Vox Romanica
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0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2014
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Kristol De StefaniTony Hunt (ed.), Writing the Future. Prognostic Texts of Medieval England, Paris (Classiques Garnier) 2013, 359 p.
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2014
Laura Mettenberger
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Besprechungen - Comptes rendus 328 1 P. Meyer, «Les manuscrits français de Cambridge», R 32 (1903): 96. 2 Konsultierbar unter: http: / / www.deaf-page.de/ bibl_neu.php. Tony Hunt (ed.), Writing the Future. Prognostic Texts of Medieval England, Paris (Classiques Garnier) 2013, 359 p. «L’étude des divers arts de divination n’a rien de bien attrayant et l’on ne s’étonne pas que le sujet ait été jusqu’ici peu exploré.» 1 Liegt die negative Einschätzung Paul Meyers schon mehr als hundert Jahre zurück, so waren auch im Jahre 2013 die meisten anglonormannischen Texte prognostischen Inhalts nicht ediert. Mit seinem Sammelband Writing the Future. Prognostic Texts of Medieval England (DEAF-Sigel: HuntProgn 2 ) macht Tony Hunt den ersten, überfälligen Schritt, um die bisher weitgehend unbeachtete Lücke in der altfranzösischen Editionswissenschaft zu füllen und das Interesse der Fachkollegen an dem durchaus attraktiven und spannenden Thema zu wecken. Die prognostischen Texte unterschiedlicher Form, die im vorliegenden Band versammelt sind, dienen einerseits als wichtige Dokumente diverser Verfahrensweisen zur Zukunftsvorhersage, deren Traditionen zum Teil bis in die Antike zurückreichen, sind andererseits aber auch heute noch von Belang, da sich einige der Praktiken bis in unsere Zeit halten konnten. Die Beschäftigung mit den ausgewählten Textsorten erscheint zudem umso dringlicher, als die Prognostik im Mittelalter als Wissenschaft angesehen wurde, deren damaliger Stellenwert sich in der schriftlichen Fixierung der unterschiedlichen Praktiken widerspiegelt - ein wichtiger Aspekt, den Tony Hunt mit der Wahl seines Titels Writing the future subtil unterstreicht. In der gelungenen Einleitung (11-28), die zunächst den Stand der thematisch relevanten wissenschaftlichen Arbeiten vorstellt, gibt er einen groben Überblick über die Geschichte der Prognostik ohne die negativen Konnotationen und den Skeptizismus auszublenden, mit dem sich die Lehre der Vorhersagung seit jeher konfrontiert sah. Die Nennung der unterschiedlichen Formen der mittelalterlichen Prognostik, die von der Traumdeutung über die Handlesekunst bis zur Geomantik reichen, ergänzt Hunt durch die Frage nach der Bedeutung prognostischer Verfahren für den mittelalterlichen Menschen und hebt deren kontroverse Anwendungskontexte zwischen harmlosem Vergnügen und tatsächlichem Nutzen in medizinischen Kontexten hervor. Deutlich grenzt er die Prognostik jedoch von jeglichen Formen der Weissagung ab, die auf der Annahme einer übernatürlichen, in das menschliche Leben eingreifenden Macht beruhen, wodurch der im heutigen Denken verbreiteten Assoziation der Vorhersagekunst mit der Magie entgegengewirkt wird. Die Vorstellung der wichtigsten anglonormannischen und lateinischen Textzeugen schließt sich nahtlos an diese allgemeinen Basisinformationen zur mittelalterlichen Prognostik an. Die Unterteilung der Textsammlung in sieben Kapitel verspricht eine gute Übersichtlichkeit und erscheint prinzipiell sinnvoll. Die einzelnen Kapitel setzen sich aus einer die jeweilige Textsorte erläuternden, informativen Einleitung und der Edition der entsprechenden Handschriftenausschnitte zusammen, denen in den meisten Fällen Anmerkungen sowie ein für den Einzeltext spezifisches Glossar folgen. Bei der den Editionen vorausgehenden Beschreibungen der Handschriften beschränkt sich Hunt leider weitgehend auf eine grobe Datierung der Handschriften nach Jahrhunderten und verweist nur vereinzelt auf weiterführende Sekundärliteratur zu den Manuskripten; Textdatierungen, die möglicherweise von den Handschriftendatierungen abweichen, werden nicht thematisiert. In den ersten beiden Kapiteln (31-128) präsentiert Tony Hunt Editionen diverser Mondkalender, die im Mittelalter ein sehr gängiges Mittel zur Zukunftsvorhersage waren und Auswirkungen des Mondes auf das menschliche Leben zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb der Mondphasen ankündigen konnten. Fraglich ist, ob Prosa- und Verslunarien anstatt in zwei getrennten Kapiteln Besprechungen - Comptes rendus 329 3 Da die Unterscheidung zwischen Astrologie und Astronomie im Mittelalter noch nicht existierte, wird der Glossareintrag astrologye s. astrology (189) dem damaligen Bedeutungsspektrum des Wortes «astrologie», das im Altfranzösischen beide Bereiche umfasste, nicht gerecht. Ein möglicher Verbesserungsvorschlag: astrologye f. «medieval science, including astronomy and astrology» (136). 4 Ein möglicher Verbesserungsvorschlag: leopard m. «mammal of the felid family» (280). nicht in einem gemeinsamen Kapitel mit zwei Unterkapiteln hätten gefasst werden können, da ihre Divergenz rein formaler und nicht inhaltlicher Natur ist. Die im dritten Kapitel (129- 92) vorgestellten Zodiakaltraktate basieren im Gegensatz zu den Mondkalendern nicht auf den von Neumond zu Neumond reichenden Mondphasen, sondern auf der Feststellung der Position des Mondes oder der Sonne innerhalb des Tierkreises. Sie dienen Hunt als Beispiel, um die schwierige Position prognostischer mittelalterlicher Texte zwischen im heutigen Sinne astrologischer Deutungskunst und astronomischer Wissenschaft zu identifizieren 3 . Während sich das vierte Kapitel (195-250) mit Geburtsprognostiken und meteorologischen Vorhersagen sowie Warnungen vor Gefahrentagen beschäftigt, widmet sich das fünfte Kapitel (253-65) der Traumdeutung zu prognostischen Zwecken. Im sechsten Kapitel (269-89) finden sich ausgewählte Editionen sowohl der christlichen als auch der arabischen Version der Prenostica Socratis Basilei, einer Art Brettspiel, das den untersuchten Schriften zufolge auch von Königen zur Zukunftsvorhersage genutzt wurde. Den Abschluss bildet ein Kapitel (293-334) zur Geomantik, einer Wahrsagekunst, die sich von der Deutung durch das Werfen von Erde oder Steinen entstandener Muster im Mittelalter zur Vorhersage anhand von Punktgruppierungen entwickelte und bis heute im Voodoo weiterlebt. Die Edition der Textausschnitte aus lateinischen und anglonormannischen Handschriften erscheint seriös und garantiert einen angenehmen Lesefluss; auf korrigierendes Eingreifen in den Handschriftentext und Varianten wird in Form von Fußnoten oder in den nachfolgenden Anmerkungen verwiesen. Den eindeutigen Schwachpunkt der Edition stellen die textspezifischen Glossare dar, die sich am Ende jedes Kapitels an die edierten Texte anschließen. Bereits die optische Präsentation der Wortlisten, die tatsächlich eher einem Index denn einem Glossar gleichen, ist einer schnellen Orientierung hinderlich, da die Einträge zwar alphabetisch in Blöcken geordnet sind, darüber hinaus jedoch keinerlei graphische Hilfsmittel eingesetzt wurden, um die Übersichtlichkeit und den mühelosen Umgang mit dem Glossar zu gewährleisten. Die Funktionalität des Glossars wird zudem durch das Fehlen von Verweisen auf die Wortbelege im Text eingeschränkt. Auch die zu jedem Eintrag gegebenen Informationen sind auf ein Minimum reduziert; anstelle dienlicher Definitionen finden sich reine Wortübersetzungen ins moderne Englisch, die in zahlreichen Fällen, bei denen das altfranzösische Wort weitestgehend mit seinem englischen Pendant identisch ist, vollkommen überflüssig erscheinen (cf. leopard s. leopard 4 (289); etc.). Darüber hinaus ist nicht immer ersichtlich, nach welchen Kriterien die Glossareinträge ausgewählt wurden, da viele selbsterklärende oder gut belegte Wörter (cf. cert s. certain (79); camomile s. chamomile (289); etc.) aufgenommen wurden, während es an Bedeutungserklärungen des fachspezifischen Vokabulars, wie im Falle der geomantischen Figuren oder der Tierkreiszeichen, mangelt. Erweckt die Aufteilung in mehrere, sich auf jeweils nur eine Handschrift beziehende Glossare zunächst den Eindruck einer logischen und praktischen Strukturierung, so wäre die Alternative eines die komplette Sammlung umfassenden Glossars insofern von Vorteil, als viele Einträge in mehreren der Texten auftreten, sodass nicht nur Redundanz vermieden werden, sondern anhand der von einem einzigen Eintrag ausgehenden Verweise auf die unterschiedlichen Textzeugen auch die Zusammengehörigkeit der unterschiedlichen Textsorten hätte demonstriert werden können. Besprechungen - Comptes rendus 330 Trotz der genannten Defizite hinsichtlich der Textdatierungen und der Glossare erfüllt Tony Hunts Writing the Future den im Vorwort genannten Anspruch «to illustrate as fully as possible the medieval preoccupation with prediction» (7) und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Erfassung der Variationsbreite der altfranzösischen Literatur. Nicht zuletzt dank der ausführlichen Bibliographie, die einen guten, ersten Überblick über die fachspezifische Sekundärliteratur bietet, und des Indexes unedierter mittelalterlicher Texte, die sich thematisch den vorgestellten anschließen, bildet das Werk eine ideale Basis für die noch ausstehende, intensivere Beschäftigung mit altfranzösischen Texten prognostischen Charakters. Laura Mettenberger H Céline Guillot/ Bernard Combettes/ Alexei Lavrentiev/ Evelyne Oppermann-Marsaux/ Sophie Prévost (ed.), Le changement en français. Études de linguistique diachronique, Bern/ Berlin, etc. (Peter Lang) 2012, viii + 409 p. (Sciences pour la communication 101) This volume represents the collection of papers given at the 5 th DIACHRO conference held in October 2010 in Lyons. Focused on the history of the French language, the volume presents twenty-two papers on a variety of topics ranging from broad questions of methodology in the field to more focused studies of specific linguistic changes in the history of French. Given the limitations of their format, the papers often leave the reader wishing for more extensive studies, though this fault does not lie with the authors themselves. Though not presented in a thematic order, they might be best arranged by theme or goal in furthering the study of the French language history. Several papers contribute or argue for new means of research for the field. C. Marchello- Nizia provides the groundwork for analyzing what in written direct speech might make a meaningful unit of analysis. She suggests that, once extracted, one might, through means of comparison of direct speech units and units of narration, draw some conclusions on emerging change in the spoken language to be reflected only later in wirting. Though the paper does not offer a complete study making use of this methodology, given the restrictions of conference papers, it should be taken into consideration and put to use so its usefulness might be evaluated. Two other studies fill out new directions for research in the field. A. Carlier provides what she herself terms a «Défense et illustration» of studying what she terms «le très ancien français», or rather texts before 1150. She introduces the Corptef (Corpus représentatif des premiers textes français) as the means by which such studies can be undertaken. Within this framework, she undertakes a study of the use of inflected and uninflected forms of afr. mult with respect to four hypotheses. Not only might this paper prove to live up to its claim as a «défense et illustration» it might also serve as a readily accessible pedagogical resource for students due to its clear presentation of the goals of research and how it is undertaken in historical, evolutionary, and comparative contexts as well as with more general linguistic theory. At the end of the book, A.Wirth-Jaillard introduces accounting books as sources of linguistic data, hitherto untapped for their rich linguistic data. She provides an excellent overview of the sort of information they contain, why they may at times be superior to literary texts, and the need for these works to be made available to researchers on the history of the language. Such considerations, it would be appear, should be taken by anyone interested in deepening the scope of sources of linguistic data in the history of French. Similarly, C. Buridant outlines the preliminaries of developing a history of medieval prose in a broader Romance context, approaching from a more broadly philological standpoint that recalls Auerbach.
