eJournals Vox Romanica 72/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2013
721 Kristol De Stefani

Mairi McLaughlin, Syntactic Borrowing in Contemporary French. A Linguistic Analysis of News Translation, London (Legenda – Modern Humanities Research Association/Maney Publishing) 2011, 136 p. (Research Monographs in French Studies 30).

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2013
Roger  Schöntag
vox7210364
dimension programmatique qui font que cet ouvrage sera sans doute source d’inspiration pour étudiants et chercheurs. Machteld Meulleman ★ Mairi McLaughlin, Syntactic Borrowing in Contemporary French. A Linguistic Analysis of News Translation, London (Legenda - Modern Humanities Research Association/ Maney Publishing) 2011, 136 p. (Research Monographs in French Studies 30). Untersuchungen zu Sprachkontaktphänomenen in einer Gegenwartssprache, die sich mit (potentiellen) Interferenzen jüngeren Datums beschäftigen, sind kein leichtes Unterfangen, da die Tragweite des Einflusses auf die betroffene Sprache oft noch nicht absehbar ist. Im Gegensatz zu abgeschlossenen Entlehnungsprozessen ist bei der Analyse und Beurteilung einer Interferenz in actu entsprechende Vorsicht geboten. Wenn zudem das durch eine äußere Beeinflussung hervorgerufene sprachliche Phänomen «nur» in einer Frequenzänderung einer bereits in der betroffenen Sprache existierenden Struktur besteht, dann ist der Beweis dieser externen Einwirkung erst recht nicht einfach zu führen. Die hier vorliegende Studie von McLaughlin hat sich eines sehr diffizilen Themas angenommen, welches durch die Tatsache, dass damit eine politisch aufgeladene Diskussion um den «bedrohlichen» Einfluss des Englischen auf das Französische verbunden ist, die auch vor der Wissenschaft keinen Halt macht, noch zusätzlich erschwert wird. Die formulierte Zielsetzung dieses Dissertationsprojektes war dem vor allem - aber nicht nur - von der puristischen, (populär)wissenschaftlichen Literatur postulierten Einfluss des Englischen auf das Französische im Bereich grammatischer Strukturen auf den Grund zu gehen und diese weit verbreitete Annahme einer möglichst objektiven und statistisch untermauerten Überprüfung zu unterziehen. Die Vorgehensweise von McLaughlin ist dabei äußerst strukturiert und methodisch klar. In einem ersten Schritt (Kap. 1 Research Context and Methodology) stellt sie sich die Frage, welche Wege der Beeinflussung und Entlehnung denn denkbar wären und welche Arten der Interferenz bisher dokumentiert wurden. Relativ gut untersucht wurden vor allem die verschiedenen Arten der lexikalischen Entlehnungen (Lehnwörter: z. B. film, interview, weekend; Lehnübersetzungen: z. B. gratte-ciel; Pseudo-Lehnwörter: z. B. tennisman; morphologisch adaptierte Lehnwörter: z. B. containeur), aber auch morphologische Übernahmen aus dem Englischen (z. B. Suffix -ing), phonologische (z. B. match [t ʃ ], job [d ʒ ], cocooning [ ŋ ]) und semantische (z. B. neue Lehnbedeutung in: réaliser) (5-6). Was die Frage nach der syntaktischen Beeinflussung des Französischen durch das Englische anbelangt, so ist die Forschungsliteratur eher dürftig, was unter anderem daran liegt, dass spätestens seit dem Erscheinen des bekannten Buches Parlez-vous franglais? von R. Étiemble (1964) 1 insgesamt die Diskussion um den Grad des englischen Einflusses kaum noch frei von ideologischer Gewichtung geführt wurde; d. h. entweder man setzte diesen aus sprachpuristischen Überlegungen heraus zu hoch an oder als Gegenreaktion relativ niedrig, was gerade im Bereich der syntaktischen Interferenz dazu führte, dass diese Einflussmöglichkeit von Seiten einer «seriösen» Wissenschaft oft komplett ignoriert bzw. gar nicht erst in Betracht gezogen wurde (6-8). McLaughlin erkennt hingegen, dass prinzipiell auch mit syntaktischer Beeinflussung gerechnet werden muss, und zwar vor allem dann, wenn die äußeren Bedingungen einen 364 Besprechungen - Comptes rendus 1 R. Étiemble 1964: R., Parlez-vous franglais? Paris. sehr engen Sprachkontakt nahelegen, wie es vor allem Thomason (2001) 2 schon formuliert hatte, die intensity of contact als wichtigsten Faktor bei der Frage nach der Art des contactinduced change annimmt.Aus diesem Grund wählt McLaughlin die sehr spezifische Sprachkontaktsituation «Übersetzen in einer Presseagentur» aus, da in diesem Bereich mehrere sozio-linguistische Bedingungen erfüllt sind, die für einen extrem engen Kontakt sprechen: die Journalisten, die dort arbeiten, sind französische Muttersprachler mit sehr hoher Kompetenz im Englischen (Quasi-Bilingualismus); durch das tägliche Übersetzen ist der Kontakt mit dem Englischen sehr intensiv; das Übersetzen erfolgt unter hohem Zeitdruck, da die englischen Agenturmeldungen sofort ins Französische übertragen werden müssen; die Presseagentur fungiert als Katalysator, da die übersetzten Meldungen weiter in den französischen Medien Verwendung und Verbreitung finden (10-11, 19-20). Wenn es also syntaktischen Einfluss auf das Französische geben sollte, dann ist er in diesem Kontext einer maximalen Konfrontation mit dem Englischen am wahrscheinlichsten. McLaughlin erstellt deshalb ein Korpus mit den französischen Pressemeldungen und ihren englischen Vorlagen, anhand derer ein direkter Vergleich möglich ist, da hier der nicht immer gegebene Fall vorliegt, dass man im Zweifelsfall den direkten Entlehnungsweg nachzeichnen kann. Die beiden sprachlichen Phänomene, die ihr Hauptinteresse bilden, da sie in der spärlichen und kontroversen Literatur am häufigsten auftauchen, sind zum einen die vermehrte Voranstellung des attributiven Adjektivs und zum anderen die vermehrte Verwendung von Passivstrukturen. Als dritte potentiell kontaktinduzierte Veränderung nimmt sie die bisher kaum erwähnte, zunehmende Präferenz für gérondif und participe présent Formen auf (verbal -ant forms), um einen Kontrollparameter für die Validität der bisherigen Untersuchungen zu haben. Die Vorgehensweise bei der Zusammenstellung des zugrundeliegenden Korpus der Agenturmeldungen (news agency dispatches) ist äußerst umsichtig. Es wurden die von acht französischen Journalisten bearbeiteten Nachrichten über 29 Tage hinweg gesammelt, was am Ende 989 Einzelmeldungen in beiden Sprachen ergab, mit einem Gesamtumfang von 558.000 Wörtern. Dieses digitale Korpus wurde dann mit morphosyntaktischen Informationen geparst (Parser: Cordial), so dass schließlich Abfragen in Bezug auf die aufgeworfenen Fragestellungen möglich wurden (22) 3 . Um die Art des möglichen Einflusses präzise bestimmen bzw. die dafür verantwortlichen Faktoren herauszufiltern zu können, wurden bestimmte Variablen in die Analyse miteinbezogen: A. text related variables: 1. text length, 2. token position, 3. speed of translation, 4. presence of reported speech; B. journalist-related variables: 1. age, 2. gender, 3. training and experience, 4. knowledge of English (25). Das erste empirische Kapitel ist der Adjektivstellung gewidmet (Kap. 2 The Adjective) mit einer eigentlich einfachen Fragestellung, hinter der sich allerdings einige methodische Probleme verbergen: «The aim of this investigation is to determine whether the corpus contains evidence of proposing that can be attributed to influence from the original English dispatch» (35). Im Französischen kann das attributive Adjektiv prinzipiell sowohl voranals auch nachgestellt werden. Dabei gibt es eine Reihe von wenigen, meist monosyllabischen Adjektiven, die typischerweise vor dem Substantiv platziert werden (z. B. beau, haut, petit), während die meisten Adjektive präferentiell in Postposition auftreten. Zu letzteren gehören u. a. relationale Adjektive (z. B. une église catholique), Farbadjektive (z. B. une voiture rouge) oder Partizipien in Adjektivfunktion (z. B. une femme battue). Bei einer geringen Anzahl von Ad- 365 Besprechungen - Comptes rendus 2 S. G. Thomason 2001: Language Contact. An Introduction, Edinburg. 3 An dieser Stelle wäre es womöglich nicht falsch gewesen, auf die Probleme hinzuweisen, die beim Parsen entstehen, da dies ja eine Art a priori-Festlegung ist, die die Ergebnisdaten maßgeblich beeinflusst. jektiven geht mit der Veränderung der Position eine Bedeutungsunterscheidung einher (z. B. ancien, grand, pauvre). Bei manchen Adjektiven läßt sich in Bezug auf ihr Stellungsverhalten keine klare Präferenz ausmachen (z. B. important, riche, laid), d. h. Voran- und Nachstellung ergeben sich aus dem jeweiligen Kontext. Auch wenn die Mehrzahl der Adjektive im Französischen prinzipiell die Postposition bevorzugt, können auch solche Adjektive mitunter in Präposition vorkommen, und zwar aus Gründen der Stilistik, Affektivität oder Spezifizierung. Dieses komplizierte Regelwerk der Bedingungen für die Adjektivstellung, welches auch in der einschlägigen Forschung noch nicht bis ins Letzte erfasst wurde, macht die Fragestellung nach einer potentiellen Einflussnahme des Englischen umso schwieriger. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das Englische, in dem die Adjektive generell vorangestellt werden, nur eine Frequenzänderung im Gebrauch herbeiführen kann, denn die Voranstellung ist im Französischen ja durchaus möglich, wenn auch nicht die üblichste Form der Adjektivposition. Ein Ansatzpunkt für den Nachweis einer Interferenz muss also dort gefunden werden, wo das Französische aller Wahrscheinlichkeit nach eine Nachstellung bevorzugen würde, aber unter postuliertem englischem Einfluss eine Voranstellung auftritt. Das Ergebnis der aufwendigen, korpusbasierten Analyse ist ernüchternd: «It is not impossible that influence from English also contributed to the preposing of certain individual adjectives such as actuel but internal factors are always present» (51). Das Ergebnis ist aber insofern interessant als im untersuchten Textkorpus nur 13% aller Adjektive vorangestellt wurden, während die von Forsgren (2005: 258) 4 ermittelte Durchschnittsquote im Französischen bei 35% liegen soll; d. h. es konnte nicht nur keine signifikante Zunahme der Voranstellung durch englischen Einfluss ermittelt werden, sondern offensichtlich liegt eine besonders niedrige Anzahl von präpositionierten Adjektiven vor. Dies könnte dadurch zustandekommen, dass die verantwortlichen Journalisten, aufgrund ihrer guten Sprachkompetenz im Englischen, ein besonderes Bewusstsein für die strukturellen Unterschiede in den beiden Sprachen haben, so dass sie beim Übersetzen eine bewusste oder unbewusste Vermeidungsstrategie anwenden, was schließlich zu einem negative contact effect führt (51) 5 . Von den oben angeführten Variablen, die prinzipiell als Einflussfaktoren geltend gemacht werden könnten, lassen sich nur speed of translation und presence of reported speech als signifikante Größen anführen, denn mit den Zunahme der Geschwindigkeit beim Übersetzen einerseits (weniger Zeit zur Reflexion) und dem Zwang, einer direkten Vorlage möglichst genau zu folgen, steigt die Wahrscheinlichkeit des Einflusses der Ausgangssprache. Das zweite sprachliche Phänomen, welches laut einiger Hinweise in der Forschungsliteratur mit englischem Einfluss verknüpft sein könnte, ist die Zunahme bestimmter Passivkonstruktionen im Französischen (Kap. 3 The Passive). Auch in diesem Fall geht es wieder «nur» um eine mögliche Frequenzänderung, verursacht durch englische Interferenz. Grundannahme ist dabei die prinzipiell häufigere Verwendung des Passivs im Englischen als in den romanischen Sprachen. Die Beweisbarkeit ist in diesem Fall also noch diffiziler als bei der Adjektivstellung, da beiden Sprachen grundsätzlich beide Diathesen (Aktiv und Passiv) zur Verfügung stehen. Passiv kann im Französischen durch être + participe passé ausgedrückt werden (z. B. un chien a été écrasé par un camion), durch pronominales se (z. B. le vin d’Alsace se boit frais) sowie durch se faire/ se voir + infinitif (z. B. il s’est fait battre; z. B. il se vit refuser le visa yanqui) oder durch eine aktivische Konstruktion mit impersonalem on (z. B. on lui refu- 366 Besprechungen - Comptes rendus 4 M. Forsgren 2005: «La place de l’adjectif épithète: une solution globale est-elle possible? », in: François, J. (ed.): L’adjectif français et à travers les langues. Actes du colloque international de Caen (28-30 juin 2001), Caen: 257-78. 5 Wichtig hier der Hinweis, dass die Adjektivstellung generell auch abhängig von der Textsorte ist und es gerade im Bereich der Presseagenturen sogar spezifische Anweisungen zur Art der Versprachlichung gibt (53, F.N. 12). sa le visa yanqui) (55-59). Englischer Einfluss wird dahingehend postuliert, dass man eine Zunahme der prototypischen Passivkonstruktion mit être + participe passé annimmt (bei gleichzeitiger Abnahme alternativer Konstruktionen), da diese am ehesten dem englischen Äquivalent to be + past participle entspricht.Außerdem, so die Hypothese von McLaughlin, könnte das Englische auch formal constraints zur Folge habe, wie z. B. mangelnde Kongruenz (in Genus und Numerus) oder Passivierung nur bei kürzeren sprachlichen Einheiten (60). Das Ergebnis der Auswertung ist, wie kaum anders zu erwarten, äußerst schwierig zu interpretieren. In einem für diese Art der Konstruktionen repräsentativ ausgewählten Teil des Korpus (2.186 Sätze, 59.000 Wörter) findet sich das prototypische Passiv (être + p.p.) bei 8% der untersuchten Sätze. Das Problem besteht darin, diesen Wert richtig einzuordnen, da es kaum Vergleichsuntersuchungen gibt, zumindest für diese Textsorte. Ähnliche Studien legen nahe, dass der Anteil der Passivkonstruktionen im Englischen bei ca. 12% liegt und der des Französischen etwas niedriger ist. Dies bedeutet, englischer Einfluss kann zwar nicht ausgeschlossen werden, aber direkt nachweisbar ist er auch nicht (61). Was schon eher aus der quantitativen Analyse hervorgeht, ist die sehr geringe Anzahl an alternativen Passivkonstruktionen, d. h. impersonales, pronominales und se faire-Passiv kommen äußerst selten vor. Ebenfalls sichtbar wird, dass tendenziell kürzere Satzglieder passiviert werden. Der Einfluss auf die Art der Verwendung des Passivs kann schließlich als höchstens selektiv formuliert werden, d. h. es gibt zwar in Einzelfällen den begründeten Verdacht, dass die Kongruenz nicht beachtet wurde, die Verbvalenz verändert wurde (bei intéresser) oder das Verhältnis von Aspektualität und Temporalität in einer Konstruktion sich verschob, doch insgesamt muss diese Art der Interferenz als denkbar gering eingestuft werden. Aber auch diese Tatsache ist eine wertvolle Erkenntnis, nämlich dass Einfluss durch Sprachkontakt nicht nur in der Übernahme neuer Formen/ Konstruktionen oder - weniger stark - in einer Frequenzänderung bestehender Formen/ Konstruktionen zum Ausdruck kommt, sondern auch nur in einer «non-observance of tendencies rather than of constraints» (72). Gerade diesbezüglich wäre womöglich eine noch dezidiertere qualitative Analyse hilfreich gewesen, um dem quantitativ schwer einzuordnenden Ergebnis auf den Grund zu gehen. Bei dem dritten untersuchten, möglichen Kontaktphänomen handelt es sich um das vermehrte Auftreten von infiniten Konstruktionen mit einem participe présent oder gérondif (Kap. 4 The Verbal -ant Forms). Ein denkbarer Einfluss wurde hierbei für das Französische bis auf eine knappe Bemerkung bei Étiemble (1964: 191-92) noch nicht weiter verfolgt. Allerdings gibt es bereits Studien zum Italienischen und Spanischen, die einen englischen Einfluss in diesem Bereich nahelegen. Die Grundannahme geht davon aus, dass im Englischen die häufig vorkommende progressive Form -ing zu einer Zunahme der -ndo Formen geführt habe (z. B. it. sto aspettando - engl. I am writing; span. está siendo travieso - he’s being naughty) (77-78). Das Ergebnis der Analyse des französischen Korpus der Presseagenturmeldungen von McLaughlin zeigt vor allem selektiven englischen Einfluss.Auffällig ist, dass 83% der untersuchten -ant Formen participes présents sind und nur 17% gérondifs, obwohl normalerweise im heutigen Französisch das gérondif die häufigere infinite Form darstellt. Hier kann deshalb englischer Einfluss postuliert werden, weil die zugrundeliegende englische progessive form mit -ing formal dem französischen Präsenspartizip ähnlicher ist als dem Gerund, das mit zusätzlichem en gebildet wird. Hierbei verändert sich offenbar der Gebrauch der beiden Formen im Französischen, insofern beispielsweise in Appositionen im Französischen tendenziell eher ein gérondif zu erwarten wäre, im vorliegenden Korpus bis auf zweimal aber durchgehend ein participe présent Verwendung findet (83). Auch in anderen Kontexten, so zeigt es sich bei einer qualitativen Analyse der einzelnen Fälle, verschiebt sich wohl unter englischem Einfluss die Präferenz des Gebrauches. So wird die Konstruktion who are demanding im Französischen durch exigeant wiedergegeben, obwohl dort ohne englische Vorlage womöglich eher ein Relativsatz (qui exigent) verwendet würde. 367 Besprechungen - Comptes rendus Wie subtil die Interferenz im vorliegenden Fall zu postulieren ist, erkennt man daran, dass selbst unter Annahme von englischem Einfluss keine ungrammatischen Konstruktionen entstehen, sondern «nur» Alternativkonstruktionen (gérondif, Relativnebensatz, Infinitiv) seltener werden oder ganz zugunsten des formal äquivalenten participe présent aufgegeben werden (85). Das Herausarbeiten und Sichtbarmachen dieser äußerst subtilen Interferenzerscheinungen im Sprachkontakt zwischen Englisch und Französisch ist eines der Hauptverdienste der Arbeit von McLaughlin. Eine Beeinflussung durch eine andere Sprache besteht eben nicht nur in der Entlehnung neuer Formen oder Konstruktionen, sondern in Frequenzänderungen im Gebrauch bestimmter Konstruktionen sowie oft damit einhergehend in einer bestimmten Selektionstendenz, d. h. die Art der Verwendung ändert sich bzw. verschiebt sich in eine andere Richtung mit anderen Präferenzen des Gebrauchs, ohne dabei je dem ursprünglichen Sprachgebrauch entgegenzustehen. McLaughlins Arbeit besticht außerdem durch hohe Strukturiertheit und wissenschaftlich einwandfreie Korpusanalyse sowie erfreulicherweise eine große Zurückhaltung, was die Tragweite der ermittelten Analyseergebnisse angeht. Nicht zu übersehen ist letztlich, dass das Resultat des, wenn überhaupt, nur sehr gering anzusetzenden englischen Einflusses auf die Syntax des Französischen zunächst nur für den (mit Recht) sehr begrenzt ausgewählten Bereich der übersetzten Presseagenturmeldungen gilt; über die weiteren Auswirkungen in anderen Textgattungen, Diskurstraditionen bzw. auf die Gesamtheit des heutigen Französisch ist damit noch nicht viel ausgesagt und entsprechende Zurückhaltung ist geboten, solange es keine weiteren Studien dazu gibt. Eine Untersuchung allerdings, die McLaughlin in ihrer sonst umfangreichen Bibliographie mit englischen, französischen und deutschen Forschungsarbeiten nicht erwähnt, wäre womöglich hilfreich gewesen, da hierbei ein ähnlicher Ansatz verfolgt wurde. Die gleiche Ausgangsfragestellung bezüglich der meist ignorierten Möglichkeit des syntaktischen Einflusses wird nämlich bereits in Schöntag ( 1 2003, 2 2009) 6 gestellt und auch dort wurden Medien, insbesondere Presseagenturen und das Übersetzen, als wichtigste Kanäle der Beeinflussung angeführt (Schöntag 2009: 161-68).Vor allem aber nützlich als Vergleichfolie wären die dort gewonnen Ergebnisse zum Stellungsverhalten des attributiven Adjektives gewesen 7 , da mehrere Textsorten miteinbezogen wurden, sowie die dort entwickelten allgemeinen Parameter zu den außersprachlichen Faktoren einer Sprachkontaktsituation (Schöntag 2009: 106-24), die auch in vorliegender Studie teilweise mitberücksichtigt werden (cf. Kap. 5.4.2 The factors involved in contact). McLaughlins wiederholtes Insistieren auf dem Fehlen jeglicher Vergleichsliteratur (z. B. «this subject has almost never been addressed by in-depth scholarly research» (2)) nimmt sich vor dem Hintergrund der in Teilen großen Ähnlichkeit von Untersuchungsziel und -gegenstand bei Schöntag ( 2 2009) mitunter merkwürdig aus. Desiderat wären aber sicherlich, neben einer systematischen Gegenüberstellung der aus unterschiedlichen Korpora gewonnenen Ergebnisse von McLaughlin und Schöntag in Bezug auf die Adjektivstellung, vor allem ganz allgemein weitere Untersuchungen zu den von McLaughlin behandelten Bereichen der syntaktischen Interferenz, um aussagekräftige Vergleichswerte zu erhalten. Roger Schöntag 368 Besprechungen - Comptes rendus 6 R. Schöntag, Sprachkontakt. Grammatische Interferenz im Französischen. Der Einfluss des Englischen auf das Stellungsverhalten des attributiven Adjektivs/ Contact de langues. Interférence grammaticale en français? L’influence anglaise sur la position de l’adjectif épithète, München 2 2009 [ 1 2003]. 7 Deckungsgleich wäre beispielsweise die Erkenntnis, dass nur wenn alle anderen Faktoren, die die Adjektivstellung beeinflussen können, ausscheiden bzw. zu minimieren sind, englischer Einfluss in Betracht käme (Schöntag 2009: 253; McLaughlin 2011: 44).