eJournals Vox Romanica 73/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2014
731 Kristol De Stefani

Marc-René Jung (1933-2014)

121
2014
Ursula  Bähler
Richard  Trachsler
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Vox Romanica 73 (2014): 251-256 Marc-René Jung (1933-2014) 1 Am 1. Juni 2014 ist Prof. Dr. Marc-René Jung nach längerer Krankheit in seinem 81.Altersjahr in Zürich verstorben. Marc-René Jung lehrte von 1968 bis 2001, zuerst als Extraordinarius, ab 1971 als Ordinarius, Geschichte der französischen und provenzalischen Literatur des Mittelalters an der Universität Zürich, wo er von 1984 bis 1986 auch als Dekan der Philosophischen Fakultät (damals Philosophische Fakultät I) und von 1986 bis 1992 als Prorektor für Lehre und Forschung tätig war. 1933 in Glarus geboren, absolvierte Marc-René Jung 1952 die Matura (Typus A) in Biel-Bienne. Nach einem einjährigen Abstecher in die Jurisprudenz studierte er Romanistik (Französisch, Italienisch und Spanisch) an den Universitäten Basel - u. a. bei Walther von Wartburg -, Florenz, Perugia, Genf, Santander und Segovia. 1960 erwarb er das «Oberlehrerdiplom» in Basel. Von 1960 bis 1963 erfolgte ein Paris-Aufenthalt, wo er neben der Arbeit an seiner Dissertation auch Kurse in Arabisch an der École des Langues orientales besuchte und seinen Lebensunterhalt als Deutschlektor an der École Normale Supérieure in Saint-Cloud verdiente. Die Doktorarbeit zu Hercule dans la littérature française du XVI e siècle verteidigte er 1964 an der Sorbonne (sie erschien 1966 bei Droz in der Reihe «Travaux d’Humanisme et Renaissance»). Von 1963 bis 1965 unterrichtete er Französisch an der Kantonalen Handelsschule in Basel. Immer wieder verdiente er sich in seinen jungen Jahren einen finanziellen Zustupf mit Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche. 1968 erfolgte die Habilitation an der Universität Basel mit einer Studie unter dem Titel Études sur le poème allégorique en France au moyen âge (erschienen 1971 bei Francke in der Reihe «Romanica Helvetica»). Noch vor Abschluss des Habilitationsverfahrens nahm er einen Ruf an die Universität Zürich an, in deren Dienst er sich in den folgenden 33 Jahren mit unermüdlichem Einsatz stellte. 1964 heiratete Marc-René Jung in Basel Jeannine Küffer, die er seit seiner Schulzeit in Biel-Bienne kannte. Aus der Ehe stammen zwei Söhne. Wichtig war ihm nebst Familie und Beruf auch sein Einsatz für die Schweizer Armee, in der er bis 1988, zuletzt als Hauptmann, diente. Marc-René Jung nahm verschiedene Gastprofessuren im In- und Ausland wahr: 1981-82 an der Universität Basel, 1985 an der Universität Bern, 1989 am Centre d’Études Supérieures de Civilisation Médiévale in Poitiers und 1994 an der Sapienza in Rom. Im Jahre seiner Emeritierung 2001 hatte er die Wolfgang Stammler 1 Wir danken Frau Jeannine Jung sowie den beiden Söhnen Jean-Marc und Philippe Jung für die Einsicht in persönliche Aufzeichnungen von Marc-René Jung. Ursula Bähler / Richard Trachsler 252 Gastprofessur an der Universität Freiburg (im Üechtland) inne und 2004 lehrte er als Gastprofessor an der École nationale des Chartes in Paris. Zusätzlich zu seiner Lehr- und Forschungstätigkeit und den schon erwähnten Ämtern in der universitären Selbstverwaltung, im Rahmen derer auch seine langjährige Tätigkeit in der Hochschulkommission erwähnt werden muss, übernahm Marc-René Jung mit viel Engagement eine beeindruckende Anzahl institutioneller und wissenschaftlicher Funktionen: So war er 20 Jahre lang Vertreter der Universität in der Aufsichtskommission des Gymnasiums Rämibühl (Zürich), Mitglied des Kuratoriums für das Schweizerhaus in der Cité universitaire de Paris, des Direktionskomitees des Schweizerischen Instituts in Rom, der eidgenössischen Kommission für Weiterbildung, der eidgenössischen Expertenkommission zur gegenseitigen Anerkennung von Studienabschlüssen und Diplomen, der Bibliothekskommission der Zentralbibliothek Zürich, Präsident der eidgenössischen Mobilitätskommission, Schweizer Delegierter in der Expertengruppe für das EUROLIT-Programm der Europäischen Union, Präsident des Stiftungsrates der Volkshochschule des Kantons Zürich, der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalfonds, des Collegium Romanicum, der Schweizerischen Sektion der Société Internationale Arthurienne und der International Courtly Literature Society, Vize-Präsident der Société des Anciens Textes Français, Mitglied des Redaktionskomitees der Vox Romanica und des Kuratoriums der Reihe «Romanica Helvetica». Es ist bei Marc-René Jung nicht möglich, Forschung und Lehre zu trennen. Mit Ausnahme der letzten Jahre, so betonte er nicht ohne Stolz, hatte er nie eine Lehrveranstaltung wiederholt, sondern stets andere und neue Texte behandelt. Während mehr als einem halben Jahrhundert lenkte eine gute Dosis Selbstdisziplin die curiositas und den Wissensdurst des Forschers in immer neue Gebiete, in der Regel genau dorthin, wo schwer zugängliches Material in über ganz Europa verstreuten Handschriften den Zugang zur Problematik zusätzlich erschwerte. Nicht immer waren die im Vorlesungsverzeichnis angekündigten Titel den Studierenden auf Anhieb verständlich, aber darum kümmerte sich Marc-René Jung ebenso wenig wie um attraktive Aufbereitung eines publikumswirksamen Themas. Die Studierenden würden ihr Handwerk so oder so lernen, und häufig anhand von Texten, von denen auch die beschlagensten Kollegen wenig wussten: die Histoire Ancienne, der Ovide Moralisé, die okzitanische Erzählliteratur, keiner von uns Studierenden konnte vor fast 30 Jahren nachvollziehen, wie viel Arbeit unser Lehrer in die Vorlesungen und Seminare hatte einfliessen lassen, aber uns allen war klar, dass es hier nicht um Handbuchwissen ging. Die Verbindung von Forschung und Lehre, damals vielleicht noch eher realisierbar als heute, mit der Verpflichtung des Forschers, nicht stillzustehen, sondern auch über Gebiete zu arbeiten, in denen er noch nicht heimisch war, gehörte für Marc-René Jung zum Selbstverständnis des Akademikers, der für seine eigene Weiterbildung verantwortlich ist. Diese Weiterbildung erfolgte bei ihm permanent, d. h. von seinem ersten Lehrsemester bis zum letzten und darüber hinaus und sieben Tage die Woche, ohne Ferien, Feiertage oder sonstige Entschuldigungen. Nur Nachruf Marc-René Jung (1933-2014) 253 2 Die Bibliographie von Marc-René Jung bis 1994 ist in seiner Festschrift zusammengestellt. Ensi firent li ancessor. Mélanges de philologie médiévale offerts à Marc-René Jung, publiés par L. Rossi avec la collaboration de C. Jacob-Hugon et U. Bähler, Alessandria 1996. Die Fortsetzung, sowie alles dort nicht erwähnte Material, wird in einem in Planung befindlichen Band zu Ehren Marc-René Jungs aufgenommen werden. 3 Jehan Marot, Les deux recueils, éd. crit. par G. Defaux et Th. Mantovani, Genève 1999, rezensiert in Romania 119 (2001): 565-78. an Familiengeburtstagen blieb er bisweilen seinem Büro fern. Mit diesen hohen Anforderungen, die er zunächst an sich selber stellte, konfrontierte er auch seine Kollegen, Mitarbeiter und Schüler. Das wenigste, was Marc-René Jung las oder sich überlegte, war direkt auf eine Publikation ausgerichtet. Gegen Ende seiner Karriere darum gebeten, den akademischen Jahresbericht der Universität mit Angaben zu füttern, antwortete er einmal feixend: «Mein diesjähriger Beitrag zur Forschung besteht darin, nichts publiziert zu haben». Es war dies kein Understatement, sondern die nackte Wahrheit. Er hatte in besagtem Jahr keine Zeile publiziert, da er nur etwas, das Bestand haben würde - das war der eigentliche Sinn seiner Erklärung -, und nichts «Unfertiges» in Umlauf geben wollte. Aufgrund der Breite ist es nicht einfach, Marc-René Jungs wissenschaftlichem Werk in ein paar Absätzen gerecht zu werden 2 . Er war im okzitanischen Jaufré ebenso zu Hause wie in der spätmittelalterlichen Lyrik, Alarts de Cambrai Schriften oder, natürlich, der Troja-Legende, die er in all ihren Formen eingehend untersucht hat. Das Lexikon des Mittelalters, für welches er über die Jahre als Berater und Autor von ca. 100 Artikeln fungiert hat, legt von dieser Bandbreite beredtes Zeugnis ab. Angesichts der Leistung des Mediävisten vergisst man oft, dass er mit seiner von V.-L. Saulnier betreuten Dissertation zu Herkules als Spezialist der französischen Literatur der Renaissance angefangen und sich erst danach zum Mittelalter rückwärtsgearbeitet hatte. Diese singuläre Vertrautheit mit Drucken und Handschriften und der Übergangszeit von Spätmittelalter zu Renaissance ist eines der Markenzeichen von Marc-René Jung und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Œuvre: 1972 publizierte er, zusammen mit Yves Giraud, die Literaturgeschichte Littérature française. La Renaissance I. 1480-1548, die mit dem Prix Monseigneur Marcel der Académie française ausgezeichnet wurde; sie gilt heute noch als Standardwerk. 30 Jahre später verfasste er für die Romania eine gnadenlose Rezension - seine letzte - einer Marot-Ausgabe, die den Text im Lichte der Handschriften völlig anders beleuchtete, als dies die Herausgeber getan hatten 3 . Weitere Schwerpunkte seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit waren seit seiner Habilitationsschrift die allegorische Dichtung, zunächst der Roman de la Rose, zu dem er in der Vox 1965 seinen allerersten Artikel publiziert hatte, dann der Ovide Moralisé, zu welchem er Mitte der 90er-Jahre via das 12. Buch - das Troja-Buch -, gelangt war und zu dem er eine Serie grundlegender Artikel vorgelegte, die das Sprungbrett für Ursula Bähler / Richard Trachsler 254 4 «Ein Fragment des Rosenromans in der Stiftsbibliothek Engelberg», Vox Romanica 24 (1965): 234-37. Dann zum Ovide Moralisé: «Aspects de l’Ovide moralisé», Ovidius redivivus. Von Ovid zu Dante, éd. M. Picone/ B. Zimmermann, Stuttgart 1994, pp. 149-72; «Ovide, texte, translateur et gloses dans les manuscrits de l’Ovide moralisé», in: D. Kelly (ed.), The Medieval Opus. Imitation, Rewriting, and Transmission in the French Tradition. Proceedings of the Symposium Held at the Institute for Research in Humanities, October 5-7 1995, The University of Wisconsin-Madison, Amsterdam 1996: 75-98; «Les éditions manuscrites de l’Ovide moralisé», RZLG 20 (1996): 251-74; «L’Ovide moralisé glosé», in: H. Hudde et alii (hg.), Literatur: Geschichte und Verstehen. Festschrift für Ulrich Mölk zum 60. Geburtstag, Heidelberg 1997: 81-93; «Ovide Metamorphose en prose (Bruges, vers 1475)», in: C.Thiry (éd.), «A l’heure encore de mon escrire». Aspects de la littérature de Bourgogne sous Philippe le Bon et Charles le Téméraire. Lettres romanes, numéro spécial, 1997: 99-115. Ohne diese Arbeiten wäre auch ein Projekt wie das jetzt von der DFG, der ANR und dem SNF geförderte Ovide en Français undenkbar. jüngere und jüngste Forschung geworden sind 4 . Auch die altfranzösische und okzitanische Lyrik, ein Thema zu dem er im übrigen zusammen mit Giuseppe Tavani 1992 eine Sektion des XX e Congrès International de Linguistique et de Philologie romanes in Zürich geleitet hatte, beschäftigte ihn von den Anfängen bis in seine letzten Schaffensjahre. Doch sein opus magnum ist zweifelsohne seine Monographie zur Légende de Troie en France au moyen âge von 1996, eine Studie zu den verschiedenen Erscheinungsformen der Troja-Legende nicht nur in den unterschiedlichsten Texten, sondern in deren Handschriften. Diese Studie, in den 80er Jahren begonnen, realisiert, ohne jegliches theoretische Beiwerk, das, was die New Philology 1990 proklamieren sollte: Der Zugang zum mittelalterlichen Werk erfolgt über Handschriften, die man in toto untersuchen muss. Marc-René Jung war kein Theoretiker, doch er hat viel über seine Praxis als Mediävist nachgedacht. Er wollte nur wissen, wie es damals wirklich gewesen war, und dafür hat er Handschriften untersucht, immer mehr und mit immer sichererem Auge für die Merkmale, die von Bedeutung sein können. Marc-René Jung hatte sich mit Leib und Seele seinem Fach sowie dem Wohlergehen des Romanischen Seminars und der Universität Zürich verschrieben. Streng, aber fair, ernst, jedoch immer auch mit einer Prise Humor, verstand er es, die Studierenden mit Verve und Passion für die französische Literatur des Mittelalters zu begeistern. In seinen Vorlesungen und Seminaren stellte er hohe Ansprüche und motivierte so zu selbständigem Denken und Forschen. Davon zeugen u. a. 90 Lizentiatsarbeiten und 14 Dissertationen. Lange vor der Bologna-Reform hatte er einen Einführungskurs in die Französische Literatur des Mittelalters konzipiert, der Generationen von Studierenden ein solides Fundament in diesem Gebiet vermittelte. Marc-René Jung war über seine ganze Amtszeit hinweg ein Pfeiler des Romanischen Seminars, sein Büro, damals im 2. Stock an der Plattenstrasse 32, ein für uns Studierende beeindruckender, fast schon mythischer Raum, in dem man den Meister am Werk sehen konnte, inmitten von Büchern, Mikrofilmen und Bergen von handschriftlichen Notizen, später auch vor dem Computer und dabei fast immer Nachruf Marc-René Jung (1933-2014) 255 5 Privatbesitz der Familie Jung. mit einer Gauloise bleue zwischen den Lippen, deren Dunst sich auf unsere Arbeiten niederlegte und sich dort noch Jahre lang hartnäckig und gleichzeitig anheimelnd hielt. Dies alles scheint heute unvorstellbar, so unvorstellbar wie die Professorengeneration, der Marc-René Jung angehörte, und die noch jenseits jedes Publikations-, Drittmitteleinwerbungs- und Evaluationszwangs allein auf die Qualität setzen konnte, für die es, nebst der Passion, dem Ingenium und dem savoir faire, v. a. eines braucht: Zeit. Aus der Feder von Marc-René Jung stammt folgendes kurzes Curriculum vitae, das er wohl um das Jahr 2005 herum verfasst hat und das wir mit der Erlaubnis seiner Frau und seiner beiden Söhne gerne abdrucken. Vielen Leserinnen und Lesern wird darin die Stimme des Autors in ihrer Mischung aus lakonischer Ernsthaftigkeit und (selbst)ironischem Unterton lebendige Erinnerungen an den Verstorbenen wecken, dem das Romanische Seminar und die Universität Zürich sowie die nationale und internationale Romanistik und Mediävistik viel verdanken. Marc-René Jung, «Curriculum vitae» 5 «Als Bürger von La Chaux-de-Fonds 1933 im Kanton Glarus geboren und auch dort aufgewachsen. Zu Hause sprach ich mit meiner Mutter, einer Bernburgerin, Berndeutsch und mit dem Vater, einem eingefleischten Chaux-de-Fonnnier, Französisch, auf der Gasse und in der Schule natürlich Glarnerdeutsch. Im kleinen Kanton Glarus gab es damals nur ein Untergymnasium, doch führte diese Schule auch eine Griechischklasse, in meinem Jahrgang mit zwei Schülern, dem Pfarrersohn von Glarus und mir. Das war streng, denn der «Kägi» wurde in einem Jahr durchgearbeitet. Der Griechischlehrer war aber zum Glück auch ein passionierter Schachspieler, war sogar Schweizer Schachmeister, so dass die beiden Schüler, wenn sie zuwenig präpariert waren, dem Professor jeweilen ein Eröffnungs- oder Endspielproblem vorlegten, und damit das Griechische temporär im Schach halten konnten. Die Matura legte ich dann in Biel ab, wo die Klassen noch die schönen Namen Tertia, Secunda, Prima und Oberprima führten. Da ich ein begeisterter Flötist war, wollte ich mich nach der Matur zunächst auf den internationalen Musikwettbewerb in Genf vorbereiten. Es kam aber anders. Ich ging an die Universität Basel, um Jus zu studieren. Nach einem Jahr hatte ich aber, besonders in der Dreiländerecke, gemerkt, dass Recht und Gerechtigkeit zwei recht verschiedene Dinge waren, so dass ich, nach einer längeren Militärdienstzeit, ein Romanistikstudium aufnahm und fleissig Italienisch und Spanisch lernte. Studienaufenthalte in Genf, in Italien und Spanien hielten mich mobil, so dass ich dreissig Jahre später das Präsidium der Schweizerischen Mobilitätskommission nicht ganz unvorbereitet habe übernehmen können. Ursula Bähler / Richard Trachsler 256 Nach dem Studienabschluss in Basel wollte ich über ältere französische Literatur promovieren. Durch Schulegeben hatte ich mir, es war 1960, ein Vermögen von Fr. 2000.erspart, so dass ich kurzentschlossen ein Billet Paris einfach löste und dann drei Jahre in Paris gelebt habe. So lange reichten die Ersparnisse allerdings nicht. Zunächst lebte ich von Übersetzungen. Ich habe z. B. den offiziellen Führer der Comédie-Française übersetzt, oder archäologische Bücher, z. B. über die Sammlungen des Louvre im Bereich des Vorderen Orients. Auch ein wenig Arabisch habe ich getrieben. Später wurde ich dann Deutschlektor an der École Normale Supérieure in Saint-Cloud. Die meiste Zeit verbrachte ich aber in der Bibliothèque Nationale, besonders in der Réserve des Imprimés, da ich über Herkules in der französischen Literatur der Renaissance arbeitete. Nach dem Doktorat in Paris kehrte ich nach Basel zurück und machte mich an eine Habilitationsarbeit über die allegorische Dichtung im französischen Mittelalter. 1968 wurde ich damit fertig und im gleichen Jahr, noch bevor ich in Basel offiziell die venia legendi erhielt, an die Universität Zürich gewählt, wo ich, was ich dankbar bemerke, das Gebiet der französischen und provenzalischen Literatur des Mittelalters zu vertreten hatte, eine Professur, die es im ganzen deutschsprachigen Gebiet sonst nirgends gab und auch heute noch kaum gibt. Als Extraordinarius hatte ich damals noch ein wenig Zeit, so dass ich, mit einem Kollegen der Universität Fribourg, eine Geschichte der französischen Literatur der Frührenaissance schreiben konnte, die dann von der Académie Française ausgezeichnet wurde. Über die Tätigkeit als Professor ist für Insider wenig zu berichten. Sie wurde, und wird, ergänzt durch mannigfache Tätigkeit in Kommissionen der Fakultät, der Universität, des Kantons, des Bundes, durch Expertentätigkeit, präsidiale Verpflichtungen in nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gremien. Ich durfte die Professoren der Universität während fünf Jahren in der Hochschulkommission vertreten, war zwei Jahre Dekan, sechs Jahre Prorektor. Woher ich die Zeit für Gastprofessuren im In- und Ausland genommen habe, ist mir heute nicht mehr ganz ersichtlich. Das gilt übrigens auch für Vorträge, bis auf den heutigen Tag». Zürich Ursula Bähler und Richard Trachsler