eJournals Vox Romanica 75/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
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2016
751 Kristol De Stefani

Clara Wille, Prophetie und Politik. Die Explanatio in Prophetia Merlini Ambrosii des Alanus Flandrensis. Edition mit Übersetzung und Kommentar, 2 vol., Bern (Peter Lang) 2015, vi + 864 p. (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 49).

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2016
Peter Wunderli
vox7510290
Besprechungen - Comptes rendus 290 1 Cf. unsere Besprechung hier. 2 Cf. hierzu Wille 2015: 1. perceptible au fil de ce recueil: les fabliaux refusent en effet le surnaturel pour mettre au premier plan les appétits et les besoins corporels, le profit immédiat et le carpe diem (173). De ce fait, il est logique qu’ils fassent une «consommation effrénée d’objets» (18) qui participent davantage selon l’auteur à une «narration volontiers fétichiste» plutôt qu’ils ne se présentent comme des «indicateurs d’une réalité qui se dérobe de toutes parts sous l’avalanche des rebondissements et des retournements de situation» (18). Il ne s’agit donc pas, pour l’auteur, d’opposer deux postulats philosophiques et esthétiques: idéalisme (majoritaire dans la littérature du Moyen Âge, 19) contre réalisme (c’est-à-dire narration plus crédible, p. 18). Au contraire, en s’axant davantage sur les mécanismes d’écriture que sur leurs effets supposés, en mettant l’accent sur la littérarité de ces récits, il s’attache à en démontrer les mécanismes qui insistent sur certaines spécificités du fabliau français. Partant, l’auteur dégage un certain état d’esprit qui sous-tend tous ces récits à portée plus exemplaire - donc matérielle, concrète, utile - que doctrinaire. Ce double mouvement entre effets de réel et stratégies d’écriture est justement celui qui est annoncé dès le titre de ce recueil. Cet ouvrage constitue une nouvelle approche de la lecture des fabliaux, dont Corbellari retrace un rapide historique de la réception depuis l’Ancien Régime. L’auteur y met en évidence, de manière plutôt convaincante, cette notion de matérialisme et relativise dès lors une partie des traditionnels «poncifs» du genre comme leur grossièreté, leur vulgarité ou leur obscénité. Laurent Bozard H Clara Wille, Prophetie und Politik. Die Explanatio in Prophetia Merlini Ambrosii des Alanus Flandrensis. Edition mit Übersetzung und Kommentar, 2 vol., Bern (Peter Lang) 2015, vi + 864 p. (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters 49). Merlinus redivivus! Merlin scheint gegenwärtig Hochkonjunktur zu haben. Nach der erstmaligen Edition des Merlin en prose nach dem Ms. BN fr. 24394 durch Corinne Füg-Pierreville 1 nun auch noch die Zürcher Dissertation von Clara Wille, die die Explanatio zusammen mit der Prophetia Merlini nicht nur allgemein zugänglich macht, sondern in einer exzellenten Edition Standards setzt! Die beiden Arbeiten ergänzen sich in geradezu idealer Weise und überschneiden sich kaum. Die Explanatio ist der umfangreichste Kommentar der Prophetia Merlini (auch unter dem Namen Libellus Merlini bekannt) und einer der wenigen, der sämtliche Prophezeiungen abdeckt. Schon 1134 verfasst bzw. in Umlauf gebracht, stellt das Libellus eine Art «Vorabdruck» des Mittelteils der Historia Regum Britanniae von Galfried von Monmouth dar. Die HRB hatte gleich einen Riesenerfolg und damit auch die «Prophezeiungen», und es setzte sofort eine fast hektische exegetische Aktivität ein 2 . Autor scheint Alanus Flandrensis, Bischof von Auxerre und Schüler von Bernhard von Clairvaux zu sein, wie die Verfasserin in der Einleitung umsichtig und überzeugend darlegt. Überliefert ist die Explanatio in 3 Handschriften (P = Paris, V = Valenciennes, H = Den Haag) sowie in einem Druck vom Anfang des 17. Jh, der bis jetzt der einzig mögliche Textzugang war. Wille legt mit ihrer Dissertation erstmals eine moderne kritische Edition vor. Und es sei gleich eingangs gesagt: eine Ausgabe von höchster Qualität. Besprechungen - Comptes rendus 291 3 Cf. hierzu auch die Überblickstabelle p. 15 s. In der Einleitung (5 s.) wird zuerst dargelegt, dass die «Vorabveröffentlichung» der Prophetia auf Betreiben des Bischofs Alexander von Lincoln 4 Jahre vor Fertigstellung der HRB erfolgte. Sie deckt die Geschichte ab dem Fall von Troja bis Artus und darüber hinaus ab. Die Prophetiae 1-20 beleuchten den historischen Hintergrund, die Texte 21-70 sind in vielerlei Hinsicht enigmatisch und oft von einem schwer verständlichen Symbolismus, da sie sich auf noch nicht Geschehenes beziehen, und die Sequenzen 71-74 betreffen den Weltuntergang. Sowohl die Historia (HRB) als auch die Prophetia waren sofort so etwas wie «Bestseller». Es sind heute rund 220 Manuskripte der Historia bekannt, die fast alle die Prophetia enthalten; dazu kommen noch ca. 80 Handschriften des alleingestellten Libellus. Viele Manuskripte liefern auch gleichzeitig einen Kommentar - es sind heute etwa 40 verschiedene Kommentare aus dem Zeitraum vom 12. bis zum 15. Jh. bekannt. Dabei wird die Prophetia meistens zweigeteilt, in einen Block post eventum (5. Jh. [Merlin] bis 12. Jh. [Galfridus]) und einen Block ante eventum (1135 bis Weltuntergang). Allerdings ist die Grenze zwischen den beiden Blöcken fließend und hängt von der lebenszeitlich-historischen Position des Kommentarautors ab. Die Prophetia wurde immer als hochgradig politischer Text gesehen. Aus diesem Grund wurde sie im 15./ 16. Jh. oft von den Königen verboten, und das tridentinische Konzil setzte sie 1559 und 1564 auf den Index. Der erste Kommentar stammt bereits aus dem Jahr 1135 und wurde von Ordericus Vitalis, einem anglonormannischen Mönch aus Saint-Evroult, verfasst (10). Er widmet sich v.a. den Sequenzen 9-20, d. h. Aussagen post eventum für den Kommentator, und die Auslegungen sind historisch-explikativ. Dies gilt auch für die übrigen frühen Kommentare, die meistens von ranghohen Persönlichkeiten am Hof und in der Kirche stammen und auf anglonormannische Geschehnisse fokussiert sind. Die Explanatio gehört nicht zu den frühesten Kommentaren, denn sie ist um 1170 einzuordnen, und entsprechend liegt auch die Grenze zwischen post und ante eventum. Aber wenn nicht der früheste, dann doch der umfangreichste und ausführlichste Kommentar, der alle Prophezeiungen behandelt. Die Texte post eventum werden wörtlich und historisch ausgelegt, diejenigen ante eventum dagegen moralisch/ allegorisch interpretiert, wobei auf die Bestiarien und Autoren wie Lucan, Juvenal, das Dragmaticon von Wilhelm von Conches, die Bibel usw. zurückgegriffen wird. Dieser Kommentar scheint der einzige zu sein, der auf dem Festland entstanden ist. Hauptthema ist die Geschichte, die sowohl zur Kritik der aktuellen Zustände dient als auch Exempla für die Zukunft liefert 3 . Keine der drei Handschriften der Explanatio liefert einen Autornamen, d. h. er ist letztlich unbekannt. Es muss deshalb versucht werden, seine Identität aufgrund von Indizien im Text zu rekonstruieren (19 s.). Wille trägt alle möglichen Spuren akribisch zusammen, belegt jede Aussage sorgfältigst mit Textstellen und fasst schließlich die Ergebnisse in einer eindrücklichen Tabelle zusammen (33-37). Der Autor hat die Explanatio zwischen 1167 und 1174 vermutlich in Clairvaux verfasst, und er stammt aus Lille. Geboren ist er wahrscheinlich zwischen 1114 und 1116, gestorben und beerdigt zwischen 1182 und 1186 in Clairvaux. 1131 folgt er (im folgenden Alanus Flandrensis genannt) Bernhard von Clairvaux nach Clairvaux und wird Mönch dieses Klosters. 1140 wird er noch in jungen Jahren erster Abt von Larivour, einem Tochterkloster von Clairvaux; 1152 erfolgt dann die Ernennung zum Bischof von Auxerre. 1167 legt Alanus dieses Amt nieder und zieht sich definitiv nach Clairvaux zurück. Von 1182 gibt es eine anonyme Vita des Alanus Episcopus, der im gleichen Jahr in Larivour sein Testament verfassen lässt, in dem er festlegt, dass er in Clairvaux begraben Besprechungen - Comptes rendus 292 4 Trois-Fontaines ist ein Tochterkloster von Clairvaux. 5 Für einen sorgfältigen Überblick über den Inhalt cf. Wille 2015: 54-57. werden soll. Die ganze Recherche zum Autor der Explanatio ist philologisch ein handwerkliches Meisterstück, das Bestand haben wird. Das Gleiche gilt auch für die folgende Diskussion um die Identifikation des Alanus Flandrensis mit Alain de Lille (Alanus de Insulis), die erstmals in der Druckausgabe der Explanatio von 1603 auftaucht (38 s.). Alanus de (oder ab) Insulis ist ca. 1128 geboren und wohl 1202 in Citeaux gestorben. Diese Lebensdaten passen nicht zu denjenigen des Autors der Explanatio. Vor allem die Ernennung zum Abt von Larivour schließt eine Identifikation der beiden Alanus aus, denn 1140 wäre er erst 12 oder 13 Jahre alt gewesen; auch hätte er in diesem Alter noch nicht vollwertiges Mitglied der Mönchsgemeinschaft von Clairvaux sein können. Bei Alanus Flandrensis passt dagegen alles und es gibt keine Inkompatibilitäten. Im folgenden Hauptkapitel (45 s.) befasst sich dann die Autorin mit den Textzeugen. Wie bereits erwähnt, ist die Explanatio in 3 Handschriften überliefert: P (Paris, BN lat. 7481), V (Valenciennes, Bibliothèque municipale 792 [589]) und H (Den Haag, Koninklijke Bibliotheek 78 D 18). Die erste dieser Handschriften gehört noch dem 13. Jh. an, die zweite dem 14. und die dritte dem 15. Dazu kommt dann noch der Druck von Frankfurt 1603 (Nachdrucke 1608 und 1649), der auf einer nicht erhaltenen Handschrift fußt. In den Handschriften geht die Explanatio der Prophetia voran, in den Drucken ist die Reihenfolge umgekehrt. Als weiterer Zeuge kann die Chronik des Aubri de Trois-Fontaines gelten, die zwischen 1227 und 1241 entstanden ist und längere Zitate aus der Explanatio enthält, die vermutlich auf einer weiteren nicht überlieferten Handschrift beruhen 4 . Im folgenden (47 s.) werden dann die vier Hauptzeugen sorgfältigst und ausführlichst beschrieben - auch dies wieder philologisches Handwerk vom Feinsten. An Eigenheiten ist vor allem festzuhalten: - P: Die Handschrift stammt von verschiedenen Schreibern und ist durch ständige Handwechsel charakterisiert; wie viele Schreiber beteiligt waren, lässt sich schwer sagen. Es hat offensichtlich zwei Korrekturdurchgänge gegeben, wobei der erste der wichtigere ist. Das Manuskript stammt aus Nordfrankreich, evtl. aus Clairvaux, doch ist eine abschließende Präzisierung nicht möglich. Die Datierung aufgrund der Schrift läuft auf den Anfang des 13. Jh., unter Umständen aber auch schon auf das Ende des 12. Jh. hinaus. - V: Die Handschrift von Valenciennes ist eine Sammelhandschrift, die offensichtlich mit dem Ziel zusammengestellt wurde, die Geschichte Englands von Artus bis Heinrich III. und Edward II. zu dokumentieren 5 ; die Explanatio (mit Prolog) findet sich auf f.159r°- 228v°. Sie kennt zahlreiche Kürzungen, und zudem sind leere Blätter weggeschnitten worden. Das Manuskript stammt aus dem Kloster Vicoigne (Viconia), einer Prämostratenserabtei im Norden des Pas-de-Calais; die Prämonstratenser unterhielten enge Beziehungen zu den Zisterziensern von Clairvaux. Die Schrift des Ms. verweist auf das 14. Jh. Ob die Kopie in Vicoigne selbst entstanden ist, ist nicht ausgeschlossen, kann aber nicht als gesichert gelten. - H: Das Beschreibungsmuster ist identisch mit demjenigen der beiden vorhergehenden Manuskripte (62 s.). Der Kodex stammt aus dem ehemaligen Benediktinerkloster St. Bertin in Saint-Omer (Pas-de-Calais) und fand im 17. Jh. seinen Weg in die Bibliothek von Den Haag. Die Schrift (eine Bastarda) verweist auf die zweite Hälfte des 15. Jh. als Entstehungszeit der Handschrift, und diese Datierung wird auch durch ein Wasserzeichen im dritten Papierdeckblatt nahegelegt. - Druck von 1603 (66 s.): In der Titelei wird erstmals (und fälschlicherweise) der Autor mit Alanus de (ab) Insulis identifiziert; keine der übrigen Quellen enthält eine entsprechende Besprechungen - Comptes rendus 293 6 Cf. Wille 2015: 73-75 und v.a. die dazugehörigen Fußnoten 166-73. 7 Ein weiterer Mangel ist, dass p. 81 (u. passim) immer wieder von Orthographie die Rede ist: Im 12./ 13. Jh. gibt es Graphie, aber eindeutig keine Orthographie! Die lässt bis ins 17. Jh. auf sich warten! 8 Wieso eigentlich diese Sonderbehandlung? Was hätte es ausgemacht, die Schreibfehler wie den Rest zu behandeln? 9 Leider gibt es keine Internetpublikation der Handschrift wie für viele französische und okzitanische Manuskripte in der Sektion Gallica der Bibliothèque nationale. Aussage. Entgegen den Handschriften geht hier die Prophetia der Explanatio voran. Die Drucker (auch die der Nachdrucke von 1608 und 1649) sind alles bedeutende Protestanten. Vor allem die Ausgabe von 1649 fällt durch viele eigene Fehler auf. Die unbekannte Vorlage ist wohl eine frühe Handschrift gewesen, die näher an P als an V/ H stand. Die verschiedenen englischen Übersetzungen, die in der ersten Hälfte des 17. Jh. entstanden, fußen alle auf dem Druck von 1603 6 . Im folgenden Kapitel wird dann die Abhängigkeit der Textzeugen untereinander untersucht (75 s.). Die Zitate aus der Historia Regum Britanniae scheinen alle aus der nicht-kontinentalen Gruppe G der Handschriften zu stammen, also aus einem englischen Kodex; dies kann insofern nicht groß erstaunen, als außer demjenigen von Alanus alle Kommentare der HRB englischen Ursprungs sind. Leithandschrift für die Edition ist P, das beste, sorgfältigste und auch älteste Manuskript, das möglicherweise sogar noch dem 12. Jh. angehört. P ist aber nicht das Autograph, kommt diesem aber wohl sehr nahe und liefert fast ausnahmslos die beste Lesart. Was die Relationen der Zeugen untereinander angeht, so scheint der Druck von 1603 relativ nahe an P zu stehen, gleichwohl aber auf einer nicht bekannten Vorlage zu beruhen; V und H basieren vermutlich auf einer gemeinsamen Vorlage ß, hängen aber nicht direkt voneinander ab. Den Abschluss der Einleitung liefert die Präsentation der Editionsprinzipien, die wieder außerordentlich detailliert und akribisch vorgestellt werden. Das ist alles auf hohem Niveau und entspricht den aktuellen Standards. Einzig die Tatsache, dass aufgelöste Abkürzungen nicht als solche gekennzeichnet werden, provoziert meinen Widerspruch. Wann lernen die Altphilologen, Mittellateiner, romanistischen Literaturwissenschaftler endlich, dass jede Abkürzungsauflösung ein interpretativer Akt ist, den es auch als solchen zu kennzeichnen gilt? Bei der Analyse der Sprache kann dies von geradezu entscheidender Bedeutung sein 7 ! Was den kritischen Apparat angeht (82 s.), so werden von der Edition von Reeve abweichende Zitate aus der HRB im Apparat berücksichtigt; bei Zitaten aus andern Werken werden die Abweichungen in einer Anmerkung besprochen. Korrekturen in P selbst erscheinen im Apparat (außer die eigentlichen Schreibfehler 8 ). Die restlichen Versehen in P werden korrigiert, aber offensichtlich nicht gekennzeichnet. Warum? Und dann bleibt da noch der zweite Korrekturdurchgang in der Handschrift. Diese Veränderungen werden teils berücksichtigt, teils aber auch ignoriert, d. h. die Auswahl ist subjektiv; Zweifelsfälle werden in einer (dürren) Anmerkung kommentiert. Hier bewegen wir uns in einer diffusen Randzone, die nicht zu dem sonst strengen und strikten Vorgehen der Verf. passt. Die so erzielte Platzersparnis rechtfertigt auf jeden Fall diese Abweichung vom sonst unanfechtbaren Standard nicht. Es folgt dann der lateinische Text mit dem kritischen Apparat (91 s.). Die Edition macht einen überzeugenden Eindruck, wenn auch ein definitives Urteil ohne Einsicht in die Handschrift nicht möglich ist. Man muss allerdings fragen, warum nicht wenigstens ein paar Manuskriptseiten reproduziert worden sind, die es erlauben würden, die Arbeit der Herausgeberin nachzuvollziehen 9 . Band 1 der Ausgabe liefert nur den lateinischen Text, die Übersetzung folgt dann in Band 2. D. h., dass man immer zwei Bände vor sich haben muss, was sicher ein gewisser Nachteil ist. Andererseits konnte so gegenüber einer Lösung vom Typus Besprechungen - Comptes rendus 294 10 Ungewöhnlich ist, dass die beiden Bände mit einer einzigen, durchgängigen Paginierung erfasst werden. Einen zwingenden Grund, von dem üblichen Verfahren abzusehen (2 unabhängige Zählungen für die beiden Bände), sehe ich nicht. 1 Cf. Füg-Pierreville 2014: 111 (Bibliographie); dort auch Angaben zu Übersetzungen ins Neufranzösische. lat.Text linke Seite / dt. Text rechte Seite viel Platz eingespart werden, ist die deutsche Übersetzung doch immer erheblich länger als die lateinische Vorlage. Die gewählte Lösung muss als zumindest brauchbar bezeichnet werden. Der 1. Band schließt mit einer Edition der Prophetia Merlini, und zwar werden die Weissagungen 1-74 sowie die §111-18 der HRB wiedergegeben. Den Abschluss macht ein Index, der (in subjektiver Auswahl) die wichtigsten Begriffe berücksichtig sowie (und vor allem) die Namen. Band 2 liefert dann die Übersetzung der Explanatio (359 s.) 10 . Meine selektiven Kontrollen fallen durchwegs positiv aus was Sorgfalt und Treue betrifft. Allerdings wirkt der deutsche Text manchmal etwas schwerfällig und ungelenk, was v.a. auf das Streben zurückzuführen ist, möglichst nahe am lateinischen Text zu bleiben. Das war ein prinzipieller Entscheid der Herausgeberin, der durchaus vertretbar ist: Der Entscheid zwischen stilistischer Glätte und größtmöglicher Anlehnung an die Vorlage ist bei Übersetzungen immer eine Gratwanderung, und oft ist es einfach nicht möglich, beiden Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden. An die Übersetzung der Explanatio schließt dann eine Übertragung der Prophetia nach §111-18 der HRB an (615 s.). Es folgen dann die knapp gehaltenen, aber treffenden und einschlägigen Kommentare (631 s.), ein Handschriftenverzeichnis (817 s.), eine Bibliographie (819 s.) sowie eine Sammlung von 8 genealogischen Tabellen, die Publikationen anderer Autoren entnommen sind (857 s.). Fazit: Trotz einiger geringfügiger und eher marginaler Vorbehalte verdient die Arbeit von Clara Wille größten Respekt und kann nicht nur, sondern muss geradezu als mustergültige Edition bezeichnet werden. Peter Wunderli H Le Roman de Merlin en prose (roman publié d’après le ms. BnF français 24394). Édition bilingue établie, traduite, présentée et annotée par Corinne Füg-Pierreville, Paris (Champion) 2014, 496 p. (Champion Classiques Moyen Âge 39) Corinne Füg-Pierreville ist «professeur de langue et de littérature médiévale» an der Universität Jean Moulin (Lyon 3) und hat neben Arbeiten zur Graalslegende und zu Merlin auch Studien zu Gautier d’Arras und dem Roman Claris et Laris vorgelegt. Hier publiziert sie zum ersten Mal den Prosa-Merlin nach dem Manuskript BN fr. 24394. Es handelt sich hierbei nicht um die erste, sondern bereits um die sechste Ausgabe des Prosa-Merlin, doch beruhen alle früheren Editionen auf anderen Handschriften 1 : diejenige von Gaston Paris und Jacob Ulrich 1886 auf British Museum Add. 38117, die von H. O. Sommer 1908 auf British Museum Add. 10292, die von Alexandre Micha 1979 auf BN fr. 747, die von Bernard Cerquilini 1981 auf Modena Biblioteca Estense Universitaria E 39 und die von Irène Freire- Nunes 2001 auf Bonn Universitätsbibliothek 526. Nur schon die Zahl der Ausgaben ist erstaunlich, und wenn man noch in Rechnung stellt, dass der Text in 50 mehr oder weniger vollständigen Manuskripten und zusätzlich noch in