eJournals Vox Romanica 74/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2015
741 Kristol De Stefani

Daniela Marzo, Polysemie als Verfahren lexikalischer Motivation. Theorie und Empirie am Beispiel von Metonymie und Metapher im Französischen und Italienischen, Tübingen (Narr Francke) 2013, 279 p. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 537)

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2015
Claudia  Schmitz
vox7410271
Besprechungen - Comptes rendus 271 Daniela Marzo, Polysemie als Verfahren lexikalischer Motivation. Theorie und Empirie am Beispiel von Metonymie und Metapher im Französischen und Italienischen, Tübingen (Narr Francke) 2013, 279 p. (Tübinger Beiträge zur Linguistik 537) Daniela Marzo beschäftigt sich in ihrer von Prof. Dr. Peter Koch (Universität Tübingen) betreuten Dissertation im Allgemeinen mit der Frage, welche Rolle Polysemie bei lexikalischer Motivation spielt und im Besonderen, inwieweit die formale und die semantische Dimension die Motivierbarkeit von Metaphern und Metonymien im Französischen und Italienischen bedingen und fördern. Nach einer Einführung in das Thema in Kapitel 1 folgt in Kapitel 2, «Motivation und Ikonizität: die Frage nach dem richtigen Wort», der Forschungsstand zur Motivations- und Ikonizitätsforschung ausgehend von Platons Synthese der naturalistischen und konventionalistischen Position (Kapitel 2.1) bis hin zu modernen Ansätzen in Sprachwissenshaft und Semiotik (Kapitel 2.3), wie beispielsweise diejenigen von Saussure und Peirce, Ullmann, Blank, Koch. In Kapitel 2.4 erläutert Marzo das lexikalische Motivationsverständnis ihrer Studie, das sich durch die Interaktion der drei Aspekte Motivierung (Prozess), Motiviertheit (Strukturprinzip, das Ergebnis eines Motivierungsprozesses ist) und Motivierbarkeit (Eigenschaft von Wörtern motiviert zu werden) charakterisieren lässt. In Kapitel 3 wird der Zusammenhang zwischen Polysemie, Ikonizität und lexikalischer Motivation diskutiert und begründet. Zunächst wird deshalb der Begriff Polysemie in Anlehnung an Blank, Koch, Croft und Cruse als «Gruppierung formal identischer lexikalischer Einheiten, die über kognitiv relevante Relationen miteinander verbunden sind» (52) definiert und somit ein relationales Verständnis und kein strukturalistisches ersichtlich. Anschließend wird lexikalische Polysemie dahingehend untersucht, ob sie den Ikonizitätsgrad des Lexikons einschränkt, wie L. R.Waugh «Degrees of iconicity in the lexicon» (Journal of Pragmatics 22 (1994): 64) propagiert oder ob sie diesen nicht hingegen fördert, wie die Verfasserin vermutet. In den Kapiteln 3.2.1-3.2.3 wird deshalb das Verhältnis von Polysemie zu den drei peirceschen Ikontypen (Diagramme, Metaphern und Images) ermittelt. Dabei stellt die Verfasserin hauptsächlich über die Schnittstelle der relationalen Diagramme pertinent heraus, dass Polysemie nicht antiikonisch ist, «sondern ganz im Gegenteil wesentlich dazu beiträgt, dass das Lexikon von Durchschnittssprechern als ikonisch und motiviert empfunden werden kann» (60). Kapitel 4, «Empirische Ermittlung lexikalischer Motivation: die Frage nach der richtigen Methode», dient der Methoden- und Korpusdiskussion zur Ermittlung lexikalischer Motivation. Marzo präsentiert die Vor- und Nachteile dreier Methoden. In Kapitel 4.1 wird zunächst die Möglichkeit der Introspektion des Linguisten bei der Untersuchung des Wortschatzes auf Motivation vorgestellt und auf Probleme wie beispielsweise Zweifelsfälle (77) und Entscheidungswillkür (78) aufmerksam gemacht. Kapitel 4.2 diskutiert «die Erstellung von Motivationsprofilen über Korpusanalysen» (80) und zuletzt wird in Kapitel 4.3 ausführlich die Möglichkeit der Informantenbefragung zur Motivation präsentiert - für die sich die Verfasserin entscheidet. Die Befragung von französischen und italienischen Muttersprachlern soll methodisch in Form einer Offlinestudie durchgeführt werden, da sie bewusste metasprachliche Äußerungen elizitiert (cf. zu den Gründen 82 s.). Die Studie muss fünf Kriterien (i-v) berücksichtigen, die formale und inhaltliche Aspekte von motivierten lexikalischen Einheiten erfassen können (84). Anschließend diskutiert Marzo fünf Befragungsmethoden (Lexical Decision + Priming, Semantic-Similarity-Rating, Assoziationstests, Berkos Test und Comes-From-Test) in Hinblick auf die genannten Kriterien und fasst die Ergebnisse der Diskussion in Tab. 1 (84) anschaulich zusammen. Als am geeignetsten für die Untersuchung lexikalischer Motivation im Sinne der Motivierbarkeit ermittelt Marzo Berkos Test und eine angepasste Version Besprechungen - Comptes rendus 272 des Comes-From-Tests (beide erfüllen die Kriterien i-iv). Bei der Gegenüberstellung stellt die Verfasserin zu Recht fest, dass «die angepasste Comes-From-Frage (Tab. 3, Punkt 2) gegenüber Berkos Test den leichten Vorteil hat, dass durch die Bitte, den Motivationspartner explizit zu nennen, die Trefferquote für brauchbare Motivationspartner erhöht wird» (94). Aus der Kombination der beiden Tests wurde die Tübinger Zweischrittmethode (1. Schritt: Erfassung der Motivationspartner des Stimulus; 2. Schritt: Bestimmung der konzeptuellen Relationen) entwickelt, die die Verf. in Kapitel 4.3.1 ausführlich anhand der italienischen Version der Experimentseiten (Abb. 6 und 7) erläutert und die der empirischen Untersuchung des Kapitels 5 zu Grunde liegt. Das fünfte Kapitel hat die Analyse von 40 Stimuli pro Sprache (16 formal einfache; 16 formal komplexe; 8 potentiell opake Stimuli) zum Ziel, wie z. B. it. cuore; frz. œil, die der Tübinger Polysemiedatenbank (cf. Abschnitt 5.2.1.1) entstammen, welche «je aus 400 Wörtern aus unterschiedlichen Frequenzbereichen des italienischen und des französischen Grundwortschatzes» (122) besteht. Mittels Informantenbefragung (insgesamt 25 Informanten pro Fragebogen, die über das Internet rekrutiert wurden) sollen die potentiellen intrinsischen oder extrinsischen Motivationspartner der Stimuli ermittelt und die konzeptuelle Relation (z. B. metaphorische Similarität oder Kontiguität) zum Stimulus herausgearbeitet werden. In Kapitel 5.1 formuliert Marzo zunächst drei Hypothesen zur Motivierbarkeit, die sie aus den Ergebnissen von Vorstudien aus dem Jahr 2004 zum Französischen (50 abgefragte Stimuli) mit zehn Informanten und einer Pilotstudie aus dem Jahr 2006 zum Deutschen (15 abgefragte Stimuli) mit 53 Informanten ableitet und in Kapitel 5.2 systematisch anhand der 40 Stimuli testet. Kritisch anzumerken ist die ungleiche Anzahl an Stimuli und die soziokulturelle Homogenität der Informanten der Vorstudien (Studenten oder Alumni) und «die relative kleine Menge an Stimuli» (121) der Hauptanalyse, auf die Marzo jedoch selbst hinweist. In Kapitel 5.2.1 erläutert Marzo detailliert Materialauswahl (Stimuligruppen) und Methode (angepasste Version des ersten Schrittes der Tübinger Zweischrittmethode, cf. p. 144), wobei - für den Leser des Buches sehr komfortabel - die Bedeutungen und Beispielsätze der Stimuli in den Tabellen 7-12 (134-43) nicht nur in den Untersuchungssprachen, sondern ebenfalls in der deutschen Übersetzung hinzugefügt wurde. Kapitel 5.2.2 enthält die Darstellung und Diskussion der Ergebnisse, die die drei Hypothesen zur Motivierbarkeit «global bestätigen» (186) und belegen, dass Polysemie «wesentlich zur Ikonizität und Motivation im Lexikon bei[trägt]» (188). Positiv fällt auf, dass die Verfasserin besonders bei Zweifelsfällen (cf. z. B. die Beobachtungen zu «problematischen Stimuli», 171 s.) und nicht eindeutigen Ergebnissen differenziert argumentiert (cf. z. B. die Ausführungen zur intrinsischen Motivierbarkeit formal komplexer lexikalischer Einheiten, die nach Hypothese 1 eher extrinsisch motiviert hätten werden sollen, 177). Prägnant fasst sie die Ergebnisse des fünften Kapitels zusammen, wenn sie schreibt: «Es hat sich herausgestellt, dass lexikalische Einheiten eher intrinsisch motiviert werden, wenn sie zu ihrem potentiellen intrinsischen Motivationspartner eine metaphorische Beziehung haben, wohingegen sie eher extrinsisch beziehungsweise gar nicht motiviert werden, wenn sie zu ihrem potentiellen intrinsischen Motivationspartner in einer Kontiguitätsbeziehung stehen» (191). In Kapitel 6 setzt sich Marzo die Erstellung eines formalen und semantischen Transparenzmodells bei Polysemie zur Aufgabe. Denn aus den Ergebnissen zur Motivierbarkeit lexikalischer Einheiten (Kapitel 5) leitet Marzo ab, dass ein Kontinuum der Transparenz angenommen werden kann, das sich durch die Interaktion von formalen und konzeptuellen Relationen charakterisieren lässt. An bestehenden Transparenzmodellen kritisiert sie, dass diese «ihren Schwerpunkt entweder auf semantische Aspekte ... oder auf formale Aspekte der Transparenzgrade legen» (203), weshalb sie für die Kombination dieser Dimensionen plädiert (237 s.). In Tab. 31 (251) entwirft sie eine innovative zweidimensionale Besprechungen - Comptes rendus 273 1 I nomi degli italiani. Informazioni onomastiche e linguistiche socioculturali e religiose, Roma/ Venezia 1982. 2 I nomi di persona in Italia. Dizionario storico ed etimologico, Torino 2005. 3 Studi di antroponimia fiorentina. Il Libro di Montaperti (an. MCCLX), Göteborg 1953 e Nuovi studi di antroponimia fiorentina. I nomi meno frequenti del Libro di Montaperti (an. MCCLX), Stoccolma 1955. Transparenzskala, die in Offlinestudien genutzt werden kann, wenn die Stimuluspräsentation visuell erfolgt (Grundtyp I). Konstitutiv für eine Transparenzskala sind ihrer Meinung nach die verschiedenen Grade an formaler Übereinstimmung (absolute bis minimale Transparenz) sowie die inhaltlich semantisch-kognitiven Relationen (transparente metaphorische Similarität bis hin zu opaker Kontiguität). Es folgt ein Abschlusskapitel, das die wichtigsten Schlussfolgerungen der Arbeit zusammenträgt, aber leider keine weiteren Forschungsdesiderata aufzeigt. Insgesamt handelt es sich bei der hier besprochenen Doktorarbeit um eine bemerkenswerte qualitative lexikologisch-semantische Studie, die vor dem Hintergrund der Kognitiven Linguistik Hypothesen zur Motivierbarkeit von lexikalischen Einheiten (v.a. Metaphern und Metonymien) anhand fragebogengenerierter empirischer Daten überprüft und aufgrund derer ein innovatives Modell formal-semantischer Transparenzgrade entworfen wird. Claudia Schmitz Italoromania Francesco Sestito, I nomi di battesimo a Firenze (1450-1900). Dai registri di Santa Maria del Fiore un contributo allo studio dell’antroponimia storica italiana, Roma (ItaliAteneo) 2013, xv + 439 p. (Quaderni Italiani di RIO n 6) La pubblicazione di Francesco Sestito si inserisce nel filone antroponimico italiano. Tra i tanti lavori pubblicati in questo ambito si ricordano qui quelli di E. De Felice 1 , di A. Rossebastiano/ E. Papa 2 e di R. Brattö 3 . Gli studi citati trattano o di onomastica del Novecento, o di onomastica del Duecento. Rispetto a questi, la pubblicazione qui recensita ha il pregio non solo di colmare una lacuna temporale non considerata dagli altri lavori, ma anche di considerare l’intervallo che va dal 1450 al 1900 in chiave diacronica, proponendo un esaustivo studio di crononomastica. Il corpus sul quale si basano le analisi di Sestito è costituito dai registri dei battezzati inseriti nell’Archivio di Santa Maria del Fiore di Firenze (consultabili in rete all’indirizzo http: / / archivio.operaduomo.fi.it/ battesimi): si tratta quindi di documenti che coprono un ampio arco temporale, compreso tra il 1450 e il 1900, rappresentativi di buona parte dei nati fiorentini. L’analisi di Sestito, tuttavia, non si limita soltanto ai dati relativi ai nati nel capoluogo toscano: per ogni epoca è presente il confronto con i dati onomastici già disponibili, perché pubblicati, per altre città italiane (in particolare, il parallelo è possibile - anche se non per tutti i secoli - con i registri di Ivrea e Siena, con i censimenti dell’Ospedale del Salvatore di Roma e con i registri dello Stato Civile dell’Archivio di Stato di Venezia - in quest’ultimo caso Sestito non fa riferimento a una pubblicazione, ma si è occupato personalmente della rielaborazione dei materiali). I dati provenienti dalle altre città italiane permettono di collocare l’analisi della situazione fiorentina in un contesto più ampio, mettendo in risalto eventuali concordanze o differenze.