eJournals Vox Romanica 72/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2013
721 Kristol De Stefani

Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen

121
2013
Regina  Göke
vox7210253
Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen El presente artículo analiza las conversiones en español desde un punto de vista semánticocognitivo. Se supone que muchas conversiones sin flexión resultan de procesos metonímicos. Esta hipótesis se basa en el hecho de que la relación entre el concepto base y el concepto meta de la palabra convertida representa frecuentemente una relación de contigüidad. Por ejemplo, la conversión verbo → sustantivo de cantar (‘actividad de emitir con la voz sonidos armoniosos’) en cantar (‘pieza musical cantada’) (DEA). El objetivo del trabajo reside en determinar los tipos de conversiones metonímicas y en identificar las conceptualizaciones y contigüidades que hay detrás. Otra ambición es hallar aproximarnos a los usos metonímicos iniciales mediante los diccionarios pertinentes y los bancos de datos CORDE y CREA de la Real Academia. Este trabajo forma parte de un proyecto complejo y ambicioso. El objetivo que persigue es investigar las formas de expresión metonímicas en español y clasificarlas en diferentes niveles estructurales de la lengua. Palabras clave: Conversión, contigüidad, metonimia, formación de palabras Schlagwörter: Konversion, Kontiguität, Metonymie, Wortbildung 1. Einleitung Der Metonymiebegriff ist von der Rhetorik in die Semantik und kognitive Linguistik übergegangen. Heute wird die Metonymie als grundlegendes Verfahren des Bedeutungswandels angesehen und fungiert gleichzeitig als Sammelbegriff für viele kontiguitätsbasierte Prozesse der Sprachverarbeitung auf verschiedenen sprachlichen Ebenen. Der Konversionsbegriff stammt hingegen aus der Wortbildung und beschreibt das Verfahren des unmarkierten Wortartwechsels. Beide Begriffe gehören demnach ganz unterschiedlichen Teilbereichen der Linguistik an. Dennoch gibt es einen Berührungspunkt. Er besteht darin, dass sich viele Konversionen als metonymische Prozesse darstellen lassen. Ziel der hier vorgestellten Untersuchung ist es, einen Überblick über die konzeptuell-semantischen Hintergründe von metonymischen Ausdrucksformen zu gewinnen, die gleichzeitig Konversionen sind. Die Studie ist Teil eines umfassenderen Projekts zur Erfassung und Systematisierung von Metonymien im Spanischen (cf. Hänchen 2004, Göke 2005, Göke 2013). Aus Komplexitätsgründen beschränkt sie sich auf Konversionen zum Substantiv. Das einleitende Kapitel befasst sich zunächst kurz mit den theoretischen Grundlagen der Metonymie und der Konversion und setzt die beiden Begriffe in Beziehung zueinander. In diesem Zusammenhang erfolgt auch die notwendige Abgrenzung der metonymischen Konversion von der elliptischen und der analogischen. Es schließt sich die Erklärung der Methodik an. Metonymische Konversionen werden nach den drei Hauptformen der Konversion ohne Flexion in kon- Vox Romanica 72 (2013): 253-274 Regina Göke zeptuell vergleichbare Cluster eingeteilt, woraus sich ein weitreichender Überblick über das Spektrum der metonymischen Konversion im Spanischen ergibt. 2. Metonymie und Konversion 2.1 Metonymie Als Metonymien werden gemeinhin Sprachverarbeitungsprozesse angesehen, die sich durch spezifische Merkmale bei der Produktion und der Rezeption auszeichnen. Der metonymische Produktionsprozess besteht aus einer bestimmten Form der Konzeptualisierung und aus der Formulierung. Bei der Konzeptualisierung wird mittels eines im gegebenen Kontext im Sinne der Relevanztheorie «relevanten» Ausgangskonzepts (z. B. Buch) auf ein dazu in Kontiguität stehendes Zielkonzept (z. B. Autor) zugegriffen 1 . Bei der Formulierung wird für das Ausgangskonzept eine sprachliche Einheit gewählt. Diese wird ohne zusätzliche syntaktisch-semantische Markierung 2 , die explizit auf das Zielkonzept hinweist, in einen Text eingebettet. Der folgende Satz (1) enthält mit dem Substantiv best-séller ein typisches Beispiel für das Resultat eines metonymischen Produktionsprozesses. Die zugrunde liegende Kontiguitätsrelation ist eine Werk-Autor-Beziehung, d. h. mit Hilfe des Werks wird auf den Autor Bezug genommen. (1) Hay verdadera alerta roja entre los representantes de la prensa del corazón sobre la inminente unión entre el best-séller y la princesa y en todas las redacciones se dan a toda prisa los últimos toques a la biografía de la pareja. (ABC, 21.8.01: 70) Beim metonymischen Rezeptionsprozess wird eine Metonymie von einem Rezipienten verarbeitet. Dabei findet auf der Basis des gegebenen sprachlichen und außersprachlichen Kontexts ein Inferenzprozess statt, durch den ausgehend vom sprachlichen Produkt (metonymische Ausdrucksform) nach Relevanzgesichtspunkten auf das in Kontiguität zum Ausgangskonzept stehende Zielkonzept geschlossen wird (cf. Göke 2005). Unter dem für das Verständnis der Metonymie zentralen Begriff der Kontiguität werden Nähe-Beziehungen von Elementen einer sinnlich wahrnehmbaren oder wahrgenommenen Situation zusammengefasst. Es sind erfahrungsbasierte, mehr oder weniger unmittelbar zurückliegende und somit kognitiv vorgebahnte Beziehungen, die geknüpft werden auf Grund der Eindrücke und des Wissens eines Produzenten bzw. eines Rezipienten von einer Sache, einer Person, einer Handlung oder einem Ereignis (cf. Rickheit/ Strohner 1999: 278-79; Blank 2001: 254 1 Die Relevanztheorie geht auf Sperber/ Wilson 1995 zurück. 2 Z. B. Anfügen eines Morphems. Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen 33, Koch 2004: 7, Koch 2012: 260) 3 . Kontiguitäten gehen demnach nicht nur aus Eindrücken räumlicher Nähe hervor, sondern auch aus sozialer Zugehörigkeit, Hierarchie, Besitz, Urheberschaft, chronologischer Abfolge, etc.. Der Kontiguitätsbegriff ist somit ein sehr weiter Begriff, der leider trotz zahlreicher Versuche definitorisch nicht besonders eindeutig festgelegt ist, was zum Teil zu Abgrenzungsproblemen in der praktischen Anwendung führt (cf. Kap. 4.1.1, Kap. 4.2.4, Peirsman/ Geeraerts 2006). Auch wenn metonymische Ausdrucksformen in ihrer klassischen, rhetorischen Ausprägung sicherlich eher der Wortebene zugeordnet werden, gibt es sie auch in fast allen anderen sprachlichen Komplexitätsgraden, d. h. in Form von Affixen, Komposita oder Syntagmen ebenso wie in Form von Sätzen oder Texten. Angesichts der Fülle an Ausdrucksformen unterschiedlichster sprachlicher Komplexität und angesichts der Vielfalt an möglichen Kontiguitätsrelationen und Kontexten ist es nicht verwunderlich, dass es bisher kaum gelungen ist, sich einen Überblick über die tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen der Bildung metonymischer Ausdrücke einer Sprache zu verschaffen. 2.2 Konversion Als Konversion wird in der Regel der unmarkierte Wortartwechsel bezeichnet. Bei diesem meist der Wortbildung zugerechneten Verfahren erfolgt der Übertritt eines Wortes in eine andere Wortart, indem kein explizites Affix eingesetzt wird (Schpak-Dolt 1999: 69, Haspelmath/ Sims 2010: 39). Allenfalls Flexionsendungen werden zugelassen (Lüdtke 2007: 118, Manova/ Dressler 2005: 72). Um Konversionen handelt es sich beispielsweise beim Übergang vom Infinitiv des Verbs cantar (‘singen’) zum Substantiv cantar (‘Gesang’) und von den Partizipien des Passivs parado/ a (‘arbeitslos’) und jubilado/ -a (‘pensioniert’) zu den Substantiven parado/ -a (‘Arbeitslose/ -r’) bzw. jubilado-/ a (‘Rentner/ -in’). Neben der Interpretation als Konversion werden derartige Phänomene auch als Nullableitungen ausgelegt (z. B. Nyrop 2 1936: 330, Marchand 1969: 359). Diese alternative Erklärungsmöglichkeit ordnet den Prozess vornehmlich der Derivation zu, indem angenommen wird, dass die Transformation durch das Anhängen eines Null-Morphems erfolgt (z. B. cantar (‘singen‘) cantarØ (‘Gesang’), parado (‘arbeitslos‘) paradoØ (‘Arbeitsloser’). Nach Abwägung beider Ansätze möchte ich die Theorie der Konversion favorisieren. Die Interpretation des Phänomens durch die Annahme eines Nullmorphems ist aus theoretischen Gründen sicherlich nachvollziehbar, sie kann aber 255 3 Unter den vorhandenen Modellen wird diese mentale Situation am ehesten durch das Lakoff’sche Modell eines Idealisierten Kognitiven Modells (ICM) oder durch das Frame-Modell beschrieben (Lakoff/ Johnson 1980, Lakoff 1987, Fillmore 1985). Regina Göke meines Erachtens weder ausreichend begründet noch wirklich widerlegt werden, da keine sichtbare Formveränderung des Wortes stattfindet. Gegen die Nullableitung spricht somit, dass anders als bei der «normalen» Derivation kein objektiv als solches erkennbares, komplexes Wort gebildet wird. Offenkundig ist lediglich, dass die gleiche Form eine andere Funktion innerhalb des Textes und eine andere Bedeutung erhält. Für die Theorie der Konversion spricht somit der auf Grund dieser Indizien nachvollziehbarere Wortartwechsel. 2.3 Das Verhältnis von Metonymie und Konversion Da der Wortartwechsel kein sichtbares morphologisches Verfahren ist und gleichzeitig eine semantische Komponente beinhaltet, nämlich zumindest die mit dem Funktionswechsel einhergehende Bedeutungsveränderung, stellte Nyrop im dritten Band seiner Grammatik fest, dass dieses Phänomen, welches er nicht als Konversion, sondern als dérivation impropre bezeichnet, eigentlich eher der Semantik zugerechnet werden sollte und von ihm nur aus praktischen Gründen im Rahmen der Wortbildung abgehandelt wird (Nyrop 2 1936: 330, Rainer 2012: 369). Somit war er möglicherweise der Erste, der auf diese Weise auf den semantischen Ursprung der Konversion hingewiesen hat. Comme la dérivation impropre ne change pas la forme des mots et qu’elle repose exclusivement sur la nouvelle fonction attribuée à un mot déjà existant, elle ressort peut-être plutôt de la sémantique. C’est pour des raisons purement pratiques que nous en traitons dans ce volume de notre Grammaire. (Nyrop 2 1936: 330) Heute entsteht vor allem bei der Lektüre kognitionslinguistischer Beiträge der Eindruck, dass es sich bei Konversionen auf Grund ihrer konzeptuell-semantischen Hintergründe immer auch um Metonymien handelt (cf. Dirven 1999: 277s., Schmitz/ Pörings 2003: 73, Schönefeld 2005: 140, Martsa 2013: 3). Das bedeutet, dass die durch den Funktionswechsel bedingte Bedeutungsveränderung als metonymisch angesehen wird und dass formale Veränderungen, insbesondere das Anfügen von Flektionsendungen, toleriert werden. Diese generelle Akzeptanz von Konversionen als Metonymien muss jedoch etwas eingeschränkt werden, wenn dem hier vertretenen theoretischen Ansatz der Metonymie gefolgt wird (cf. Kap. 2.1). Er versteht sich als Synthese aus der auf klassischen Definitionen basierenden Auffassung der Metonymie sowie aus neueren, pragmatischen Ansätzen und den bereits erwähnten kognitionslinguistischen Ansätzen. 2.3.1 Metonymische Konversion im engeren Sinne Aus dem oben beschriebenen metonymischen Ansatz folgt, dass es sich bei Konversionen nur dann um Metonymien handeln kann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen darf im Konversionsprozess keine formale Verän- 256 Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen derung stattfinden, deren Inhalt auf das Zielkonzept verweist und zum anderen sollte das Verhältnis zwischen den Konzepten der Konversionsbasis (Ausgangskonzept) und des Konversionsprodukts (Zielkonzept) ein Kontiguitätsverhältnis sein. Beides ist bei den oben genannten Konversionen jubilado (’Pensionist‘), jubilada (‘Pensionistin’) oder parado (’Arbeitsloser‘), parada (‘Arbeitslose’) der Fall und somit können sie auch als metonymische Ausdrücke erachtet werden 4 . In den genannten Beispielen besteht die Kontiguität zwischen einer Eigenschaft (pensioniert, arbeitslos) und einer Personengruppe mit dieser Eigenschaft (Pensionisten, Arbeitslose) 5 . Von der metonymischen Konversion in diesem strikten Sinne zu unterscheiden sind kontiguitätsbasierte Konversionen mit Flexion (z. B. pact-ar, alfombr-ar, dt. frühstück-en) und auf den ersten Blick metonymisch anmutende Konversionen ohne Flexion, deren Entstehung in Wirklichkeit eher analogisch oder elliptisch motiviert ist (z. B. el deber, el cortado). Da Konversionen mit Flexion sowie elliptische und analogische Konversionen aber zu einem gewissen Grad mit den oben genannten Beispielen übereinstimmen bzw. ihre entstehungsgeschichtliche Verschiedenheit zum Teil nur schwer empirisch nachweisbar ist, werden sie im Grenzbereich der Metonymie angesiedelt. 2.3.2 Grenzbereich der metonymischen Konversion Konversionen mit Flexion können meines Erachtens nicht als metonymische Ausdrucksformen im hier vertretenen Sinne gelten, da sie formal-semantisch markiert sind. Im Spanischen sind dies zum Beispiel denominale Verben (z. B. asesin-ar, cincel-ar, pact-ar, alfombr-ar. Ihr Produktionsprozess unterscheidet sich von einem metonymischen Prozess, indem der auf Grund des Ausgangskonzepts gewählte Wortstamm bei der Formulierung durch eine Flexionsendung ergänzt wird, die das Wort als Verb markiert und dadurch auf die damit verbundenen semantischen Eigenschaften, z. B. den Handlungs- oder Prozesscharakter, hinweist. Ebenfalls im Grenzbereich der Metonymie einzuordnen sind analogische Konversionen, für deren Bildung weniger die Kontiguität zwischen den Ausgangs- und Zielkonzepten ausschlaggebend war, sondern bereits vorliegende Wortbildungen, die schematisch Modell standen. So wurde laut DCELC el deber wahrscheinlich nach dem Modell von el placer gebildet. Eine theoretisch-definitorische Frage ist, bis zu welchem Grad es sich trotz der eher analog gesteuerten Produktionspro- 257 4 Morphosyntaktischen Veränderungen, z. B. das Anfügen einer Pluralendung bei entsprechender Verwendung oder die Genusanpassung, werden hier nicht als konversionseigen angesehen, da sie nicht zur Markierung als Substantiv beitragen, sondern erst als Konsequenz aus der substantivischen Verwendung auftreten. Sie sind somit der Bedeutung des Zielkonzepts geschuldet. D. h. sie schließen meines Erachtens erst an den metonymischen Prozess an und sind diesem aus prozeduraler Sicht eher nachgeordnet. 5 Zur Rechtfertigung des Kontiguitätscharakters dieser Relation: Peirsman/ Geeraerts 2006: 303. Regina Göke zesse noch um Metonymien handelt, wenn das Verhältnis zwischen den Konzepten der Konversionsbasis und des Konversionsprodukts gleichzeitig als Kontiguität erachtet werden kann. Außerdem können Analogien von Metonymien nur dann eindeutig unterschieden werden, wenn empirisch nachweisbar ist, dass sie ausschließlich analog entstanden sind. Dieser Nachweis ist jedoch nur schwer zu erbringen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass jeweils graduelle Unterschiede hinsichtlich des Einflusses von Analogie und Metonymie bestehen. Ähnlich wie bei den analogischen verhält es sich bei den elliptischen Konversionen. Zahlreiche Beispiele für Ellipsen lassen sich vor allem bei den Konversionen von Adjektiven und zum Teil auch Partizipien finden. So handelt es sich bei cortado (‘kleiner Kaffee’), capital (‘Hauptstadt’), curva (‘Kurvenlinie’), impermeable (‘Regenmantel’), electrodoméstico (‘elektrisches Haushaltsgerät’) oder ultraligero (‘Ultraleichtflugzeug’) um elliptisch und nicht um metonymisch motivierte Konversionen (Beispiele aus Rainer 1993: 677 und Blank 1997: 292). Obwohl das Resultat der elliptischen Konversion naturgemäß so aussieht wie das der metonymischen Konversion, liegt ein anderer, auf morphologischer Ebene anzusiedelnder Entstehungsprozess zugrunde: Das Aussparen eines Elements einer sprachlichen Einheit. Ob es sich um metonymische oder elliptische Konversion handelt, muss und kann nur im Einzelfall geprüft werden und ist in einigen Fällen nicht zweifelsfrei festzustellen (Blank 1997: 299). Möglicherweise hat auch je nach Sprecher einmal das eine und einmal das andere Verfahren bei der Etablierung des Ausdrucks eine Rolle gespielt. Aus diesem Grunde sollten auch diese Beispiele nicht ganz außer Acht gelassen und dem Randbereich der Metonymie zugeordnet werden. 3. Methodik Allgemein formuliert ist das Ziel dieses Beitrags, einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen der metonymischen Konversion zum Substantiv im Spanischen zu geben. Im Einzelnen stehen dabei folgende Fragen im Mittelpunkt 6 : 1. Welche Substantiv-Konversionen können im Spanischen als Metonymien (im eigentlichen Sinn) angesehen werden? 2. Welche Konzeptualisierungen sind bei metonymischen Konversionen im Spanischen möglich und treten regelmäßig auf? 3. Welche Kontiguitäten liegen zugrunde? 4. Welche metonymischen Ausdrucksformen gibt es vor allem in neuerer Zeit? Welche liegen länger zurück oder erscheinen veraltet? 258 6 Um einen allgemeinen Überblick über die metonymische Wortbildung im Spanischen zu gewinnen, wurden diese Fragen entsprechend einer bereits durchgeführten Untersuchung zur metonymisch motivierten Nominalkomposition im Spanischen formuliert (Göke 2013). Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen Durch die Beantwortung der ersten Frage wird ein Überblick über die metonymischen Ausdrucksformen des Spanischen im Bereich der Konversion gewonnen. Die Bearbeitung der zweiten Fragestellung führt außerdem zu der Erkenntnis, welche Ausgangs- und Zielkonzepte bei diesen Ausdrucksformen vorherrschen. Mit der dritten Fragestellung wird festzustellen beabsichtigt, welche Kontiguitäten den Konzeptualisierungen der metonymischen Konversion im Spanischen entsprechen. Die vierte Frage nach der zeitlichen Dimension bestimmter metonymischer Ausdrucksformen und Verfahren zielt auf den Produktivitätszeitraum ab. Die Untersuchung verläuft in folgenden Schritten: Zunächst werden unter den Haupttypen der Konversion ohne Flexion potentielle Beispiele für metonymische Konversion gesucht. Es schließt sich die Untersuchung der Konzeptualisierung an. Hierfür ist eine Vorklassifikation nach einem möglichst übergreifenden und einfachen, aber auch genauen Ordnungssystem notwendig. Es bietet sich eines nach ontologischen Kriterien an, auch wenn derartige Festlegungen sicherlich in mancher Hinsicht nicht ganz unproblematisch sind. Ontologische Kategoriensysteme bleiben zu einem gewissen Grad willkürlich, und in bestimmten Grenzfällen gestaltet sich die Entscheidung über die Zuordnung zu einer Kategorie auch recht schwierig. Nach einer umfassenden Vorstudie eines Sprachebenen übergreifenden Gesamtkorpus aus mehr als 1200 spanischen Beispielen verschiedenster metonymischer Substantive wurde ein System aus neun ontologischen Grundkategorien entwickelt (Fig. 1) 7 . Dabei sind die Kategorien Subjekt und Objekt in weitere Un- 259 7 Bei diesem Korpus handelt es sich um ein manuell erstelltes Beispielkorpus aus verschiedenen spanischsprachigen Zeitungen, Zeitschriften, Romanen, Sachbüchern und Satirebüchern. Es ist aus der Lektüre der einzelnen Medien hervorgegangen. Außerdem wurden einsprachige Wörterbücher konsultiert (z. B. DRAE, DEA). • Subjekt o Individuum o soziale Gruppe o Institution/ wirtschaftl. o. gesellschaftlicher Ort • Objekt o Artefakt (gegenständlich o. nicht-gegenständlich) o abstraktes Objekt o Körperteil o Organismus o Geograph. Ort • Mass/ Zahl • Gefühl/ Einstellung • Sachverhalt • Zustand/ Eigenschaft • Art und Weise • Ereignis • Handlung/ Prozess Fig. 1: Allgemeines ontologisches Grundraster Regina Göke terkategorien aufgeteilt. Subjekte sind in Individuen, soziale Gruppen oder Institutionen bzw. gesellschaftliche Orte unterteilt. Zu den Objekten gehören gegenständliche oder nicht-gegenständliche Artefakte, abstrakte Objekte, Körperteile, Organismen und geographische Orte. Als entscheidende Vorteile des Grundrasters sind zu nennen, dass innerhalb dieses Systems sämtliche Metonymien in Form allgemeiner, konzeptueller Muster beschrieben werden können, dass somit zu einem gewissen Grad eine Objektivierung erzielt wird und dass schließlich eine empirische Auswertung von Beispielen im Hinblick auf die Ermittlung der gängigsten Konzeptualisierungen und der dabei genutzten Kontiguitäten auch im Hinblick auf weitere Untersuchungen anderer Sprachbereiche oder Sprachen erleichtert wird. Aus der Einordnung der Beispiele der verschiedenen Ausdrucksformen in dieses Grundraster ergeben sich Cluster von Metonymien, welche in Bezug auf ihre Form und ihre semantisch-konzeptuellen Merkmale Gemeinsamkeiten aufweisen. Zum Beispiel bilden Konversionen, denen eine Konzeptualisierung mit dem Ausgangskonzept Handlung/ Prozess und den Zielkonzepten Objekt, Ereignis oder Art und Weise zugrunde liegt, ein Cluster (z. B. amenecer ‘Tagesanbruch’, ‘Sonnenaufgang’, tañer ‘Geläut’, andar ‘Gangart’), Konversionen mit dem Ausgangskonzept Eigenschaft und dem Zielkonzept Objekt ein weiteres (z. B. dulce ‘süß’ ‘Süßigkeit’; ‘Nachspeise’) 8 . Weiterhin gehört zur Analyse der Konzeptualisierung eine genauere Beschreibung der Kontiguitätsverhältnisse innerhalb eines Clusters. Im vierten Schritt der Analyse werden die Datenbank C ORDE der Real Academia Española, etymologische und allgemeine einsprachige Wörterbücher (DCELC, BDLC, DEA, DLC) sowie die einschlägige Literatur zur spanischen Wortbildung konsultiert. Diese Quellen liefern Informationen über den Gebrauchszeitraum der Beispiele sowie Hinweise auf ihre Entstehungsgeschichte und den Lexikalisierungsgrad. Die für jedes Cluster erstellten Tabellen fassen die Informationen über Form, Konzeptualisierung und Gebrauchszeitraum zusammen. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. absolute Exaktheit. Dennoch wird davon ausgegangen, dass die Cluster insgesamt den semantischen und formalen Spielraum der metonymischen Substantiv-Konversion im Spanischen in weiten Teilen wiedergeben. 260 8 Die Kategorien Handlung und Ereignis unterscheiden sich im eindeutigen Fall darin, dass das Ereignis komplexer ist als eine Handlung. Ein Ereignis kann aus mehreren Handlungen bestehen. Außerdem ist der Situationszusammenhang, d. h. Ort, Zeitpunkt und die handelnden Personen stärker assoziiert als bei einer Handlung. Zum Beispiel handelt es sich bei den Olympischen Spielen eindeutig um ein Ereignis. Dennoch gibt es Fälle, bei denen die Unterscheidung von Handlung und Ereignis schwer fällt. Handelt es sich beispielsweise bei el mirar, el venir oder el volver bereits um Ereignisse oder eher um Handlungen (cf. 4.1.1)? Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen 4. Metonymische Konversionen im Spanischen Drei Arten von Konversionen ohne Flexion werden im Allgemeinen unterschieden: Die Konversion des Infinitivs, die Konversion von Adjektiven,Adverbien und Partizipien und die metasprachliche Konversion oder Delokution 9 (Lüdtke 2007: 120). Wie oben bereits beschrieben, werden hier innerhalb jeder Kategorie potentielle metonymische Substantiv-Konversion (z. B. cantar, dulce, hazmerreír) ermittelt und nach dem erläuterten Verfahren untersucht. 4.1 Konversion des Infinitivs 4.1.1 Cluster 1 (Handlung/ Prozess - Ereignis/ Objekt) Cluster 1 enthält Ausdrucksformen, deren Ausgangskonzept eine Handlung oder ein Prozess ist und deren Zielkonzept einem Objekt, einer Art und Weise oder einem Ereignis entspricht (cf. Tabelle 1). Tab. 1. Cluster 1 (Handlung/ Prozess - Objekt/ Ereignis/ Art und Weise) Beispiel AK ZK Mind. nachgewiesen seit H ANDLUNG / P ROZESS O BJEKT / E REIGNIS / A RT UND W EISE amanecer tag werden Tagesanbruch 1579 (CORDE) andar gehen Gang, Gangart 1250 (CORDE) cantar singen Gesang, Lied 1140 (DCELC) tañer läuten Geläut 1330-43 (CORDE) venir kommen Ankunft 1284 (CORDE) volver zurückkehren Rückkehr 1440 (CORDE) Mit großer Regelmäßigkeit lassen sich Verben ausgehend vom Infinitiv durch das Anhängen eines definiten Artikels oder eines Demonstrativpronomens (z. B. ese) substantivieren 10 : el cocinar (‘das Kochen’), el coser (‘das Nähen’), el mirar (‘das Schauen/ Anschauen’), el pintar (‘das Malen’), el tañer (‘das Läuten’, ‘das Geläut’), el pulsar (‘das Pulsieren’), el venir (‘das Kommen’), el volver (‘das Zurückkehren’). Bei einigen von diesen handelt es sich auch um metonymische Ausdrucksformen. Sie liegen vor, wenn das Verhältnis zwischen den konzeptuellen Strukturen des In- 261 9 Die metasprachliche Konversion ist als Konversionsart umstritten, da es sich nicht um einen Wortartwechsel im strengen Sinne handelt (cf. Kap. 4.3, Blank 1997: 257). Sie besitzt somit einen Sonderstatus und wird daher heute gemeinhin als eigenes Wortbildungsverfahren betrachtet, welches unter den Begriff der Delokution fällt. 10 In Subjektposition ist dies auch ohne Anhängen eines Artikels möglich. Regina Göke finitivs (z. B. läuten) und des substantivierten Ausdrucks (z. B. Geläut) als Kontiguitätsrelation angesehen werden kann, was jedoch nicht immer und nicht in jedem Kontext in gleicher Weise der Fall ist. Innerhalb der kognitiven Linguistik besteht die Tendenz, substantivische Verwendungen des Infinitivs generell als Metonymien zu erachten. D. h. die durch den Wortartwechsel entstehenden semantischen Veränderungen werden als metonymisch angesehen. Zum Beispiel handelt es sich für Schmitz/ Pörings 2003 bei dem Gebrauch von Essen in «Das Essen ist gut» und in «Sie lud ihn zum Essen ein» in beiden Fällen um Metonymien. Die Kontiguitätsbeziehung besteht für die Autoren jeweils zwischen einem Element eines Ereignisses und dem Gesamtereignis (Schmitz/ Pörings 2003: 73). Für den erstgenannten Satz lässt sich dies leicht nachvollziehen, da Ausgangs- und Zielkonzepte hier zwei deutlich abgrenzbare Einheiten darstellen, nämlich eine Handlung (‘essen’) und das Objekt der Handlung (‘das zu Essende’). Im zweitgenannten Satz liegen Ausgangs- und Zielkonzepte semantisch enger beieinander und sind nicht ganz so deutlich voneinander abgrenzbar (Handlung (‘essen’) für Ereignis (‘Gesamtgeschehen des Essens’). Derartige Unterschiede in der Beziehung zwischen Ausgangs- und Zielkonzepten lassen sich auch im Spanischen feststellen, wie an den folgenden Beispielen illustriert und genauer untersucht werden soll. (2) El cantar de los pajaritos . . . (LHS) (3) El cantar popular . . . (LHS) (4) Al traspasar el umbral de la que iba a ser su nueva morada, Regina escuchó el tañer de una campana. (Velasco Piña 1987) (5) El idioma no es una barrera para Luz. „La verdad es que desde hace ya algunos años parece como si las cosas estuviesen cambiando, como si el cantar en inglés ya no fuese un requisito indispensable para que te escuchen y, menos aún, para que te entiendan. (El País, 22. 12. 2004) (6) Además el autor ha abordado la diferencia entre el mirar y el ver de manera profunda, la ha dotado de matices humanos que enganchan a quien lee el texto y lo mueven a reflexionar logra su propósito. (Efímero 1992) Bei den Beispielen (2) und (3) ist die Kontiguität leicht identifizierbar, da der metonymische Prozess vom Abstrakten ausgeht und ziemlich eindeutig in den Bereich des Konkreten übergeht. Die Zielkonzepte dieser Beispiele entsprechen den Resultaten der jeweiligen Handlung des Singens (Vogelgesang, Volkslied). Das Zielkonzept des Beispiels (4) (tañer (läuten)) entspricht ebenfalls dem Resultat bzw. dem Effekt der Handlung, nämlich dem spezifischen Geräusch ((el) tañer (Geläut)). Auch dieses Konzept ist (intuitiv) als eigene, kontige Einheit, nämlich als nicht-gegenständliches Artefakt oder Resultat der Handlung bzw. des Prozesses abgrenzbar und aus diesem Grund fällt es hier ebenfalls relativ leicht, den Gebrauch von tañer als Metonymie anzuerkennen. Ähnliches gilt auch für el amenecer in Tabelle 1, bei dem das aus vielen Eindrücken bestehende Gesamtereignis 262 Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen Tagesanbruch eine vom Prozess des Tagwerdens abgrenzbare, übergeordnete Einheit darstellt, welche gewissermaßen das Resultat des Prozesses ist. Im Vergleich zu (4) bleibt bei den Beispielen (5) und (6) der Handlungsaspekt stärker erhalten. Diese Beispiele haben den Charakter von Nomina actionis. Aus diesem Grunde erscheint die Relation zwischen Ausgangs- und Zielkonzept auch deutlich enger. Die Bedeutungsveränderung scheint beinahe ausschließlich auf den Funktionswechsel zurückzuführen zu sein, und es stellt sich die Frage, ob hier tatsächlich noch Kontiguität vorliegt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass zwischen den potentiellen Metonymien des Clusters 1 zum Teil Unterschiede bestehen. Als eindeutig metonymisch anzusehen sind die Beispiele, bei denen im gegebenen Kontext das konkrete Resultat der Handlung bzw. des Prozesses oder ein umfassendes Ereignis hervorgehoben werden und dabei die Handlung (und damit auch der Handelnde) und der Prozess in den Hintergrund treten. Auf der anderen Seite gibt es Beispiele, bei denen die Zuordnung zur Metonymie (intuitiv) schwer fällt, da Ausgangs- und Zielkonzept fast identisch sind und die semantische Veränderung lediglich durch die andere syntaktische Funktion einzutreten scheint. In diesen Grenzfällen sollte darüber nachgedacht werden, ob es sich tatsächlich um Metonymien handelt. Diese Phänomene fallen möglicherweise eher in den Bereich einer kontextuellfunktional bedingten semantischen Variation oder Facette (cf. Cruse 2000: 116; Koch 2012: 273). Die Argumentation für das Vorliegen einer Facette könnte unter Umständen darauf aufbauen, dass Ausgangs- und Zielkonzept in einem kontiguitätsähnlichen Verhältnis zueinander stehen, dessen Besonderheit im Gegensatz zur «reinen» Kontiguität darin besteht, dass sich die beiden distinkten Einheiten gegenseitig mit einschließen. D. h. die Handlungen (mirar, ver) schließen die Ereignisse ((el) cantar, (el) mirar, (el) ver in Beispiel (5)) logisch komplett mit ein und umgekehrt. 4.1.2 Cluster 2 (Eigenschaft - Gefühl/ Zustand) Cluster 2 wurden Beispiele zugeordnet, deren Konzeptualisierungen auf Grund der Abstraktheit der beteiligten Strukturen nicht besonders klar zu verorten sind. Die Ausgangskonzepte sind keine Handlungen oder Prozesse, sondern eher Eigenschaften oder Zustände. Ihre Zielkonzepte werden meines Erachtens am treffendsten den Kategorien Zustand oder Gefühl zugeordnet. Sie stehen in einer Art konsekutiver Teil-Ganzes-Beziehung zu den jeweiligen Eigenschaften, d. h. die Eigenschaft ist wesentlicher Bestandteil eines Zustands oder eines Gefühls und ist gleichzeitig in gewisser Weise ursächlich mit diesem verbunden. Beispiele dieses Clusters sind häufig sehr früh lexikalisiert worden und in mehreren romanischen Sprachen zu finden (z. B. deber, pesar, placer, poder oder saber) 11 . 263 11 Im Französischen haben sich entsprechend savoir, pouvoir und devoir herausgebildet. Regina Göke Analogische Konversionsprozesse und Entlehnungen sind daher möglich und wahrscheinlich. Im DCELC wird beispielsweise die Annahme geäußert, dass deber Ende des 16. Jahrhunderts nach dem Modell von placer gebildet wurde. Tab. 2. Cluster 2 (Eigenschaft - Gefühl/ Zustand) Beispiel AK ZK Mind. nachgewiesen seit E IGENSCHAFT / Z USTAND G EFÜHL / Z USTAND deber müssen Pflicht, Verpflichtung Ende 16. Jh. (DCELC) parecer scheinen Anschein 1575 (BDELC) pesar abwägen, bereuen Kummer, Bedauern 1140 (DCELC) placer gefallen Freude, Lust, Wunsch 1140 (DCELC) poder können Handlungsfähigkeit, 1140 (DCELC) später auch polit. Macht querer wünschen Wollen, Zuneigung, Liebe 1250 (CORDE) saber wissen Zustand, etw. zu wissen, 13. Jh. (CORDE) später auch Wissen ser sein zustand, existent zu sein ~ 16. Jh. (BDELC) valer wert sein Wert, Verdienst, Ansehen 1290 (CORDE) 4.2 Konversion von Adjektiven und Partizipien Im Spanischen können alle Adjektive und Partizipien durch das Hinzusetzen eines bestimmten Artikels substantiviert werden. Es handelt sich dabei aber nicht in jedem Fall um Konversionen im engeren Sinne, sondern insbesondere bei den Adjektiv Substantiv-Formen um Ellipsen oder auch um Ableitungen 12 . Der Unterschied zwischen Ausgangs- und Zielkonzept kann ähnlich wie bei einigen metonymischen Konversionen des Infinitivs so unwesentlich erscheinen, dass es schwer fällt, diese Relation als Kontiguität anzuerkennen (cf. 4.2.4). Es stellt sich folglich auch hier bei bestimmten Fällen die Frage, ob es sich noch um Metonymien handelt. 4.2.1 Cluster 3 (Eigenschaft - Subjekt) Die in Tabelle 3 aufgeführten eindeutig metonymischen Beispiele der Konversion von Adjektiven und Partizipien weisen Zielkonzepte der Kategorie Subjekt auf. Die Beziehungen zwischen den Ausgangs- und Zielkonzepten lassen sich durch die Formel «Eigenschaft für Subjekt mit dieser Eigenschaft» umschreiben. Rein 264 12 In früheren Grammatiken werden derartige Beispiele noch ausschließlich als Ellipsen interpretiert (z. B. el frío, el pasado, el derecho, el ridículo, el necesario, etc.). Ihr Ursprung wird in Einflüssen des Lateinischen und des Französischen gesehen (Hanssen 1966: 182 s.). Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen äußerlich sehr ähnlich, aber semantisch unterschiedlich sind Beispiele wie matemático/ a (‘Mathematiker/ in’), físico/ a (‘Physiker/ -in’) und químico/ a (‘Chemiker/ -in’) deren Bedeutung einem Experten in der jeweiligen Disziplin entspricht. Interessanterweise handelt es sich hierbei wahrscheinlich nicht um Konversionen, sondern um Ableitungen von der jeweiligen Disziplin (z. B. matemática) (cf. Rainer 1993: 680-81). Sie werden hier daher nicht berücksichtigt. Das metonymische Cluster von Konversionen von Adjektiven und Partizipien mit dem Zielkonzept Subjekt weist folglich nur eine Art der Kontiguität auf. Tab. 3. Cluster 3 (Eigenschaft - Subjekt mit dieser Eigenschaft) Beispiele 13 AK ZK Mind. nachgewiesen seit E IGENSCHAFT S UBJEKT asistente assistierend Assistent/ in 1332 (CORDE) desaparecido/ -a verschwunden Verschollene/ r 1926 (CORDE) diputado/ -a abgeordnet Abgeordnete/ r 1464 (CORDE) empleado/ -a angestellt Angestellte/ r 1654 (CORDE) extranjero/ -a fremd Ausländer/ in Adj. seit 1396 (BDELC) Ausland 1497 (CORDE) herido/ -a verletzt Verletzte/ r independiente unabhängig Selbständige/ r 1655 (CORDE) (Unternehmer/ in) intelectual intellektuell Intellektuelle/ r Adj. seit 1580 (DCELC), 1896 (CORDE) jubilado/ -a pensioniert Pensionist/ in; 1495 (BDELC) Rentner/ in licenciado/ -a genehmigt, verliehen Akademiker/ in 1420 (CORDE) parado/ -a arbeitslos Arbeitslose/ r 1931 (CORDE) regente regierend Machthaber/ in 1611 (DCELC) responsable verantwortlich Chef/ in, Verantwort- Adj. seit 1737 (BDELC) liche Person ridículo lächerlich Mensch, der sich 1758 (CORDE) lächerlich macht vencido/ -a besiegt Besiegte/ r 1376 (CORDE) Diese Konversionen sind historisch schwer nachzuverfolgen, da zum einen in den meisten Fällen die substantivierte Verwendung in Wörterbüchern nicht erfasst wird und zum anderen das häufige Auftreten und die Gleichförmigkeit die Suche 265 13 Nur diejenigen Beispiele, die auch mit unbestimmtem Artikel gebildet werden können, werden innerhalb der Wortbildung relativ einhellig als Konversionen anerkannt. Personenbezügliche Substantivierungen, die keinen unbestimmten Artikel bei sich haben können sind laut Rainer 1993 aus verschiedenen Gründen, die hier nicht ausgebreitet werden, eher als «syntaktische Gebilde» anzusehen (z. B. el todavía durmiente (Rainer 1993: 678-79). Diese Untersuchung beschränkt sich demzufolge auf «echte» Konversionen von Adjektiven und Partizipien, d. h. auf Formen, die auch von einem unbestimmten Artikel begleitet werden können. Regina Göke nach den frühen, substantivierten Verwendungen in CORDE verkomplizieren. Erste substantivische Verwendungen konnten in CORDE im 14. Jahrhundert nachgewiesen werden. Fernández Ramírez 1986: 24 hat die näheren Umstände der Substantivierung personenbezüglicher Adjektive im Spanischen untersucht. Er weist darauf hin, dass ihr Gebrauch kontextabhängig ist und ihre Interpretation durch entsprechende semantische Merkmale in der unmittelbaren sprachlichen Umgebung begünstigt wird. Darüber hinaus fällt der relativ häufige Gebrauch des Plurals bzw. des generischen Singulars (d. h. die Verwendung als Gattungsbegriff) auf. 4.2.2 Cluster 4 (Eigenschaft - Objekt) Cluster 4 bilden Konversionen von Adjektiven und Partizipien mit der Zielstruktur Objekt (Tabelle 4). Hier beschreibt das Ausgangskonzept eine Eigenschaft und das Zielkonzept ein Objekt, welches diese Eigenschaft erfüllt. Für Fernández Ramírez handelt es sich hierbei um die größte Gruppe unter den Substantiven, die aus Adjektiven oder Partizipien hervorgegangen sind (Fernández Ramírez 1986: 27). Tab. 4. Cluster 4 (Eigenschaft - Objekt) Beispiel AK ZK Mind. nachgewiesen seit E IGENSCHAFT O BJEKT brillante leuchtend Brilliant 1772 (CORDE) calmante beruhigend Beruhigungsmittel 1883 (CORDE) dulce süss süssigkeit 1617 (CORDE) frigorífico Kälte Erzeugend Kühlschrank 1891 (CORDE) pendiente hängend Ohrring 1844 (CORDE) purgante säubernd Reinigungsmittel 1710 (CORDE) refrigerante kühlend Kühlmittel 1876 (CORDE) todasana 14 ganz gesund Johanniskraut 1843 (DCELC) (Heilpflanze) 4.2.3 Cluster 5 (Eigenschaft-Mass) Ein semantisch eingeschränkteres Cluster bilden Konversionen der Dimensionsadjektive. Ihre Ausgangskonzepte sind der Kategorie Eigenschaft und ihre Zielkonzepte der Kategorie Mass zuzurechnen (Tabelle 5). 266 14 Das Beispiel todasana ist zwar sprachlich komplexer auf Grund der kompositorischen Zusammensetzung aus Adv + Adj, aber aus konzeptueller Sicht ist es vergleichbar mit den anderen Beispielen in Tabelle 4. Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen Tab. 5. Cluster 5 (Eigenschaft - Mass) Beispiel AK ZK Mind. nachgewiesen seit E IGENSCHAFT M ASS alto hoch Höhe 1295 (CORDE) ancho breit Breite 1875 (CORDE) largo lang Länge 1435 (CORDE) frío kalt Kälte 1482 (CORDE) grueso dick Dicke 1423 (CORDE) 4.2.4 Cluster 6 (Eigenschaft - Sachverhalt/ Zustand) Cluster 6 besteht aus Beispielen, bei denen die Unterscheidung von Ausgangs- und Zielkonzept schwer fällt (cf. Tabelle 6), da das Zielkonzept ontologisch nicht so einfach zu beschreiben ist. Die Ausgangskonzepte entsprechen abstrakten Eigenschaften und bei den Zielkonzepten handelt es sich um Sachverhalte. Die Kontiguität könnte beschrieben werden als Eigenschaft für Tatsache, dass diese Eigenschaft besteht (= Sachverhalt). Tab. 6. Cluster 6 (Eigenschaft - Sachverhalt) Beispiel AK ZK Mind. seit E IGENSCHAFT S ACHVERHALT absurdo absurd das Absurde 1599 (CORDE) amargo bitter das Bittere 1381-1418 (CORDE) extremo extrem das Extreme 1550 (CORDE) intelectual intellektuell das Intellektuelle 1607 (CORDE) parecido ähnlich das Ähnliche ridículo lächerlich das Lächerliche 1596 (CORDE) Tabelle 6 ließe sich ohne Schwierigkeit erweitern, da es bei sehr vielen Adjektiven, die abstrakte Eigenschaften bezeichnen, prinzipiell möglich ist, sie mit diesem semantischen Effekt zu substantivieren (Rainer 1993: 681). Die semantische Verschiebung ergibt sich wie bei einigen Beispielen in Cluster 1 vor allem aus dem Funktionswechsel der sprachlichen Einheit. Auf Formulierungsebene werden diese Konversionen heute in der Regel durch den neutralen Artikel lo begleitet (cf. Beispiel (7)). (7) Mamá Elena le pidió al doctor que cerrara la puerta con llave y casi en secreto le externó su inquietud respecto a lo amargo de la comida. (Esquivel 1995: 116) Der im Abstrakten verharrende semantische Unterschied zwischen Eigenschaft und Tatsache, dass diese Eigenschaft besteht erscheint so gering, dass in Erwä- 267 Regina Göke gung gezogen werden muss, dass hier (vergleichbar mit den Grenzfällen in Cluster 1) möglicherweise ein kontiguitätsähnliches, an Identität grenzendes Verhältnis zugrunde liegt. Auf Grund dieser Unsicherheit werden diese Beispiele nicht als metonymische Ausdrücke angesehen. Die meisten Adjektive dieses Clusters können aber unter entsprechenden kontextuellen Bedingungen auch gemäß Cluster 3 oder 4 eindeutig metonymisch verwendet werden (z. B. intelectual, ridículo, dulce). D. h. vielfach ist auch ein personen- oder sachbezogener Gebrauch möglich, allerdings ohne den neutralen Artikel, sondern in Begleitung des entsprechenden maskulinen oder femininen Artikels 15 . Es fällt außerdem auf, dass die konkreten Verwendungen der Cluster 3 und 4 in der Regel später in corde auftreten als die abstrakten in Cluster 6. 4.3 Metasprachliche Konversion/ Delokution Eine weitere Form der Konversion ohne Flexion ist die metasprachliche Konversion. Sätze werden durch wiederholten Gebrauch in vergleichbaren Kontexten zu Substantiven konvertiert und lexikalisiert (Lüdtke 2007: 122, Thiele 1996: 102). Es ist jedoch fraglich, ob dieser Vorgang gleichermaßen wie die zuvor beschriebenen als Konversion angesehen werden sollte, da man nicht wirklich von einem Wortartwechsel sprechen kann. Koch 1993 führt für dieses Phänomen den Begriff des delokutiven Kategoriensprungs ein, wobei sein Delokutivitätsbegriff zurückgeht auf Emile Benveniste. Heute bezeichnet Delokution gemeinhin die Bildung neuer Wörter ausgehend von konkreten sprachlichen Äußerungen (Anscombre/ Létoublon/ Pierrot 1987: 46-53, Blank 1997: 257, Koch 1993: 271-72, Koch 2012: 282). Viele metasprachliche Konversionen bzw. Delokutionen können als Metonymien interpretiert werden, denn die als Ausgangskonzepte anzusehenden sprachlichen Äußerungen stehen häufig in einem kontigen Zusammenhang zum jeweiligen Zielkonzept, welches ein Subjekt, Objekt, ein Ereignis oder eine Handlung sein kann 16 . Entsprechend der ontologischen Kategorien der Zielkonzepte wurden die Beispiele in drei Cluster (7, 8 und 9) unterteilt. 4.3.1 Cluster 7 (sprachliche Äusserung - Subjekt) Tabelle 7 erfasst einige Beispiele, deren Zielkonzepte Subjekte sind. 268 15 Umgekehrt gibt es aber Beispiele in Cluster 3, deren Gebrauch nach Cluster 6 eher unwahrscheinlich ist, da diese Adjektive per se eher personenbezüglich sind (z. B. joven, viejo). 16 Die sprachlichen Äusserungen werden ontologisch der Kategorie der nicht-gegenständlichen Artefakte zugerechnet. Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen Tab. 7. Cluster 7 (sprachliche Äusserung - Subjekt) Beispiel AK ZK Mind. seit SPRACHLICHE Ä USSERUNG S UBJEKT correveidile Lauf, sieh und sag (es) Ihm! Klatschmaul 1765 (CORDE) hazmerreír Bring mich zum Lachen! komische Figur 1627 (CORDE) vivalavirgen Es lebe die Jungfrau! leichtsinniger Mensch 1927 (CORDE) oíslo Hören Sie (es)? Ehefrau, vertraute Person 1605 (BDELC) Das Verhältnis zwischen der Bedeutung der sprachlichen Äußerung und dem Zielkonzept ist innerhalb dieses Clusters variabel und wegen der Metasprachlichkeit schwer den klassischen Formeln der Kontiguität zuzuordnen. Zum Beispiel beschreiben correveidile oder hazmerréir jeweils typische Verhaltensweisen oder Eigenschaften des Zielsubjekts aus der Beobachterbzw. der Ich-Perspektive. Vivalavirgen und oíslo sind für das Zielsubjekt charakteristische Äußerungen 17 . Es handelt sich also in einem weiteren Sinne um Beziehungen zwischen einem durch die Äußerung beschriebenen Merkmal und dem Merkmalsträger (correveidile, hazmerreír) oder um Äußerung-Sprecher-Beziehungen (vivalavirgen, oíslo), d. h. Werk-Autor im weiteren Sinne. Das älteste Beispiel dieses vergleichsweise jüngeren Clusters (oíslo) stammt aus dem 17. Jahrhundert. 4.3.2 Cluster 8 (Sprachliche Äusserung - Objekt) Ein weiteres, metonymisches Cluster bilden Delokutionen mit einem Objekt als Zielkonzept (Tabelle 8). Tab. 8. Cluster 8 (sprachliche Äusserung - Objekt) Beispiel AK ZK Mind. seit S PRACHLICHE Ä USSERUNG A RTEFAKT / O RGANISMUS abonaré Ich werde erhalten Abonnement 1828 (CORDE) bienmesabe Schmeckt mir gut gastr. südspanische 1941-61 Süßspeise (CORDE) debe Er/ Sie schuldet Soll 1206 (DCELC) deberías Du schuldetest Zinszahlungen 16. Jh. (DLC) miramelindo(s) Sieh mich gut an! Halskette 1895 (CORDE) Balsamine (Pflanze) nomeolvides Du vergisst mich nicht! Vergissmeinnicht (Pflanze) 1889 (CORDE) pagaré Ich werde zahlen Schuldschein 14. Jh. (DLC) recibo Ich erhalte, Ich empfange Quittung 1604 (DCELC) Empfangsraum 269 17 Der Satz würde im heutigen Spanisch ¿lo oís? lauten (cf. bdelc). In älteren Sprachstufen des Spanischen war die Stellung des Klitikums nach dem initialen Verb verbreitet. Regina Göke Tab. 8. Fortsetzung Beispiel AK ZK Mind. seit S PRACHLICHE Ä USSERUNG A RTEFAKT / O RGANISMUS tente(m)pié Halte dich auf den Stehaufmännchen 1739 (BDELC) Füssen! Imbiss, Stärkung tentenelaire Halte dich in der Luft! Kolibri - tentetieso Bleib fest! Stehaufmännchen 1940 (CORDE) vendí Ich habe verkauft! Verkaufsbestätigung - Die Ausdrücke dienen u. a. der Benennung von kaufmännischen Dokumenten, Speisen oder Pflanzenarten. Die zugrundeliegenden Kontiguitäten sind recht unterschiedlich und teilweise nur schwer herauszufinden, da der Benennungsgrund nicht immer bekannt ist (Bustos Gisbert 1986: 258-63, Rainer 1993: 675). Häufig wird bei den nicht-wirtschaftssprachlichen Beispielen das Zielobjekt in der sprachlichen Äußerung der Ausgangskonzeptstruktur gewissermaßen personifiziert (z. B. bienmesabe, tentetieso, tentempié, tentenelaire, miramelindo(s), nomeolvides). Sie beschreibt somit Eigenschaften oder Zustände des Zielobjekts. Bei den wirtschaftssprachlichen Beispielen, die jeweils Zahlungsvorgänge oder diese belegende Dokumente benennen, beschreibt das Ausgangskonzept den Zahlungsvorgang aus der Sicht des Geldgebers oder -empfängers (z. B. debe, pagaré, recibo, vendí). 4.3.3 Cluster 9 (sprachliche Äusserung - Ereignis/ Handlung/ Zustand) Tabelle 9 enthält Beispiele eines weiteren Clusters von Delokutionen. Hier entspricht die Ausgangskonzeptstruktur häufig der Bedeutung einer sprachlichen Äußerung oder eines Teils einer sprachlichen Äußerung im Rahmen eines Standardsprechaktes (z. B. bienvenida), während es sich bei dem Zielkonzept um die Kategorie des Sprechaktes handelt (z. B. Begrüssung). Tab. 9. Cluster 9 (sprachliche Äusserung - Ereignis/ Handlung/ Zustand) Beispiel AK ZK Mind. seit S PRACHLICHE E REIGNIS / H ANDLUNG / Ä USSERUNG Z USTAND acabóse Das ist doch die Höhe! Skandal 1861 (DHLE) bienvenida Herzlich Willkommen! Begrüssung Mitte 16. Jh. (DCELC) mentís Ihr lügt! Dementi 1220-50 (DCELC) parabién (für Für gut Glückwunsch 17. Jh. (DCELC) para bien sea) pero Aber Zweifel 1893 (CORDE) pésame Es tut mir Leid! Beileid 1521 (CORDE) pláceme Freut mich! Glückwunsch 1521 (CORDE) sí Ja Einwilligung 1493 (CORDE) 270 Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen Da sich im Prinzip im Spanischen jede sprachliche Äußerung durch Anhängen eines definiten Artikels in ein solches Substantiv konvertieren lässt, kommen auch spontansprachliche Bildungen vor, die dem genannten Cluster im Prinzip entsprechen (siehe Beispiele (8), (9)). Im Unterschied zu den in Tabelle 9 aufgeführten Beispielen bestehen für diese ad hoc-Bildungen auf Grund ihrer Länge und starken kontextuellen Beschränktheit wenn überhaupt nur sehr geringe Aussichten, lexikalisiert zu werden. (8) El «¡manos arriba esto es un atraco! » sigue funcionando. (Noticias 2010) (9) . . . mientras las dos chicas me miraban con esa expresión que sólo puede traducirse por «¿quién coño es este demente? », articulé como pude un rápido «perdonacreoquemeheequivocado» seguido de otro no menos rápido «pensabaqueerasotrapersona» y desaparecí ocultándome tras mi carpeta en el fondo del vagón, protegiéndome de sus carcajadas con Metallica sonando a todo trapo en el walkman. (Weblog 2004) 6. Resümee und Ausblick In diesem Beitrag sind Konversionen im Hinblick auf ihre Konzeptualisierung, Kontiguität und ihren Gebrauchszeitraum untersucht und klassifiziert worden. Dazu wurden je nach Konversionsart und Zugehörigkeit der Ausgangs- und Zielkonzepte zu den Kategorien eines ontologischen Grundrasters Cluster gebildet 18 . Jedes auf diese Weise ermittelte Cluster umfasst Konversionen der gleichen Form, deren Ausgangs- und Zielkonzept dem oder den gleichen ontologischen Kategorien angehören und ähnliche Kontiguitätsbeziehungen aufweisen. Für die drei Konversionsarten, d. h. die Konversion des Infinitivs, die Konversion von Adjektiven und Partizipien und die metasprachliche Konversion bzw. Delokution, wurden insgesamt acht metonymische Cluster ermittelt, die in Tabelle 10 überblicksartig zusammengefasst werden. Konversionen des Infinitivs bilden zwei Cluster. Ihre Ausgangskonzepte sind Handlungen oder Prozesse. Zielkonzepte des ersten Clusters gehören den Kategorien Objekt, Ereignis oder Art und Weise an, Zielkonzepte des zweiten Clusters sind Gefühle oder Zustände. Insbesondere innerhalb des ersten Clusters bestehen allerdings Unterschiede in der Beziehung zwischen Ausgangs- und Zielkonzept, bei der es sich wahrscheinlich nicht mehr immer um Kontiguität handelt. In einigen Fällen sollte in Erwägung gezogen werden, sie als syntaktisch bedingte kontextuelle Variation oder Facette einzustufen. Metonymische Konversionen von Adjektiven und Partizipien sind die häufigste Metonymieart unter den Konversionen. Hier ergab die Analyse drei eindeutig metonymische Cluster mit den Zielkonzepten Subjekt, Objekt und Mass. Ein mögliches, viertes Cluster mit dem Ziel- 271 18 Es handelt sich hierbei um ein allgemeines Verfahren, welches auch auf andere metonymische Ausdrucksformen angewandt werden kann. Regina Göke 272 Tab. 10. Gesamtüberblick über metonymische Konversion von Substantiven im Spanischen Form AK ZK K ONTIGUITÄT Nachge- Beispiele wiesen seit Konversion Handlung Ereignis Handlung/ Prozess - 12. Jh. cantar des Infinitivs Prozess Objekt Resultat tañer Art und Weise Handlung - amenecer Instrument Eigenschaft Gefühl Merkmal - 12. Jh. placer Zustand Zustand Merkmalsträger pesar saber Konversion von Eigenschaft Subjekt Merkmal - 14. Jh. asistente Adjektiven und Merkmalsträger desaparecido Partizipien ridículo Eigenschaft Objekt Merkmal - 18. Jh. brilliante Merkmalsträger dulce Eigenschaft Mass Merkmal - 15. Jh. ancho Merkmalsträger largo Delokution/ Sprachliche Subjekt Werk - Autor 17. Jh. correveidile metasprachliche Äusserung Organismus Teil - Ganzes oíslo Konversion Sprachliche Objekt Merkmal - 13. Jh. debe Äusserung Merkmalsträger pagaré Werk - Autor hazmerréir Sprachliche Ereignis Teil - Ganzes 13. Jh. bienvenida Äusserung Handlung pésame Zustand konzept Sachverhalt wurde auf Grund hinsichtlich des an Identität grenzenden Verhältnisses von Ausgangs- und Zielkonzept als eher nicht-metonymische kontextuell bedingte Variation eingestuft. Schließlich gibt es eine weitere Kategorie metonymischer Konversionen, bei denen es sich allerdings nicht um Konversionen im eigentlichen Sinne handelt, da man nicht wirklich von einem Wortartwechsel sprechen kann. Sie werden als metasprachliche Konversionen, Delokutionen oder delokutive Kategoriensprünge bezeichnet, und es gibt sie in drei Ausprägungen mit den Zielkonzepten Subjekt/ Organismus, Objekt bzw. Ereignis/ Handlung/ Zustand. Die den Clustern zugrunde liegenden Kontiguitäten sind in vielen Fällen Beziehungen zwischen einem Merkmal bzw. einer Eigenschaft, und einem Merkmalsträger. D. h. das Kontiguitätsverhältnis besteht zwischen einer Eigenschaft Konversion als metonymische Ausdrucksform im Spanischen und einem Objekt, Subjekt, Ereignis, etc., welches sich besonders durch diese Eigenschaft auszeichnet. Neben diesen Relationen gehen Beispiele aus vier Clustern weitere Kontiguitätsbeziehungen ein. Es handelt sich zum einen um Beziehungen zwischen einer Handlung und dem Resultat der Handlung (4.1.1), um die zwischen einem Ausspruch und dem dazugehörigen Sprecher (4.3.1), d. h. um Werk-Autor-Relationen, sowie um Teil-Ganzes-Beziehungen (4.3.1, 4.3.3). Die metonymische Konversion ist insgesamt ein relativ altes Verfahren der Wortbildung. Konversionen des Infinitivs konnten seit Ende des 12. Jahrhunderts nachgewiesen werden (4.1.1, 4.1.2). Auch Delokutionen mit den Zielkonzepten Objekt und Ereignis sind relativ alt (13. Jahrhundert). Die Beispiele von Delokutionen mit dem Zielkonzept Organismus erscheinen dagegen jünger (17. Jahrhundert). Die metonymische Konversion von Adjektiven und Partizipien reicht ins 14./ 15. Jahrhundert zurück (4.2.1, 4.2.3). Es fällt außerdem auf, dass Beispiele, die konkrete Objekte bezeichnen vergleichsweise rezent sind (4.2.2). Sie konnten erst seit dem 18. Jahrhundert in CORDE nachgewiesen werden. Wien Regina Göke Bibliographie ABC, 21. 8. 2001, Barcelona Anscombre, J.-C./ Létoublon, F./ Pierrot, A. 1987: «Speech act verbs, Linguistic action verbs and delocutivity», in: J. Verschueren (ed.), Linguistic Action. Empirical-conceptual Studies, Norwood: 45-67 BDELC = Corominas, J. 1967: Breve Diccionario Etimológico de la lengua castellana, Madrid Blank, A. 2001: Einführung in die lexikalische Semantik für Romanisten, Tübingen Blank, A. 1997: Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen Bustos Gisbert, E. de. 1986: La composición nominal en español, Salamanca Cervantes = http: / / cvc.cervantes.es/ lengua/ banco_neologismos/ busqueda.asp, 11. 7. 2012 CORDE = Real Academia Española, Corpus diacrónico del español, http: / / www.rae.es CREA = Real Academia Española, Corpus de referencia del español actual. http: / / www.rae.es Cruse, A. 2000: Meaning in Language. An Introduction to Semantics and Pragmatics, Oxford Cruse, A. 2003: «Aux frontières de la polysémie: les micro-sens», in: S. Rémi-Giraud/ L. Panier, La polysémie ou l’empire des sens, Lyon: 131-40 DCELC = Corominas, J. 1981-90: Diccionario crítico etimológico de la lengua castellana, Madrid DEA = Seco, M. 1999: Diccionario del español actual, Madrid DHLE = Real Academia Española 1972: Diccionario histórico de la lengua española, Madrid DRAE = Real Academia Española, Diccionario de la Real Academia española. http: / / www.rae.es Dirven, R. 1999: «Conversion as a conceptual metonymy of event schemata», in: K.-U. Panther/ G. Radden, Metonymy in Language and Thought, Amsterdam/ Philadelphia: 275-87 DLC = Real Academia Española 1991: Diccionario de la lengua castellana, Madrid Efímero 1992: 92205044 Examen escrito, in: Real Academia Española, Banco de datos CORDE, http: / / www.rae.es El País, 22. 12. 2004, Madrid Faus, A. 1963: Diccionario de la montaña, in: Real Academia Española, Banco de datos CORDE, http: / / www.rae.es Fernández-Ramírez, S. 1986: Gramática Española, 3.1. El Nombre, Madrid 273 Regina Göke Fillmore, C. 1985: «Frames and the semantics of understanding», Quaderni di Semantica 6: 222- 54 Göke, R. 2005: «Metonymien aus Sicht von Produktion und Rezeption. Einige theoretische Überlegungen zur Metonymie anhand von spanischen Beispielen», Romanistik in Geschichte und Gegenwart 11,1: 19-40 Göke, R. 2013: «Metonymische Nominalkomposition im Spanischen», ZRPh. 129: 56-84 Hänchen, R. 2004: «Kontinuitäten und Brüche in der Metonymieforschung», VRom. 63: 19-35 Hanssen, F. 1966: Gramática histórica de la lengua castellana, Paris Haspelmath, M./ Sims, A. D. 2010: Understanding Morphology, London Koch, P. 1993: «Kyenbé-Tyonbo: Wurzeln kreolischer Lexik», in: C. Foltys/ T. Kotschi, Berliner Romanistische Studien, Berlin: 259-87 Koch, P. 2004: «Metonymy between pragmatics, reference, and diachrony», Metaphorik.de 7/ 2004: 6-54 Koch, P. 2012: «The pervasiveness of contiguity and metonymy in semantic change», in: K. Allan/ J. A. Robinson (ed.) 2012, Current Methods in Historical Semantics. Berlin/ Boston: 259- 311 La Vanguardia, 21. 4. 1994, Barcelona, in: Real Academia Española, Banco de datos CORDE, http: / / www.rae.es Lakoff, G./ Johnson, M. 1980: Metaphors We Live By, Chicago Lakoff, G. 1987: Women, Fire and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind, Chicago LHS = Haensch, G. et al. 2006: Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch, Berlin/ München Lüdtke, J. 2007: Romanische Wortbildung. Inhaltlich - diachronisch - synchronisch, Tübingen Manova, S./ Dressler, W. U. 2005: «The morphological technique of conversion in the inflectional-fusional type», in: Bauer, L./ Valera, S. (ed.), Approaches to Conversion/ Zero-Derivation, Münster/ New York/ München/ Berlin: 67-101 Marchand, H. 1969: The Categories and Types of Present-Day English word-formation, München Martsa, S. 2013: Conversion in English, Cambridge Noticias = http: / / www.noticias.com/ el-manos-arriba-esto-es-un-atraco-sigue-funcionando.631223, 24. 9. 2010 Nyrop, K. 1936 [ 1 1909]: Grammaire historique de la langue française, 3. Formation des mots, Copenhague Pörings, R./ Schmitz, U. 2003: Sprache und Sprachwissenschaft. Eine kognitiv orientierte Einführung, Tübingen Rainer, F. 1993: Spanische Wortbildungslehre, Tübingen Rainer, F. 2012: «Escarceos sobre la conversión sustantivo → adjetivo en español», in: Fábregas, A. et al., Los límites de la morfología. Estudios ofrecidos a Soledad Varela Ortega, Madrid: 369-81 Rickheit, G./ Strohner, H. 1999: «Textverarbeitung: Von der Proposition zur Situation», in: A. D. Friederici, Sprachrezeption. Enzyklopädie der Psychologie, Göttingen: 271-306 Peirsman, Y./ Geeraerts, D. 2006: «Metonymy as a prototypical category», Cognitive Linguistics 17.3: 269-316 Schönefeld, D. 2005: «Zero-Derivation - functional change - metonymy», in: L. Bauer/ S. Valera (ed.), Approaches to Conversion/ Zero-Derivation, Münster/ New York/ München/ Berlin: 131-57 Schpak-Dolt, N. 1999: Einführung in die Morphologie des Spanischen, Tübingen Sperber, D./ Wilson, D. 1995: Relevance. Communication and Cognition, Oxford Thiele, J. 1996: Wortbildung der spanischen Gegenwartssprache, Berlin/ München Velasco Piña, A. 1987: Regina. Hoja Casa, Mexiko, in: Real Academia Española, Banco de datos CORDE, http: / / www.rae.es Weblog = 04206006 Weblog 2004, España, 08.Páginas web, in: CREA, 24. 9. 2010 274