oder parecer wurden in den spanischen Corpora auffallend viele LDs (und auch RDs) mit [+hum] indirekten Objektpronomina der 1. und 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform) ermittelt (cf. auch Dufter/ Stark 2008: 116 und Detges/ Waltereit 2011: 185). Dies spricht für eine deutliche Tendenz zur Pragmatikalisierung in diesen Gesprächskontexten 24 , wie die nachfolgenden Beispiele zeigen: (21) [DT: Madrid]: A mí me asusta, me desagrada este Madrid ruidoso, este Madrid de anonimato . . . (HCM, p. 103). (22) [DT: Beziehung zwischen Mann und Frau]: - ¿Cómo ves la relación chico y chica en nuestra generación? - Con la primera cosa que no estoy de acuerdo es con . . . el noviazgo. O sea, ese noviazgo como una institución sacrosanta, lo encuentro francamente ridículo, ¿no? Porque en . . . montones de casos, . . . el noviazgo español, . . . no es más que un mundo de hipocresía tremendo . . . eso es lo que me parece a mí . . . (HCM, p. 67) 121 24 Im gesprochenen Italienischen gelten Objekte in LD- und RD-Stellung in Verbindung mit psychologischen Verben ebenfalls als quasi-grammatikalisiert (cf. Dufter/ Stark 2008: 116 und Meier 2008: 73-74 und 286s.). Karin Ewert-Kling 4.1 Numerische Darstellung der Untersuchungsergebnisse: LD und RD mit [+ HUM / + PRON ] Objekten im gesprochenen Spanischen In Kapitel 4 wurden die theoretischen Aussagen zum Pragmatikalisierungsprozess von LD und RD im español hablado z. T. mit Corpusbeispielen belegt. Interessant in nun in den Kapiteln 4.1 und 4.2, welchen numerischen Umfang (in Prozent angegeben) LD und RD mit [+hum] Objekten in Bezug auf die beiden untersuchten spanischen Corpora aufweisen (der jeweilige Gesprächkontext wird dabei zum größten Teil ausgeklammert). Diese Zahlen werden die Ausführungen in Kapitel 4 unterstreichen. Ferner ermöglichen die ermittelten Zahlen eine Differenzierung der Einzelfälle, indem z. B. die Häufigkeit der LDs und RDs mit direkten und indirekten Objekte oder ein Vergleich zwischen topic-markierter und unmarkierter Konstruktion deutlich gemacht wird. Die Ergebnisse der Corpusanalysen, welche nachstehend u. a. anhand von Graphiken und Prozentzahlen vorgestellt werden, belegen, dass v. a. [+hum] Objekte in LD- und RD-Stellung im gesprochenen Spanischen starke Grammatikalisierungsbzw. Automatisierungstendenzen aufweisen (cf. auch Koch/ Oesterreicher 2 2011: 266). Die hohe Anzahl an [+hum] Objekten in LD- oder RD-Position 25 im gesprochenen Spanischen ist auf das Prinzip der speaker’s empathy (Kuno 1976: 431) zurückzuführen. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich daher ausschließlich auf belebte direkte (DO) und indirekte Objekte (IO), allerdings wird dabei zwischen LDs und RDs mit pronominalen ([+pron]) Objekten (Kap. 4.1) und solchen mit lexikalischen ([-pron]) Objekten (Kap. 4.2) unterschieden. Betrachten wir in den Graphiken 1 und 2 zunächst [+hum] Objektpronomina in LD- und RD-Position: 122 25 Die hier anhand der Corpusanalyse ermittelten Zahlenverhältnisse stimmen zum großen Teil mit den Untersuchungsergebnissen bei Barrenechea/ Orecchia 1970/ 1971: 74s., Silva Corvalán 1984: 1, Koch 1993: 176 und Dufter/ Stark 2008: 117 überein. 12.1 87.9 [ +HUM/ +PRON] Objekte in LD Graphik 1 DO in LD IO in LD Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD Laut der Graphiken 1 und 2 werden [+hum] indirekte Objektpronomina (87,9% in LD und 71,3% in RD) deutlich häufiger in Form von LD- und RD-Elementen verwendet als [+hum] direkte Objektpronomina (nur 12,1% in LD und 28,7% in RD). [+hum] pronominale IOs werden dabei prozentual öfter in LDals in RD- Stellung (cf. auch Zahlen bei Dufter/ Stark 2008: 117), [+hum] pronominale DOs hingegen häufiger in RDals in LD-Stellung ermittelt. Diese anhand der vorliegenden Corpora ermittelten Zahlen untermauern die in den vorherigen Kapiteln dargelegten theoretischen Überlegungen zu starken pragmatischen Automatisierungstendenzen von LD und RD bei [+hum] Objektpronomina der 1. und 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform), v. a. in Verbindung mit psychologischen Verben wie gustar oder parecer (cf. auch ibid. 118). 4.2 Numerische Darstellung der Untersuchungsergebnisse: LD und RD mit [+ HUM / - PRON ] Objekten im gesprochenen Spanischen Die Zahlen der [+hum/ -pron] Objekte in LD- und RD-Position (cf. Graphiken 3 und 4) entsprechen in etwa den Daten zu [+hum/ +pron] Objekten (cf. Graphiken 1 und 2). Auch hier werden mehr indirekte (71,6% in LD und 85,7% in RD) als direkte lexikalische Objekte (28,4% in LD und 14,3% in RD) abgesetzt (cf. auch Silva Corvalán 1983: 118). Im Unterschied zu [+hum/ +pron] IOs (cf. Graphiken 1 und 2) stehen [+hum/ -pron] IOs jedoch häufiger in RD- (85,7%) als in LD-Position (71,6%). Und [+hum/ -pron] DOs werden im Gegensatz zu [+hum/ +pron] DOs (nur 12, 1%, siehe Graphik 1) öfter als LD-Referenten (28,4%) ermittelt. In den vorliegenden spanischen Corpora konnte kein Fall von Initialstellung [+hum] lexikalischer Objekte ohne pronominale Wiederaufnahme im Kernsatz analysiert werden, d. h. satzinitiale [+hum/ -pron] Objekte gelten als syntaktisch 123 28.7 71.3 [+HUM/ +PRON] Objekte in RD Graphik 2 DO in RD IO in RD Karin Ewert-Kling grammatikalisiert (Ausnahmen wie einfache Topikalisierung oder Fokussierung cf. Kap. 4). Bei der näheren Untersuchung [+hum] lexikalischer Objekte in RD-Stellung ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild. Graphik 5 verdeutlicht, dass [+hum/ -pron] satzfinale IOs sehr häufig im Kernsatz pronominal vorweggenommen werden (72,1%) 26 . Auch Graphik 4 zeigt mit 85,7% eine hohe Prozentzahl von [+hum/ -pron] IOs in RD-Position. Die Zahlen aus den Graphiken 4 und 5 unterstreichen, dass RDs mit [+hum/ -pron] IOs starke Grammatikalisierungsbzw. Automatisierungstendenzen aufweisen. 124 26 Die Zahlen in Graphik 5 stimmen jedoch nicht mit den Daten aus den Untersuchungen von Barrenechea/ Orecchia 1970/ 71: 76 überein, bei denen zwischen [+hum/ -pron] IOs mit kataphorischer und solchen ohne kataphorische Vorwegnahme ein beinahe vollständiges Gleichgewicht herrscht. 28.4 71.6 [+HUM/ -PRON] Objekte in LD Graphik 3 DO in LD IO in LD 14.3 85.7 [+HUM/ -PRON] Objekte in RD Graphik 4 DO in RD IO in RD Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD In Graphik 6 wird hingegen sichtbar, dass bei satzfinalen [+hum/ -pron] DOs im Gegensatz zu satzfinalen [+hum/ -pron] IOs in 87,8% der Fälle keine kataphorische pronominale Reprise erfolgt. Lediglich 12,2,% der [+hum/ -pron] satzfinalen DOs werden pronominal vorweggenommen. D. h. in den spanischen Corpora wurden sieben Mal häufiger satzfinale [+hum/ -pron] DOs ohne kataphorische pronominale Reprise ermittelt. Diese Daten entsprechen auch in etwa den Zahlen bei Barrenechea/ Orecchia 1970/ 71: 76 und Koch 1993: 77. Laut Barrenechea/ Orecchia stehen lediglich 8,1% der [+hum/ -pron] DOs in RD-Position, in 91,89% der Fälle erfolgt jedoch keine kataphorische pronominale Vorwegnahme. Die Zahlen in Graphik 6 lassen folglich bei [+hum/ -pron] DOs nur schwache Grammatikalisierungstendenz erkennen 27 (s. Kap. 4). 125 27 Givón ist diesbezüglich jedoch anderer Meinung: «Furthermore, for human direct objetcs as well as for (human) dative objects, the clitic preverbal pronoun is obligatory, and thus in fact has become an object agreement marker on the verb» (1979: 240s.). 72.1 27.9 satzfinales [+HUM/ -PRON] IO Graphik 5 IO mit Reprise IO ohne Reprise 12.2 87.8 satzfinales [+HUM/ -PRON] DO Graphik 6 DO mit Reprise DO ohne Reprise Karin Ewert-Kling 5. Zusammenfassung Im français parlé sowie im español hablado gelten gewisse LD- und RD-Konstruktionen als syntaktisch grammatikalisiert. In der vorliegenden Untersuchung liegt der Schwerpunkt jedoch auf der funktional-pragmatischen Betrachtung dieser Konstruktionen, d. h. es ist vordringlich zu analysieren, in welchen Kontexten der Sprecher LD- und RD-Konstruktionen automatisch verwendet, so dass in diesen Situationen folglich von funktionalen Routinisierungsbzw. Pragmatikalisierungstendenzen dieser Konstruktionen gesprochen werden kann. Dies bedeutet, dass die ursprünglich fakultativen Satzstrukturen ihre Topic-Markiertheit in bestimmten Diskurssituationen bereits so weit eingebüßt haben, dass sie vom Sprecher obligatorisch (also automatisch) gesetzt werden. Eine derartige funktionale Routinisierung wird v. a. beim turn-taking oder bei der Anzeige der Sprechermeinung und -emotion durch frz. moi je oder beim Ausdruck der anaphorischen Synthese durch frz. ça c’(est) deutlich. In diesen Fällen kann im français parlé von supplementärer Subjektkonjugation ausgegangen werden. Tendenziell gelten [+hum] Subjekte in RD-Position im gesprochenen Französischen nicht als routinisiert, da sie immer noch als stärker topic-markiert empfunden werden. In gewissen Kontexten wie z. B. der Abgabe des Redebeitrags (turn-closing) durch [+hum] Subjektpronomina der 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform) in RD sind jedoch bereits leichte pragmatische Automatisierungstendenzen erkennbar. Auch bei den hoch frequenten RDs mit lexikalischen Subjekten in Interrogativsätzen sind Routinisierungstendenzen festzustellen, da hier durch die «Doppelfunktion» aus turn-Übergabe und Fokussierung des Fragepronomens eine für den Sprecher sehr zeitsparende und somit ökonomische Konstruktion zur Verfügung steht. LDs mit Objekten und RDs mit Objektpronomina gelten im gesprochenen Französischen und Spanischen als syntaktisch grammatikalisiert, lexikalische RD- Referenten müssen im Kernsatz hingegen nicht vorweggenommen werden. Im Gegensatz zum français parlé neigen LDs und RDs mit [+hum/ +pron] Objekten im español hablado in bestimmten Gesprächssituationen tendenziell stärker dazu, automatisiert zu werden, z. B. bei der turn-Übernahme oder -Abgabe. Vor allem im Zusammenspiel mit psychologischen Verben wie gustar oder parecer ist bei LD und RD mit [+hum] pronominalen IOs der 1. und 2. Person Singular (und Plural sowie der Höflichkeitsform) eine deutliche funktionale Routinisierung zu vermerken. Eine flächendeckende Grammatikalisierung bzw. Pragmatikalisierung ist derzeit jedoch nicht erkennbar. Vielmehr bleibt abzuwarten, in wie fern und in welchen Kontexten derartige LD- und RD-Konstruktionen noch weiter routinisiert, d. h. grammatikalisiert werden. Düsseldorf Karin Ewert-Kling 126 Grammatikalisierungs- und funktionale Routinisierungstendenzen von LD und RD Bibliographie Alcaraz Varó, E./ Martínez Linares, M. 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