Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2014
731
Kristol De StefaniVerb + Substantiv-Komposita im Spanischen aus der Perspektive der Ortsnamenforschung
121
2014
Stefan Ruhstaller
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Vox Romanica 73 (2014): 101-127 Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen aus der Perspektive der Ortsnamenforschung Resumen: El análisis de más de medio millar de nombres de lugar de todo el dominio del español, tanto desde de la perspectiva de su motivación y de su significado originario como desde la de sus rasgos morfológicos, permite establecer diferentes tipos de formaciones toponímicas basadas en la estructura V+N. Se observa que estas formaciones en parte están sometidas a las mismas reglas y restricciones que los apelativos de estructura análoga, en parte divergen de estos en cuanto a aspectos concretos. Su descripción permite ampliar los conocimientos acerca de un fenómeno del ámbito de la formación de palabras que tradicionalmente ha suscitado gran interés entre los lingüistas. Las conclusiones extraídas se completan con una serie de reflexiones sobre las características específicamente toponomásticas que presentan los materiales analizados. Palabras clave: Formación de palabras, nombres de lugar, compuestos de V+N, restricciones morfológicas, agente, motivación toponímica 1. Spanische Ortsnamen des Typs Verb+Substantiv als Objekt der Wortbildungsforschung Die V+N-Komposita gehören, wie schon F. Rainer 1993: 265 bemerkt hat, seit Langem zu den Lieblingsthemen sowohl der hispanistischen Wortbildungsforschung als auch der romanistischen allgemein. Die Bibliografie zum Thema umfasst mehrere Dutzend Arbeiten, in denen reichhaltiges Wortmaterial analysiert und interpretiert wird. Diese Studien schließen jedoch, zumindest was das Spanische anbelangt, eine konkrete Materialquelle praktisch gänzlich aus, obwohl sie außerordentlich ergiebige Information bietet, nämlich die der Ortsnamen - Formen, die auf demselben Wortbildungsmechanismus basieren und deren Untersuchung neues Licht auf ein noch nicht erschöpfend erforschtes morphologisches Phänomen werfen kann. Wie wir sehen werden, bereichert die Einbeziehung von toponymischen Materialien die Diskussion zum Thema einerseits quantitativ (das Korpus, das ich zusammengetragen habe, umfasst über ein halbes Tausend Einzelnamen, die sich auf 242 Namentypen verteilen), und andererseits auch qualitativ, da anhand der Ortsnamen bestimmte Aspekte der Wortbildung aus einer komplementären Sicht analysiert werden können, welche die bisherigen Erkenntnisse vervollständigt. Tatsächlich trifft man in der Ortsnamenlandschaft des Spanischen regelmäßig auf aus einem Verb und einem Substantiv zusammengesetzte Formen, wie z. B. Camino de Rompezapatos ‘Weg, bei dessen Begehung die Schuhe ungewöhnlich stark abgenutzt werden’, Despeñaperros ‘Ort, wo Hunde über Felsen gestürzt werden’, Arroyo de Cantarranas ‘Bach, an dem Frösche quaken (wörtlich «singen»)’, Alzapiedras ‘Ort, wo Steine gehoben werden’ usw. Diese Bildungen sind zum Teil Stefan Ruhstaller 102 1 Vom Bewusstsein der Sprecher bezüglich der ursprünglichen Bedeutung des Namens zeugt einerseits die getrennte Schreibung Tuel Mantos, und andererseits die latinisierte Form Tollemantos, die in einem Text von 1190 erscheint (Becerro Galicano Digital, Dok. 678). Mit dem Wegfall von toller wandelte sich der Name in Anlehnung an die proklitische Variante tor von torre (vgl. Torquemada) volksetymologisch zu Tormantos. so alt wie die romanische Sprache selbst, wie schon mittelalterliche Zeugnisse beweisen: Kremer 2010: 19 nennt für den spanischen Sprachraum frühe Beispiele wie Alzaparapos (a. 846), Fonte de Rascavielas (1009), Lava Porcos (1238), Cantaranas (1249), Frago 1987: 79-80, 85 spezifisch für Aragonien Cantalobos (1176, 1243, 1269) und Canta Ranas (1209), und im Libro de la Montería (Mitte 14. Jh.) werden Namen wie El Arroyo de Quebranta Botijas, Quebranta Minchos, El Puerto de Quebranta Tinajas, El Puerto de Torna Vacas, La Sierra de Despierna Cauallos, El Arroyo de Desuella Cabras, El Puerto de Mata Asnos oder Matalobos erwähnt (Ruhstaller 1995: 26), deren Entstehung zum Teil auf eine Zeit weit vor der Verfassung des Texts zurückgehen kann. Das Alter einiger dieser Namen wird uns auch deutlich anhand des in ihnen enthaltenen Wortgutes, oft von archaischer Natur, vor Augen geführt; man denke etwa an den 1070 als Tolmantos (Becerro Galicano Digital, Dok. 529) und 1277 als Tuel Mantos (Menéndez Pidal 1919, Dok. 140) dokumentierten riojanischen Namen, der das mittelalterliche toller ‘wegnehmen’ und manto ‘Mantel, Überwurf’ enthält und sich auf einen dem Wind ausgesetzten Ort bezieht 1 . Aber auch in der heutigen Sprache ist dieser Bildungsmechanismus noch lebendig, wie Namen moderner Feriensiedlungen wie Mirasierra oder Miraplaya zeigen. Schon Sebastián de Covarrubias durchschaute diesen Namentyp, als er im Artikel capa seines Tesoro de la lengua castellana o española (1611) den Passnamen Puerto de Arrebatacapas (semantisch und referenziell identisch mit dem älteren Tolmantos) zutreffend folgenderweise interpretierte: Capa ... El Puerto de Arrebatacapas, ſ e dixo a ſ sí por los grandes vientos que de ordinario corren en aquella parte. (Ruhstaller 2014). Auch verschiedene moderne Autoren (z. B. Piel 1966: 167) haben punktuell auf diesen charakteristischen Bildungstyp hingewiesen, und neulich hat D. Kremer 2010: 18-20 im Rahmen einer Bestandesaufnahme der Ortsnamenforschung auf dem Gebiete des Spanischen eine Reihe von Beispielen solcher Namen zusammengestellt, sie aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und darauf hingewiesen, wie interessant und notwendig eine systematische Studie des Phänomens wäre. Einen wesentlichen Beitrag zur Kenntnis dieser Namen hat danach P. Riesco Chueca 2012 in einer Arbeit geleistet, in der er zahlreiche Beispiele präsentiert und im Allgemeinen überzeugende Erklärungen zum referenziellen Aspekt bietet. Für diesen Autor haben die Namen des Typs, der uns hier beschäftigen soll, vor allem folkloristisches Interesse, weshalb er sie mit der Bezeichnung folktopónimo versieht. Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 103 2 Tatsächlich gibt es viele nicht minder «folkloristische» Namen, die eine völlig andere Struktur aufweisen (man denke an Beispiele wie El Duende, Cerro del Fantasma, Choza de las Brujas, Cruz del Judío, Fuente de la Virgen, Los Gazpachos, Cerro del Gitano, Cueva del Moro, Colada del Tío Bernardino usw., alle aus der Provinz Sevilla). Außerdem haben viele Ortsnamen des Typs Verb+Substantiv nicht mehr mit volkstümlicher Überlieferung und Brauchtum zu tun als irgendein anderer mündlich tradierter Name: Wenn zum Beispiel ein Bach Arroyo de Cantarranas und nicht Arroyo de las Ranas heißt, ist dieser Name deswegen nicht «folkloristischer», sondern er charakterisiert die bezeichnete Realität aus einer anderen, spezifischen Perspektive, wie wir ausführlich sehen werden. 3 Die Schreibung der Namen in den verschiedenen ausgewerteten Quellen ist oft sehr widersprüchlich oder gar chaotisch. Deshalb vereinheitliche ich hier die Graphien, indem ich sie den von mir kürzlich erstellten Normalisierungsregeln (Ruhstaller 2013, insbesondere p. 182) anpasse. In diesem Sinne verzichte ich auch auf die Wiedergabe von dialektalen Eigenheiten phonetischer Natur (und schreibe also Cruzaveredas anstatt Cruzaverea, Sanavida anstatt Sanavía, Rodalabota anstatt Roalabota usw.). 4 Zur Lokalisation der einzelnen Namen verwende ich die für die spanischen Provinzen üblichen Abkürzungen (Al = Almería, Av = Ávila, Ba = Badajoz, Bu = Burgos, Ca = Cádiz, Cc = Cáceres, Co = Córdoba, Gr = Granada, Gu = Guadalajara, H = Huelva, Hu = Huesca, J = Jaén, Le = León, M = Madrid, Ma = Málaga, Mu = Murcia, P = Palencia, Ri = Rioja, Sa = Salamanca, Se = Sevilla, Te = Teruel, To = Toledo, Va = Valladolid, Z = Zaragoza, Za = Zamora); die mexikanischen Namen kürze ich wie folgt ab: Chi = Chiapas, Mex = México, Oax = Oaxaca, Tab = Tabasco, Ver = Veracruz. Wenn eine Form mehrfach in einem Gebiet auftritt, wird dies mit einer Zahl angegeben (z. B. To4 = der gleiche Name wiederholt sich viermal in der Provinz Toledo). Was diese Formen allerdings von den übrigen Namen unterscheidet, ist nicht etwa ihr «folkloristischer» Gehalt 2 , sondern ihre morphologischen Eigenschaften, sowie gewisse semantische und referenzielle Besonderheiten, auf die einzugehen von großem sprachwissenschaftlichem Interesse ist. Diese besonderen formalen und inhaltlichen Charakteristika so klar wie möglich zu beschreiben ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Damit sich die Überlegungen, die wir hier anstellen wollen, auf eine solide Grundlage stützen können, ist es als Erstes notwendig, eine umfassende Materialbasis zu schaffen und die Daten geordnet darzustellen, und zwar ausgehend von der Interpretation der Namensmotive. Zu diesem Zweck habe ich alle zur Verfügung stehenden gedruckten und elektronischen Ortsnamensammlungen ausgewertet; es handelt sich dabei um die für einen guten Teil der spanischen Provinzen bestehenden repertorios oder inventarios toponímicos, sowie (für Andalusien, Aragonien und Mexiko) im Internet zugängliche Suchmaschinen 3 . Einige Daten stammen auch aus toponomastischen Studien früherer Autoren, wobei zweifellos Riesco 2006 und 2012 die reichhaltigste Quelle darstellt 4 . Allerdings werde ich aus verschiedenen Gründen nicht das gesamte zusammengetragene Material in die Arbeit einbringen. Zur genauen Abgrenzung des Themas muss nämlich als Erstes festgestellt werden, dass mich im Rahmen dieser Arbeit nicht alle als Ortsnamen verwendeten Formen des Typs Verb+Substantiv interessieren, sondern nur die primär als Ortsnamen geschaffenen. Dies bedeutet, dass Namen wie Cerro Rascavieja Al, Huerta de Rascavieja J, La Rascavieja Gr usw. hier ausgeblendet werden, da sie als bereits bestehende Appellative (rascavieja Stefan Ruhstaller 104 5 Auch hier kann man unterscheiden zwischen Personennamen, die aus schon bestehenden Appellativen gebildet sind (matasiete bedeutet ‘Prahlhans’, pintamonas ‘schlechter Maler’, ‘inkompetenter Mensch’), und solchen, die spezifisch zur Verwendung als Übernamen geschaffen worden sind (papatabaco, mascahierro, pierdeamigos sind nicht als Appellative im Gebrauch). ‘Pflanze’) zur Namensbildung herbeigezogen und nicht ad hoc als Namen geschaffen worden sind. Ebenso werde ich auf Personennamen basierende Ortsnamen wie Fuente de Matasiete H, Arroyo Pintamonas Ba, Papatabaco Ba, Mascahierro To, Casa de Comeúñas H, Pierdeamigos J usw. ausschließen, die, meist in Form von lokal bestbekannten Übernamen 5 , in großer Anzahl zur Bezeichnung von Grundbesitzen in die Ortsnamenlandschaft eingeflossen sind (cf. Kremer 2010: 19-20; Riesco 2012: 60, 65-68). Eine dritte Begrenzung des Korpus entsteht dadurch, dass ein Teil der Namen, die sehr wahrscheinlich ebenso ein analoges Bildungsmuster aufweisen, nicht sicher zu deuten sind, zumindest solange nicht genügend historische Belege vorhanden sind. Dies bedeutet, dass ich nur Material, das meines Erachtens plausibel erklärt werden kann, in die Studie einbeziehe und so auf zu gewagte Spekulationen (wie sie bei einigen Autoren zu finden sind) verzichte. 2. Interpretation der Namen aus semantischer und referenzieller Sicht: Namensmotivation Die Namen des hier untersuchten Typs beziehen sich auf Geschehnisse, die an den von ihnen bezeichneten Orten regelmäßig eintreten. Zum genauen Verständnis des Phänomens werde ich die Formen im Folgenden nach dem Kriterium der Affinität der Motive ordnen. Dabei lassen sich drei Hauptgruppen bilden: Eine erste, bei der die Namen Handlungen identifizieren, die der menschliche Besucher des Ortes selbst ausführt (2.1); eine zweite, bei der die Namen Vorkommnisse bezeichnen, die dem Besucher (einem Menschen, seinen Nutztieren oder den mit seinen Interessen verbundenen Dingen) zustoßen (2.2); und eine dritte, bei der die Namen auf Geschehnisse (oder ihre Resultate) hinweisen, die der Besucher optisch oder akustisch wahrnehmen kann, ohne dass er direkt in die Aktion einbezogen ist (2.3). 2.1 Der Besucher des Ortes als Handelnder Relativ häufig beziehen sich die Namen des hier untersuchten Typs auf Aktivitäten, welche im Rahmen der Jagd ausgeübt werden, und zwar sowohl der Jagd zum Zweck der Nahrungsbeschaffung (wie etwa auf Hasen oder wilde Tauben) als auch der Ausrottung von für menschliche Interessen schädlichen Tieren (Wölfe: Arroyo de Cazalobos M; Füchse: Arroyo de Cazazorros H). Dabei weisen diese Formen Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 105 6 Der DRAE definiert den Sinn der Verbs cucar in der Jägersprache wie folgt: «Dicho de un cazador: Avisar a otro de la proximidad de una pieza.» 7 Bei den mit Mata gebildeten Namen sind mehrere Deutungen vorstellbar, wie schon Kremer 2010: 20 dargelegt hat. Wenn es sich um das Verb matar handelt, sind die Ortsnamen meist sekundär von einem Personennamen ausgehend gebildet (Matamoros, Matasuegra, Matasiete, Matahombres, Matahíjos usw.). In andern Fällen ist mata ein Substantiv mit Bedeutung ‘Gestrüpp’, ‘Gesträuch’, ‘Baumgruppe’, wobei der bei Ortsnamen häufige Wegfall der Präposition und des Artikels (Matacabrones , Mata de los Cabrones) die Unterscheidung erschweren kann. So sind Formen wie Matacuras, Matajudíos, Matafrailes mehrdeutig (Mata Frailes , Mata de los Frailes oder Matafrailes? ), solange historische Belege keine zusätzliche Anhaltspunkte liefern. 8 Die weibliche Form Mataloba zeigt das besondere Interesse der Jäger an der Erledigung des Muttertiers: Ist dieses getötet, sterben auch die Jungtiere, und die weitere Fortpflanzung der Sippe wird erschwert. eine derartige Vielfalt auf, dass die Strategie der Jäger plastisch nachverfolgt werden kann: - In einer ersten Phase müssen die Tiere lokalisiert werden, was von einer Erhöhung mit guter Sicht aus geschehen kann (Cerro Miralobos Co-To, Miralobos Hu, Mirazorras Ba, Cerro Cucazorras Gr 6 , Cucazorras J-Ma) oder an einem Ort, der als Lagerstätte (Descansalobos Av; cf. Riesco 2013: 63) oder häufiger Aufenthaltsort der wilden Tiere bekannt ist (Rañalobos Za, Cagalobos Lo; cf. Riesco 2013: 63; Cagazorras Mu-To). - Daraufhin werden die Tiere aufgescheucht (Espantalobos Ba-Hu, Espantazorras Ma-Gr, Espantapalomas J); zumeist werden dazu abgerichtete Hunde benützt, deren Gebell sie in die Flucht treibt (Espantaperros Se-Ca-Gr-Oax). - Darauf folgt als Drittes die Hetzjagd, während der die Opfer bis zur Erschöpfung verfolgt (Cansalobos H, Andalobos H) oder an einen Ort getrieben werden, wo es kein Entrinnen mehr gibt. - Ist dieses Ziel einmal erreicht, wird das Tier getötet (Mataliebres Hu, Matallebres Hu 7 ; Matalobos Ba-Z-Hu2, Mataloba Ba 8 ). Die Formen, welche auf diesen Schlussmoment hinweisen, zeigen einerseits die verschiedensten Tötungsmethoden auf, andererseits auch den Zorn der Jäger auf das gejagte Tier (im Falle von für die wirtschaftlichen Interessen schädlichen Spezies): - Ahogalobos J, Agualobos Te: Es handelt sich um Orte, wo die Wölfe ertränkt wurden (aguar wird vom DRAE u. a. als ‘obligar a la caza a entrar en el agua’ definiert, wobei dieser Wert bestimmt nicht auf die Beizjagd beschränkt ist, sondern für die Jägersprache allgemein gilt); - Despeñalobos Av: Ort, an dem die Wölfe über Felsklippen gestürzt wurden; - Tripalobos J, eigentlich Destripalobos; destripar bedeutet nicht nur ‘quitar, sacar o desgarrar las tripas’, sondern kolloquial auch ‘despachurrar, aplastar’; - Arrolobos Cc (in Madoz 1850: 361 noch Arralobos), Garganta de Arrelobos Av, Arrelobos M: Mit Sicherheit handelt es sich um Arrealobos, ‘lugar donde se arrea a los lobos’, d. h., wo auf sie eingedroschen oder geschossen wird (der DRAE definiert arrear 3 als ‘dar seguidos tiros, golpes, etc.’ und ‘pegar o dar un golpe o un tiro’). - Cuelgazorras Ba und Espetazorras Ma deuten darauf hin, dass die Füchse nach der Erlegung aufgehängt oder aufgespießt wurden (aus Wut oder zur Abschreckung). - Pringazorras To. Pringar wird wohl eher als ‘blutig schlagen’ als im Sinne von ‘mit siedendem Fett übergießen’ zu erklären sein. Stefan Ruhstaller 106 9 In Andalusien ist zumindest die Variante jarnerear dokumentiert (Alvar Ezquera 2000: 453). Vgl. auch das Verb zarandear, das wörtlich ebenso ‘sieben’ bedeutet. 10 Unklar ist hingegen Ahorcacopos J. 11 Der DCECH (s. muro) weist im Zusammenhang mit dem bekannten Passnamen Despeñaperros J auf den in arabischer Zeit üblichen Namen Al-Mura ṭā l (bis heute im Dorfnamen Almuradiel erhalten) hin, der wahrscheinlich auf dasselbe Etymon zurückgeht wie sp. muladar ‘Müllhalde’. Somit ist anzunehmen, dass der mittelalterliche Name und die spanische Neuprägung ein analoges Benennungsmotiv haben. - Möglicherweise gehört auch Jarnalobos H hierher, sofern der erste Wortteil mit harnear (dialektal z. B. in Chile als ‘cribar, pasar por el harnero’ erhalten 9 ; der DRAE dokumentiert die Lokution estar alguien hecho un harnero ‘tener muchas heridas’) zu identifizieren ist. In Zusammenhang mit der Jagd stehen auch Namen wie Mataperros Ba-Te-Mu-J, Matagalgos P, die auf die Entledigung unbrauchbar gewordener Jagdhunde hinweisen. Die hierzu verwendeten Praktiken waren (und sind es zum Teil trotz Tierschutzgesetzen noch heute) von barbarischer Art: So werden die für die Jagd untauglichen (d. h. zu wenig aggressiven oder zu alten) Tiere systematisch entweder erhängt (Ahorcaperros To-Ma-Gr, Arroyo de Cuelgaperros Co 10 ) oder über Felsen gestürzt (Despeñaperros Av-J4-Hu-Mu-Z2-Gr2) 11 . Eine weitere, aus referenzieller Sicht differenzierte Gruppe stellen die Namen dar, die auf Tätigkeiten im Rahmen der extensiven Viehzucht hinweisen: - So bezeichnet der Passname Tornavacas Cc mit Gewissheit den Ort, wo jährlich am Ende der warmen Jahreszeit das auf den Bergweiden gesömmerte Vieh versammelt wurde und die Rückkehr, d. h. den Abstieg ins Tal antrat. - Das eingezäunte Nachtlager, wo das Vieh an sicherem Ort zusammengehalten wird, bezeichnet der Name Cierravacas Ba (eigentlich Encierravacas). - Auf die Schafschur spielt ein Name wie Pelaborregos Ba an. - An verschiedenen Orten werden noch heute einmal im Jahr die in Halbfreiheit lebenden Pferde versammelt, um ihnen die Mähnen und Schweife zu schneiden. Auf diesen Brauch, in Almonte la tuza und in Galicien a rapa das bestas genannt, bezieht sich der Name Pelacogotes Ba-J, womöglich auch Pelasienes Av. - Mit der Schlachtung von Nutztieren und ihrer Verwertung hängen bestimmt Quitapellejos Mu2 und Desuellacabras Ca (Var. Suellacabras So) zusammen. Weitere Namen aus meiner Materialsammlung nehmen auf Erntearbeiten Bezug: - Levantapesos J, Cargabuey Ba und Cargaúvas H bezeichnen wahrscheinlich Orte, an denen die Ernte zum Abtransport auf Nutztiere und Wagen verladen wurde. - Spezifisch auf die Traubenernte beziehen sich, ebenso wie das letztgenannte Beispiel, bestimmt auch Namen wie Pozo de Lavaúva To, Caserío Lavapiés H und Arroyo de Friegacubillas To, die auf das Waschen der Trauben, der vom Stampfen schmutzig gewordenen Füße, sowie das der Fässer, in die der Traubenmost zum Abtransport gefüllt wird, anspielen. - Auf eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Ernte spielt wahrscheinlich auch der seltsame Name Descargamaría an. Riesco 2006: 202 schlägt vor, dass es sich um einen Ort handelt, an dem die Frauen, die den von früh bis spät auf den Feldern arbeitenden Tagelöhnern das Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 107 12 Der Taufname María war zu Ende des Mittelalters so dominant, dass zur Differenzierung der Individuen Spezifikationen zugefügt werden mussten, eine Praxis, welche die typisch spanischen Namen María del Carmen, de los Dolores, de los Ángeles usw. erklärt. 13 Auf diese Weise wird der Name tatsächlich in der Region traditionell gedeutet (http: / / www. ataleza.net). Ob es sich um eine Volksetymologie handelt, kann nur anhand von historischen Belegen und einer näheren linguistischen Untersuchung geklärt werden. Essen brachten, einen Halt machten und ihre Last ablegten; demnach wäre María als Frauenname par excellence zu verstehen 12 . - Zweifelhafter ist es, ob der auf den ersten Blick analog gebildete Name Atamaría eine Anspielung auf eine typische Frauenarbeit enthält, wie es das Zusammenbinden von Garben oder gesammelten Rohstoffen 13 sein könnte; allerdings mag man sich fragen, ob diese Hilfsarbeit tatsächlich derart im Vordergrund gestanden haben kann, dass sie zum Motiv einer Ortsbenennung wurde. Im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung ruraler Zonen können hier auch noch die Namen Arrancacepas Cu (Riesco 2013: 68), Arrancapinos Gr und Arrancarretamas J genannt werden. Die ersten beiden bezeichnen Orte, wo zur Urbarmachung Wald gerodet wurde, der dritte zweifellos ein zur Überwucherung neigendes Weideland, das von Zeit zu Zeit gesäubert werden musste. Nach getaner Arbeit wird eine Essenspause eingelegt. Geschieht dies an einem besonders angenehmen Ort, kann sich diese Tatsache in seiner Benennung widerspiegeln. So zum Beispiel bezieht sich Manantial de Apuramerienda Av zweifellos auf eine Quelle, bei der der Imbiss möglichst lange genossen wurde. Auch auf das Genießen von Orten, die eine gute Aussicht bieten und zur Betrachtung der Landschaft einladen, weist eine ganze Reihe von Namen hin, wobei die Transparenz von Formen wie Miramonte To-Z-Se-Co-J, Miramontes J-Ba, Miralrío To-J, Miraelrío Gu-J, Miragenil Ma, Mirasierra J-Gr3, Miravalle Ba, Risco de Miravalles Av, Cerro Miravalles Gu, Miravalles Se-Al, Miraelcampo Gu, Miraplayas Oax, Cabezo de Miramundo H, Miramundo Ca3, Miracielo Gu, Miracielos Se2 jede weitere Erklärung erübrigt (cf. Kremer 2010: 19). Derartige Namen führen uns vor Augen, wie auch das Volk in früheren Jahrhunderten idyllische Orte in der Natur und eine besonders schöne Aussicht wertschätzte. Einige von ihnen beziehen sich spezifisch auf die monastische Kontemplation, wie uns der Name Miraflores der bekannten Kartause bei Burgos zeigt, ein Name, der sich auf dem gesamten Gebiet des Spanischen wiederholt (Cartuja de Miraflores Z, Miraflores To3-Gu-Ba-Ca3-Se4-Co, ebenso in Venezuela, Argentinien, Kolumbien etc.; in H und Hu auch Miraflor). Morphosyntaktisch schwerer zu erklären sind die ebenfalls häufigen Namen Alto/ Pico/ Cerro Mirabueno Gu, Altillos Mirabuenos To, Mirabueno Ba-J8-Co-Al-Gr2, Mirabuenos J5, Mirabuena J-H-Co3, Miralobueno Gu, verbinden sie doch nicht ein Substantiv, sondern ein Adjektiv (mit Varianten bezüglich Numerus und Genus) mit dem Verb; was hingegen den motivischen Aspekt anbelangt, ist ihre Erklärung offensichtlich, handelt es sich doch immer um Aussichtspunkte. Stefan Ruhstaller 108 14 In diesem Fall darf nicht vergessen werden, dass Pasalodo in Badajoz auch ein Familienname ist (der allerdings seinerseits von einem Ortsnamen herstammen kann). 15 Esbarar bedeutet dialektal ‘rutschen’. 16 Vgl. auch die von Riesco 2013: 76 erwähnten Namen Mojabragas Bu und Mojaabarcas (im Libro de la Montería als Moia Varcas). 17 Der Name enthält higo (dialektal mit Aspiration ausgesprochen) ‘weibliche Scham’; vgl. dazu escoñarse ‘Schaden erleiden (etwa durch einen Sturz)’. 18 Womöglich gehört auch Suelazapatos J hierher, zu interpretieren vielleicht als Rat an den Fußgänger, er solle sich die Schuhe neu besohlen, bevor er sich auf den (schlechten) Weg macht. 2.2 Der Besucher des Ortes als Betroffener eines Geschehens Relativ oft werden Namen des Typs Verb+Substantiv verwendet, um auszudrücken, was dem Menschen oder den mit seinen Interessen verbundenen Tieren und Dingen an bestimmten Stellen eines Weges widerfährt. So werden Orte mit derartigen Namen bezeichnet, an denen der Passant (der Fußgänger, Reiter oder Fuhrmann) - an einer Wegkreuzung vorbeikommt: Cruzacaminos J, Cruzavereda H; - ein Hindernis über- oder durchqueren muss, wobei es sich um die unterschiedlichsten Dinge handeln kann, wie z. B. schlammige oder sandige Stellen (Pasalodo Ba 14 , Pasaarenas Ma), Gemüsegärten (Pasahuertos Z), usw.; - ein von Menschen errichtetes Mahnmal zu sehen bekommt, wie z. B. Kreuze, wie sie oft an wichtigen Wegstellen anzutreffen sind (Garganta de Pasacruces Ca); - gefährdete oder ermüdete Mitreisende vorübergehend unterbringen kann (Guardadamas To); - ein Gebirge überschreitet (Lagar de Pasamonte Ma); - umfällt: Huelesuelos J (d. h. wörtlich ‘den Boden zu riechen bekommt’); - abstürzt: Despeñaciegos Z (Name, der eine abschüssige Stelle bezeichnet); der Bezug auf Blinde ist natürlich hyperbolisch (man mag hier Redensarten wie ¿estás ciego? ‘kannst du nicht hinschauen? ’ vergleichen); - gezwungen wird, auf dem Hintern zu rutschen, um einen Sturz zu vermeiden (Esbaraculos Av 15 , Calle Rastraculos P, Rastraculos Gu-Ri, Arrastraculos Co); - nass wird (beim Durchschreiten einer Furt): Arroyo de Mojapiés Co, Vado de Mojarropa Ba 16 , sowie das mittelalterliche Piélago de Moia Paños (Ruhstaller 1995: 134); - aus dem Wagen gekippt wird: Volcafrailes de Gatillo Z und (Puente de) Vulcafrailes Z (Frago 1980: 90, 192). Die Ordensbrüder, die genannt werden, stehen wohl stellvertretend für die in praktischen Angelegenheiten Ungeschickten und Unerfahrenen allgemein; - sich verletzt; meist werden (als pars pro toto) konkrete Körperteile genannt wie der Rücken (Rompeespaldas Mu), die Nase (Quiebranarices AV), das Schienbein (Quiebracanillas Chi), der Hintern (Rompeculo H), die Rippen (Loma de Quiebracostillas Co, Quiebracostillas Tab) oder gar derb-scherzhaft die Scham (Quiebrahígo Se 17 ). Ebenso häufig nehmen die Namen Bezug auf zum Menschen gehörige Dinge und Tiere, die an den bezeichneten Wegstellen Schaden erleiden. Dies können bestimmte Kleidungsstücke sein, besonders Fußbekleidung (Camino de Rompezapatos Av-Ba-J, Rompezapatos J-Te-To, Rompebotas Se, Rompesuelas Ba4, Camino/ Vereda de Rompesuelas Ba 18 , Rompealpargatas Mu, Pecho de Rompeabarcas J), aber auch der Umhang (Rompemantos Av), das Wams (Rompejubones Co), eine Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 109 19 Vgl. Frago 1980: 90 und Ruhstaller 1992: 234. Piel 1966: 167 und Riesco 2013: 73 nennen weitere Formen ähnlichen Ursprungs, wie Camino de Tocaburros Z, Tañabueyes Bu (ursprünglich Tañibueys oder Tañebueyes) oder gar Quebrantalavara Sa, Namen die darauf hinweisen, dass an den bezeichneten Wegstellen der Tiertreiber die Lasttiere mit Schlägen in Bewegung setzen musste. Allerdings steht in diesen Fällen bei der Namenschöpfung eine andere Perspektive im Vordergrund, nämlich die des Handelnden, nicht die des Erleidenden, weshalb diese Namen in die in 2.1 untersuchte Gruppe gehören. 20 Seltener ist von frei lebenden Tieren die Rede (Arroyo de Ahogagatos Gr, Arroyo de Ahogarratones Ca). Laut Piel 1966: 167 sind derartige Namen (er nennt Ahogaperros, Ahogarratones und Ahogaborricos) «auf unversehens anschwellende Wasserläufe gemünzt ..., in denen Tiere zuweilen ertrinken». 21 Cascarruche enthält cascar ‘krepieren’ und das dial. ruche ‘Esel’. Vgl. auch Cascaborras Gr, wo borra womöglich als ‘einjähriges Lamm’ zu verstehen ist oder eine Deformation eines ursprünglichen Cascaburra darstellt. Kopfbedeckung (Rompetocas H, Cerro de Rompebonetes Co), die Strümpfe (Rompecalzas J), der Rock (Rompejalda Co), die auch in diesem Fall oft stellvertretend für die Bekleidung allgemein stehen können. Gelegentlich werden die Kleider als Gesamtes genannt (Dehesa de Rasgarropas J). Auch was den von Tieren gezogenen Wagen an schwierigen Wegstücken zustößt, wird uns durch die Ortsnamen mitgeteilt: - An steilen Stellen werden sie zum langsamen Fahren (wörtlich zum Klettern) gezwungen: Trepacarretas J, Trepacarros J. - Wenn an abschüssigen Stellen der Weg schlecht ist, können sie zum Kippen kommen: Alto de Vuelcacarretas Co, Vuelcacarros (Segovia), Vuelcarros Z (die Form ist zweifelsohne eine haplologische Variante eines ursprünglichen Vuelcacarros). - Sie können aus verschiedenen Gründen ganz (Quiebracarros Bu, Quiebracarretas Av-Se) oder teilweise beschädigt werden (Ruhstaller 1992: 234-36); im zweiten Fall werden verschiedene Fachtermini des traditionellen Wagnerhandwerks ersichtlich, so etwa viga (der Balken, der die beiden Achsen verbindet) in Quebrantavigas Se und Quiebravigas Ba, cubo (die Nabe) in Rompecubos J, pina (die Holzfelge) in Raspapinas J. Der letztgenannte Name bezieht sich ohne Zweifel auf ein sich verengendes Wegstück, wo die Räder ein Hindernis am Wegrand streifen; die gleiche Motivation ist auch für Camino de Rompeesquinas Se wahrscheinlich. Die zum Transport genutzten Tiere sind allerlei Strapazen und Gefahren ausgesetzt. Die Anstrengungen, zu denen sie gezwungen werden, ebenso wie deren Auswirkungen, werden oft ausdrücklich (und manchmal mit dem für ihre Erschaffer charakteristischen derben Realismus) in den Namen erwähnt: Cansaburros Av- Ba-Ver, Cansavacas Co2, Sudamulas Z, Cabezo de Arrancapedos Z 19 . Dasselbe gilt für die Beschreibung des Schadens, den sie erleiden: Sie stürzen über Felsen (Despeñabueyes J, Despeñaburros J), verletzen sich (Despiernacaballos J), werden beim Passieren eines Gewässers nass (Vado de Mojarrabo Ba) oder ertrinken gar (Arroyo de Ahogaburros H) 20 . Oft ist sogar von ihrem Tod die Rede (Cascarruche J 21 , Mataasnos AV, Sierra de Matalaburra H, Cuesta de Matajacas Ca, Revientavacas Stefan Ruhstaller 110 22 Unüblich ist die Verwendung des Verbs romper(se) ‘kaputt gehen’ in Bezug auf ein Tier bei Rompecabras Mu; vgl. Collado de Rompegatos Gr. 23 Analog könnte auch Atapuerca Bu interpretiert werden. Auch Piel 1967: 201 verstand diesen Namen als ata+puerca, doch enthielt er sich einer weitergehenden Deutung. 24 Ataharre bedeutet ‘banda de cuero, cáñamo o esparto que sirve para impedir que la montura o el aparejo se corran hacia adelante’. Eine noch stärker entstellte Variante scheint Quebrantatajales Se zu sein. 25 Hierzu womöglich auch Rompeesparteras Mu, sofern espartera als ‘aus Espartogras geflochtener Korb’ zu verstehen ist. Gr) 22 , wobei dies wahrscheinlich nicht einmal hyperbolisch gemeint ist. Als Warnung vor einer gefährlichen Stelle ist eindeutig Atalosbueyes To zu verstehen: ‘Binde die Ochsen fest! ’ 23 . Da es sich in diesem Fall um einen ganzen Satz im Imperativ handelt, gehört der Name aber eigentlich nicht zum hier untersuchten Typ, wie wir sehen werden. Des Weiteren erzählen die Namen, wie das Zeug der Lasttiere an gewissen Wegstellen beschädigt wird. Dabei geht es um Packsättel (Rompealbardas Ba-Ma-Mu), Bauchgurte (Quiebracinchas Co-J) und Riemen (Cuesta de Quebrantajarres Gr, eigentlich Quebrantaataharres) 24 . Wenn man an Phraseologien wie a revientacinchas, a rajacinchas oder ir rompiendo cinchas denkt, wird klar, dass es sich um steil abfallende Stellen handelt, wo die Tiere in gefährlichen Galopp fallen. Auch die verschiedensten zum Warentransport verwendeten Behältnisse erleiden Schaden, und mit ihnen die Güter, die sie enthalten: Mit Gebrauch der auf diesem Gebiet reichen traditionellen Terminologie wird unterschieden zwischen Sattel- und anderen Taschen (Vaciaalforjas Se, Vaciabolsas J), Beuteln (Vaciatalegas H-Co, Vaciabolso J), Säcken (Vaciasacos Hu, Rompesacos Z3, J-Ma, Vaciasacos Hu3, Vueltasacos Hu, Vaciacostales J, Barranco de Vaciacostales Gr), Weinbehältern aus Leder oder Holz (Vaciabotas Gu, Vaciacubas Gu), Getreideladen (Vaciatrojes Av-To, Dehesa de Vaciatroje Ba, Rompetruges Mu), Körben (Camino de Rompeserones Ca-J; serón ‘großer Tragekorb für Lasttiere’ 25 ); es ist, je nach Material der Behälter und Eigenschaften der Ware, vom Ausleeren (Vacia-), Zerreißen oder Zerbrechen (Rompe-), Zerschmettern (Revienta-) und Umkippen (Vuelca-, Vuelta-) die Rede. Auf den Verlust der Ware an sich spielt Pierdegrano J an. In gewissen analog gebildeten Formen wird nicht auf transportierbare Behältnisse hingewiesen, sondern auf Lagerräume (cámara, bodega, vielleicht auch das schon genannte troj, das sich auf verschiedenartige Behälter und Aufbewahrungsorte beziehen kann), wie sie mit Sicherheit nicht an den bezeichneten Orten, d. h. auf freiem Feld, existiert haben können: Vaciacámaras J-Ma, Barranco de Vaciacámaras Gr, Revientacámaras J, Senda de Revientacámaras To, Revientabodegas J. Hier ist die von Riesco 2012: 65 vorgeschlagene Deutung plausibel, nach der es sich um ungenügend produktive Anbauflächen handelt, die ihre Besitzer in den Ruin treiben. Auch was den Hirten und ihren Tieren auf der Weide oder auf ihrer Wanderung zustößt, wird anschaulich in Form von Ortsnamen geschildert. Der Ort, wo der Hirt Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 111 26 Mit genüsslichem Speisen in der Natur bringt Riesco 2012: 64 Namen wie Quitapenas J, Quitapesares J-To in Verbindung. 27 Es ist praktisch unmöglich, zwischen dieser Initialmotivation und der im vorhergehenden Abschnitt erklärten (Vaciatalego, Vaciabolso etc.) zu unterscheiden. 28 Anders versteht Riesco 2013: 64 den Namen Rodalabota: Für ihn bezeichnet er einen Ort, wo der Weinschlauch (ebenfalls bota genannt) die Runde macht. Allerdings spricht die Bedeutung des Verbs rodar gegen diese Interpretation. 29 Vgl. Carracedo 2013: 3-4 und Riesco 2006: 201. Das Verb ist hier nicht nur im wörtlichen Sinn als ‘sich die Hörner brechen’ zu verstehen, sondern allgemein als ‘sich verletzen’. Obwohl der DRAE diese Bedeutung nicht registriert, muss sie doch weit verbreitet gewesen sein, wie Sprichwörter aus der Sammlung Refranes o proverbios en romance von Hernán Núñez (um 1549) wie El ruin buey holgando se descuerna oder Quien con el demonio anda el buey se le descuerna beweisen (CORDE). sich zu einer Essenspause 26 niedersetzt, wird mit Vaciazurrón Ba, Arroyo/ Fuente Vaciazurrones Av bezeichnet 27 . Handelt es sich um eine abschüssige Stelle, wo der Proviant oder die ausgezogenen Stiefel wegrollen können, entstehen Namen wie (Cerro de) Rodahuevos J-Ca-Co-Ma und Rodalabota Ca-Se, Ruedabotas Se, Camino de Rodabota Ca 28 , oder auch eine weniger präzisierende Form wie Rodamontes Co. In diesem Zusammenhang können auch die Namen Buscalapoyo Z und Baldío de Echaojos Ba genannt werden, die, ähnlich wie das schon besprochene Atalosbueyes, eine als Imperativ gefasste ausdrückliche Warnung (Suche Halt! , Schau dich um! ) enthalten. Im gleichen Kontext sind die Gefahren, denen die weidenden Tiere ausgesetzt sind, omnipräsent. Abschüssige Stellen, wo sie über Felsen zu stürzen drohen, heißen Despeñapotros J oder Tajo Despeñavacas Gr; wo sie einen Abhang hinunterpurzeln, treffen wir auf Namen wie Rodavacas Co. Auf die Verletzungen, die sie sich dabei zuziehen können, weisen mit (d)escornarse 29 gebildete Namen hin: Descuernavacas Se, Descuernabueyes J, Escornabueyes Z, Escuernacabras Av, Monte Descuernavacas J, Escuernavacas Sa, Pico Cornavacas Gu, Pozo de Cuernavacas Ca, Escornabichos To. Was die Kühe am Ort Cerro Espantavaca Mex schreckt, ist schwer zu sagen; es mag sich auch hier um einen gefährlichen, schreckenerregenden Ort handeln. Weit seltener treffen wir auf Namen, die uns vom Wohlbefinden der Tiere erzählen. Es seien zumindest Descansavacas Za (Riesco 2012: 65) und Cumbres Correcabras H (ein Ort, wo die Ziegen sich frei und gefahrlos bewegen können) genannt, sowie Hinchabueyes P (Riesco 2012: 71; wahrscheinlich auch Meabueyes Va, Meamulo Av, Pijabuey Za) und Revientavejigas J, die sich auf Orte beziehen, an denen die Tiere getränkt werden. Mit ähnlichen sprachlichen Mitteln werden Orte benannt, an denen Feldarbeit verrichtet wird. Beim Pflügen auf schwierigen (wahrscheinlich von Steinen durchsäten) Äckern kann das Joch zerbrechen (Quiebrayugos Ba-Uruguay), oder der hölzerne Sterz kann gespalten werden (Rajamancera Ca); sodann wird die Pflugschar ungewöhnlich rasch abgestumpft (Gastarreja J-Ma, Gastahierro Ba) und muss Stefan Ruhstaller 112 30 Ob des Weiteren Aramundo(s) J hierher gehört, ist ohne historische Belege nicht zu eruieren. 31 Riesco 2013: 75 nennt einen identischen Namen aus der Provinz Burgos, sowie weitere Formen wie Matacristianos Za, Revientacristianos Le und Pierdeobreros Va, die sehr wohl denselben motivischen Ursprung haben können. 32 Riesco 2013: 67 zählt gar Namen wie Retuercebarbas und Tuercebarbas zu dieser Gruppe. 33 Papo ist laut DRAE im westlichen Teil des spanischen Sprachgebietes Synonym von bocio ‘Kropf’. 34 Allerdings ist zu bedenken, dass matasanos auch als Appellativ mit der Bedeutung ‘Heiler’ oder ‘schlechter Arzt’ allgemein gebräuchlich ist. wiederholt geschärft werden (Aguzarreja Ba); auf den Pflug als Ganzes verweisen Quiebraarados M und Quebrantaarados P (Riesco 2012: 71). Spöttisch gemeint ist wohl Espantarrejas Gu, ein Acker, der die Pflüge (metonymisch für die Pflügenden) gleichsam abschreckt 30 . Bei der Getreideernte auf steinigen Feldern sodann kann die Sichel (Quiebrahoces Co) zerbrechen; auf Schwierigkeiten beim Holzfällen und der Suche nach Brennholz weisen Namen wie Quiebrahocino J und Quiebrahachas Ca (Gordón/ Ruhstaller 1991: 162) hin. Allgemein von den Strapazen, welche die Tagelöhner an besonders ermüdenden Arbeitsorten zu ertragen haben, berichten Namen wie Matapeones Z-Hu 31 . Nur einen einzigen Namen habe ich gefunden, der über Vorkommnisse beim Fischen informiert: Rompetanzas J, ein Ort am Ufer des Guadalquivir, wo anscheinend oft die Angelschnur (tanza) reißt. Schließlich sind noch die häufigen Namen zu erwähnen, die auf außergewöhnlich windige Orte hinweisen, zumeist Passhöhen und hochgelegene, exponierte Stellen. Das mehrheitliche Benennungsmotiv ist die Wirkung, die die Windböen auf den traditionellen spanischen Überwurf, die capa, der Ortsbesucher hat: Dieses Kleidungstück wird ihnen entrissen (Arrebatacapas Mu, Rebatacapas H-Co) oder allgemein weggenommen (Quitacapas Ba-Co, sowie das anfangs genannte uralte Tolmantos . Tormantos Ri, ebenso Av-To), oder er verliert es (Pierdecapa Ca-Se). Andere Auswirkungen, die genannt werden, sind der stechende Schmerz, den die kalte Luft auf der Haut des Wanderers verursacht (Picaviento Ba-Se, Picaelviento J) 32 , und das Ausblasen der Lampe, die ihm den Weg leuchtet (Soplacandiles J). Nur vereinzelt wird auf das Wehen des Windes an sich hingewiesen, wie etwa bei Puerto de Sollavientos Te (sollar ist ein veraltetes Wort für ‘blasen’). Auf den gegenteiligen Effekt, nämlich das Geschütztsein vor dem Wind, bezieht sich vielleicht Rompelaire To, bedeutsamerweise der Name einer Höhle. Interessant sind schließlich noch die Namen, welche auf die Wirkung des Wassers einer Quelle oder eines Brunnens auf den Trinkenden anspielen. Einer Quelle wird zugeschrieben, dass sie den Kropf heilt (Fuente de Sanapapos Av 33 ), einer andern, dass sie den Kater der Betrunkenen lindert (Sanaborrachos Se); von einem Bächlein wird gesagt, dass sein Wasser der Gesundheit allgemein förderlich sei (Regajo de Sanavida H). Auf der Gesundheit unzuträgliches Wasser können Namen wie [Arroyo/ Regajo/ Pozo] Matasanos (allein in Ba gibt es 14 Beispiele) hindeuten 34 . Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 113 35 Der einzige Name des Typs, der mit einem andern Verb als cantar auf Tiergeräusche hinweist, ist Bramavacas Z, möglicherweise ein Ort, wo die Kühe sich versammeln, um gemolken oder getränkt zu werden. 36 Es gibt nicht weniger als 12 Beispiele in Te, 6 in Se, 4 in Hu, und je eines in Ba, Z und Gr. Auch eine weibliche Variante kommt vereinzelt vor: Cantalobas Gr. 37 So Galmés 1983: 410 und 1986: 32-33, der ein vorrömisches Etymon kanto ‘Stein’+kal(l)io ‘Stein’ postuliert, eine tautologisches Bildung, die er auch in Cantalapiedra Av-Se wiederzufinden glaubt. Vgl. auch Riesco 2006: 204. Unsicher ist auch die Deutung anderer Formen, die ebenfalls als erstes Element die Form Cantaufweisen: Bei Cantamonas Gu (enthält anscheinend mona ‘Äffin’), Cantarriján Gr (scheint arraihán, dialektale Variante von arrayán ‘Myrte’, zu enthalten), Cantachinas Ca und Cantalachina Se (china ‘Kieselstein’) ist zumindest die referenzielle Erklärung schwierig, bei Barranco de Cantagriva Te und Cantamarines Se auch die Identifikation des zweiten Wortteils. 2.3 Der Ortsbesucher als Wahrnehmender eines Geschehens Bei dieser dritten Gruppe von Namen wird am Häufigsten auf Geräusche Bezug genommen, die an den bezeichneten Orten regelmäßig gehört werden. Dazu zählt der wahrscheinlich am Weitesten verbreitete Repräsentant des Typs Verb+Substantiv, Cantarranas, ein Name, den wir in den meisten spanischen Provinzen, oft gleich mehrfach wiederholt (7 Namen in Ba, je 6 in Av und H, 3 in J und Ma, 2 in To, Ca und Co, 1 in Gr, Hu, Z und Mu), antreffen. Nicht weniger häufig ist der Gewässername auch in Mexiko, wo 38 Beispiele dokumentiert sind, und zwar in 19 Staaten von Niederkalifornien über Guanajuato bis Yucatán, und von Coahuila über Puebla und Michoacán bis Guerrero; allein in Jalisco sind 9 Beispiele belegt, und in Durango 6. Gelegentlich trifft man auf Varianten wie Cantalarrana J-To oder Cantarranos Z. Auch der «Gesang» von anderen Tieren 35 ist das charakteristische Merkmal vieler Orte: So der von Kuckucken (Cantacucos Se), Milanen (Cantamilanos Mu), Rebhühnern (Cantaperdices Z2), Käuzen (Cantamochuelos Se) oder Kranichen (Cantagrulla Ma). Ebenso wird das Geheul des Wolfs als Singen bezeichnet (und zwar in Form des häufig auftretenden Namen Cantalobos 36 ), und gar die Geräusche, die der Fuchs (Cantazorras Av) und die Fledermaus (sofern Cantamuros Al hierher gehört) von sich geben. Leichter zu verstehen ist, dass das Krähen des Hahns mit dem Verb cantar bezeichnet wird (ist doch z. B. das deutsche Wort Hahn mit lat. canere urverwandt); auffallend ist hierbei, dass die Variante mit Artikel Cantaelgallo (oder, die volkstümliche Aussprache wiedergebend, Cantargallo) häufiger auftritt als die «normalere» ohne Artikel Cantagallo, enthalten die untersuchten Quellen doch 11 Beispiele von Cantaelgallo (5 in Ba, 2 in H, je 1 in To, H, Se und Mu) und nur 5 von Cantagallo (J-Te-H-Se-Gr). Wenn man scheinbar ähnliche, morphologisch verwirrende Formen wie Gallocanta Z zum Vergleich heranzieht, und dazu noch bedenkt, dass Hähne kaum in der freien Natur zu hören sind (es sei denn, es handle sich um die seltenen und nur lokal vertretenen Auerhähne), ist es nicht verwunderlich, dass einzelne Forscher völlig andere Interpretationen vorgeschlagen haben 37 . Die große Häufigkeit des Namens, sowie die Offensichtlichkeit Stefan Ruhstaller 114 38 Ruhstaller 1992: 92-95. Mur ist zwar nur als ‘Maus’ belegt; dass die nachtaktiven fliegenden Säugetiere seit jeher als eine Art Mäuse betrachtet und auch so benannt worden sind, zeigt die gemeinsprachliche Bezeichnung murciélago, zusammengesetzt aus mur+ciégalo (Ableitung von ciego, d. h. ‘blinde Maus’). Namen wie Cueva Morciguilla oder Morciguillera J beweisen, dass Orte tatsächlich nach diesen Bewohnern benannt werden können. 39 Auf diesen Namentypus haben wir schon früher aufmerksam gemacht: Gordón/ Ruhstaller 1991: 161-162. 40 Konkrete Beispiele sind das keltische Oppidum von Eberóbriga (Talabán, Cáceres), traditionell bekannt als Cerro de Quiebracántaros; eine ebenfalls Quiebracántaros (oder Peña del Saco) genannte keltiberische Siedlung in Cornago (La Rioja); oder die römische Villa von Barranco de Quiebrabotijos (Jódar, Jaén). der Erklärung zumindest des formalen Aspekts, lassen dennoch kaum daran zweifeln, dass es sich bei all diesen Namen ebenso um Vertreter des hier untersuchten Typs handelt; tatsächlich wäre es leicht vorstellbar, dass diese Namen ganz einfach eine Wegstelle bezeichnen, an der der Passant, der sich einem Gehöft nähert, zum ersten Mal das Krähen des dazugehörigen Hahns vernimmt. Ein letztes (und besonders schönes) Beispiel hierzu ist Cantavieja Te-Z. Die erwähnte singende Alte ist zweifellos die von Rohlfs 1966: 113-132 eingehend untersuchte vetula. Es handelt sich um ein sagenumwobenes Naturgeschöpf, welches von der Zivilisation entfernte Orte bewohnt und sich in bestimmten Momenten bemerkbar macht, ein Glaube, der nahe bei einer heidnisch-pantheistischen Naturauffassung steht und der wahrscheinlich direkt auf die vorchristliche Götterverehrung zurückgeht. Auf der visuellen Wahrnehmung von Geschehnissen, die den Besucher nicht direkt einbeziehen, basieren die folgenden Namen: - Der Typ Cuelgamures Se-Za (mit Varianten wie Colgamures To, Cuelgamores Av, Cuelgamuros Co-M) ist zweifellos zu interpretieren als ‘Ort, wo Fledermäuse hängen’ 38 . - Nacelagua Z bezeichnet einen Ort, wo Wasser aus dem Boden quillt. - Cerro Quebrantaencinas Ma, Hiendelaencina Gu: Die Namen nehmen wahrscheinlich auf von Blitzen gespaltene Eichen Bezug. Noch interessanter sind Formen, die aus einem Verb mit Bedeutung ‘zerbrechen, zerschlagen’ und der Bezeichnung eines Gefäßes aus gebranntem Ton zusammengesetzt sind 39 : Quiebracántaros Te-J3-Cc-Ma, Barranco Quiebracántaras J, Quiebrapucheros J-Av, Quiebrabotijos J, Rompecántaros H, Rompetinajas Te, Rompeorzas H, Quiebrapucheros J, Revientaollas J. Da es sich oft bewiesenermaßen um Orte handelt, an denen archäologische Funde in Form von Bruchstücken von Amphoren und anderen Gefäßen zumeist aus arabischer und römischer, manchmal gar vorrömischer Zeit dokumentiert sind 40 , steht außer Zweifel, dass diese Bildungen naive Versuche darstellen, eine für Menschen mit keinerlei historischen und archäologischen Kenntnissen rational nicht zu verstehende Realität zu erklären. Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass diese Namen von der Landbevölkerung vergangener Jahrhunderte geschaffen wurden, zumeist Analphabeten, deren geschichtliches Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 115 41 Die Vorstellung derartiger Wesen zur naiven Erklärung von Spuren längst versunkener Kulturen ist auch in verschiedenen anderen Ortsnamen präsent, wobei generell alles kulturell Andersartige den Mauren zugeschrieben wird (das einzige Volk, von dem man wusste, dass es den gleichen Raum in der Vergangenheit bewohnt hatte). Beispiele dazu sind Baños de la Reina Mora Se, Cruz de la Reina, Cerro del Moro, La Morita Encantada, Cueva de la Mora, Tumba del Moro H, allesamt volkstümliche Namen von archäologischen Fundorten (Gordón/ Ruhstaller 1991: 120-124) 42 Selbstverständlich dürfen wir nicht vergessen, dass quebrantahuesos auch als Appellativ (in der Bedeutung ‘Bartgeier’) gebräuchlich ist. 43 Vgl. Salto del Cabrero Ca, Bezeichnung von zwei durch eine enge Schlucht getrennte Felsen; der lokalen Legende nach sprang ein Hirt, der nach Hause eilte, um seinem kranken Sohn Milch ans Bett zu bringen, von einer Klippe zur andern. Wissen sich auf die mündliche Überlieferung legendärer Ereignisse aus der Maurenzeit und vor allem der Reconquista beschränkten. Jegliche Überreste von früheren Kulturen wurden so pauschal den «moros» oder gar fantastischen Wesen aus unbestimmter Vorzeit zugeschrieben. Mit Sicherheit stellten sich die Schöpfer der genannten Namen also ein legendäres Wesen 41 der Vergangenheit vor, das tönerne Gefäße zertrümmerte. Ganz ähnlich sind Namen wie Rompetejas und Chascatejas Gu (chascar ist hier im Sinne von ‘zermahlen’ zu verstehen) zu deuten, die wir als Bezeichnungen von mit Ziegelfragmenten übersäten Orten vorfinden (wie sie auf der seit Jahrtausenden besiedelten iberischen Halbinsel oft anzutreffen sind). Sogar ein Name wie Quebrantahuesos könnte hierher gehören und sich auf ein Grabmal beziehen 42 , bezeichnet er doch zumindest in einem Fall aus der Provinz Huelva tatsächlich eine archäologische Fundstätte (Gordón/ Ruhstaller 1991: 160-162). In dieser Kategorie der archäologisch aufschlussreichen Ortsnamen sei schließlich noch der Name Alzapiedra H erwähnt, der eine naive (wenn auch sehr plastische) Beschreibung eines Dolmens sein kann; hierbei wird wahrscheinlich wiederum einem legendären Wesen eine übermenschliche Kraft verlangende Tat zugeschrieben, mit dem Zweck, ein Monument zu erklären, das die Landbevölkerung früherer Zeiten vor ein Rätsel stellte. Wie weit die Fantasie der für die Namenschöpfung verantwortlichen Sprecher geht, zeigen auch folgende Bildungen: - Espantahombres Co, Espantavivos Co und Espantarrodrigo Ca: Zweifellos handelt es um angsteinflößende Orte, an denen es spuken soll. - Ein Berg wird Espantanublos Al genannt, sehr wahrscheinlich, weil er die vom Wind getriebenen Wolken verdrängt und so gewissermaßen «verschreckt». - Saltagatos H: Ein Ort, wo zwei Felsen so nahe beieinander stehen, dass eine Katze vom einen zum andern springen kann 43 . Schließlich sei noch ein charakteristischer Burgenname erwähnt, der ebenfalls nach dem hier besprochenen Schema gebildet ist: Salvatierra (J-Hu). Die Bezeichnung würdigt die rettende Rolle, welche die zahlreichen in Grenzgebieten bestehenden Befestigungsanlagen vor allem zur Zeit der Maurenkriege spielten. Stefan Ruhstaller 116 44 Dies beweisen plastisch Formen, die ähnlich oder sogar identisch sowohl als Appellative als auch als Ortsnamen im Gebrauch sind. Mit Namen wie Espantapalomas, Espantalobos und Espantazorras kann das gemeinsprachliche espantapájaros ‘Vogelscheuche’ verglichen werden; mit Descuernavacas, Descuernabueyes und Escornabichos der Appellativ descuernacabras (ein Nordwind, der den Ziegen zusetzt; Rainer 1993: 277); mit Rompejubones, Rompecalzas und Rompemantos das dialektale rompecalzones ‘gatuña’ (Name einer mit Stacheln versehenen Pflanzenart; Alvar Ezquerra 2000: 707); und mit Revientavacas das ebenfalls dialektale revientabueyes ‘cuesta muy pendiente’ (Alvar Ezquerra 2000: 700). Das oben als Ortsname analysierte Quiebraarados existiert identisch im andalusischen Dialekt lokal auch als Appellativ quiebraarados ‘gatuña’ (eine Pflanze, die das Pflügen behindert; Alvar Ezquerra 2000: 661). 45 Ich zähle als Vertreter eines einzigen Typs auch die verschiedenen phonetischen Varianten, unter denen einige Namen verwendet werden (Descuernavacas - Escuernavacas - Cornavacas - Cuernavacas). Auch diejenigen Formen, welche sich lediglich durch ein Numerusmorphem (Miracielo - Miracielos) oder einen Determinanten unterscheiden (Cantarranas - Cantalarrana), fasse ich unter einem einzigen Typ zusammen. Im Gegensatz dazu betrachte ich durch andere Morpheme differenzierte Formen als unabhängige Typen (Quiebracántaras vs. Quiebracántaros, Quiebracarretas vs. Quiebracarros), da durch sie eine lexikalische Unterscheidung markiert wird. 46 Im Gegensatz dazu dominieren laut Rainer 1993: 269 bei den Appellativen guarda- (56 Beispiele), mata- (32), porta- (32), saca- (30), salta-, tira-, corta- (17) usw. 3. Besonderheiten des Namenstypus aus linguistischer Sicht 3.1 Beschränkungen bei der Wortbildung Die 544 Ortsnamen, die ich im vorhergehenden Kapitel aus referenzieller Perspektive interpretiert habe, stellen offensichtlich eine spezifische Manifestation des bekannten morphologischen Phänomens der Verb+Substantiv-Komposita dar 44 . Diese Ortsnamenmaterialien erlauben jedoch mehr als nur eine quantitative Erweiterung der in verschiedenen Arbeiten zusammengetragenen (aus Appellativen bestehenden) Daten, denn sie weisen interessante sprachliche Besonderheiten auf, die ich im Folgenden untersuchen will. Wie bei der Bildung von Appellativen des Typs Verb+Substantiv existieren auch bei der von morphologisch analogen Ortsnamen wichtige Beschränkungen betreffend der Auswahl ihrer lexikalischen Konstituenten. Dies wird schon aus der Tatsache ersichtlich, dass als erstes Element bestimmte Verben klar vorherrschen, d. h. eine besondere reihenbildende Kraft besitzen. Bei den 242 verschiedenen Typen 45 , die das Korpus umfasst, erscheinen als erste Konstituente insgesamt 78 verschiedene Verben. Die Häufigkeit ihres Vorkommens ist folgende 46 : rompe- (29), quiebra- (17), mira- (14), canta- (13), vacia- (11), mata- und espanta- (10), despeña- (7), ahoga-, quebranta- und revienta- (6), moja- und pasa- (5), arranca-, descuerna-, quita- und rueda- (4), cansa-, cuelga-, pela-, pierde-, sana- und vuelca- (3), ata-, caga-, casca-, caza-, cruza-, cuca-, descansa-, gasta-, lava-, mea- und trepa- (2), agua-, aguza-, ahorca-, alza-, anda-, apura-, ara-, arrastra-/ rastra-, arrea-, arrebata-/ rebata-, brama-, chasca-, cierra-, corre-, cuca-, descarga-, destripa-, desuella-, echa-, esbara-, espeta-, friega-, guarda-, hiende-, hincha-, huele-, jarna-, levanta-, nace-, pica-, Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 117 pija-, pringa-, raja-, raña-, rasga-, raspa-, retuerce-, rueda-, salta-, solla-, sopla-, suda-, suela-, tañe-, tuel(le)-, torna-, tuerce- und vuelta- (1). Wie wir sehen, ist rompeklar die häufigste Form; bedenkt man außerdem, dass romper(se) (zumindest aus diachronischer Sicht) in den meisten Kontexten ein Synonym von quebrar(se) und quebrantar(se) ist, gewinnt die Idee ‘kaputtgehen’, ‘kaputtmachen’ noch mehr an Gewicht (52 Typen). Wenn wir dazu noch die Formen zählen, die spezifische Arten des Kaputtgehens oder -machens ausdrücken (descuerna-, despeña-, despierna-, mata-, ahoga-, revienta-, pierde-, casca-, gasta-, ahorca-, arrea-, chasca-, destripa-, hiende-, jarna-, raja-, rasga-), wird deutlich, wie dominant diese Idee des am Ort erlittenen oder zugefügten Schadens bei der Kreation von Namen unseres Bildungstyps ist (101 von 242 Typen). Die tatsächliche wortbildende Kraft dieser Verben ist eigentlich noch bedeutend größer, wenn man bedenkt, dass jeder nach diesem Muster neu gebildete Ortsname auf einen unabhängigen Akt der Wortbildung zurückgeht, da die entsprechende Form zuvor ja nicht als Appellativ existiert hat. Im Gegensatz dazu wiederholen die Appellative bei ihrer Verwendung in der Rede lediglich eine schon geschaffene Form (die nur bei ihrem ersten Gebrauch nach morphologischen Regeln gebildet wurde und seither in den Usus integriert weiterlebt). Aus diesem Grunde stellen z. B. die sechs in verschiedenen Provinzen erscheinenden Namen Rompezapatos eigentlich sechs unabhängige Wortschöpfungen dar, von denen eine jede von der reihenbildenden Kraft des Elements rompezeugt. Natürlich sind den Auswahlmöglichkeiten als Erstes referenzielle Grenzen gesetzt, sind doch die für den Menschen relevanten Ereignisse, die an den bezeichneten Orten eintreten können (d. h. die möglichen Namenmotive), nicht irgendwelche. Darüber hinaus existieren jedoch zweifellos auch linguistische Beschränkungen. Die nach dem Schema Verb+Substantiv gebildeten Appellative enthalten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als erste Konstituente ein transitives Verb (Varela 1990: 69-71, Rainer 1993: 270); ebenfalls bei den analog beschaffenen Ortsnamen dominieren die transitiven Verben klar (wenn auch, wie wir sehen werden, in geringerem Ausmaß). Des Weiteren haben, wiederum parallel zu den Appellativen, auch die Ortsnamen mehrheitlich ein Agens, das die mit dem Verb ausgedrückte Handlung ausführt. Seine Bestimmung ist allerdings problematisch und oft nicht eindeutig: Während bei den Appellativen diese Rolle im Allgemeinen den mit dem Wort bezeichneten Lebewesen (Menschen, Tieren, Pflanzen) oder Dingen (zumeist Instrumenten) zukommt, ist bei einem ersten Untertyp unserer Ortsnamen der Ortsbesucher (oder allenfalls ein zu ihm gehöriges Nutztier) das Agens. So ist ein Name wie Mirasierra zweifellos zu verstehen als ‘[lugar donde el visitante] mira la sierra’; Despeñaperros als ‘[lugar donde el visitante] despeña perros’; Espantalobos als ‘[lugar donde el visitante, esto es, el cazador y sus perros] espanta los lobos’ usw. Bei einem zweiten Typ scheint diese Identifikation des Agens mit dem Ortsbesucher hingegen fragwürdig. Ein Name wie Camino de Rompezapatos kann unmöglich als ‘[camino donde el visitante] rompe zapatos’ gedeutet werden; vielmehr Stefan Ruhstaller 118 47 Ein weiteres Beispiel wäre Despeñaperros vs. Despeñapotros: Im ersten Fall handelt es sich um einen Ort, wo der Ortsbesucher Hunde über Felsen stürzt, im zweiten um einen Ort, wo Fohlen beim Weiden Gefahr laufen, über Felsen zu stürzen (wörtlich: ‘Ort, der Fohlen zum Absturz bringt’). 48 Bei der analogen appellativischen Bildung rompecrisma hält Rainer 1993: 270 eine solche Deutung für unmöglich: «un rompecrisma kann nur einer sein, der andern den Schädel einhaut, nicht aber einer, der ihn sich selbst (unabsichtlich) verletzt». 49 Dass bei Ortsnamen die Notwendigkeit der Präsenz eines Agens geringer ist als bei den Appellativen zeigen auch Namen wie Pierdegrano und Pierdecapas. Demgegenüber wäre eine Bildung wie etwa un *pierdeamigos, ebenso wie die von Rainer 1993: 270 genannten un *tienefiebre, un *quierenovia oder un *sientematanzas, nicht akzeptabel. wird der Ort selbst, gewissermaßen personifiziert, für die Handlung verantwortlich gemacht: ‘[el camino que, al transitarlo,] destroza los zapatos’. Natürlich basiert diese Identifikation des Agens nicht auf einem eigentlich linguistischen Kriterium, sondern vielmehr auf dem enzyklopädischen Wissen des Sprechers. Dies wird klar ersichtlich beim Vergleich von aus rein sprachlicher Sicht identisch gebildeten Formen wie Arroyo de Ahogarratones und Arroyo de Ahogalobos: Während im ersten Fall das Agens klar der bezeichnete Ort ist (‘[el arroyo que, cuando se desborda,] ahoga los ratones’), fällt diese Rolle im zweiten Fall zweifellos dem Ortsbesucher zu (‘[el lugar donde el visitante, esto es, el cazador] ahoga los lobos’) 47 . Da das Kriterium bei der Identifikation des Agens also nicht einer sprachlichen Regel, sondern der subjektiven Erfahrungswelt des Sprechers entspringt, kann es nicht verwundern, wenn sogar verschiedene Interpretationen für ein und denselben Namen möglich werden. Tatsächlich können Bildungen des zweiten Typs wie Cuesta de Cansaburros einerseits als ‘[la cuesta donde el arriero] cansa a sus burros’ und als ‘[la cuesta que] cansa a los burros’ gedeutet werden (indem der Ort personifiziert wird), andererseits ebensogut als ‘[la cuesta donde] los burros se cansan’; oder ein Name wie Camino de Rompezapatos kann nicht nur, wie schon gesagt, als ‘[el camino que] rompe los zapatos’ gedeutet werden, sondern ebensogut als ‘[el camino donde el visitante] se rompe los zapatos’, oder auch als ‘[el camino donde los zapatos] se rompen’ 48 . Bei dieser Interpretation wird kein Agens mehr verlangt, wie die in der Paraphrase verwendeten Konstruktionen mit reflexivem se und pasiva refleja zeigen 49 . Dieses alternative Verständnis der Namen hat allerdings sprachliche Folgen, zumal es eine Reinterpretation des Wortbildungstyps mit sich bringt, bei der der zweiten Konstituente die Funktion eines Subjekts zugeschrieben wird (und dies, obwohl die sonst zwingende formale Numerus-Konkordanz zwischen dem Subjekt und dem Prädikat nicht respektiert wird). Und, was noch wichtiger ist, es bietet die Möglichkeit für Neubildungen, bei denen die zweite Konstituente ebenfalls als Subjekt funktioniert, und bei denen die erste gar ein intransitives Verb ist. Zu diesem dritten Typ gehören Namen wie Trepacarros ‘[el lugar donde] los carros trepan’, Sudamulas ‘[el lugar donde] las mulas sudan’; Cantarranas ‘[el lugar donde] cantan ranas’. Bildungen dieser Art stehen einem Sonderfall bei den Appellativen Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 119 50 Agualobos, Aguzarreja, Ahogalobos, Ahorcaperros, Alzapiedra, Apuramerienda, Arrancacepas, Arrancapinos, Arrancarretamas, Arrastraculos, Arrealobos, Cansalobos, Cargabuey, Cargaúvas, Cazalobos, Cazazorros, Chascatejas, Cucazorras, Cuelgaperros, Cuelgazorras, Cruzacaminos, Cruzavereda, Despeñalobos, Despeñaperros, Destripalobos, Desuellacabras, Espantalobos, Espantapalomas, Espantazorras, Espetazorras, Friegacubillas, Guardadamas, Huelesuelos, Jarnalobos, Lavapiés, Lavaúva, Levantapesos, Matagalgos, Mataliebres, Mataloba, Matalobos, Mirabuena - Mirabueno, Miracielo(s), Miraelcampo, Miraelrío, Miraflor(es), Miragenil, Miralobos, Miralobueno, Miramonte(s), Miramundo, Miraplayas, Mirasierra, Miravalle(s), Mirazorras, Pasaarenas, Pasacruces, Pasahuertos, Pasalodo, Pasamonte, Pelaborregos, Pelacogotes, Pelasienes, Pierdecapa, Pierdegrano, Pringazorras, Quebrantalavara, Tañebueyes, Tocaburros. 51 Ahogaborricos, Ahogaburros, Ahogagatos, Ahogarratones, Arrancapedos, Arrebatacapas, Cansaburros, Cansavacas, Chascatejas, Descuernabueyes, (D)escuernavacas, Escornabichos, Escuernacabras, Despeñabueyes, Despeñaburros, Despeñaciegos, Despeñapotros, Despeñavacas, Despiernacaballos, Esbaraculos, Espantahombres, Espantanublos, Espantarrejas, Espantarrodrigo, Espantavaca, Espantavivos, Gastahierro, Gastarreja, Hiendelaencina, Hinchabueyes, Mataasnos, Matacristianos, Matajacas, Matalaburra, Matapeones, Matasanos, Mojapaños, Mojabragas, Mojapiés, Mojarrabo, Mojarropa, Pierdeobreros, Quebrantaarados, Quebrantaataharres, Quebrantaencinas, Quebrantahuesos, Quebrantalavara, Quebrantavigas, Quiebraarados, Quiebrabotijos, Quiebracanillas, Quiebracántaras, Quiebracántaros, Quiebracarretas, Quiebracarros, Quiebracinchas, Quiebracostillas, Quiebrahachas, Quiebrahígo, Quiebrahoces, Quiebrahocino, Quiebranarices, Quiebrapucheros, Quiebravigas, Quiebrayugos, Quitacapas, Quitapellejos, Quitapenas, Quitapesares, Rajamancera, Rasgarropas, Raspapinas, Retuercebarbas, Revientabodegas, Revientacámaras, Revientacristianos, Revientaollas, Revientavacas, Revientavejigas, Rompeabarcas, Rompealbardas, Rompealpargatas, Rompebonetes, Rompebotas, Rompecabras, Rompecalzas, Rompecántaros, Rompecubos, Rompeculo, Rompeespaldas, Rompeesparteras, Rompegatos, Rompejalda, Rompejubones, Rompelaire, Rompemantos, Rompeorzas, Rompesacos, Rompeserones, Rompeesquinas, Rompesuelas, Rompetanzas, Rompetejas, Rompetinajas, Rompetocas, Rompetrujes, Rompezapatos, Rompesacos, Salvatierra, Sanaborrachos, Sanapapos, Sanavida, Soplacandiles, Tolmantos, Tuercebarbas, Vaciaalforjas, Vaciabolsas, Vaciabolso, Vaciabotas, Vaciacámaras, Vaciacostales, Vaciacubas, Vaciasacos, Vaciatalegas, Vaciatrojes, Vaciazurrón, Volcafrailes, Vuelcacarretas, Vuelcacarros, Vueltasacos. 52 Andalobos, Atamaría, Bramavacas, Cagalobos, Cagazorras, Cantacucos, Cantaelgallo, Cantagallo, Cantagrulla, Cantalarrana, Cantalobas, Cantalobos, Cantamilanos, Cantamochuelos, Cantamuros, Cantaperdices, Cantarranas, Cantarranos, Cantavieja, Cantazorras, Cascaborras, Cascarruche, Cuelgamures, Correcabras, Descansalobos, Descansavacas, Descargamaría, Espantaperros, Meabueyes, Meamulo, Nacelagua, Pica(el)viento, Pijabuey, Rañalobos, Raspapinas, Rodahuevos, Rodalabota, Rodamontes, Rodavacas, Ruedabotas, Saltagatos, Sollavientos, Sudamulas, Tornavacas, Trepacarretas, Trepacarros. nahe, auf den schon Rainer 1993: 270 aufmerksam gemacht hat: Bei Wörtern wie reposacabezas, reposabrazos, reposapiés etc. ist die erste Konstituente ebenfalls kein transitives Verb, und die zweite Konstituente fungiert als Subjekt, dem die Aktion zugeschrieben wird; das Wort als Ganzes bezeichnet das Objekt, auf dem die Aktion stattfindet (reposapiés ‘objeto donde reposan los pies’). Parallel dazu ist etwa Descansavacas ein ‘[lugar donde] descansan las vacas’. Eine interessante Frage ist die der zahlenmäßigen Vertretung der drei Typen, die ich unterschieden habe. In meiner Materialsammlung finden sich 69 Beispiele des ersten Typs 50 , 130 des zweiten 51 , sowie 46 des dritten 52 . Aus diesen Daten geht hervor, dass der dritte Typ, obwohl er sich klar vom Vorbild Agens+transitives Stefan Ruhstaller 120 53 Bei allen übrigen hier untersuchten Namen ist die Interpretation der ersten Konstituente als Imperativform nicht annehmbar, obwohl z. B. Corominas 1972: 93-94 dies in Bezug auf Cantagallo andeutet: Den Menschen, Hähnen und Wagen wird offensichtlich durch Namen wie Rompeespaldas, Cantaelgallo und Quiebracarros usw. nichts befohlen, sondern es wird etwas über sie ausgesagt. Verb+direktes Objekt entfernt, keineswegs einen marginalen Status gegenüber den ersten zwei, den Appellativen näher stehenden Typen besitzt. Wenn man dazu bedenkt, dass schon unter den ältesten Zeugnissen Formen des dritten Typs zu finden sind (z. B. Tornavacas, Cantarranas und Cantalobos in den am Anfang genannten mittelalterlichen Texten), und dass gerade die Form Cantarranas die am Weitesten verbreitete ist (sowohl geografisch als auch was die Anzahl von Einzelnamen betrifft), kann man nur folgern, dass bei der Namenschöpfung die Beschränkungen bezüglich der Wortbildung von den Sprechern seit jeher klar lockerer gehandhabt werden als bei der Schaffung von Neologismen im allgemeinen Wortschatz. Dies beweisen auch einige spezifische, sporadisch auftretende Bildungen, wie z. B. der Name Rodamontes. Da es ebenso undenkbar ist, dass an einem Ort «ein Berg rollt», wie dass «[etwas] einen Berg rollt», und zumal der Name eindeutig ausdrücken will, dass an der bezeichneten Stelle Dinge gefährdet sind, «über einen Berg hinunterzurollen», bleibt kein Zweifel, dass in diesem konkreten Fall das Substantiv eigentlich die Funktion einer Adverbialbestimmung ausübt (trotz Fehlens einer Präposition): ‘[el lugar donde las cosas] ruedan por el monte’. Ähnlich sind die Fälle von Pasacruces ‘[el lugar donde el transeúnte] pasa junto a unas cruces’, Pasahuertos ‘[el lugar donde el transeúnte] pasa por unos huertos’, Pasalodo/ Pasaarenas [el lugar donde el transeúnte tiene que] pasar por el lodo/ por la arena’. Dass der Sprecher bei der Bildung von derartigen Ortsnamen über eine größere Freiheit verfügt als bei der von appellativischen Neologismen, zeigen schließlich auch bestimmte formale Eigenschaften. Während Rainer 1993: 275 bezüglich der Letzteren betont, dass keine Determinanten in ihnen vorkommen können, kann dies bei den Ortsnamen durchaus geschehen. Dies zeigen Beispiele aus meiner Materialsammlung wie Matalaburra, Miraelcampo, Miraelrío, Nacelagua, Picaelviento, Quebrantalavara, Rodalabota, Rompelaire; bei einigen alternieren gar Formen mit und ohne Artikel (Cantagallo - Cantaelgallo, Cantarranas - Cantalarrana). Besonders auffällig ist die Form Miralobueno, die einen neutralen Artikel enthält. Solche Bildungen nähern sich klar den eigentlichen Satznamen, ein Phänomen, das die Grenzen der Wortbildung überschreitet. Noch eindeutiger gehören zu den Satznamen Fügungen wie Echaojos, Buscalapoyo, Atalosbueyes und Atapuerca. Diese unterscheiden sich zusätzlich dadurch, dass sie nicht schildern, was der Ortsbesucher an den bezeichneten Orten tut, sondern ihm einen Befehl erteilen, indem sie sich in der Imperativform der 2. Person Singular 53 an ihn wenden, und dies mit dem Zweck, ihn vor einer drohenden Gefahr zu warnen und von ihm vorsichtiges Handeln zu fordern. Das Interesse dieser Namen im Rahmen der Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 121 Wortbildungslehre besteht vor allem darin, dass sie auf den historischen Ursprung der Verb+Substantiv-Konstruktion hinweisen, geht diese doch zweifellos (wie zahlreiche Forschungen früherer Philologen bewiesen haben) auf Imperativbildungen zurück (Rainer 1993: 265, 269). Diese Namen illustrieren also den Übergang von syntaktischen Konstruktionen zu eigentlichen Wörtern durch einen Prozess der Reinterpretation. Schließlich soll hier noch kurz auf einen phonetischen Aspekt eingegangen werden. Bezüglich der appellativischen Bildungen hat Rainer darauf aufmerksam gemacht, dass bei Formen, die als erste Konstituente ein Verb enthalten, dessen Stammvokal bei Betonung diphthongiert wird, die Diphthongierung im Allgemeinen eintritt (desentierramuertos, detienebuey usw.), wenn auch eine «kleine Anzahl von Ausnahmen» (fregaplatos, rodapié) existiert (Rainer 1993: 266). Diesbezüglich zeigen meine Materialien eine sehr ähnliche Lage bei den Ortsnamen auf, denn auch hier herrschen klar die diphthongierten Formen vor, und zwar in einem Verhältnis von 10 : 1. Nur diese Letztere ist bei cierra-, friega-, hiende-, huele-, pierde-, quiebra-, (re)tuerce-, revienta-, suela- und vueltabelegt, nur die Form ohne Diphthong bei Tolmantos (drei verschiedene Namen). Zum Namen Tolmantos muss allerdings daran erinnert werden, dass in mittelalterlichen Texten eine Variante Tuel Mantos belegt ist. Eine ähnliche Alternanz ist feststellbar bei Namen, die mit den Verbformen cuelga-/ colga- (Colgamures/ Cuelgamures, Cuelgaperros, Cuelgazorras), cuerna-/ corna- (Descuernavacas, Escuernavacas, Escuernacabras, Cuernavacas/ Cornavacas, Descuernabueyes/ Escornabueyes, Escornabichos), rueda-/ roda- (Ruedabotas/ Rodalabota, Rodahuevos, Rodamontes, Rodavacas) und vuelca-/ volca- (Vuelcacarretas, Vuelcacarros, Volcafrailes) gebildet sind. 3.2 Besonderheiten aus toponomastischer Sicht 3.2.1 Die Schilderung einer lebendigen Landschaft Aus spezisch toponomastischer Perspektive handelt es sich bei den hier untersuchten Formen um Bildungen, die Besonderheiten aufweisen, welche sie von den übrigen Ortsnamen klar unterscheiden. Im Gegensatz zu den dominierenden Nominalphrasen, die sich, oft durch Präpositionalphrasen erweitert, vorwiegend aus Appellativen zusammensetzen (El Cerro del Pino), und die sich in Sequenzen manifestieren, die auch in der lebendigen Sprache identisch vorkommen können («ese es el cerro del pino que te dije»), stellen die Namen des Typs Verb+Substantiv spezifisch zur Ortsbenennung geschaffene Formen dar: Wörter wie Cantarranas, Espantalobos, Rompealbardas wurden als Ortsnamen gebildet und existierten zuvor nicht (und auch nicht danach) im übrigen Wortschatz, und finden also in der Sprache ausschließlich als Toponyme Verwendung. Besonders interessant sind die Merkmale, welche die Namen des hier untersuchten Typs aus semantischer Sicht aufweisen. Diese Merkmale können offengelegt Stefan Ruhstaller 122 werden, indem man sie mit andersartig gebildeten Namensformen vergleicht, deren Ursprung im selben Motiv liegt, und die demnach dem Sprecher im Moment der Neuprägung von Ortsnamen als Alternative zur Verfügung gestanden hätten. So beziehen sich nicht nur Mirasierra, Miramundo, Miravalle usw. auf einen Aussichtspunkt, sondern auch El Mirador Co-H-Gr-Ma-Se; nicht nur Cantarranas auf ein von Fröschen wimmelndes Gewässer, sondern auch Arroyo/ Fuente de las Ranas Ma-Gr-Se; nicht nur Despeñaperros, Despeñabueyes und Despeñapotros auf Orte, wo Tiere abstürzen oder in den Tod gestürzt werden, sondern auch El Despeñadero Co-Gr-J-Se; nicht nur Rodabotas und Rodahuevos auf abschüssige Stellen, an denen Dinge einen Abhang hinunterrollen, sondern auch El Rodadero Ca-Co- Gr-Ma; und nicht nur Pelaborregos auf einen Ort, wo Schafe geschoren werden, sondern auch El Esquiladero Gr usw. Abgesehen davon, dass die erstgenannten Formen meist zusätzliche Information über den bezeichneten Ort enthalten, charakterisieren sie diesen vor allem aus einer ganz anderen Perspektive. Im Vordergrund steht nämlich nicht die statische Beschreibung der Dinge, die am Ort anzufinden sind, ihre physische Präsenz, sondern was der Besucher dort zu tun pflegt, was ihm widerfährt oder was er wahrnimmt, Handlungen und Vorgänge, die er in ihrer aktiven Dynamik beobachtet und deren Auswirkungen ihn und seine Interessen direkt betreffen. Die Orte werden nicht nur beschrieben, sondern erlebt, und den Namenschöpfer interessiert nicht so sehr, was am Ort existiert, sondern vielmehr, was dort regelmäßig geschieht. Diese Namen bieten somit eine Perspektive, die eine direkte Beziehung zwischen dem Ort und dem Besucher herstellt, ja diesen als einen Teil des Orts betrachtet. Über ihren rein semantisch-referenziellen Inhalt hinaus sind diese Namen auch reich mit emotionaler Information und Konnotationen beladen, was ihren stark humanisierten Charakter noch verstärkt. So teilen sie uns mit, wie der Mensch sich an den benannten Orten fühlt: Man denke an Namen wie Miraflores, Miramundo, Miracielo, Miraelrío, die nicht einfach ein neutrales Schauen ausdrücken, sondern über das Genießen und das andächtige Staunen des Ortsbesuchers erzählen. Ganz andere Gefühle beherrschen die Menschen, die für bestimmte Orte Namen wie Destripalobos, Arrealobos, Espetazorras oder Pringazorras geprägt haben, beschreiben diese Namen doch eloquent ihre Wut, ja ihren Hass auf die wilden Tiere. In nicht wenigen von den besprochenen Namen steckt auch eine gute Portion Spott (man denke an Vulcafrailes, Despeñaciegos, die uns auf Gefahren hinweisen, die vor allem auf unerfahrene oder unachtsame Ortsbesucher lauern, oder an Arrastraculos und Esbaraculos, die das lächerliche Verhalten von Ängstlichen verhöhnen) und Schadenfreude (Beispiele sind Rompeculos und Quiebrahígo, Namen, die sich lustig machen über unvorsichtige Passanten, in dem sie ihnen Verletzungen an peinlichen Körperstellen ankündigen). Für die Lebenshaltung und die Mentalität der Landbevölkerung früherer Zeiten allgemein repräsentativ sind Namen, die einen klar humoristischen Unterton haben (Ruedabotas, Rodahuevos), ebenso die, welche uns von ihrem Aberglauben erzählen (Quiebracántaros, Rompetejas, Alzapiedras, Cantavieja), und die, welche uns ihre Gefühllosigkeit gegenüber den Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 123 54 Es kann sich dabei um veraltete (mur, jubón, abarca, sollar; quebrantar und quebrar im wörtlichen Sinne von ‘brechen’), mundartliche (jalda) oder fachsprachliche Wörter (ataharre, aguar, pina, cubo, viga) handeln. 55 Dies gilt auch für den mit der vorindustriellen ländlichen Kultur ebensowenig vertrauten Sprachforscher (vgl. Riesco 2013: 56). Tieren und ihrem (vom Menschen zugefügten) Leiden vor Augen führen (Ahorcaperros, Despeñaperros, Cascarruche, Descornabichos, Revientavejigas). Im Gegensatz zu «normalen» Namen (Cerro del Pino, Dehesa de Arriba, Río Salado usw.), bieten uns also die hier untersuchten keine objektive, distanzierte Beschreibung, sondern eine subjektive Charakterisierung aus der Sicht des Namengebenden, die seine Interessen, seine Befürchtungen und Ängste, seinen Spott und seine Gefühle ausdrückt. Höchst interessant ist schließlich die Warnfunktion (cf. Riesco 2012: 61), die viele der untersuchten Namen zweifellos ausüben. Benennungen, die auf an bestimmten Orten oft erlittene Schäden und Verletzungen hinweisen, wollen den Besucher mit Gewissheit auch daran erinnern, dass er sich an den fraglichen Stellen mit besonderer Vorsicht bewegen und auf seine Tiere und Güter achtgeben soll. Die Erfahrungen, die Fuhrmänner, Maultiertreiber, Säumer, Hirten, Jäger und Feldarbeiter während Jahrzehnten angesammelt haben, werden so weitergegeben zum Zweck der Vorbeugung gegen Unfälle und Schäden (eine Funktion, die auf den modernen Straßen Verkehrsschilder übernehmen). 3.2.2 Das Bewusstsein der Sprecher bezüglich der ursprünglichen Bedeutung und Motivation der Namen Die meisten Namen des hier untersuchten Typs sind, was das in ihnen enthaltene Wortgut anbelangt, relativ transparent. Wenn sie auch vereinzelt Elemente enthalten, die der heutigen Gemeinsprache fremd sind 54 , sind sich die Sprecher in den meisten Fällen doch durchaus bewusst, wie Namen wie Cantarranas, Sudamulas oder Rompecántaros zumindest semantisch zu verstehen sind. Anders sieht die Lage allerdings beim Begreifen der ursprünglichen Motivation aus. Da an vielen Orten das Bezugsobjekt, das die Namen (oft vor Jahrhunderten) inspirierte, spurlos verschwunden ist, fehlen dem heutigen Sprecher durch persönliche Erfahrung erworbene referenzielle Anhaltspunkte. Wenn zum Beispiel ein Verkehrsweg, auf dem früher an schadhaften Stellen Menschen, Tiere, Wagen und mühsam transportierte Güter Schaden erlitten, durch eine moderne asphaltierte, von Autos und Lastwagen befahrene Straße ersetzt worden ist, oder wenn auf Äckern, wo einst mit Ochsen und hölzernen Pflügen gearbeitet wurde, heute Traktoren fahren, verlieren Namen wie Vuelcacarros, Quebrantavigas, Quiebramancera, Quiebrayugos usw. schlicht ihren Sinn. Zum Nichtverstehen der Namen trägt auch die große kulturelle und emotionale Distanz zwischen der Erlebniswelt der heutigen Sprecher und derjenigen früherer Generationen bei 55 . Waren für die ländliche Bevölkerung Stefan Ruhstaller 124 56 Noch absurder ist die Verschriftung eines etymologisch identischen Namens aus einer andern Gemeinde derselben Provinz: Los Pies de Capa (Gordón Peral 2009: 37). noch vor wenigen Jahrzehnten Dinge wie cincha, tinaja und troj eine wohlbekannte Realität, weiß heute nur noch eine verschwindende Minderheit, um was für Gegenstände es sich handelt und welches ihre Verwendung und ihr Zweck war. Als Folge dieser Entfremdung sind die Namensformen nicht selten Deformationstendenzen ausgesetzt. In einigen Fällen handelt es sich um phonetische Veränderungen, die in den realen Sprachgebrauch Eingang gefunden haben, wie z. B. die Haplologien bei Vuelcacarros . Vuelcarros und Quebrantaataharres . Quebrantajarres. In anderen Fällen geht es jedoch um Fehler bei der Transkription der praktisch ausschließlich mündlich gebrauchten, oft dialektal gefärbten Formen anlässlich der Erstellung von Karten und Namensammlungen. So zu erklären sind Schreibungen wie Baciatrojes, Escornavichos To, Quiebraoces Co, Orca Perros To, die elementare Orthografieregeln missachten (vacia-, -bichos, -hoces, ahorca-) und ein mangelhaftes Sprachbewusstsein widerspiegeln. Unvertrautheit mit dem lokalen Dialekt andererseits erklärt fehlerhafte Transkriptionen wie Sanabía anstatt Sanavida H. Ein fehlendes Verständnis der Namen kann sodann volksetymologische Reinterpretationen hervorrufen (cf. Riesco 2013: 58). Bei Despeñaciegos (volkstümlich Espeñaciegos ausgesprochen) wird der erste Wortteil mit España in Verbindung gesetzt (wie die Variante Españaciego Z bezeugt); bei Vaciatrojes wird das heute kaum mehr bekannte troj(e) als traje ‘Anzug’ interpretiert (Vaciatraje Ba); bei Rompejubones wird das veraltete jubón als Ableitung vom Verb jugar gedeutet (Rompejugones Co); im Falle von Quebrantanichos Ca beweist die in mittelalterlichen Texten belegte Form Quebrantaminchos, dass das undurchsichtige minchos als nichos ‘Grabnische’ verstanden wird; Descuernavacas schließlich wird reinterpretiert als Cuernavacas, d. h. ‘wo die Kühe mit ihren Hörnern kämpfen’ (Pico Cornavacas Gu, Cuernavacas Ca). Dass diese «Volksetymologien» allerdings nicht unbedingt auf das Konto des «unwissenden» Volks gehen (und auch nicht den tatsächlichen lokalen Gebrauch wiedergeben), zeigt ein Beispiel wie Piel de Capa Se, auf das schon Gordón Peral 2009: 37 aufmerksam gemacht hat: Es handelt sich um eine hyperkorrekte Transkription des fast ausschließlich im mündlichen Gebrauch verbreiteten Namens Pierdecapa, bei dessen Eintrag auf der Landkarte der verantwortliche Geograf glaubte, den vermeintlichen Fall einer (für den lokalen Dialekt sonst charakteristischen) Neutralisierung der Phoneme / r/ und / l/ verbessern zu müssen 56 . Noch interessanter ist in dieser Hinsicht die Graphie Moia Varcas für Mojaabarcas, die wir im Libro de la Montería finden: Sie zeigt nämlich auf, dass die mittelalterliche Schreibkraft den Namen nicht als moja+abarca interpretierte, sondern volksetymologisch als moja+barca. Solche Volksetymologien bezeugen plastisch das Bedürfnis der Sprecher, diese auffälligen Namen von ihrer «Bedeutung» her zu verstehen. Tatsächlich wird oft auch unter Nicht-Linguisten bewusst über ihre etymologische (und insbesondere Verb+Substantiv-Komposita im Spanischen 125 57 Auch die analog gebildeten Appellative drücken allgemein regelmäßig sich wiederholende Aktionen aus. Wie Rainer 1993: 266 ausführt, stellt diese habituelle Lesart allerdings keine systematische Beschränkung dar; vielmehr handelt es sich um eine Folge pragmatischer Schlüsse der Sprecher (die Dinge werden nach ihren charakteristischen, und somit konstanten Eigenschaften benannt). motivische) Deutung spekuliert. Dies zeigt der Besuch von Internetseiten, auf denen Hobbytoponymisten ihrer Fantasie freien Lauf lassen; als Beispiel sei der Fall von Sollavientos erwähnt, dessen erstes Element mit dem Verb desollar ‘enthäuten’ interpretiert wird (http: / / miscelaneaturolense.blogspot.com.es; wie wir gesehen haben, handelt es sich tatsächlich um das veraltete sollar ‘blasen’). Andere Erklärungsversuche irren zwar nicht bei der Identifizierung der lexikalischen Komponenten, doch missverstehen sie bestimmte motivische Aspekte. Nicht richtig gedeutet wird vor allem die Tatsache, dass die hier untersuchten Namen normalerweise auf ein sich stetig wiederholendes Geschehen 57 , und nicht auf ein einmaliges, wenn möglich spektakuläres, Bezug nehmen. Ein Name wie Vuelcacarros (Maderuelo, Segovia), der wie gesagt eine Wegstelle bezeichnet, an der Wagen stets von Neuem umkippen oder wenigstens umzukippen drohen, wird lokal mit einer Marienlegende begründet, derzufolge eine Muttergottesstatue, die von ihrer Fundstelle ins Dorf gebracht hätte werden sollen, mehrmals den Wagen, auf dem sie transportiert wurde, zum Kippen brachte, bis beschlossen wurde, sie in einer nahestehenden Wallfahrtskapelle unterzubringen (http: / / www.jhbayo.com/ maderuelo). Analog wird traditionell der Name Tornavacas Cc (der, wie wir gesehen haben, tatsächlich auf ein sich Jahr für Jahr wiederholendes Ereignis anspielt) erklärt: Im Krieg gegen die Mauren sollen die Christen diese in einer nächtlichen Schlacht in die Flucht geschlagen haben, indem sie ihren Kühen an den Hörnern Fackeln befestigten und so ihre Feinde glauben ließen, sie befänden sich einem riesigen Heer gegenüber (http: / / es.wikipedia.org/ wiki/ Tornavacas). Sehr ähnlich ist auch noch ein dritter Fall: Despeñaperros. Dieser weitum bekannte Name, der den strategisch wichtigen Übergang von der Meseta nach Andalusien bezeichnet, wird damit begründet, dass die Mauren (verächtlich als Hunde bezeichnet) ganz in der Nähe anlässlich der berühmten Schlacht von Navas de Tolosa erfolgreich zurückgeschlagen wurden. Dass es sich jedoch viel prosaischer um einen Ort handelt, wo man sich im wörtlichen Sinne lästiger Hunde zu entledigen pflegte, wird dadurch bewiesen, dass Namen von ähnlicher und sogar identischer Form zahlreich in den verschiedensten Gegenden Spaniens auftreten. Sevilla Stefan Ruhstaller Stefan Ruhstaller 126 Bibliografie Alvar Ezquerra, M. 2000: Tesoro léxico de las hablas andaluzas, Madrid Ariño Rico, L. 1980: Repertorio de nombres geográficos. Huesca, Zaragoza Becerro Galicano Digital, www.ehu.es/ galicano Callado García, A. 1974: Repertorio de nombres geográficos. 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