eJournals Vox Romanica 71/1

Vox Romanica
vox
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2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2012
711 Kristol De Stefani

Jean-Jacques Briu (ed.), Terminologie (1). Analyser des termes et des concepts, Bern (Peter Lang) 2011, 224 p. (Travaux Interdisciplinaires et Plurilingues 16)

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2012
Andreas  Schor
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Jean-Jacques Briu (ed.), Terminologie (1). Analyser des termes et des concepts, Bern (Peter Lang) 2011, 224 p. (Travaux Interdisciplinaires et Plurilingues 16) Briu definiert in der Présentation seines Buches die Terminologie als «science des nomenclatures disciplinaires, mais sous une forme systématisée, raisonnée ou structurée» (3). In weiten Kreisen wird diese Wissenschaft lediglich als eine Hilfe für die Übersetzung wahrgenommen. Natürlich ist sie für Übersetzerinnen und Übersetzer und ihr Zielpublikum wichtig. Wenn beispielsweise in einem übersetzten Bedienungshandbuch die Terminologie nicht stimmt, kann man es gleich einstampfen. Damit die Übersetzerinnen und Übersetzer ihre Arbeit richtig machen können, muss die Terminologie schon im Ausgangstext stimmen. Verfasserinnen und Verfasser von Fachtexten müssen darauf achtgeben, wie sie was bezeichnen. Terminologiearbeit besteht aber nicht nur darin, möglichst in mehreren Sprachen einer definierten Wirklichkeit eine sprachliche Bezeichnung zuzuordnen, sondern geht viel tiefer: «Le travail terminologique et de traduction consiste donc aussi [Kursiv vom Herausgeber] à approfondir l’origine, les enjeux et les applications contemporaines des problèmes linguistiques, politiques et culturels relevant des relations entre faits de langue, faits de pensée et pratiques» (9). Damit man einen Überblick über den Fachwortschatz eines Sachgebiets bekommen kann, braucht es sowohl linguistische als auch praktische Kenntnisse (deshalb prüft im Normalfall ein Experte des Sachgebiets die von Terminologinnen und Terminologen erstellten Einträge). In diesem Buch wird die Terminologie in neun Beiträgen von Sprachwissenschaftlern, Lexikografen und Juristen unter dem jeweils eigenen Gesichtspunkt beleuchtet. Dadurch erscheint der Band sehr heterogen, was laut dem Herausgeber jedoch durchaus gewollt ist. Loïc Depecker versteht in seinem Beitrag mit dem Titel «Comment aborder le concept d’un point de vue linguistique» die Terminologie als Eintrittspforte zur Wissenschaft vom Konzept, la conceptologie. Ein Terminologieeintrag (von Depecker unité terminologique genannt) besteht im Wesentlichen aus einer Bezeichnung und einem Konzept (der Definition). So ist beispielsweise Vermarkung die Bezeichnung und «Operation bei der Durchführung der amtlichen Vermessung, die aus der Grenzfeststellung und dem Anbringen von Grenzzeichen besteht» das Konzept. In der Konzeptologie werden die Konzepte und ihre Beziehung untereinander studiert. Es ist dies ein neuer Ansatz in der Sprachanalyse. Neben diesem logischen Teil der Sprache, hat diese auch einen psychologischen Teil, den man auch als Konnotationen bezeichnet. Diese hängen vom Individuum, von der Kultur, von der geschichtlichen Epoche usw. ab. Klaus E. W. Fleck («La terminologie juridique sous l’aspect interlangues. La traduction des ‹mots étrangers›/ ‹Fremdwörter› dans les textes juridiques») untersucht ein Fachgebiet, bei dem kulturelle Unterschiede besonders stark zum Ausdruck kommen: das Recht. Beim Recht gibt es beispielsweise in Frankreich und in Deutschland verschiedene Traditionen, und deshalb ist es schwierig, einen juristischen Text aus der einen Sprache adäquat in die andere zu übertragen. Der Autor fragt sich, wann man zur Fremdwortentlehnung (emprunt) und wann man zur Lehnübersetzung (calque) greifen soll. Oft helfen beide nicht weiter, «et il faut avoir recours à une comparaison-délimitation avec l’institution du pays de la langue cible, en évoquant des points communs et les différences» (45). Bei diesem Vorgehen leidet natürlich die einfache Lesbarkeit einer Übersetzung zugunsten der juristischen Genauigkeit. Noch mehr Schwierigkeiten gibt es bei der Übersetzung von englischen Rechtstexten (die in diesem Beitrag nicht behandelt wird), da das angelsächsische common law vollkommen anders ist als die kontinentaleuropäische Rechtstradition, die trotz Verschiedenheiten letztlich auf das römische Recht zurückgeht. Auch im Beitrag von Thierry Grass (Fonctions lexicales et traduction juridique bilingue français-allemand) geht es um juristische Übersetzung. Er schlägt ein juristisches Vokabu- 244 Besprechungen - Comptes rendus lar nach dem Modell des Dictionnaire explicatif et combinatoire du français contemporain von Mel’ Č uk vor. Dieser besteht nicht einfach aus einem möglichst erschöpfenden Verzeichnis des Wortschatzes, sondern widmet jeden Artikel einer sogenannten lexie vedette, «située dans son environnement conceptuel au centre d’une constellation de concurrences lexicales» (57). Der Verfasser schlägt für jede lexie vedette einen Terminologieeintrag mit 8 Feldern vor: 1) Sachgebietsbezeichnung, 2) Definition, 3) semantische Beziehungen, wie Synonymie, Antonymie usw., 4) Modellargumente (Agens, Objekt, Begünstigter), 5) passende Verben, 6) Ableitungen, 7) Beispiele und 8) Bemerkungen. Aufgrund dieses Modells wollte Grass zusammen mit Klaus Fleck (dem Autor des vorangehenden Beitrags) ein französisch-deutsches Rechtswörterbuch schaffen. Die Idee scheiterte aber daran, dass es keine geeignete Plattform für das Erfassen des Materials mit Informatik gab und dass die lexikografische Arbeit so viele Stunden in Anspruch genommen hätte, dass der finanzielle Aufwand für einen Herausgeber schlicht zu groß geworden wäre. Evgeny Shokenmayer betrachtet in seinem Beitrag mit dem Titel «Les terminologies onomastiques entre l’Europe et l’Asie» den Übergang von Eigennamen zu allgemeinem Substantiv unter dem terminologischen Gesichtspunkt. Er stellt fest, dass in den postsowjetischen Ländern und auch im Westen (Europa, Nordamerika) auf dem Gebiet der Onomastik eine riesige Arbeit geleistet wurde, dass aber die Forscher im Osten die Arbeiten ihrer Kollegen im Westen kaum kennen und umgekehrt. Das liegt vor allem an Sprachbarrieren und an der Unvereinbarkeit der besonderen Terminologie. Der Autor des Beitrags fordert deshalb: «Pour atteindre l’intercompréhension entre les chercheurs et les écoles, nous avons besoin d’un travail théorique comparatif et terminologique sérieux mobilisant des onomasticiens slaves et européens» (98). In ihrem Beitrag beschäftigt sich Kerstin Ohligschlaeger unter der Überschrift «À la recherche du ‹génie de la langue›» mit der Änderung der Bedeutung dieses Konzepts, in dem sich «Klarheit» mit «Überlegenheit der französischen Sprache» verband. Dazu benützt sie Wörterbücher, den Ort «où une nation retrouve le vocabulaire ‹autorisé› de sa langue» (113). Sie kommt zum Schluss, dass dieses Konzept heute kaum mehr eine Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt und dass sich die Idee von der Überlegenheit der französischen Sprache verflüchtigt, obwohl sie im Bewusstsein der Französischsprachigen noch immer vorhanden ist. Die Kraft dieses Konzepts bestand darin, dass sich bei ihm Allgemeingebrauch und wissenschaftliche Überlegung vereinten. Diese Faktoren spielen heute aber nur noch eine geringe Rolle, die sich auch in den Wörterbüchern niederschlägt. Der Herausgeber des Bandes, Jean-Jacques Briu, untersucht unter dem Titel «‘démocratie/ Demokratie’: variation du sémantisme des deux termes du 18 e au 20 e siècle» die Einträge zu diesen Stichworten in deutschen und französischen Wörterbüchern und Lexika. Dazu nimmt er noch einige Verfassungs- und philosophische Texte. Er kommt zum Ergebnis, dass die Wörterbücher und Lexika auf der einen Seite und die juristischen Texte auf der anderen Seite zwei entgegengesetzte Tendenzen zeigen. Erstere liefern ein Minimum an definitorischen semantischen Bestandteilen, während letztere der Frage nachgehen, was eine demokratische Regierung ist, ohne dass sie diese je als solche bezeichneten. Der Verfasser des Beitrags kommt zum Schluss, dass der französische und der deutsche Ausdruck einander sehr nahe sind, dieser Eindruck aber täuscht, und dahinter ein komplexeres Konzept steckt. Astrid Guillaume («Langues et Traductions médiévales: Que de mots! Que de maux! ») geht den Übersetzungen von mittelalterlichen Texten sowohl zur damaligen Zeit als auch in der Neuzeit nach. Dazu betrachtet sie die Gebiete Onomastik, Illuminierungen und eingefasste Anfangsbuchstaben, Heraldik und Literatur. Die Probleme bei der Übersetzung von Texten aus dem Mittelalter liegen darin, dass die Autoren die weltliche (König) und die geistliche (Kirche) Zensur zu umgehen versuchen, indem sie ihre Texte kodieren, «offrant 245 Besprechungen - Comptes rendus différents stades de compréhension qui contribuent à cette difficulté traductologique des langues de spécialité médiévales» (149). Serguei Sakhno weist in seiner Studie mit dem Titel «Les députés du Parlement russe pensent-ils? Autour du concept de parlement: l’analyse en synchronie et en diachronie de certains termes de langues européennes» auf die etymologische Komponente der Terminologie hin. Die sogenannte forme interne bildet sowohl vom synchronischen als auch vom diachronischen Standpunkt aus gesehen eine wortimmanente Motivation. Der Verfasser beklagt den Gegensatz zwischen Linguisten, welche die Bedeutung der Etymologie für die Kenntnis des gegenwärtigen Standes einer Sprache verneinen, und solchen, welche die Etymologie auch für die synchronische Untersuchung einer Sprache als bedeutend erachten. Er plädiert für eine Harmonisierung von Diachronie und Synchronie: «il faut chercher à intégrer les données ‹philologiques› . . . dans une perspective systémique, c’est-à-dire chercher à dégager des structures fonctionnelles (productrices de discours, de messages) et même génétiques (productrices de ‹langue›, c’est-à-dire de matériel systémique, de code) sans appauvrir le foisonnement des faits fournis par l’observation» (188). Dazwischen zündet der Verfasser des Beitrags ein wahres Feuerwerk seiner etymologischen Kenntnisse! Im letzten Beitrag, «Identification de termes/ concepts pour une application pluridisciplinaire: les apports de la terminologie textuelle», beschreibt Christine Fèvre-Pernet die Rolle der Terminologie in fachübergreifenden Projekten. Gerade bei fachübergreifenden Projekten ist die Terminologie wichtig, denn es kommen verschiedene Fachsprachen zusammen, und alle Beteiligten müssen zunächst einmal die gleiche Sprache sprechen. So wurden bei einem konkreten Projekt einfach einmal Terme, die von den Beteiligten gebraucht wurden, gesammelt und damit die fachübergreifende Zusammenarbeit erst ins Laufen gebracht. Bei einem solchen Projekt entstehen natürlich auch neue Begriffe, für die eine Bezeichnung gefunden werden muss. Dabei hilft es, wenn man sich das Prinzip der terminologie textuelle zu eigen macht, nämlich dass die Begriffe nicht vor den Wörtern entstanden und deshalb wichtiger sind, sondern dass die terminologisation ein laufender Prozess ist, der parallel zur Ausarbeitung von Konzepten stattfindet. Die Terminologie war bei dem Projekt, das in diesem Vortrag beschrieben wird, nicht Wissenschaft, sondern Methode. Die 9 Beiträge im Buch widerspiegeln die am Anfang angetönte Vielfalt der Terminologie. Sie ist wirklich zusammen mit der Übersetzung die angewandte Sprachwissenschaft par excellence, denn beim Erstellen eines Terminologieeintrags sieht man sich sprachlichen, aber auch kulturellen und bisweilen politischen Problemen gegenüber. Wenn der Eintrag mehrsprachig wird, was oft der Fall ist, kommen auch kulturelle und sprachliche Unterschiede zum Vorschein. Der fertige Eintrag zeigt dann die komplexe Beziehung zwischen Sprache, Denken und Praxis. Andreas Schor ★ Nadine Eichler, Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern. Eine Analyse der gemischtsprachlichen Nominalphrasen unter besonderer Berücksichtigung des Genus, Tübingen (Narr) 2011, 452 p. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 528) L’analisi e la discussione degli aspetti morfosintattici del code-switching (o meglio, in particolare, dell’intrasentential code-switching, altrimenti detto code-mixing) e del comportamento delle grammatiche delle lingue che intervengono nella commutazione di codice rappresentano un consistente settore di ricerca in un campo, quello delle manifestazioni del contatto sia nel discorso che nella struttura dei sistemi linguistici, sempre più in espansione. Questa voluminosa monografia è il frutto di una dissertazione conclusa nel 2010 a Wup- 246 Besprechungen - Comptes rendus