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Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
vvaa
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
61
2017
21 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos
Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 1 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 1 Bild und Text Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 1 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an ISBN 978-3-7720-8619-9 Editorial Hauptbeiträge Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel Christina Hoegen-Rohls Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text. Die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung am Beispiel von 2 Sam 11,1-12,1 Peter Wick Wie beeinflussen traditionelle (mentale) Bilder die Lektüre biblischer Texte? Überlegungen aus exegetischer Sicht Lehr-/ Lern-Beispiele Alexander Schneider Zugang zu Bildern finden. Ein exemplarischer Vermittlungsansatz zu Millais’ Ophelia Norbert Brieden Kreatives Visualisieren als didaktisch-hermeneutischer Weg. Am Beispiel der Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32) Rezensionen Interview mit ... Michaela Bauks Inhalt Editorial Stefan Fischer und Thomas Wagner Hauptbeiträge Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7 Christina Hoegen-Rohls Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text Die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung am Beispiel von 2Sam 11,1-12,1 � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 45 Peter Wick Wie beeinflussen traditionelle (mentale) Bilder die Lektüre biblischer Texte? Überlegungen aus exegetischer Sicht � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 71 Lehr-/ Lern-Beispiele Alexander Schneider Zugang zu Bildern finden Ein exemplarischer Vermittlungsansatz zu Millais’ Ophelia � � � � � � � � � � � 85 Norbert Brieden Kreatives Visualisieren als didaktisch-hermeneutischer Weg Am Beispiel der Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32) � � � � � � � � � � � � � � � 97 Rezensionen Izaak J de Hulster / Brent A� Strawn / Ryan P� Bonfiglio (eds�), Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible / Old Testament� An Introduction to Its Method and Practice� rezensiert von Reettakaisa Sofia Salo � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 103 Annett Giercke-Ungermann / Sandra Huebenthal (Hg�), Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Bibelwissenschaftliche Lehrformate und Lernumgebungen neu modelliert� rezensiert von Norbert Brieden � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 107 Interview mit … Michaela Bauks � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 113 Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Editorial Stefan Fischer und Thomas Wagner Die dritte Ausgabe dieser Zeitschrift behandelt das Thema Bild und Text � Bilder nehmen in der Gestaltung von Lehrveranstaltungen weiten Raum ein� Moderne Techniken ermöglichen einen schnellen Zugriff auf Bilder und deren Darstellung� Dies bietet Chancen für den Unterricht� Dabei lauern aber auch Gefahren: Visualisierungen können zu einer Überladung mit Bildern, auch mit Textbildern, führen, ohne dass es zu einer Reflektion über die einzelnen Bilder kommt� Die vorliegenden Beiträge stellen sich der Bilddidaktik auf einer grundsätzlichen Ebene, wie es dem Anliegen der Zeitschrift Verstehen von Anfang an entspricht� Sie gehen auf die Tagung Bild und Exegese: Die Interdependenz der biblischen Bild- und Sprachwelt als Aufgabe für die Exegese zurück, die vom 26.-29. September 2016 an der TU Dresden stattfand� Die Vorträge, Workshops und intensiven Diskussionen zeigten insbesondere Bezüge zwischen materialer Kultur und sprachlichen Motiven auf und fragten, wie das Bilderverbot sich auf die Sprachbilder von Gott auswirkt� Des Weiteren kam die Entstehung von mentalen Bildern bei der Lektüre biblischer Texte unter dem Einfluss der im Rezeptionsprozess entstandenen Zeugnisse in den Blick� Der erste Hauptbeitrag, der von seiner Länge her ein Doppelbeitrag ist, stellt das Ergebnis einer Kooperation da� Florian Lippke, Fribourg, sowie wir Herausgeber legen den Versuch vor, materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel methodisch miteinander zu verschränken� In ihm wird die Bandbreite exegetischer Arbeit mit Bild und Text sichtbar� Die daraus folgenden hochschuldidaktischen Konsequenzen werden in den weiteren beiden Hauptbeiträgen sowie in den Lehr-/ Lern-Beispielen gezogen� 4 Stefan Fischer und Thomas Wagner Christina Hoegen-Rohls, Münster, wählt die Erzählung von David und Batseba aus 2Sam 11,1-27, und zeigt eine korrelative Bild-Textwahrnehmung auf. Die Segmentierung des Textes, die nach dem Satzzeichenprinzip, dem rhythmisch-intonatorischen Prinzip und dem Prinzip des finiten Verbs erfolgt, stellt bereits eine Visualisierung des Textes dar, welche das Leseverhalten beeinflusst� Sie verbindet diese Erzählung von David und Batseba mit deren Rezeption in Bildern von Franciabigio, Rubens und Rembrandt und weist nach, wie Visualisierungen unterschiedliche Pointierungen der Rezeption des Textes fördern� In diesen Wahrnehmungsprozess zieht sie Studierende, so dass diese den Text neu und facettenreich entdecken können� Peter Wick, Bochum, überlegt aus exegetischer Sicht, wie traditionelle Vorstellungen die Lektüre biblischer Texte beeinflussen� Er stellt an verschiedenen Beispielen dar, wie das Verständnis eines Textes durch mentale Bilder geprägt ist, die anderweitig erworben wurden� So wird etwa bei Martin Luther eine bildgesteuerte Exegese sogar zum hermeneutischen Prinzip, denn seine hermeneutische Formel ‚Was Christum treibet‘ führt zu einem bestimmten Bild von Christus als Erlöser, welches wiederum die Lektüre des Textes beeinflusst� Ausführlich setzt er sich mit Sprachbildern des Paulus auseinander und zeigt auf, wie diese sich überlagern� Mit Beispielen aus der Gegenwart verdeutlicht er, wie mentale Bilder unser Wirklichkeitsverständnis prägen und unsere Text- und Weltwahrnehmung beeinflussen� Er setzt dieses wiederum mit biblischen Texten in Verbindung und zeigt auf, wie diese etwa ein ganz bestimmtes Verhältnis von Einheit und Vielheit konstruieren� Zwei Lehr-/ Lern-Beispiele führen die hochschuldidaktischen Umsetzungsmöglichkeiten weiter aus: Norbert Brieden, Wuppertal, wählt das Thema des kreativen Visualisierens als didaktisch-hermeneutischen Weg und zeigt dieses am Beispiel der Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32) aus� Er stellt fünf Funktionen vor, welche eine Visualisierung besitzen kann� Alexander Schneider, Wuppertal, führt aus rezeptionsdidaktischer Perspektive einen exemplarischen Vermittlungsansatz zur Bildrezeption aus und wählt dazu John Everett Millais’ Ophelia (1851-52). Dabei legt er die Ikonik als methodische bzw� interpretatorische Klammer zugrunde� Die beiden Rezensionen nehmen zu unterschiedlichen Themen bibelwissenschaftlicher Hochschuldidaktik Stellung� Zum einen wird der Sammelband Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible / Old Testament. An Introduction to Its Method and Practice , den Izaak J� de Hulster u� a� herausgeben, kritisch gewürdigt� Die zweite Rezension beschäftigt sich mit Annett Giercke-Ungermann / Sandra Huebenthal (Hg�): Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Bibelwissenschaftliche Lehrformate und Lernumgebungen neu modelliert � Editorial 5 Ein Interview mit Michael Bauks, einer der Begründerinnen des Internetportals wibilex�de, schliesst dieses Heft ab� Mit ihm blicken wir auf das folgende Heft voraus, das sich mit dem Thema Digital Humanities befassen wird� Die nächste Tagung wird vom 04.-07. September 2017 in Frankfurt zum Thema Spracherwerb stattfinden� Wien | Wuppertal Stefan Fischer und Thomas Wagner Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Abstract | The importance of the visual world for the development and understanding of mental images is reflected in various stages within this article� Starting with a closer look to the characteristics of Egyptian and Ancient Near Eastern art the authors reflect on methodological aspects of how to interpret the images in their original environment� The meaning of aspective rendering for visual art, the relevance of a form-critical investigation of images, and the transformation of visual images in mental images are described firstly methodologically, and secondly in their reference to specific objects and in their relation to biblical texts� Jeder, der sich mit der Interpretation biblischer Schriften beschäftigt, kommt um einige Grundlagen nicht herum: Die Kenntnis der ‚Parameter‘ der biblischen Welt ist von besonderer Wichtigkeit� 1 Sowohl für die professionelle exegetische Arbeit, als auch für den privaten Bibelleser gilt: Wer die Bibel besser verstehen will, muss zuerst die Welt der Bibel kennen und verstehen� Dies gilt in historischer, kultureller, sozialer und realienkundlicher Hinsicht� 2 Erst die Kenntnis der antiken Tier- und Pflanzenwelt (z� B� spezifisches Wissen über Löwe, Bär, Schlange, Mandelbaum und Getreidesorten) ermöglicht ein Verständnis vieler 1 Grundsätzlich für das Alte Testament schon realisiert bei Noth, Welt, mit Kapiteln zur Geographie, Archäologie, Geschichte mit Ländern, Kulturen, Schriften / Schriftdenkmälern, Sprachen, Völkern, Staaten, sowie Daten und Religionen; für das Neue Testament Maligna, World, sowie Wenger, Welt� 2 Für die Forschung des 20� Jh�s / 21� Jh�s ist z� B� die vom Umfang noch bis heute uneingeholte Sammlung von Dalman, Arbeit, von überragender Bedeutung; für aktuelle Zusammenhänge vgl� al-Hroub / Staubli, Atlas� 8 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner prophetischer Bildworte (insbesondere bei Amos, Ezechiel oder Jeremia)� 3 Im gleichen Sinn hilft auch eine solide landeskundliche Orientierung, viele Erzählungen im Pentateuch oder in den Evangelien besser zu ver„ort“en� Wer einmal den Weg von Jerusalem nach Jericho abwandern durfte, weiß: Die Gluthitze im Wadi Quelt 4 (zwischen Jerusalem und Jericho), der Weg durch die trockene Wüstenlandschaft und die Verlassenheit von aller Zivilisation sind prägend für diese Gegend� Und so wird ein Wanderer, der die judäische Wüste gut kennt, den folgenden Gleichnisbeginn mit anderen Augen lesen als der europäische Großstadtbewohner: „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab� Unterwegs überfielen ihn Räuber� Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen“ (Lk 10,30)� Ein Verständnis der Verlassenheit und der Todesnähe steht dem Leser deutlich vor Augen, der mit den lokalen Gegebenheiten vertraut ist� Theologisch gewendet - und bei manchen Auslegern mit einer gewissen Prise Frömmigkeit angereichert - kann das Land, der (imaginäre aber auch der mit der Wirklichkeit in Bezug stehende) Raum, als ‚fünftes‘ Evangelium, als Schlüssel für die biblischen Texte verstanden werden� 5 Heilige Schriften kreieren immer eine Welt, die durch den Text präsent ist� In diesem Sinne etablierte sich der Begriff der Textwelt 6 gut� Jedoch kann an diesem Punkt beim Verstehensversuch nicht pausiert werden� Der Text weist immer auch eine Referenz auf� Diese Referenz gilt der antiken Welt, in der er produziert wurde� Archäologische, epigraphische, kulturgeschichtliche, ethnographische aber in besonderem Maße auch ikonographische Befunde spielen für diese Textreferenz eine große Rolle� 7 Wesentlich ist für ein solches antikes Verständnis der Text- und Realwelten das Modell der verbundenen Kultursphären� Die antiken Hochkulturen (Ägypten, Mesopotamien, Anatolien) sowie die kenntnisreichen Vermittler zwischen ihnen (Phönizier, Philister, Aramäer, ostjordanische Gruppen, Israel und Juda in Palästina / Israel) haben an diesem kulturellen Kontaktnetz einen großen Anteil� 8 Wenn Assyrer / Babylonier mit Ägyptern in Kontakt traten, so zogen sie stets durch den Bereich der so- 3 Vgl� grundsätzlich für Jer und Ez die umfangreichen Ausführungen bei Keel, Jerusalem, 619-715, in mediengeschichtlicher relecture vgl� auch Lippke, Editing� 4 Keel / Küchler, OLB 2, 478-485. 5 Pixner, Galilee, 7, und der Verweis bei Vieweger, Steine, 107� 6 Methodisch brachte Hardmeier, Texte, diese Verbindung auch kommunikationstheoretisch und -pragmatisch in den exegetischen Diskurs ein� 7 Keel, Recht, insgesamt, aber auch gerade der Appendix mit theoretischen Grundlagen und methodischen Vorschlägen� 8 Für den deutschsprachigen Leserkreis Schroer / Keel, IPIAO 1, in englischsprachiger Anpassung Lippke, Southern Levant� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 9 genannten ‚Levante‘� 9 Wirtschaftliche Interessen bildeten meist die Grundlage� Mit ihnen wurden aber auch die jeweiligen sozialen, religiösen und kulturellen Aspekte im Land präsent� Auf diese Weise kann man von Palästina / Israel als einem Reservoir der antiken Konzepte sprechen: Unterschiedliche Weltvorstellungen, Menschenbilder und theologische Grundlagen liegen zur Rezeption bereit� In dieser Hinsicht steht die Kultur Altisraels auf hohen zivilisatorischen Schultern� Texte und Bilder geben von dieser Tatsache Auskunft und liefern ein beredtes Zeugnis für Transformationsprozesse und aktualisierende Tendenzen� Antike theologische Positionen sind somit in einem ganz entscheidenden Maße abhängig von den natürlichen, materiell-zivilisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen - und können bei Vernachlässigung dieser Aspekte nicht umfänglicher verstanden werden� Die genannten Mechanismen bewirken, dass die Hebräische Bibel ihrem Charakter nach ein orientalisch-ägyptisches Buch ist, das durch viele Übersetzungsprozesse hindurch immer noch die alten Vorstellungen bewahrte� Schriftgeschichtlich lässt sich dieser Prozess von den komplexen Schriften der Hochkulturen (in Keilschrift und Hieroglyphen) hin zum genial vereinfachten System der Konsonantenschriften nachzeichnen� 10 Bildlich zeigen die Rezeptionen von pharaonisch-ägyptischer und assyrisch-babylonischer Kultur das Zusammenkommen und die Überlappungen der imperialen Mächte in der biblischen Welt an� 11 Und auch inhaltlich lässt sich dieses Modell bestätigen: Wenn im Buch Deuteronomium Phrasen verwendet werden, die im Wortlaut an die assyrischen Vasallenverträge anknüpfen, dann birgt dies eine Einsicht über die theologisch-ideologischen Einflüsse auf die biblische Welt in sich� 12 Solche Verträge wurden in den Stadtzentren ausgestellt und die Schriftkundigen wurden damit konfrontiert� Eine Umformulierung des assyrischen Inhalts auf das Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott stellt eine solche religiöse theologische Transformationsleistung dar� Den beschriebenen Facetten kommt man allerdings nur bei konsequenter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden historischen Quellen auf die Spur� 13 Neben Texten gehören darum auch Bilder, archäologische Erkenntnisse und kulturwissenschaftliche Einsichten zum Interpretationsprozess hinzu� 9 Seit kurzem liegt durch die umfangreiche Studie von Staubli, Impacts, eine exemplarische Auswertung bezüglich des Verhältnisses Ägypten / Levante vor� 10 Staubli / Steymans, Schriften 13-50. 11 Schroer / Keel, IPIAO 1, sowie Schroer, IPIAO 2, und Schroer, IPIAO 3� 12 Steymans, Deuteronomium 28, 143-150.433-435. 13 Hierzu zählen natürlich auch archäologischen Quellen, wie Lehmann, Texture, 63-66.83 f., auch in Bezug auf die Frage nach Medien in Palästina / Israel zu bedenken gibt� 10 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Teil 1: Methodische Annäherung Aspektive-- die Ausdrucksform Ägyptens und des Alten Orients Präzision und Konstellation Wenn das Verhältnis zwischen Texten und Bildern erforscht wird, so ist eine grundlegende Aussage immer häufiger als Ausgangspunkt in der Diskussion präsent: „Die Stärke des Textes ist die (historische) Präzision - die Stärke des Bildes ist die Konstellation�“ 14 Dies ist an einem einfachen Beispiel nachvollziehbar: Ein Text kann in beliebigem Maße historisch präzisieren� Datumsangaben und umfangreiche Details zur genauen Bestimmung sind ohne größeren Aufwand schriftlich integrierbar� Diese Präzision kann sehr weitreichend umgesetzt werden: In einem Roman wäre es möglich, jedem einzelnen Kopfhaar eine Bezeichnung zuzuordnen, zum Beispiel durch Namensgebung� Gleiches ist bei einem Bild nur sehr viel schwieriger durchführbar� Ein Bild besitzt immer auch Detailgrenzen, die nicht beliebig über- oder unterschritten werden können� Demgegenüber hat das Wort einen entscheidenden Mangel, wenn es um die Abbildungen von Verhältnissen zueinander geht� Eine Abbildung kann sehr gut verdeutlichen, wie zwei dargestellte Elemente zueinander im Verhältnis stehen� Dieses Verhältnis wird als Konstellation bezeichnet� Ein weiteres Beispiel kann dies verdeutlichen: Die extremste Form eines komplexen Konstellationsbildes ist ein Stadtplan� 15 Hier werden auf jedem Zentimeter zahlreiche Verhältnisse unterschiedlicher Objekte zueinander festgehalten� Das Verhältnis einzelner Häuserblöcke, die Winkel, in denen Straßen aufeinandertreffen, Distanzen zwischen geographischen Punkten und Raumordnungen ganzer Quartiere - all dies begegnet in extrem verdichtetem Maß� Wenn man die Straßenkarte einer Großstadt komplett verbalisieren (verschriftlichen) wollte, müssten mehrere Buchbände mit Detailbeschreibungen gefüllt werden� Die Komplexität der Verhältnisse wird durch einen einzigen großen Stadtplan viel effizienter und nachvollziehbarer umgesetzt� In dieser Hinsicht wird die Stärke des Bildes, die in der Konstellation liegt, voll genutzt� Ein Text ist wiederum bei historischen Situationsbeschreibungen, die im Detail festgehalten werden sollen, im Vorteil� 16 14 Zunächst in thetischer Weise Keel / Uehlinger, GGG, § 228� 15 Keel, AOBPs, 13-16. 16 In gattungsgeschichtlicher Hinsicht sind hier antik vor allem Feldzugsberichte und Annalenmaterial zu nennen� Das Interesse an einer Präzision darf aber keinesfalls mit einer Historizität der Quellen verwechselt werden� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 11 Umsetzung der Konstellation Wenn also die Stärke des Bildes in der Konstellation liegt, dann ist es notwendig, genau auf die Umsetzung solcher Konstellationen zu achten� Es stellen sich folgende Fragen: - Auf welche Art werden Konstellationen künstlerisch ausgeführt? - Welche Besonderheiten sind zu benennen? - An welchen Stellen besteht die Gefahr, einer anachronistischen Fehlinterpretation zu unterliegen? Um diese Fragen zu ergründen, muss genauer nach der Darstellungsweise antiker Bildnisse gefragt werden� Als Ausgangspunkt kann die ägyptische Reliefdarstellung dienen� 17 In deutlicher Weise treten bei diesen bildlich-kulturellen Äußerungen Darstellungskonzepte hervor, die auch in vielen weiteren Zentren des Alten Orients über Jahrhunderte hinweg in Geltung waren� 18 Genauer ist damit auf die Darstellungsweise Bezug genommen, die man gewöhnlicher Weise als ‚typisch ägyptisch‘ bezeichnet� „Ägyptische“ Darstellungsweise (Abb.-1) Reliefs, die in Ägypten, aber auch in den großen Museen der Welt 19 bestaunt werden können, weisen mehrheitlich eine besondere Körper- und Objektdarstellung auf: Sie wirken auf den ersten Blick seltsam verdreht� Dies gründet in einem Abbildungskonzept, welches nicht mit den ‚perspektivischen‘ Grundsätzen der modernen Bildkultur in Einklang zu bringen ist� 20 Folglich wird nicht ein einziger Standpunkt eingenommen, von dem aus ein Objekt betrachtet wird� Vielmehr stellt das Bild eine Addition unterschiedlicher Blickrichtungen dar� Einige Interpretatoren sehen hierin eine Addition der Ansichten, andere legen Wert darauf, dass das Objekt mit seinen Eigenheiten im Zentrum steht� Ein Merkmal dieser Darstellungen kann offensichtlich nicht bestritten werden: Als Fotografie im heutigen Sinne, von einem Standpunkt aus, wären diese Simultanansichten bezüglich des betrachteten Objekts nicht gesamtheitlich wahrnehmbar� 21 Die Stärke der ägyptischen Bilder liegt also in einer besonderen Art der Komposition� Einzelne Ansichten werden in Zusammenschau aufeinander 17 Der entscheidende forschungsgeschichtliche Einsatz ist mit Schäfer, Kunst, gegeben� 18 Ein Blick in die über 900 zugänglichen Diskussionsobjekte im Rahmen der IPIAO-Publikationen verdeutlicht dies� 19 Vgl� dazu auch Hartenstein, Ikonographie� 20 In dieser Hinsicht können Abbildungsparadigmen im Wandel von der Antike über mittelalterliche Konzepte bis zu heutigen Sehgewohnheiten verglichen werden� Ganz offensichtlich sind für ein Kulturverständnis nicht nur alte Sprachen, sondern auch ‚alte Seh- und Darstellungsweisen‘ einzuüben; vgl� auch Brunner-Traut, Aspektive� 21 Der ‚simultane Zusammenfall‘ bezeichnet gerade das Interesse, das über eine bloße Mono-Ansicht hinausführt� Für die grundlegende Anwendung dieser Einsicht, vgl� Brunner- 12 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner bezogen� Entsprechend kann im Bildnis einer Person auch ein mehrfacher Ansichtswechsel erfolgen� Während die Beine von der Seite, in Schrittstellung, dargestellt sind, erscheint der Oberkörper in Frontalstellung, so dass beide Schultern und auch Details der Brust sichtbar sind� Die Arme setzen wiederum nicht in Frontalansicht am Oberkörper an, in ihrem Verlauf (von der Schulter zur Hand) werden sie eher in Seitenansicht angefügt� Während der Kopf insgesamt von der Seite, also im Profil, realisiert ist, bleibt das Auge aber komplett sichtbar� Bei einer vollkommenen Seitendarstellung würde das Auge nur als Winkel, partiell, erscheinen� Im klassisch-ägyptischen Fall aber tritt neben die Profildarstellung des Gesichts die Frontaldarstellung des Auges� Diese ständigen Wechsel zeigen an, dass es um mehr als nur um eine einfache Ansicht geht� Mehrere Ansichten, in denen die Person bildlich in Szene gesetzt wird, treten zusammen bzw� simultan auf� Damit ist zugleich das Interesse an einer holistischen Gesamtwahrnehmung zum Ausdruck gebracht� Die ägyptischen Künstler und ihre Auftraggeber hatten offensichtlich kein Problem, unterschiedliche Perspektiven in ein Bild einfließen zu lassen� Das Bildwerk wurde in einem Guss hergestellt und beinhaltet doch zahlreiche Facetten, die für ein rein perspektivisch geschultes Auge nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen sind� Methodische Konsequenzen aus den bildlichen Befunden An dieser Stelle hat eine methodische Reflexion einzusetzen, die sich am ägyptischen Befund im Rahmen einer Mediengeschichte (zwischen Text und Bild) Traut, Nachwort, und Brunner-Traut, Frühformen� Zu bedauern sind die zeitgeschichtlichen Schieflagen in späteren Kapiteln ihrer letztgenannten Monographie� Abb� 1: Umzeichnung ÄF ig 1998�4 (Kalksteinrelief 31,5 x 19 x 5,4 cm), Datierung: Ramses II . (1279-1213a) © Stiftung BIBEL + ORIENT Fribourg Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 13 abarbeiten muss� 22 Texte und Bilder sind, wie oben erwähnt, integraler Bestandteil der medialen Äußerungen der antiken Kulturen� Aus diesem Grund können methodische Einsichten der Text- oder der Bildinterpretation gegenseitig mit Ertrag aufeinander bezogen werden� 23 Im skizzierten Beispiel (s� o� Abb� 1) wird deutlich: In einer bildlichen Darstellung, die in sich selbst keine substantielle Diachronie aufweist, können unterschiedliche Blickpunkte - so zum Beispiel auch Aufsicht (Vogelperspektive) und Ansicht (von der Seite) miteinander verbunden werden� Das bekannteste Beispiel einer solchen aspektiven Darstellung ist der mit Satteltaschen bepackte Esel (Abb� 2)� Hier wird (grob gesprochen) die Seitenansicht des Tierkörpers mit der Vogelperspektive auf die Satteltaschen (von oben) kombiniert� Dreidimensional betrachtet ragen die Taschen nicht über den Rücken hinaus, sondern hängen an der Rückseite herab: Nicht-Sichtbares wird konzeptionell sichtbar gemacht� Dies wird in der Antike keinesfalls als Kohärenzstörung 24 empfunden - jedes ägyptische Bildnis und viele orientalische 22 In dieser Hinsicht ist ein produktives gegenseitiges Beleuchten der Methoden angesprochen, vgl� mit ersten Vorüberlegungen Lippke, Editing, 160� 23 Im Anschluss an Hardmeier, Texte, wäre dies ein produktiver Vergleich der aus kommunikativen Handlungsspielen abgeleiteten Einsichten� 24 Solche Kohärenzstörungen sind in Texten sowie in Bildern dauerhaft Gegenstand von Kontroversen in Interpretationsvorgängen� Im Bild müssen solche Kohärenzprobleme gemeinhin mit unterschiedlichen Entstehungsstufen, bei Texten gewöhnlich mit literarkritischen Modellen gelöst werden� Dies ist aber unter Berücksichtigung der medialen Belege Abb� 2: Wandmalerei S� 14 354 / 15 RCGE 19 072 01 / 00 000 986 (131,4 x 211 cm), VII - XI � Dynastie (2118-1980a), © Fondazione Museo delle Antichità Egizie di Torino 14 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Abbildungen verwenden diese Konvention ganz selbstverständlich� Vollkommen anders stellt sich die Sachlage in der Exegese biblischer Texte im 20� und 21� Jahrhundert dar� Hier werden Veränderungen der Perspektiven, Kombinationen unterschiedlicher Ansichten und Wechsel (von Personen, Standpunkten und Themen) als hochrelevante Kohärenzstörungssignale gedeutet� 25 Sie zeigen angeblich an, dass ein diachrones Wachstum vorliegt und eigenständige, separate Teilstücke in einem Redaktionsprozess zusammengefügt würden� Mit welchem Recht wird so verfahren? Grundlage einer solchen Folgerung ist ein anachronistisches Verständnis des Textbegriffes, der mitunter deutlich von den antiken mediengeschichtlichen Grundlagen abweicht� Gerade die Kombination mehrerer Ansichten birgt einen Mehrwert, der planvoll schon auf synchroner Ebene Anwendung findet. Auch im Zweistromland - schon vor 4500 Jahren - war die aspektive Darstellungsweise verbreitet (Abb� 3): Seitendarstellung ist für die Köpfe und Beinpartien erkennbar, Augen und Brust-/ Schulterbereich sind frontal dargestellt� Dass diese Einsicht auch für die biblische Literatur in Anschlag zu bringen ist, legt eine genaue Untersuchung der einzelnen Kapitel und Buchfolgen in der Hebräischen Bibel nahe� 26 Schon zu Beginn des Kanons wird ein erster Schöpfungsbericht mit einem zweiten weitergeführt� Diese beiden lassen sich in inhaltlicher Hinsicht nicht perspektivisch in Einklang bringen� 27 Vielmehr sind die vorgestellten Konzepte auf den ersten Blick zu unterschiedlich, als dass sie ein kohärentes Ganzes ergeben könnten� Wie müsste aber mit diesem Befund umgegangen werden, wenn nach ägyptisch-altorientalischem Vorbild das vorliegende Bauprinzip die Aspektive wäre? Entsprechend könnte eine Version des Schöpfungsberichts als Aufsicht , die andere möglicherweise als Ansicht charakterisiert werden� Mit einem Abgleich im Rahmen der antiken Medienbefunde schwindet die Schärfe des bisherigen Kriteriums zum Nachweis einer Kohärenzstörung� Mit anderen Worten: Es ist nicht zwingend nötig, die Beiträge zur Schöpfungstheologie, die Gen 1 und 2 darstellen, relativ-chrononicht zwingend notwendig� Aspektive Darstellung ist gerade der Beispielfall für intendierte synchrone Umsetzung nicht-identischer Ansichten, die vom heutigen Betrachter nur wegen fehlendem Konzeptionswissen als verdächtig aufgefasst wird� Problematisierungen haben sich inzwischen auch in den klassischen Lehrbüchern niedergeschlagen, so bei Utzschneider / Nitsche, Arbeitsbuch, 69-78.267-271.284-292; Blum, Notwendigkeit, bietet ebenfalls einige Beispiele, die auf die grundsätzliche Problemstellung aufmerksam machen� Zu entsprechenden aspektiven Belegen in der jüdischen Literatur legt Avemarie, Erwählung, überzeugende Beispiele vor� 25 Deutlich treten diese Tendenzen mit den Kommentaren von Julius Wellhausen und Bernhard Duhm hervor, halten sich aber bis ins 21� Jh� geradezu hartnäckig� 26 Dies kann aber nur aus einer synchronen Betrachtungsweise erwachsen, wie es einerseits mit den vorgeschlagenen Herangehensweisen bei Rendtorff, Bedeutung, andererseits bei Childs, Isaiah, und Childs, Biblical Theology, diskutiert wird� 27 Vgl� literarhistorisch Witte, Urgeschichte� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 15 logisch weit auseinanderzuschieben, nur weil die beschriebenen Ansichtsschilderungen voneinander abweichen� 28 Näher am Befund von Gen 1 f� wäre eine Charakterisierung als ‚aspektive Annäherung‘ an ein Phänomen / Ereignis, das hinreichend komplex betrachtet werden muss, um ihm literarisch-künstlerisch (bzw� medial) gerecht zu werden� Ähnliche Situationen lassen sich für die Fluterzählung der Urgeschichte (Gen 6-8), das mehrfache Aufgreifen des Schilfmeer-Stoffes (Ex 13-15) und der Debora-Erzählung (Ri 4 f.) attestieren. Einen neutestamentlichen Ankerpunkt findet die Idee von einer additiv holistischen Annäherung in der Überlieferungssituation der vier Evangelien� 29 Mit guten Gründen kann behauptet werden, dass hier unterschiedliche Perspektiven auf 28 Vgl� inzwischen auch den forschungsgeschichtlichen Abriss bei Bührer, Am Anfang, 13-20. 29 Für ntl� Zusammenhänge vgl� auch Stettler, Heiligung, 263, und schon dem Ansatz nach Stuhlmacher, Biblische Theologie, 245� Abb. 3: Umzeichnung einer Reliefplatte aus Girsu (Tellō, Tell K), H 40; B 47, Paris, Louvre, AO 2344, Datierung: FD III / Ur I-Zeit (≈2500a), © Stiftung BIBEL + ORIENT Fribourg 16 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner ein wesentliches Ereignis im Hintergrund stehen: das Leben, Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesu von Nazareth, der sich als der Christus erweist� Gerade um diesem komplexen Gegenstand literarisch Ausdruck zu verleihen, bedurfte es möglicherweise mehrerer Perspektiven, die nicht unmittelbar ineinander überführbar sind (Tatians Diatessaron und die apokryphe Evangelienliteratur liefern eindrückliche Beispiele für das Ringen um eine verlässliche theologische Position)� Es ist folglich von großer Bedeutung, neben einer Wahrnehmung diachroner Indizien stets die methodische Rückfrage nach der Darstellungsweise und den zu Grunde liegenden Parametern in Text und Bild zu stellen� Unterbleibt dies, können diachrone Fehlinterpretationen den Blick auf eine facettenreiche künstlerische Kompositionstätigkeit 30 verstellen� Der Exeget, der sich in erster Linie als Anwalt des Textes zu verstehen hat, kann solcher Art basale Fundamente der medialen Äußerung nicht einfach außer Acht lassen� Geschieht dies trotzdem, sind methodische Schieflagen vorprogrammiert (Florian Lippke)� Bilder verstehen heißt, Bilder in ihrer spezifischen Ausprägung zu sehen Die Bildwelt, die der ägyptisch-orientalischen Kultur entspringt, ist aufgrund der unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten und Traditionen sehr breit� Mit Bildern vermittelten ihre Produzenten mehr als das, was auf den ersten Blick zu sehen ist� So erfordert eine Deutung von Bildern eine genaue Beschreibung aller Aspekte, die mit der Bildproduktion und seiner Rezeption verbunden sind� Dies geht über die derzeit geläufige „vornehmlich deskriptiv-analytische Erforschung von Bildern und Bildkunst“ 31 , die Gegenstand einer altorientalischen Ikonographie ist, hinaus� In Fortführung der Ikonographie fragt die Ikonologie nach Bildern als Symbolen einer Kultur� Sie untersucht die Bedeutung des einzelnen Bildes in seinem weiteren kulturellen Kontext� Neben einer ikonographischen Analyse setzt eine ikonologische Interpretation daher die „synthetische Intuition (Vertrautheit mit den wesentlichen Tendenzen des menschlichen Geistes)“ 32 voraus� Der symbolische Wert des Bildes wird als ein häufig unterbewusst in das Werk einfließender Faktor gewertet, der innerhalb der ikonologischen Analyse aufgezeigt und gedeutet wird� Erst durch diesen Prozess wird der eigentliche Gehalt des Bildes erkennbar� 33 Dieser Ansatz basiert auf einer bewussten oder unbewussten Prägung des Künstlers durch seine Kultur, die in der ikonologischen Analyse aufgewiesen wird ( Dokumentsinn 34 )� Die 30 Programmatisch schon Blum, Notwendigkeit, aber auch eng verbunden mit den Werken der jüdischen Ausleger Sternberg, Weiss und Alter� 31 Eggler u� a�, Ikonographie, Abs� 1� 32 Panofsky, Ikonographie, 223� 33 Panofsky, Ikonographie, 211-214. 34 Zum Begriff vgl� Panofsky, Problem, 200�203 (Tabelle)� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 17 Ikonologie basiert folglich auf der Vorstellung eines sich innerhalb einer Kultur erhaltenden Symbolsystems, das unter wechselnden historischen Bedingungen jeweils spezifische Ausformungen annimmt� Der ikonologische Ansatz ist also eine gattungskritische Beschreibung von Bildern, in der zuvorderst die jeweilige kulturelle Prägung des Künstlers untersucht wird� 35 Damit ergibt sich zwischen Ikonographie und Ikonologie ein Spannungsfeld, das formkritisch beschrieben werden kann� Im Spannungsfeld zwischen Ikonographie und Ikonologie wird die Wirkung des einzelnen Bildes und damit seine Funktion innerhalb des kulturellen Prozesses untersucht� Dieser formkritische Ansatz basiert auf der Annahme, dass der Künstler eine Wechselwirkung zwischen Bild und Betrachter im Bild bewusst anlegt� Eine solche Formkritik hat neben der Ausprägung des Bildes weitere Aspekte zu bedenken� Diese erweiterte Analyse setzt beim Motiv an� Dabei ist zunächst nicht die singuläre Ausprägung des Motivs entscheidend, sondern die dargestellte Szene ( Konstellation )� Die aus dem antiken Vorderen Orient überlieferten Bilder sind dahingehend unterschiedlicher Art, dass sowohl Bilder bekannt sind, die alltägliche Szenen und damit die menschliche Sphäre abbilden, als auch Bilder, durch die die göttliche Sphäre sichtbar wird� „Wie andere kulturelle Symbolsysteme kennen die Religionen nebst handlungspraktischen (rituellen, moralischen), auditiven, olfaktorischen und sprachlichen Kodierungsformen auch Bilder als Medien, um ihre spezifischen Gegenstände (Gott bzw� Gottheiten, Mythen, Riten, Frömmigkeitsmuster u� ä�) visuell gegenwärtig zu setzen oder darzustellen�“ 36 Mit der Sichtbarmachung einer anderen Sphäre geht das Bild über seine Funktion als Symbol hinaus� Durch das Bild wird eine Sphäre kosmischer Realität abgebildet, die für den Menschen ohne das Bild nicht sichtbar ist, auch wenn sie dauerhaft präsent ist� 37 Das Bild dient also der Sichtbarmachung dieser Sphäre für einen Betrachter� Solche Bilder korrelieren mit vornehmlich prophetischen Texten, in denen Menschen von einem Einblick in die göttliche Sphäre berichten ( Visionsberichte )� Im Bild wird nun für jeden Betrachter das sichtbar, was Propheten / Seher in einzelnen Momenten erblicken konnten 38 und was erst durch die Verschriftung zu einem dauerhaft 35 Vgl� Panofsky, Problem, 191, und Panofsky, Ikonographie, 214� 36 Eggler u� a�, Ikonographie, Abs� 3� Zur Besonderheit eines Zusammenfallens des orthogonalen Koordinaten- und des sphärischen Raums vgl� Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 27 f� In den prophetischen Texten wird die orthogonale von der sphärischen Struktur überlagert� Damit unterscheidet sich das altorientalische vom ägyptischen Denken, in dem „eine stereometrische Grundstruktur, die über den orthogonalen Koordinatenraum nicht hinausgeht“ (Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 35), vorherrscht� 37 Damit erhält das Bild die Funktion eines Symbols, durch das die parallel existierende Sphäre sichtbar wird� 38 Vgl� Wagner, Formenspiel� 18 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner präsenten Geschehen wird� 39 Dementsprechend ist formkritisch zwischen einer Abbildung von Szenen der menschlichen Sphäre, zu denen auch prototypische Darstellungen geschichtlicher Ereignisse zählen, und einer Sichtbarwerdung der göttlichen Welt zu unterscheiden� Auf diese Weise erhalten Bilder eine kosmische Dimension, indem durch sie Aspekte des Kosmos sichtbar gemacht werden können, die menschlicher Wahrnehmung ansonsten verborgen sind� Visualisierungen erfolgten auf unterschiedliche Weise, was wiederum eng mit der Funktion des jeweiligen Bildes für den Kommunikationsprozess verbunden ist� Die Wirkung des Bildes auf den Betrachter wird zunächst durch ihre Größe, Gestaltung und den jeweiligen Rezeptionsraum bestimmt� Während monumentale Bilder für einen festgelegten Raum und damit immer im Kontext einer über die einzelne Abbildung hinausgehenden Bilderwelt geschaffen sind, 40 ist die Wirkung kleinerer Artefakte nur dann zwingend an einen räumlichen Kontext gebunden, wenn die Objekte für bestimmte Performanzformen verwendet werden� Die Wirkung eines Bildes ist zudem von seiner Dimensionalität bestimmt� Während flächige Abbildungen i� d� R� aspektivisch und damit bezogen auf die Funktion des abgebildeten Gegenstandes hin geschaffen sind, lassen räumliche Darstellungen perspektivische Wahrnehmung zu� Diese können auf besondere Konstellationen der Installation von dreidimensionalen Bildern hinweisen� 41 Besonders Lichtquellen (seien es natürliche oder künstliche) können Einfluss auf die Wirkung eines Bildes nehmen, wenn zwischen dem Objekt und der Lichtquelle eine Wechselwirkung durch eine spezifische Installation bewirkt werden soll� Um diese vollständig beschreiben zu können, ist nicht nur das Bild und seine Form, sondern auch der Bildträger, d� h� die materielle Basis des Bildes zu betrachten ( Bild-Bildträger-Relation )� Sie bestimmt, wie das Bild dem Betrachter unter jeweils spezifischen Bedingungen entgegentritt, sofern die Wahl des Materials auf einen singulären Kontext ausgelegt ist� Da die wenigsten Bild tragenden Objekte an ihren ursprünglichen Einsatzorten aufgefunden wurden, ist aufgrund des verwendeten Materials und der Form des Bildes nach Situationen zu fragen, in denen das Bild seine Wirkung vollumfänglich erzielen konnte� 39 Werden oben S� 8 Sphären im Sinne von ‚Einflusssphären‘ verstanden, beziehen sich diese Überlegungen auf kosmische Sphären� 40 Vgl� Eggler u� a�, Ikonographie, Abs� 2� 41 Die Dimensionalität von Bildern ist aufgrund der altorientalischen Gestaltungsformen nicht eindeutig� Zwei- und Dreidimensionalität lässt sich nicht so scharf voneinander trennen, wie es häufig durchgeführt wird (vgl� Winter, Art, 365 f�)� Auch Siegel bieten dreidimensionale Bilder, doch ist dies durch das Material bedingt und keine vom Künstler hervorgerufene Bildwirkung� Anstatt zwischen Zwei- und Dreidimensionalität zu unterscheiden, erscheint eine Trennung zwischen einer flächigen und einer plastischen Darstellung sinnvoller� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 19 Von derartigen Beobachtungen ausgehend, lassen sich Aussagen zur Bild- Text-Relation treffen� Form und Inhalt von Bild, Trägerobjekt und Text sind für die Deutung der Bild-Text-Beziehung entscheidend� Dabei ist eine zweifache Wechselwirkung zu beobachten: Zum einen sind Texte implizit von zeitgenössischer Bildkunst geprägt; zum anderen sind Bilder von älteren oder zeitgenössischen Texten beeinflusst� 42 Dabei können größere zeitliche oder räumliche Distanzen auftreten� Je weiter Bild- und Textüberlieferung auseinanderfallen, desto schwieriger wird es, in der Rekonstruktion einen Bezug herzustellen� Es ist sicherlich der einfachste Fall, wenn Bild und Text gemeinsam, d� h� auf einem Trägerobjekt überliefert werden� Wenn die Überlieferung von Bild und Text jedoch auseinanderfällt, dann sind neben motivischen Überschnitten auch zwingend formkritische zu bedenken� Treten im Bild und im Text jeweils dieselben Motive auf, dann ist jeweils nach der Wirkung bzw� der Funktion von Bild und Text zu fragen, um die Bild-Text-Relation beschreiben zu können (Thomas Wagner)� Solche Bilder werden jedoch nicht nur am äußeren Objekt wahrgenommen� Sie entstehen auch in den Köpfen der Rezipienten und werden dann als Sprachbilder sichtbar� Bilder in Texten verstehen heißt, sie im Kopf zu sehen Georg Lakoff entwickelte als Vertreter der kognitiven Linguistik in Auseinandersetzung mit seinem Lehrer Noam Chomsky sein Verständnis von Sprache als semantischer Repräsentation� Zusammen mit Mark Johnson führt Lakoff aus, wie scheinbar abstraktes Denken in Metaphern geschieht� Es liegt im Wesen einer Metapher, eine Sache in der Terminologie einer anderen zu verstehen und zu erfahren� So werden die verwendeten Metaphern maßgeblich für die Vorstellung� 43 Lakoff führt des Weiteren aus, wie Denken und Urteilen in Kategorien des menschlichen Körpers erfolgen und sich somit auf eine einfache Basis 44 zurückführen lassen� Das konzeptuelle Wissensgebiet ( DOMAIN ), durch welches wir ein anderes Wissensgebiet verstehen, wird SOURCE DOMAIN genannt, und dasjenige, welches dadurch im Verständnis erschlossen wird, heißt TARGET DOMAIN � Im Verstehensprozess kommt es zu Korrespondenzen zwischen beiden DOMAINS und zwar dort, wo die konstituierenden Elemente der SOURCE DOMAIN mit der 42 Vgl� Eggler u� a�, Ikonographie, Abs� 4� 43 Lakoff / Johnson, Metaphors, 5� 44 Lakoff, Women, 13, nennt dieses „basic-level-categorization“ und „basic-level primacy“� 20 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner TARGET DOMAIN übereinstimmen� Dieses Erstellen von Übereinstimmungen wird als MAPPING bezeichnet� 45 Wenn die Kategorien des Körpers als Metaphern für etwas Anderes erfasst werden, so entsteht vor dem geistigen Auge eine mentale Landkarte ( MENTAL MAPPING )� Dieses bildet eine kognitive Erklärung für die Wirkung der Metapher in der Zahl ihrer assoziativen Übereinstimmungen und ihrer Intensität� 46 Wenn ‚ GOTT ‘ zur TARGET DOMAIN wird, so bewegt sich das Gottesverständnis innerhalb solch einer mentalen Landkarte� Bei der Rede über Gott erhält diese dort eine besondere Relevanz, wo durch das Bilderverbot des Dekalogs die Anfertigung eines materialen Bildes, einer Stele oder einer Rundplastik verboten und eine göttliche Repräsentanz im Bild abgelehnt wird� Ein bilderloser Kult mag der Verehrung von fremden Göttern entgegenstehen, 47 aber auch dieser Kult muss eine Sprachfähigkeit erlangen, um von Gott zu reden� Dieses geschieht in Metaphern menschlicher Wahrnehmung� Bei diesem MENTAL MAPPING wird der Bildempfänger, die TARGET DO- MAIN ‚ GOTT ‘, mit unterschiedlichen SOURCE DOMAINS in Verbindung gebracht, so besonders mit ‚ NATURGEWALTEN ‘� Es kommt zwischen beiden zu einer Interaktion, indem Inhalte der SOURCE DOMAIN auf die TARGET DOMAIN übertragen werden� Die Methode des MENTAL MAPPINGS wurde im CONCEPTUAL BLENDING weiterentwickelt� Hierbei werden nicht nur einzelne Bildmotive, sondern auch komplexe Vorstellungen im BLENDED SPACE miteinander in Beziehung gesetzt� 48 (Stefan Fischer) Wie aber konkretisieren sich nun die aufgezeigten Konzepte im Kontext der Analyse der ägyptisch-orientalisch geprägten Welt des antiken Israels? Teil 2: Bild-Text-Relationen der biblischen Welt Bilder in Israel / Juda Ganz grundsätzlich ist festzuhalten, dass Othmar Keels fundamentale Eingebung vom Stellenwert der Bilder für die Bibel (vor gut 50 Jahren) 49 und Silvia Schroers programmatische Schrift In Israel gab es Bilder 50 nach wie vor in Geltung sind� Bildmedien in Palästina / Israel sind von überragender Bedeutung für das Verständnis der antiken Lebenswelt und der Weltdeutung� Auch auf Stempelsie- 45 Vgl� Jindo, Poetics, 226 f� 46 De Joode / van Hennecke, Metaphors, 40-44. 47 Vgl� Hartenstein, Hermeneutik, 99� 48 Fauconnier / Turner, Blending, 45� 49 Keel, Jahwe-Visionen; aber auch Keel, Böcklein� 50 Schroer, Israel� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 21 geln aus der südlichen Levante (s� u� Abb� 4) zeigen sich die zuvor erwähnten Konventionen� Anthropomorphe Figuren sind aspektiv dargestellt: Beine und Schultern (einmal auch die Augenpartie) sind nicht einer einzigen Ansicht unterworfen� Bis zum heutigen Tag wurden mehr als 10�000 Stempelsiegel aus kontrollierten Ausgrabungen geborgen� 51 Beinahe 600 Zylindersiegel aus diesem Bereich stehen der Forschung für Untersuchungen zur Verfügung� 52 Gemeinsam mit den zahlreichen anderen Amuletten und auch Belegen anderer Bildgattungen ergibt sich numerisch ein bemerkenswertes Szenario: Es existieren aus Palästina / Israel beinahe so viele bildtragende Einzelobjekte wie das Alte Testament Verse aufweist� Und die Anzahl der Objektfunde ist bei knapp 300 Ausgrabungen pro Jahr in Palästina / Israel weiter steigend� 53 Die Bildmedien, die in manchen Fällen sogar massenmedialen Charakter aufwiesen, sind für die biblischen Epochen gerade wegen ihrer Transkulturalität von besonderer Bedeutung� Ein Wort, in einer spezifischen Sprache geäußert, kann unter Umständen in einer anderen Sprache schon nicht mehr gut verstanden werden� Bilder sind transkultureller: Das Bild eines Vogels oder eines Stiers wird in einem viel größeren geographischen Raum verstanden, als dies für das Lexem Stier / Taurus/ šor vorauszusetzen ist� 54 Im Verbund mit einer weiteren Einsicht entwickeln die Bilder ihre kommunikative Sprengkraft� Denn die frühen biblischen Epochen sind nicht durch einen hohen Alphabetisierungsstandard gekennzeichnet� Es ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen: Schreiben und Lesen lag in der Hand einer kleinen, privilegierten Elite� 55 Diese Schreiberelite, zu der nicht einmal der König regulär dazu gehörte, verwaltete den Staatsapparat und transformierte Kommunikation zwischen mündlicher und schriftlicher Form� Numerisch muss hier von wenigen Prozenten der Bevölkerung ausgegangen werden (1-3 %). Hieraus folgt, dass schriftliche Quellen nicht das zentrale religiöse Kommunikationsmittel außerhalb elitärer Kreise darstellten� Theologie wurde in den frühen Zeiten zwar auch schriftlich festgehalten, aber in weitere Kreise wirkte die Theologie vor allem durch Bildwerke� Die Theologie 51 Vgl� Keel, CSAPI I-IV� 52 Bis zum heutigen Tag liegt noch kein umfassendes Corpus der Rollsiegel aus Palästina / Israel vor� Diese schmerzliche mediale Lücke muss in den nächsten Dekaden folglich dringend geschlossen werden� 53 Persönliche Mitteilung Dr� Michael Sebanne, Chief Director of National Treasures, IAA Israel� 54 Erneut Keel / Uehlinger, GGG, § 228, mit den ersten Vermutungen zu diesem thematischen Feld� 55 Diese Einsicht wurde durch die Ergebnisse durch van der Toorn, Scribal culture, erneut vor Augen geführt� 22 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Abb� 4: Umzeichnungen von Bodengravuren der Stempelsiegel Geser 154, Halif 13, Geser 19 und Hazor 97 (Keel, CSAPI IV : 236 f�/ 536 f�/ 174 f�/ 626 f�): a� Ovale Platte, Typ I, Enstatit, 21 x 13,4 x 7 mm, MB IIB (1650-1500), London, Palestine Exploration Fund, Inventarnr� 5871; Cast No� 372; b� Sk, Enstatit, 17 x 12 x 10 mm, MB IIB (1650-1500), Mischmar HaNegev, Regional Museum IAA , Inventarnr� 71�5207; c� Konoid, Typ V, dunkelblaues Glas, Ø 16,3 x 15,8, Höhe 18,8 mm, frühe persische Zeit (ca. 530-400), Jerusalem, Rockefeller Museum, Inventarnr� J� 491; London, Palestine Exploration Fund, Cast No� 319; d� Sk, G1 / I/ Seite glatt, Skaraboids vom Typ II , 16 x 12,2 x 8,3 mm, EZ IIA (980-830), Jerusalem, Hebrew University, Institute of Archaeology, alle © Stiftung BIBEL + ORIENT Fribourg Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 23 der Bilder , wie sie Angelika Berlejung 56 im Detail diskutierte, wird heute noch von bildkritischen oder gar ikonoklastisch eingestellten Gruppen unterschätzt; auch reformiert-theologische Kreise halten sich bezüglich dieser Thematik vorsichtig bedeckt� Diese Zurückhaltung kann aber unter Umständen in eine Fehleinschätzung münden: Die Abwertung der Bilder und ihrer Theologie hat zur Folge, dass die antiken Zusammenhänge und damit auch sehr einfach ein Großteil der theologisch relevanten Quellen außer Acht gelassen werden� Auch kann an dieser Stelle die Balance der Interpretation verloren gehen� Die künstlerische Welt in Israel und Juda ist gerade im Vergleich zur imperialen Hochkulturkunst durch zwei charakteristische Eigenheiten bestimmt: Einerseits liegen in der Mehrzahl der Fälle sehr einfache, reduzierte Ausführungen vor� Dies muss für den Interpretationsprozess immer berücksichtigt werden� 57 Zum anderen liegt auch häufig eine Elementarisierung der Formen, Symbole und Konstellationen vor� 58 In dieser Hinsicht ist bei dieser Form der ikonographischen Kunst von einer doppelten ‚Think-Simple‘-Regel auszugehen: Einfachheit in der Ausführung und elementarisierte Konstellation gehen Hand in Hand und verleihen der Bildkunst der südlichen Levante eine effiziente Einfachheit bei gleichzeitiger Wahrung wesentlicher theologischer Zusammenhänge� 59 Besonders gut können auch Akzentuierungen und Aktualisierungen wahrgenommen werden� Nicht selten begegnet eine jahrtausendealte Konstellation im neuen Gewand einer aktuellen Epoche� 60 In dieser Hinsicht haben schon viele alte Ikonen ein Update in der Form erhalten� Zugleich lassen sich aber die einzelnen Belege über Epochen hinweg in eine histoire de la moyenne durée (Fernand Braudel) 61 einordnen� Ein aktuelles Beispiel aus der Königszeit Im Rahmen der Ausgrabungen in Jerusalem südlich des Tempelbergs 62 wurde vor wenigen Jahren ein spektakulärer Siegelabdruck (Bulle) gefunden, der eine Momentaufnahme aus der judäischen Königszeit gestattet: das Staatssiegel des Hiskia (ben) Ahas , des Königs von Juda� 63 Ein sehr ähnliches Stück, wenn auch schlechter erhalten, wurde schon etliche Jahre zuvor auf dem Jerusalemer Antikenmarkt angeboten� Damals glaubte man noch wegen der zu fantastisch 56 Berlejung, Theologie� 57 Schroer / Keel, IPIAO I, 23 f� 58 Schroer / Keel, IPIAO I, 24 f� 59 Insgesamt in direkter Aufnahme von Schroer / Keel, IPIAO I, für den englischsprachigen Forschungszweig auch Lippke, Southern Levant� 60 Schroer / Lippke, Wadi ed-Daliye, 364 f� 61 Lippke, Verbindungslinien, 18-24. 62 Mazar, Temple-Mount� 63 Mazar, Seal� 24 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner anmutenden Bildkomposition, die darauf sichtbar war, an eine Fälschung� Nach der Bergung eines weiteren Exemplars bei den oben genannten legalen und wissenschaftlich-stratigraphischen Ausgrabungen wurden die grundsätzlichen Zweifel relativiert� Auf eindrückliche Weise ist hier sichtbar, wie König Hiskia sich ganz offensichtlich zweier Symbole bediente, die kulturgeschichtlich den Nachbarvölkern zuzuordnen sind� Zweifelsfrei erkennt man das ägyptische ʿanch -Symbol, 64 das Lebenskreuz als flankierendes Element an den Rändern� Zugleich taucht im Zentrum eine Flügelsonne auf� Diese ist der ursprünglichen Herkunft nach ein ägyptisches Symbol, 65 wurde aber im Vorderen Orient breit rezipiert� 66 Im vorliegenden Bild liegt die Variante der nördlichen, orientalischen Flügelsonne mit deutlich angezeigten Schwanzfedern vor� 67 Der Stempelsiegelabdruck zeigt auf eindrückliche Weise die Präsenz der religiösen Symbole bis in die höchste royale Ebene hinein� Offensichtlich überlappen sich beide Kultursphären: die südliche in Richtung Norden und die nördliche in Richtung Süden� Dies ist für viele Orte in Palästina / Israel zu anderen Epochen (Hazor, Arad) nachgewiesen� 68 Besonders interessant wird die Zusammenschau mit den textlichen Belegen, die ein charakteristisches Bild des Königs Hiskia zeichnen� Er wird im Rahmen des dtr Geschichtswerks als JHWH -treuer (frommer) Regent gekennzeichnet, 69 der sogar eine kultische Reform in Angriff genommen haben soll� 70 Er wird vom biblischen Erzählfaden mit Asa und Josia in eine klimaktische Reihenfolge gebracht� 71 In der Forschungsdiskussion zur Geschichte Israels erfreut sich folgendes Modell nach wie vor einer großen Beliebtheit: Fromme Reformzeiten werden mit reduzierten ausländischen Kontakten (Fremdvölker, Fremdkulte) korreliert� Herrschaftszeiten, die vom biblischen Narrativ als problematisch eingestuft werden, sind hingegen vom prosperierenden Handel und durch in- 64 Gardiner-List S34, in Gardiner, Grammar� Häufig wird dieses sog� Henkelkreuz als göttliches Attribut abgebildet, das einerseits von Gottheiten in Händen gehalten, andererseits aber auch an Könige weitergegeben wird� 65 Klassischerweise als Horus-Behdeti (Otto, Behedeti) bekannt und in desemantisierter Form als Segenssymbol über zahlreichen ikonographischen Szenen und Konstellationen abgebildet (Wildung, Flügelsonne)� 66 Vgl� hierzu Meyer-Opificius, Flügelsonne� Für vergleichende Einsichten inzwischen auch Lauber, Ikonographie, sowie Lauber, Flügelsonne� 67 Diese sind gerade ein Kennzeichen der nördlichen Varietät, wie es Stempel- und Rollsiegel aus dem nordlevantinischen Kulturbereich aufweisen� Auch auf den Orthostatenreliefs von Zincirli und Tell Halaf sind diese Ausprägungen nachgewiesen� 68 Lippke, Southern Levant, 217-226, mit den Belegen aus Schroer / Keel, IPIAO 1� 69 Zu den Rahmenbedingungen entsprechend Frevel, Geschichte, 264-270. 70 Zur Einordnung Frevel, Geschichte, 267-269, mit weiterer Literatur 266. 71 Blum, Deuteronomistic History, bes. 279-283. Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 25 ternationale Kontakte gekennzeichnet (Manasse)� 72 Im Fall des Hiskia steht die Forschung nun wieder vor einer zu lösenden geschichtlichen Problematik� Das Staatssiegel mit Flügelsonne und ägyptischem Henkelkreuz passt so gar nicht zu einer frommen Revolution zu Gunsten eines einzigen Gottes� Entweder muss der Tendenzcharakter der biblischen Schriften an dieser Stelle erneut genauer gefasst werden, oder die Symbole auf dem Siegel des Hiskia galten in dieser Zeit als Attribute JHWHs� Beide Szenarien bergen reichlich Potential für kontroverse Beurteilungen der biblischen Schriften in der biblischen Welt� (Florian Lippke) Bilder durch Texte verstehen Bildträger und Bild Das obige Beispiel zeigt, wie problematisch die Bestimmung einer Bild-Text- Relation ist� Einfacher erscheint es daher zunächst, sich der Bild-Bildträger-Text-Relation anhand eines Beispiels zu nähern, bei dem Bild und Text auf einem Objekt erscheinen� Überlieferungen solcher Objekte sind jedoch eher selten� So bietet es sich im Folgenden an, ein aus Mesopotamien stammendes und zugleich weltweit äußerst bekanntes archäologisches Fundstück zu betrachten: die Stele des babylonischen Königs Hammurapi� Sie wurde auf einer von J� de Morgan geleiteten Grabung in der elamischen Stadt Susa 1901/ 02 von Gustave Jéquier und Jean- 72 Frevel, Geschichte, 260-264. Abb� 5: Umzeichnung des Hiskia- Siegels, braun-rote Bulle (13×12 mm, Dicke 2-4 mm), 727-698a, zwischen der Davidsstadt und dem Tempelberg (B3855, L09-421) zu Tage gefördert © Stiftung BIBEL + ORIENT , Fribourg� Abb� 6: Codex Hammurapi, Louvre, AO Sb 8, Paris, Datierung ca. 1754 v. Chr. © akg-images / De Agostini Picture Lib�/ G� Dagli Orti 26 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Vincent Schell entdeckt, wohin sie wohl im Laufe des 12� Jh� v� Chr� verschleppt wurde� Bild und Text der Stele sind in einen 2,25m hohen Dioritstein eingraviert� Das Bild ist im oberen Drittel der Vorderseite platziert und steht damit über dem Text� Auf der restlichen Vor- und der gesamten Rückseite findet sich darüber hinaus eine in altbabylonischem Dialekt verfasste Inschrift, in der das von Hammurapi erlassene Gesetz dargelegt wird� Auf dem Bild sind zwei Personen zu sehen, die durch ihre Bärte eindeutig als männlich charakterisiert sind� Das Bild stellt einen Übergang von einem Flachzu einem Rundbild dar, 73 so dass die Personen auch in der Seitenansicht zumindest teilweise plastisch erscheinen� Zudem ist ein Übergang von einer aspektivischen zu einer perspektivischen Darstellung erkennbar� Dies wird bei der Darstellung der Gottheit sichtbar, deren Beine, Arme und Kopf in Seitenansicht, deren Oberkörper aber in Frontansicht geschaffen sind� Im Gegensatz dazu ist die vor ihm stehende Person im Ganzen in Seitenansicht zu sehen� Das Bild zeigt einen aufrecht stehenden Menschen, der vor einer thronenden Gottheit steht� Diese ist durch die Hörnerkappe als Gottheit erkennbar� Ihre Füße stehen auf einem Podest, das aus drei übereinanderliegenden Schuppenreihen besteht� Der Sitz ist als Hocker ohne Rücken- und Armlehnen geschaffen� Die Arme sind angewinkelt� Während der linke Arm eng am Körper anliegt und die Hand zur Faust geballt ist, weist der rechte Arm vom Körper weg� Die rechte Hand ist nach vorne gestreckt� In ihr hält die Person einen Ring und einen Stab� Gekleidet ist die sitzende Person in ein Stufengewand, von dem allein die rechte Schulter und der rechte Arm nicht bedeckt sind� Für die Deutung dieser Person entscheidend sind die strahlenartigen Gebilde, die in jeweils drei Strängen aus den beiden Schultern erwachsen� Damit weisen Hörnerkrone, Fußschemel als Schuppenpodest sowie die aus den Schultern hervorgehenden Strahlen auf eine Darstellung einer Sonnengottheit hin� „Alle diese Attribute lassen eine Deutung der Figur als Sonnengott šamaš als sicher erscheinen, obgleich Darstellungen des thronenden Sonnengottes in altbabylonischer Zeit ausgesprochen selten sind�“ 74 Gegenüber dem Sonnengott steht eine Person, die sich als König zu erkennen gibt� Ihre soziale Rolle wird durch die abgerundete und mit einer breiten Krempe versehenen Kappe sichtbar� Diese Form der Kappe „findet sich auf zahlreichen Darstellungen der neusumerischen und altbabylonischen Zeit wieder und wird als ‚Breitrandkappe‘ angesprochen - aufgrund gesicherter Parallelen die typische Kopfbedeckung von Königen dieser Zeit“� 75 Die Armhaltung des Königs - 73 Vgl. Moortgat, Kunst, 30-32. 74 Elsen-Novák / Novák, König, 136� 75 Elsen-Novák / Novák, König, 136� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 27 der linke Arm liegt angewinkelt eng am Körper an, der rechte Arm, der ebenfalls angewinkelt ist, weist nach oben, so dass die geöffnete Hand den Mund bedeckt - ist als ‚Erhebung der Hand‘-Gestus, also als Gebetshaltung bekannt, so dass die Szene offenbar eine Adoration darstellt� „Das dargestellte Motiv kann als verkürzte Version des seit der neusumerischen Zeit bekannten Themas der so genannten Einführungsszene gedeutet werden� Bei dieser wird der König von einer ‚Einführenden Gottheit‘ an der Hand gehalten und vor einen der ‚Großen Götter‘ geführt, wobei er zudem von einer so genannten fürbittenden Göttin, akkadisch lama , begleitet wird� In altbabylonischer Zeit wird auf die ‚Einführende Göttin‘ zunehmend verzichtet�“ 76 Damit weist das Bild eine Audienzszene auf, wie sie in der mesopotamischen Ikonographie wiederholt erscheint� Der Inhalt der Audienz kann noch enger gefasst werden� Das Entgegenstrecken von Ring (und Stab / Griffel / Keil) erscheint in der mesopotamischen Bildwelt häufig im Zusammenhang der Darstellung einer Investitur� 77 Es wirkt so, als würde Hammurapi in der Darstellung vom Sonnengott legitimiert� Die Bedeutung des Königs wird durch die dargestellten Größenverhältnisse sichtbar� Zieht man eine Verbindungslinie zwischen den Augen des Königs und der Gottheit, so fällt auf, dass Hammurapi auf den Sonnengott herabschaut� 78 Vergleichbare Darstellungen stellen die Personen immer auf Augenhöhe stehend dar, so dass die Verbindungslinien als Horizontale erscheinen� Parallel zur Verbindung der Augen läuft eine weitere Bildachse vom rechten Ellbogen Hammurapis zum linken Ellbogen der Sonnengottheit, durch die die Wahrnehmung eines Gefälles zwischen König und Gottheit verstärkt wird� Das Bild durch den Text deuten Um welchen König es sich in der oben beschriebenen Darstellung handelt, kann der bildlichen Darstellung nicht direkt entnommen werden� Zur Identifizierung der Person hilft die einleitende Kolumne des darunter stehenden Textes: Kol� I 1 Als der erhabene Anua, 2 der König der Anunnakua, 3 und Enlila, 4 der Herr des Himmels 5 und der Erde, 6 der Bestimmer 7 der Geschicke des Landes, 8 dem Marduk, 9 dem erstgeborenen Sohn 10 des Ea, 11 die Enlil-Würde 12 über alle Menschen 13 bestimmten, 14 und unter den Igigua 15 ihn groß machten, 16 Babel 17 mit seinem erhabenen Namen nannten, 18 in den Weltsektoren 19 es hervorragend machten, 20 darin 21 ein ewiges Königtum, 24 dessen Grundfesten 22 wie Himmel 23 und Erde 25 fest gegründet sind, 26 ihm festsetzten, 27 damals haben mich, 28 Hammurapi, 30 den frommen 29 Fürsten, 31 den Verehrer der Götter, 32 um Gerechtig- 76 Elsen-Novák / Novák, König, 137� 77 Bosshard-Nepustil, Ring, 50� 78 Vgl� Elsen-Novák / Novák, König, 140� 28 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner keit 33 im Lande 34 sichtbar zu machen, 35 den Bösen und den Schlimmen 36 zu vernichten, 38 den Schwachen 37 vom Starken 39 nicht schädigen zu lassen, 40 dem Sonnengott gleich 41 den Schwarzköpfigen 42 aufzugehen 43 und das Land 44 zu erleuchten, 45 Anu 46 und Enlil, 47 um für das Wohlergehen der Menschen 48 Sorge zu tragen, 49 mit meinem Namen genannt� 79 Der einleitende Passus stellt König Hammurapi vor, der vor šamaš steht und von diesem für seine Aufgabe, Recht zu schaffen, ausgestattet wird� Diesen Auftrag erhält Hammurapi von Marduk� Von ihm wird er beauftragt, das Recht für das Land zu erlassen, damit die ‚Bösen‘ und die ‚Schlimmen‘ vernichtet werden und die ‚Starken‘ die ‚Schwachen‘ nicht schädigen� Dieser Auftrag wird am Ende der vierten Kolumne wiederholt (Kol� IV : 14-25). 80 Der Auftrag, den Hammurapi erhält, geht jedoch über die reine Schaffung eines Rechtskodex hinaus� Das Übernehmen der Rolle des ‚Sonnengottes vor den Schwarzköpfigen‘ (Kol. I: 40-44) bezeichnet in diesem Kontext die Rolle des obersten Richters, die šamaš zugesprochen wird� Der Text der Stele führt die Recht setzende Funktion des babylonischen Königs weiter aus� Er ist nicht nur dazu aufgefordert, Recht durchzusetzen, sondern nimmt zugleich eine rechtskonstitutive Funktion wahr� Entscheidend für die Deutung der Bild-Text-Relation im Codex Hammurapi ist, dass die auf der Stele abgebildete Szene diese im Text beschriebene besondere Macht Hammurapis ausdrückt� Er wird von der Sonnengottheit beauftragt, Recht über die ‚Schwarzköpfigen‘ zu setzen, dieses durchzusetzen und damit Macht zu begründen� Das Bild zeigt die Investitur des Königs, der, obwohl er sich in überlegener Position befindet, sich als Adoranten darstellt� Seine Macht, die er durch die Investitur erhält, beruht auf seiner pietas � „Trotz aller zur Schau gestellter ‚Bescheidenheit‘ Ḫammurapis […] erscheint er auf seinem Bildwerk […] als eine Person in erhabener Position, die nicht nur über besondere Fähigkeiten zu verfügen, sondern geradezu in die göttliche Sphäre entrückt zu sein scheint�“ 81 Damit nimmt Hammurapi eine Haltung ein, die für Königsstatuen (und nicht für Abbildungen auf Stelen) altorientalisch geläufig ist: „Prinzipiell gilt aber: Alle Statuen, die zu einem Gott in seinen Tempel hineingebracht wurden, mußten auf der Darstellungsebene die kanonischen Merkmale der sog� Beterfigur aufweisen�“ 82 Die bildliche Darstellung Hammurapis vor dem Sonnengott entspricht eben dieser Konstellation� 79 Übersetzung des Textes aus Kaiser, TUAT I / 1, 40� 80 Übersetzung des Textes in Kaiser, TUAT I / 1, 44� 81 Elsen-Novák / Novák, König, 146� Vgl� auch Sauten, Kodizes, 54� 82 Vogel, Statuen, 77� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 29 Die Stele als Teil eines Kommunikationsprozesses Damit stellt sich abschließend die Frage, warum der Rechtscodex auf einer Stele und nicht in einer Monumentalinschrift o� Ä� festgeschrieben wurde� In welchen Kommunikationsprozess wird ein Betrachter durch die gewählte Form gestellt und welche Wirkung verfolgt der Schaffer der Stele damit? Bereits die Berichte über die 1901 / 02 in Susa durchgeführte Grabung gehen davon aus, dass die Stele als Kriegsbeute um 1150 v� Chr� von einem Kriegszug der Elamiter gegen Babylon in das elamische Gebiet gelangte� Diese Annahme basiert darauf, dass die Originalstele laut CH Kol� XLVII : 59-78 in Babylon stand, in Elam vermeintlich aber die Originalstele ausgegraben wurde� Dieses Original wurde in Marduks Haupttempel E-sangil vermutlich gegenüber einer Statue Hammurapis aufgestellt� 83 Diese Konstellation ergab sich in E-sangil, da „nach Ausweis der Jahresnamenslisten das Jahr 22 Ḫammurapis als dasjenige bezeichnet wird, in dem das Bildnis von Ḫammurapi als ‚König der Gerechtigkeit‘ aufgestellt worden ist: mu alam Ḫammurabi lugal níg-si-sá � Da der ‚Codex‘ erst nach dem Jahr 35 hergestellt worden sein kann“ 84 , ist die räumliche Konstellation eine sekundäre� Diese scheint angelehnt an schon aus früherer Zeit bekannte Statuenkombinationen� Wie Winter bei einer Untersuchung der Stelen des Gudea von Lagaš aufweist, wurden die Königsstatuen im Tempel jeweils vor einer Götterstatue aufgestellt, so dass sich ein Gegenüber von König und Gottheit ergibt� Als Grundform dieser Aufstellung dient eine Audienzszene, in der der König vor der Gottheit steht� Das Anliegen des Königs an die Gottheit ist bei einigen Objekten in den Rücken der Königsstatue eingeschrieben, so dass der Kultbesucher den Text bei der Betrachtung der Figurenkonstellation von hinten wahrnehmen und auf diese Weise der Audienz beiwohnen kann� Eine vergleichbare Situation ergibt sich auch für den Betrachter des CH , auch wenn die Text-Bild-Raum-Konstellation eine andere ist� Die Audienz wird im Bild dargestellt, während der Text nicht das Anliegen des Königs an die Gottheit, sondern das Selbstverständnis des Königs als ‚König der Gerechtigkeit‘ darlegt� Neben der vollständig erhaltenen Stele wurden in Susa Bruchstücke weiterer Stelen gefunden, die als Kopien des Codex identifiziert werden konnten� 85 Diese 83 Vgl� Sauren, Kodizes, 3� Zur Verortung von Statuen und Stelen im Tempel vgl� Vogel, Statuen, 68: „In diesem Zusammenhang ist von weiterer Bedeutung der räumliche respektive emotiv-kognitive Erfahrungsraum der Statuen, der Tempel und die in ihm beheimatete Kultinszenierung, denn er konstruiert die Bedeutung der ästhetischen Erfahrung entscheidend mit� Erst an diesem atmosphärisch verdichteten Ort der Wirkungen des Numinosen kann die rituell-ästhetische Autorität des Bildes authentische Wirksamkeit erlangen�“ 84 Elsen-Novák / Novák, König, 144� 85 Bekannt sind acht Fragmente, die zu mindestens drei weiteren Stelen gehören� Transkriptionen der Texte in Nougayrol, Fragementes I, 340-352, sowie Sauten, Kodizes, 47-54. 30 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner wurden von den Elamern wohl aus unterschiedlichen Städten Sumers geraubt, 86 ohne dass es Hinweise darauf gäbe, dass sie in einer vergleichbaren räumlichen Konstellation in einem Heiligtum aufgestellt wurden� In diesen Städten scheinen die Kopien der Stelen eher in einem andersartigen Kommunikationsprozess gestanden zu haben� 87 Alle fragmentarisch erhaltenen Kopien sind ebenfalls aus poliertem Dioritstein geschaffen� Dies ist bemerkenswert, da dieser Gesteinstyp nur „in der Golfregion sowohl im Oman als auch im Südiran auftritt“ 88 und damit als Importprodukt nach Mesopotamien gelangen musste� Wie eine Inschrift auf einer aus dem gleichen Stein geschaffenen Skulptur des Königs Gudea von Lagaš zeigt, galt der Dioritstein als besonders wertvoll: „An dieser Statue wird niemand weder Edelmetall und auch nicht Lapislazuli, weder Kupfer noch Zinn noch Bronze verarbeiten; sie besteht nur aus Diorit ( na4 esi )“ 89 (Kol� VII : 49-54). Allein die Auswahl des Materials deutet schon auf einen ersten mit der Stele vermittelten Aspekt hin: Der König stellt seine Herrschaft als solche dar, die sich durch besonderen Wohlstand und Prosperität auszeichnet� Zudem wurde Diorit nur für Herrscherbilder (und nicht für Götterbilder) verwendet, was mit dem Umstand verbunden ist, dass aus Diorit ‚Statuen für die Ewigkeit‘ geschaffen wurden� 90 „Die durch das Material garantierte Unvergänglichkeit der Skulptur entrückt sie den profanen Lebenszyklen, den Unsicherheiten der menschlichen Existenz, versetzt sie in die Dimension des ewig Andauernden, des Endlosen, also Numinosen�“ 91 Doch nicht nur das Material, sondern auch seine Bearbeitung ist für Produktion von Königsstatuen und -stelen bedeutend� Sowohl CH als auch die erwähnte Statue B des Gudea von Lagaš 92 wurden nach der Schaffung der Stele / Statue stark poliert, so dass der Stein das Sonnenlicht „in erheblichem Maße“ 93 reflektiert� Durch die Reflexion des Sonnenlichts treten die vorspringenden Bereiche der modellierten Körper (im Besonderen 86 Während der Prolog der vollständig erhaltenen Stele darauf hinweist, dass diese Stele für das Mardukheiligtum in Babylon geschaffen wurde, deutet der Prolog des Duplikats B darauf hin, für den Tempel Enlils angefertigt worden zu sein� Vgl� Sauten, Kodizes, 53� Zur Geschichte der elamischen Raubzüge vgl. Potts, Elam, 233-238. 87 Vgl� Winter, Art, 366 f�, die darauf hinweist, dass mit šalmiya auch das Bildnis auf der Stele gemeint sein kann, da im Vergleich mit anderen Bildern und Texten šalmu nicht eindeutig als flächige oder plastische Darstellung zu bestimmen ist� Vgl� die Stele Assurbanipals II� im Ninurta-Tempel (Text in Grayson, RIMA 2, 254)� 88 Elsen-Novák / Novák, König, 134 A14� 89 Text aus Steible, Bau- und Weihinschriften 1, 173� 90 Vgl� Selz, Stein, 392 f� 91 Vogel, Statuen, 71� 92 Diese Statuen korrespondieren wohl ebenfalls mit einem Rechtscodex; vgl� Sauren, Kodizes, 3� 93 Elsen-Novák / Novák, König, 142� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 31 die Gesichter und innerhalb der Gesichter die Augen) hervor und scheinen zu leuchten� 94 Dieser von der Stele ausgehende Glanz ist als Begabung des Königs mit einem mit Gottheiten verbundenen Glanzphänomen ( melammu , puluḫtu etc�) zu verstehen, durch den die königliche Herrschaft als göttlich legitimierte beschrieben wird� 95 Ihre volle Wirkung konnte die Stele also nur an einem Ort erzielen, an dem sie im Sonnenlicht stand� Die in der Forschung wiederholt vermutete Aufstellung der Stele innerhalb eines Tempels und als Gegenüber zu einer Königsstatue kann dann nur bedeuten, dass diese nicht innerhalb des Tempelgebäudes, sondern im Tempelareal standen� Der Dioritstein und die reliefartige Darstellung der Investitur des Königs Hammurapi kann nur an einem Ort seine volle Wirkung erzielen, an dem er vom Sonnenlicht bestrahlt werden konnte� Eine vergleichbare Konstellation wird auf dem Zylinder A Kol� XXII : 21-23 des Gudea von Lagaš dargestellt� In der Inschrift wird erwähnt, dass der Ort der Gerichtsentscheidung im èšgalam (im ‚vollkommenem Heiligtum‘), d� h� im Südwest-Tor des Tempels liegt� 96 Die Tradition des Gerichts am Morgen durch die Sonnengottheit lässt vermuten, dass die Stele mit der Abbildung gen Osten aufgestellt wurde, um im aufgehenden Sonnenlicht zu erstrahlen� Die Stele beginnt in dem Moment zu strahlen, in dem die Sonne über dem Tempelgebäude aufleuchtet� Hier entsteht dann eine Korrespondenz zwischen der sichtbar werdenden Sonne und der Statue des Herrschers� Die Raumkonstellation innerhalb des Tores wird so durch den Sonnenlauf bestimmt� Eine ähnliche Konstellation kann es in E-sangil ebenfalls gegeben haben, wenn die Stele im Haupthof oder alternativ im Vorhof gen Osten gerichtet aufgestellt stand, so dass sie bei Sonnenaufgang erstrahlen konnte� 97 Die Vorstellung der Sichtbarwerdung königlicher Macht im erstrahlenden Sonnenlicht 98 ist verbunden mit dem Verständnis einer dauerhaften Gegenwart des Königs durch die Stele� In neuassyrischen Steleninschriften erscheint 94 Vgl� Vogel, Statuen, 74: „Es sind die hochpolierten Oberflächen der Dioritstatuen, die den Stein im Wahrnehmungsprozeß in eine ‚lebendige‘ Materie zu transformieren vermögen, denn durch die Reflexe des Lichts auf den spiegelglatten Flächen wird optisch der Eindruck von Bewegtheit und Augenblicklichkeit erreicht�“ 95 Wie Oppenheim, Melammu, 32 f�, aufzeigt, wird der agû melammu der Gottheiten, an denen der König bei der Investitur partizipiert, „spiritualized into the supernatural glamour emanating from sacred objects and hallowed abodes“� Im Strahlenglanz der Stele wird die mit der Bemächtigung des Königs einhergehende Wirksamkeit des göttlichen Willens sichtbar� Vgl� Wagner, Herrlichkeit, 153 f� 96 Vgl� Sauren, Kodizes, 4� 97 Zur Konstruktion des Tempelgebäudes vgl� George, E-sangil, 75� 98 Vgl� zu Hammurapis Selbstverständnis als Richter ‚wie der Sonnengott über den Schwarzköpfigen‘ auch den mehrfach belegten Namen Ḫammurapi-šamsi ‚Hammurapi ist mein Sonnengott‘� 32 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner wiederholt die Formel šumma šakānu � Sie wird im Kontext der Steleninschrift von assyrischen Königen verwendet, um ihre Gegenwart durch die und in der Stele anzuzeigen� Sie erscheint jeweils in der Exposition des Textes, in dem dann i� d� R� Kriegsereignisse, die zur Okkupation des Landes führten, dargelegt werden� Diese Formel findet sich in Monumentalinschriften nicht und ist offenbar an die Form Stele gebunden� Ihre Verwendung verdeutlicht, dass die Stele als Repräsentanz resp� Vergegenwärtigung des auf der Stele Beschriebenen dient� In diesem Sinne ist auch der folgende Passus des Epilogs des CH zu verstehen: Kol� XLVIII 3 Ein geschädigter Bürger, 4 der eine Rechtssache 5 bekommt, 6 möge vor meine Statue 99 7 (namens) ‚König der Gerechtigkeit‘ treten, 10 meine beschriftete 9 Stele 11 möge er lesen, 12 meine 13 überaus wertvollen 12 Worte 14 möge er hören, 15 meine Stele möge die Rechtssache 16 ihm klären, 17 seinen Richterspruch möge er ersehen, 18 sein Herz 19 möge er aufatmen lassen (und sagen: ) 20 ‚Hammurapi, 21 der Herr, der wie ein 22 leiblicher 21 Vater 23 für die Leute 24 da ist, 25 hat auf das Wort 26 seines Herrn Marduk 27 sich bemüht, 28 den Wunsch Marduks 29 oben 30 und unten 31 erreicht, 32 das Herz 33 seines Herrn 32 Marduk 33 erfreut 34 und Wohlergehen 35 für die Leute 36 auf ewig bestimmt 37 und dem Lande 38 zu seinem Recht verholfen.‘ - 39 dies 40 möge er sagen 41 und vor 42 meinem Herrn Marduk 44 und meiner Herrin 43 Zarpanitua 46 von ganzem 45 Herzen 47 mich segnen� 100 Ein letzter Aspekt im Kommunikationsprozess ist bezüglich der Wirkung der Statue auf den Betrachter noch zu bedenken: Die Stele ist ca� 2,25m hoch, ihr oberes Register trägt auf der Vorderseite die bereits besprochene Abbildung� D� h� ein Betrachter nimmt das, was dort dargestellt wird, als über seinem Kopf geschehend wahr� Eine räumlich höhere Position und die damit verbundene Größe der Person ist zugleich Ausdruck ihrer sozialen Stellung� So verwundert es nicht, dass Hammurapi stehend leicht größer als der Sonnengott sitzend ist� Für den Betrachter bedeutet dies, dass er nach oben und damit zu einer ihm hierarchisch übergeordneten Personen aufblicken muss, um die Szene wahrzunehmen� Was ihm das Gegenüber vermittelt, ist das im Herrschaftsraum Hammurapis geltende Gesetz mit den dazugehörigen Strafandrohungen� Anders als bei einer Gesetzesverlesung gewährleistet die Stele eine dauerhafte Rechtsverkündigung� Zugleich dient das Königtum als Garant der Durchsetzung des 99 Die Wendung ina / ana maḫar wird mehrfach als Ausdruck einer räumlichen Trennung des Bildes von der Stele verstanden, so dass vermutet wird, vor der Stele hätte eine Statue Hammurapis gestanden� Gegen diese Interpretation führt Winter, Art, 366, an, hier wäre „in Anwesenheit von“ zu lesen, was für eine Identität des Bildnisses des ‚Königs der Gerechtigkeit‘ ( šar miṣarum ) mit dem Bildnis im oberen Drittel der Vorderseite spricht� 100 Text aus Kaiser, TUAT I / 1, 76� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 33 Rechts� Wie Hammurapi dies umsetzt, wird dem Betrachter ab Kol� II vermittelt� Die fallbezogene historische Schilderung ist damit nicht nur eine Darstellung einer einstmals geschehenen Durchsetzung des Rechts, sondern zugleich ein exemplarischer Vorgang, wie das Recht auch gegenüber dem Betrachter potentiell durchgesetzt werden kann� Zuletzt ist für die Betrachtung der Stele noch ein Aspekt entscheidend� Die im oberen Viertel der Stele dargestellte Szene ist keine, die der Betrachter mit seinen eigenen Augen sehen könnte, da sie sich in einer ihm nicht zugänglichen Sphäre ereignet. Räumlich wird dieses durch die Höhe des Bildes (ca. 1,65-2,25m hoch), inhaltlich durch die Darstellung einer Szene aus der göttlichen Sphäre ausgedrückt� Dies bedeutet zugleich, dass auf der Stele eine Sphäre sichtbar wird, die ohne sie außerhalb der Wahrnehmung des Betrachters liegen würde� In diesem Sinne gibt es eine doppelte Kommunikationssituation: Zum einen wird der Betrachter in die Kommunikation zwischen König und Gottheit einbezogen; zum anderen eröffnet Hammurapi durch das Aufstellen der Stele seine Kommunikation mit dem Betrachter, in dem er sich als von der Sonnengottheit autorisierten und begabten Richter darstellt� Damit wird im Bild der Stele ein Bild sichtbar, das der Betrachter mental reproduzieren und auf andere Aussagen über den König oder das Recht beziehen kann� (Thomas Wagner) Wenn Bilder verboten sind-- Die Ausformung von Sprachbildern unter dem Gebot der Bilderlosigkeit Damit ist im letzten Schritt nach der Umsetzung von konkreten in mentale Bilder zu fragen� Die Reproduktion von Bildern, die auf konkreten Erfahrungen beruhen, wird vor allem hinsichtlich eines bildlos verehrten Gottes, wie ihn das Alte Testament darstellt für den Verehrer relevant� Während sich das Bilderverbot gegen Fremdgötter und ein statisches Gottesbild wendet, verlangt die symbolisch-repräsentative Funktion bildhafter Darstellungen, wie sie in den biblischen Texten zu finden ist, nach einem dynamischen Gottesbild und entsprechender bildhafter Rede von Gott� Naturgewalten und Sinneswahrnehmung JHWH erscheint am Sinai mit Donner, Blitz und Vulkanausbruch (Exodus 19,16-18), welche als source domain NATURGEWALTEN zusammengefasst werden können� Die target domain GOTT wird dadurch als laut, hell, zerstörerisch, urgewaltig erfasst� Die Verbindung zwischen beiden domains geschieht innerhalb der Erzählung durch das Volk Israel, welches aus der Dynamik der 34 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Naturgewalten auf Gott schließt und das Gehörte als Rede Gottes ansieht� Eine Gestalt Gottes sieht das Volk jedoch nicht (Dtn 4,15)� Das Bundesbuch (Ex 20,22-23,19[33]) nimmt dann in seiner Eröffnung auf die vorhergehende Theophanie am Sinai Bezug� Es verbindet die zwei Sinneswahrnehmungen des Hörens und Sehens zur Metapher ‚Rede sehen‘: ‚Ihr habt gesehen, dass ich vom Himmel her mit euch geredet habe�‘ (Ex 20,22)� Donner, Blitz und Vulkanausbruch der source domain NATURGEWALTEN gehen nicht schweigend oder unsichtbar von statten� Die damit verbundene Lautstärke und die sichtbaren Phänomene von Unwetter und Vulkanausbruch werden auf die target domain GOTT / JHWH übertragen, der so zu den Menschen spricht� Zugleich wird JHWH mit dem Himmel als seinem Aufenthaltsort in Verbindung gebracht� Das Bilder- und Fremdgötterverbot wird mehrfach ausgesprochen und an einer kultischen Gottesverehrung festgehalten (Ex 20,23; 23,24�32 f�; Dtn 4,16-19), welche als unmittelbarer Dienst eines priesterlichen Volkes gedacht war� 101 Diese Unmittelbarkeit geht in Folge des Herstellens eines goldenen Jungstiers verloren (Ex 32,1-33,6) und wird durch das Zelt der Begegnung, in welchem die Wolke Gottes einkehrt, ersetzt� JHWH s Präsenz wurde in der Wolke sichtbar (Ex 40,34-38). Doch dies gilt im Narrativ nur für die Wüstengeneration. Späteren bleibt die visuelle Wahrnehmung Gottes verwehrt� Anthropomorphe Rede von Gott Kultbilder zielen nicht darauf, einen Gott als Individuum zu porträtieren, sondern ihn zu repräsentieren� Sie treten mit Paraphernalia in einem bestimmtem Umfeld auf, 102 oftmals in den wiederkehrenden Figurenkonstellationen eines Mythos� 103 Auch wenn der Gott Israels nicht in einem Kultbild abgebildet wird, so repräsentiert anthropomorphe Rede seine personale Wirkmächtigkeit� Sie ordnet den Körperteilen unterschiedliche Funktionen zu und verwendet in großer Gestaltbeständigkeit 104 entsprechende Lexeme anstelle von Abstrakta� Sie eröffnet damit ein synthetisches Bedeutungsspektrum von „Körperbedeutung, gestischer Bedeutung und funktionaler Bedeutung“ 105 � Wagner zeigt, dass die Körperteile besonders häufig belegt sind, welche die Kommunikation betreffen, also das Gesicht als Ganzes sowie die Sinnesorgane Nase, Auge, Mund, Ohr; 101 Vgl� Römer, Entstehung, 113� 102 Berlejung, Theologie, 301; Keel, Paraphernalia, 317-342. 103 Bspw� Isis, Nephtys, welche den toten Osiris beklagen und selbst bereits durch die Hieroglyphen auf ihrem Kopf identifiziert sind� 104 Wagner, Gottes Körper, 11� 105 Müller / Wagner, Körperauffassung, VII� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 35 zudem auch Hand und Fuß� 106 Diejenigen, die durch Geschlechtsmerkmale eine geschlechtliche Festlegung oder die Verbindung zu einem Fruchtbarkeitskult ermöglichen würden, fehlen� Der menschliche Funktionsbereich wird bildhaft ausgeweitet, indem Gott etwa seine Füße auf die Erde als Schemel legt (Ps 132,7), er Himmel und Erde mit seiner großen Kraft und seinem ausgestreckten Arm erschafft ( Jes 32,17) und ihm theriomorph Flügel zugedacht werden, unter denen er den Menschen Zuflucht gewährt (Ps 17,7, 36,8, 57,2, 63,8)� Alle diese Anthropomorphismen können mit der Methode des MENTAL MAPPINGS weiter erfasst werden� Dieses soll beispielhaft an der bemerkenswert ausführlichen anthropomorphen Beschreibung erfolgen, die sich im aramäischen Teil des Danielbuchs findet� Dort kommt es zu einer in der Apokalyptik populären Throngerichtsszene 107 mit der Beschreibung Gottes als altem Mann: Ich sah, wie Thronsessel aufgestellt wurden, und einer, der alt an Tagen war, setzte sich� Sein Gewand war weiß wie Schnee und sein Haupthaar wie Lammwolle; 108 sein Thronsessel wie Flammen, welche Feuer sind und seine Räder loderndes Feuer� Ein Fluss von Feuer floss von ihm� Tausend mal Tausende dienten ihm, und Zehntausend mal Zehntausende standen vor ihm� Das Gericht setzte sich, und Bücher wurden aufgeschlagen (Dan 7,9 f�)� Die source domain ALTER MANN steht für die target domain GOTT � Die äußere Beschreibung des Uralten folgt dem TEIL - UND - GANZES -Schema, denn weiße Kleider, weißes Haar, flammender Thronsessel mit Rädern beschreiben einzelne Teile, welche zusammen eine ehrwürdige Gerichtsszene ergeben� Die vielen Wesen, die sich um den Thron herum befinden, gehören zum ZENTRUM- PERIPHERIE -Schema� Das Ausgehen des Feuerflusses vom Thron folgt dem QUELLE-WEG-ZIEL-Schema� Das Hinsetzen des Gerichtes, also wohl der vielen anwesenden Wesen, folgt einem OBEN - UNTEN -Schema� Die SOURCE DOMAIN bildet eine Metapher, in welcher verschiedene Körperschemen zusammenfließen und so die Dynamik des Bildes bewirken� Unterstützt wird dieses durch die verschiedenen Farben und die Bezeichnung ‚alt an Tagen‘� Der Beschriebene ist uralt, also weise� Er trägt weiße Kleider und weißes Haar, ist also rein und ehrwürdig� Er hat einen feuerflammenden Thronsessel, er vergeht also nicht und erweist sich als heilig� Die Räder des Thrones sind loderndes Feuer� Er kommt mit vernichtender Kraft und beherrscht die Naturgewalten� Durch den feurigen Strom erweist er sich als Richter� 106 Wagner, Gottes Körper, 135-137, stellt tabellarisch diejenigen Körperteile zusammen, die im Anthropomorphismus nicht vorkommen bzw� vorkommen� 107 Vgl. Newsom, Daniel, 227-252. 108 Vgl� Newsom, 230� Die verbreitete Übersetzung ‚rein‘ für נקא findet sich erst in spätaramäischen Dialekten� 36 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Die weiße Farbe, die feurigen Flammen sowie die Anwesenheit einer Vielzahl himmlischer Wesen weisen auf das Anderssein dieser göttlichen Erscheinung hin� 109 Die Autorität wird durch die vielen Anwesenden, die das Gericht bilden, verstärkt� Sie setzen sich erst, als sich der Uralte setzt und die Bücher aufgeschlagen werden� Diejenigen, über die Gericht gehalten wird, fehlen jedoch� Hier würde es sich nun anbieten, mit der Methode des CONCEPTUAL BLEN- DING den Text weiter zu bearbeiten und die einzelnen SOURCE und TARGET DOMAINS im BLENDING zusammenzuführen� SPACE 1 ( Gerichtsszene ) und SPACE 2 ( Thronszene ) führen etwa zum BLENDING : Wenn Gott sein Gericht vollzieht, dann sitzt er als Ewiger, Makelloser, Heiliger und hält mit seinem himmlischen Heerscharen Gericht über die Menschen nach ihren Werken, die im Gedächtnis Gottes wie in einem Buch eingeschrieben sind� Daniel schildert eine Vision, in der er kein Abbild auf Erden, sondern ein Bild von Gott im Himmel sieht� Gott ist der ‚Gott des Himmels‘ (Dan 2,18 f�37�44)� Insofern haben wir hier eine Tradition, die nicht vom Bilderverbot betroffen ist� Es kann nicht missbraucht werden, da kein Mensch davor niederfallen kann� In ihrer Thronbeschreibung erinnert die Vision an Ez 1-3. Der Text beschreibt Wesen, die wie Menschen anzusehen waren, aber theriomorph übersteigert sind (Ez 1,4-27). Wo Eigenschaften Gottes repräsentiert werden, geht es um deren Funktion und Wirkung� Es liegen nicht bloß anthropomorphe, theriomorphe und chrematomorphe Repräsentationen, 110 sondern anthropragmatische, theriopragmatische 111 und ggf� chrematopragmatische 112 Bilder vor� Dynamik Gottes Im Horizont des bisher zum Bilderverbot Gesagten, zeigt sich in den konzeptionellen Metaphern, wie von Gott theriomorph, anthropomorph und chrematomorph gesprochen wird� Metaphern konstruieren Realitäten und repräsentieren Konzepte ihrer Weltsicht� Sie reflektieren und interpretieren ihr Umfeld in historischer, religiöser und sozialer Hinsicht� 113 Gott erweist sich als soziales Wesen, indem er gesellschaftliche Tätigkeiten übernimmt: Er richtet, klagt an, tritt als Zeuge auf und vollstreckt sein Urteil (Hos 6,4�5; Joel 4,2�12; Mal 3,5)� Er vertilgt feindliche Nationen, wirft die Wagen um, stürzt Ross und Reiter und führt siegreich Krieg (Hag 2,22)� Er vernichtet und befreit, denn er zerbricht Riegel, rottet Einwohner aus, tötet, führt weg, verwüstet, zerstört, vertilgt, macht zu Steinhaufen, löscht Boten aus, stachelt auf, jagt Angst 109 Vgl� Newsom, Daniel, 229 f� 110 Der Gestalt nach auf einen Menschen, ein Tier oder eine Sache bezogene Repräsentation� 111 Vgl� Thöne, Bärin, 264� 112 Vgl. Müllner, Samuelbücher, 103-108. 113 Vgl� Labahn, Proceedings, 8� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 37 Stefan Fischer, * 1966, Dr� theol�, ist Privatdozent an der Ev�-Theol� Fakultät� der Universität Wien und Gastprofessor an der Humbold Universität zu Berlin� Außerdem ist er Forschungsmitarbeiter an der University of the Free State, Bloemfontein, Südafrika� Er lehrt seit 20 Jahren alttestamentliche Wissenschaft im deutsch- und englischsprachigen Bereich� Als Pfarrer der evangelischreformierten Kirche Basel-Stadt steht er im steten Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis� Thomas Wagner, * 1971, Dr� theol�, ist Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal und Privatdozent an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel� Neben seinen Studien zum Alten Testament beschäftigt er sich mit der Entwicklung von hochschuldidaktischen Konzepten zur Vermittlung exegetischer Methodik in den BA - und Lehramtsstudiengängen� Florian Lippke, * 1983, Ass� Dipl�, Kurator VA BIBEL+ORI- ENT Museum an der Universität Fribourg, ist als Dozent im Fachbereich Altes Testament mit Schwerpunkt Hebräische Bibel und biblische Kulturgeschichte tätig� Nach theologischen und altertumswissenschaftlichen Studien spezialisierte er sich auf mediengeschichtliche und materiale (archäologische) Grundlagen der biblischen Welt� Er lehrt biblische Exegese, antike Philologien und Religionsgeschichte an mehreren Universitäten in der Schweiz, in Deutschland und in Israel� 38 Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner ein, vernichtet, rottet aus, lässt Rosse scheuen, macht irre oder blind (Am 1,5; 2,3; 4,10; 7,8�9; 9,4�5�8�9; Mi 1,6; Nah 2,14; Hab 1,6; Zef 1,4�17; 2,11; 3,6�20; Sach 9,6; 12,4�9)� Er tritt als Bogenschütze auf, indem er den Bogen spannt� Er wird aber nicht als Bogenschütze bezeichnet (Sach 9,13)� Er macht Menschen betrunken, ist aber nicht der Wirt (Sach 12,2)� Er pflügt und sät, ist aber kein Ackermann (Hos 11,4; Sach 10,9)� Er schaufelt ein Grab, wird aber nicht zum Totengräber (Nah 1,14) etc� Nominalisierungen treten vor allem in relationalen Anthropomorphismen auf: ‚Du bist unser Vater‘ ( Jes 63,16), ‚ich bin euer König‘ ( Jes 43,15), ‚ein Mann der Schlacht / Kriegsheld‘ (Ex 15,3), und in Vergleichen ‚wie eine Mutter‘ ( Jes 66,13)� Gott, der seine Herde hegt und pflegt (Mi 2,12; Hos 4,16), wird in der poetischen Sprache der Psalmen zum Hirten (Ps 23,1)� 114 Bei Vergleichen wird durch die Vergleichspartikel eine Distanz zu Gott eingeführt, 115 so dass die Vergleiche zwar überraschend sein können, aber nicht in der Gefahr stehen, das Bilderverbot zu übertreten� Auch heben sie gewöhnlich die jeweils damit verbundene Eigenschaft oder Tätigkeit hervor� So kann Gott wie eine das Verrottende fressende Motte oder Made (Hos 5,12) und wie ein sein Opfer zerreißender und wegschleppender Löwe (Hos 5,14) 116 werden� Angesichts der Bilderlosigkeit kann vermutet werden, dass diese Art der Darstellung in Abgrenzung von den Kultbildern der umliegenden Völker erfolgt, aber dass sie darüber hinaus das Gottesbild bestimmt� Die Analyse von Gott als Figur prophetischer Rede 117 zeigt, dass Gottes Handeln gewöhnlich in Verben oder Partizipien beschrieben wird� Wenn Gott keine Form annehmen darf und nur in der Vorstellung existiert, so werden Nominalisierungen, welche das Statische eines Bildes eher repräsentieren, seltener verwendet als Verben� Eine Übertragung in Nomen, wie sie häufig unreflektiert vorgenommen wird, 118 führt hingegen zu einer nicht textgemäßen Verbildlichung bzw� Erstarrung und übersieht die Tiefenwirkung des Bilderverbots, welche über das Kultbildverbot hinausgeht� Da es zwischen sprachlichen und materialen Bildern enge Beziehungen gibt, 119 zeigt sich hier eine Problematik� Tätigkeiten werden punktuell festgehalten: aus dem, der den Bogen schießt, wird ein Bogenschütze etc� So verändert das materiale Bild die Wahrnehmung 114 Vgl� mit vielen weiteren Beispielen die Zusammenstellung in den prophetischen Ich- Reden Gottes bei Fischer, Figur, 156-177. 115 Vgl� Wagner, Gottes Körper, 19� 116 Vgl� Fischer, Figur, 178� 117 Fischer, Figur, 180� 118 So z� B� Wagner, Gottes Körper, 19 ‚Richter‘ ( Jes 58,12), ‚derjenige, der Gericht hält‘, ‚Hebamme‘ - ‚aus dem Mutterleib ziehen‘ Ps 22,10. 119 Vgl� Wagner, Gottes Körper, 31� Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel 39 und steht dadurch in der Gefahr, dass die Dynamik der biblischen Beschreibungen verloren geht� Gott erstarrt zu einem Bild und das Bilderverbot wird zwar nicht materiell, aber mental übertreten� Die Folgen einer mentalen Übertretung des Bilderverbots werden in der Rezeptionsgeschichte der biblischen Texte - im engeren Sinne in der Kirchen- und Kunstgeschichte, im weiteren Sinne aber bei jeder Bibellektüre - offenbar. Die Dynamisierung des Gottesbildes in den biblischen Schriften stellt ein hermeneutisches Prinzip dar, dass einer in der Rezeption häufig sichtbaren Stativierung der mentalen Bilder zutiefst widerspricht� Darauf ist besonders dort hinzuweisen, wo es im religionspädagogischen Kontext sowie in der Kunstgeschichte zu einer statischen Darstellung ursprünglich dynamischer Metaphern kommt� (Stefan Fischer) Literatur Avemarie, Friedrich: Erwählung und Vergeltung� Zur optionalen Struktur rabbinischer Soteriologie, NTS 45 (1999), 108-126. 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An Bildern sollen bewusst figürliche Darstellungen Alter Meister genutzt werden, in denen ein hoher bildsprachlicher Erzählgehalt erkennbar wird: ein Gemälde aus der italienischen Renaissance sowie zwei Gemälde aus dem flämischen bzw� niederländischen Barock� Textwahrnehmung: 2Sam 11,1 - 12,1 als chronologische Folge von Sendungsgeschichten „Der Raum ist die Grunddimension der Bildlichkeit, während die Zeit die Grunddimension der Erzählung ist�“ 3 Diese grundlegende Bestimmung der intermedialen Relation von Bild und Text bedeutet für die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung, dass mit Studierenden von Anfang an auf das zeitliche Nacheinander der im Text erzählten Handlung(en) einerseits, auf das räumliche Neben- und Ineinander der im Bild dargestellten Figuren und Gegenstände andererseits zu achten ist� Die Wahrnehmung der genauen zeitlichen Abfolge erzählter Handlung gelingt zuverlässig, wenn der biblische Erzähltext in Verse segmentiert und in die zeitlich relevanten Erzählsequenzen Anfang, Mitte, Schluss gegliedert wird: 1 Vgl� zum AT etwa Kipfer, David; zum NT: Luz, Hermeneutik, 313-357 („Jenseits der Sprache: Interpretationen von neutestamentlichen Texten durch Bilder“); vgl� auch als ersten exegetisch- und systematisch-theologischen Entwurf Hartenstein / Moxter, Hermeneutik� 2 Vgl� dazu exemplarisch Belting, Kunstgeschichte; Boehm, Bilder; Bredekamp, Theorie; Günzel / Mersch, Bild; Stoellger, Bildwissenschaften� 3 Luz, Hermeneutik, 331� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 47 2Sam 11,1 - 27 in verssegmentierter Präsentation und mit Gliederung in Anfang/ Mitte/ Schluss; 4 Text nach Lutherbibel 2017 4 Die Segmentierung des Textes erfolgt nach dem Satzzeichenprinzip, dem rhythmisch-intonatorischen Prinzip und dem Prinzip des finiten Verbs (vgl� dazu Hoegen-Rohls, Verssegmentierung)� Redeeinleitungswendungen werden unterstrichen, direkte Rede wird eingerückt und kursiv gesetzt� Das kohärenzstiftende Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ wird durch Kapitälchen hervorgehoben� Anfang Anfang.1: Die Ausgangssituation (Krieg mit den Ammonitern) Sendungsgeschichte.1: Sendung Israels unter Leitung Joabs nach Rabba 1a Und als das Jahr um war, 1b zur Zeit, 1c da die Könige ins Feld zu ziehen pflegen, 1d SANDTE David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel, 1e damit sie das Land der Ammoniter verheerten 1f und Rabba belagerten. Der eine Schauplatz des Geschehens: Jerusalem 1g David aber blieb in Jerusalem. Anfang.2: Die Ausgangsszene am Abend David auf dem Dach des Königspalastes in Jerusalem 2a Und es begab sich, 2b dass David um den Abend aufstand von seinem Lager 2c und sich auf dem Dach des Königshauses erging; Anfang.3: Exposition der Figurenkonstellation David/ Batseba 2d da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; Die Beschreibung Batsebas 2e und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Mitte Mitte.1: David und Batseba Sendungsgeschichte.2: Erkundung der Identität Batsebas 3a Und David SANDTE hin 3b und ließ nach der Frau fragen, 3c und sagte: 48 Christina Hoegen-Rohls 1g David aber blieb in Jerusalem. 2a Und es begab sich, 2b dass David um den Abend aufstand von seinem Lager 2c und sich auf dem Dach des Königshauses erging; hin 3b und ließ nach der Frau fragen, 3c und sagte: , 3e die Frau Urias, des Hetiters? Sendungsgeschichte.3: David sendet Boten und lässt Batseba holen 4a Und David SANDTE Boten hin 4b und ließ sie holen. Die Erfüllung der Sendung: Der Beischlaf 4c Und als sie zu ihm kam, 4d schlief er bei ihr; Kommentar zur Situation Batsebas im Blick auf den weiblichen Zyklus 4e sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit. Rückkehr Batsebas in ihr Haus 4f Und sie kehrte in ihr Haus zurück. Sendungsgeschichte.4: Batseba informiert David über ihre Schwangerschaft 5a Und die Frau ward schwanger 5b und SANDTE hin 5c und ließ David sagen: 5d Ich bin schwanger geworden. Mitte.2: David und Uria Sendungsgeschichte.5: Der erste Auftrag an Joab 6a David aber SANDTE zu Joab: 6b Sende zu mir Uria, den Hetiter. Sendungsgeschichte.6: Erfüllung des Auftrags, Sendung Urias 6c Und Joab SANDTE Uria zu David. Ankunft Urias, Dialog David/ Uria.1 7a Und als Uria zu ihm kam, 7b fragte David, 7c ob es mit Joab und mit dem Volk und mit dem Krieg gut stünde. 8a Und David sprach zu Uria: 8b Geh hinab in dein Haus 8c und wasch deine Füße. Captatio benevolentiae Davids 8d Und als Uria aus des Königs Haus hinausging, 8e wurde ihm ein Geschenk des Königs nachgetragen. Urias Reinheit 9a Aber Uria legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, 9b wo alle Knechte seines Herrn lagen, 9c und ging nicht hinab in sein Haus. Dialog David/ Uria.2 10a Als man aber David ansagte: 10b Uria ist nicht hinab in sein Haus gegangen, 10c sprach David zu Uria: , 3e die Frau Urias, des Hetiters? 3d Das ist doch Batseba , 3e die Tochter Eliams, 3f die Frau Urias, des Hetiters? Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 49 10d Bist du nicht von weit her gekommen? 10e Warum bist du nicht hinab in dein Haus gegangen? 11a Uria aber sprach zu David: 11b Die Lade und Israel und Juda wohnen in Zelten 11c und Joab, mein Herr, und meines Herrn Knechte liegen auf freiem Felde, 11d und ich sollte in mein Haus gehen, 11e um zu essen 11f und zu trinken 11g und bei meiner Frau zu liegen? 11h So wahr du lebst 11i und deine Seele lebt: 11j Das werde ich nicht tun! 12a David sprach zu Uria: 12b Bleib heute hier, 12c morgen will ich dich gehen lassen. Urias fortdauernde Reinheit 12d So blieb Uria in Jerusalem an diesem Tage und auch am nächsten. 13a Und David lud ihn ein, 13b dass er bei ihm aß und trank, 13c und machte ihn trunken. 13d Aber am Abend ging er hinaus, 13e dass er sich schlafen legte auf sein Lager bei den Knechten seines Herrn, 13f und ging nicht hinab in sein Haus. Sendungsgeschichte.7: Davids Brief an Joab, gesendet durch Uria 14a Am Morgen schrieb David einen Brief an Joab 14b und SANDTE ihn durch Uria. 15a Er schrieb aber in dem Brief: 15b Stellt Uria vornehin, 15c wo der Kampf am härtesten ist, 15d und zieht euch hinter ihm zurück, 15e dass er erschlagen werde 15f und sterbe. Der andere Schauplatz: Das Schlachtfeld um Rabba Ausführung des zweiten Auftrags: Tod Urias 16a Als nun Joab die Stadt belagerte, 16b stellte er Uria an den Ort, 16c von dem er wusste, 16d dass dort streitbare Männer standen. 17a Und als die Männer der Stadt einen Ausfall machten 50 Christina Hoegen-Rohls 17b und mit Joab kämpften, 17c fielen etliche vom Volk, von den Knechten Davids, 17d und Uria, der Hetiter, starb auch. Mitte.3: Joab und David Sendungsgeschichte.8: Anordnung des Botenberichts mit der Pointe von Urias Tod 18a Da SANDTE Joab hin 18b und ließ David alles sagen, 18c was sich bei dem Kampf begeben hatte, 19a und sprach: 19b Wenn du dem König alles bis zu Ende gesagt hast, 19c was sich bei dem Kampf begeben hat, 20a und siehst, 20b dass der König zornig wird 20c und zu dir spricht: 20d Warum seid ihr so nahe an die Stadt herangerückt im Kampf? 20e Wisst ihr nicht, 20f dass sie von der Mauer schießen? 21a Wer erschlug Abimelech, den Sohn Jerubbaals? 21b Warf nicht eine Frau einen Mühlstein auf ihn von der Mauer, 21c sodass er in Tebez starb? 21d Warum seid ihr so nahe an die Mauer herangerückt? , 21e - so sollst du sagen: 21f Auch dein Knecht Uria, der Hetiter, ist tot. Ausführung des Auftrags: Botenbericht mit der Pointe: Tod Urias 22a Der Bote ging hin 22b und kam 22c und sagte David alles, 22d was Joab ihm aufgetragen hatte. 23a Und der Bote sprach zu David: 23b Die Männer waren uns überlegen 23c und zogen heraus aufs Feld gegen uns; 23d wir aber drängten sie bis an den Eingang des Tores. 24a Und die Schützen schossen von der Mauer auf deine Knechte 24b und töteten etliche von den Knechten des Königs, 24c und auch Uria, dein Knecht, der Hetiter, ist tot. Die Antwort Davids an Joab 25a David sprach zum Boten: 25b So sollst du zu Joab sagen: 25c »Lass dir das nicht leid sein, Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 51 In der David-Batseba-Erzählung 2Sam 11,1-27 entdecke ich innerhalb des dreifachen zeitrelevanten Grundgerüsts von Anfang, Mitte, Schluss eine weitere Tendenz zur Trias: Ein dreifacher Anfang und ein dreifacher Schluss umrahmen eine dreifach gegliederte Mitte� Dabei wird ein gleich in Anfang�1 (Die Ausgangssituation: Krieg mit den Ammonitern) eingeführtes Sprachelement zum rekurrenten Signal, das sich durch den gesamten Text zieht und diesen auch mit der Folgeerzählung, der David-Natan-Erzählung in 2Sam 12,1-15a, verknüpft. Gemeint ist das finite Verb ‚er / sie sandte‘, erstmals belegt in 2Sam 11,1d, das in allen Teilen der David-Batseba-Erzählung für den dramatischen Fortgang des Geschehens verantwortlich ist und entscheidend zur Kohärenz der narrativen Komposition beiträgt� Synchron betrachtet, lassen sich die eng verzahnten Erzählungen in 2Sam 11,1-27 und 2Sam 12,1-15a 25d denn das Schwert frisst bald diesen, 25e bald jenen. 25d Fahre fort mit dem Kampf gegen die Stadt 25e und zerstöre sie.« 25f So sollst du ihm Mut zusprechen. Schluss Schluss.1: Todesnachricht und Totenklage 26a Und als Urias Frau hörte, 26b dass ihr Mann Uria tot war, 26c hielt sie die Totenklage um ihren Eheherrn. Schluss.2: Trauerzeit, Heirat, Geburt des ersten Kindes Sendungsgeschichte.9: David macht Batseba zu seiner Frau 27a Sobald sie aber ausgetrauert hatte, 27b SANDTE David hin 27c und ließ sie in sein Haus holen, 27d und sie wurde seine Frau 27e und gebar ihm einen Sohn. Schluss.3: Erzählerkommentar aus dem Blickwinkel Gottes 27f Aber dem HERRN missfiel die Tat, 27g die David getan hatte. Scharnier: Verknüpfung mit der folgenden Erzählung 2Sam 12,1-15a/ Anfang der neuen Erzählung Sendungsgeschichte.10: Fortsetzung und zugleich Umkehrung der vorherigen Sendungsgeschichten durch Gottes Sendungsinitiative 12,1a Und der HERR SANDTE Natan zu David. 52 Christina Hoegen-Rohls als chronologische Folge von ‚Sendungsgeschichten‘ lesen, in denen das insgesamt zehnmal verwendete Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ die Figurenkonstellationen konturiert: die von den Koordinaten Eros und Macht bestimmte Konstellation David / Batseba, die von den Koordinaten Macht, Eros und Thanatos geprägte Konstellation David / Joab / Uria und die in die Koordinaten von Sünde und Nichtanrechnung von Sünde eingespannte Konstellation David / Gott� In den Sendungsgeschichten der David-Batseba-Erzählung kommt mit dem Erzählprädikat ‚er / sie sandte‘ jeweils eine kommunikativ und ethisch relevante Figurenhaltung zum Ausdruck: ‚Senden‘ meint in den Aktionen der erzählten Figuren zum einen die kommunikative Haltung initiativen Erkundens und Informierens, zum anderen die ethisch relevante Relation befehlender Forderung und deren Erfüllung� Sechsmal ist David Subjekt des erkundenden und befehlenden ‚Sendens‘ (V� 1d�3a�4a�6a�14b), zweimal befiehlt sendend sein Feldherr Joab (V� 6c�18a), einmal ist es Batseba, die in kommunikativer Absicht ‚sendet‘, um David über ihre Schwangerschaft zu informieren (V� 5b)� Alle Sendungen bis auf eine scheinen mündlicher Natur zu sein, nacheinander durch Boten überbracht� Die einzige Sendung, die ausdrücklich als schriftliche Nachricht in Form eines geschriebenen Briefes ausgewiesen wird, ist jene, durch die David dem Feldherrn Joab den Tod des Uria mit den Worten befiehlt: ‚Stellt Uria vornehin, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe‘ (V. 15b-f). Von David beauftragter Bote dieser Botschaft ist Uria selbst, der so zum Überbringer seines eigenen Todesschicksals wird (V� 14b)� Diese in Sendungsgeschichte�7 enthaltene tragische Pointe der Figurenkonstellation David / Uria resultiert erzählerisch aus den beiden unmittelbar vorausgehenden Dialogen David / Uria.1 (V. 7a-8c) und David / Uria.2 (V. 10a-12c), die das zeitdeckend erzählte Kernstück von Mitte�2 bilden� Alle Anstrengungen Davids, Uria zur intimen Einkehr bei seiner Frau zu bewegen, um deren Schwangerschaft als ehelich begründete zu tarnen, scheitern an Urias Ethos als Krieger� Weder lässt er sich durch Worte überreden, noch durch ein Geschenk bestechen - und noch in trunkenem Zustand bleibt er seiner ethischen Gesinnung treu, während des Krieges dort zu liegen, wo auch die Lade und die Kriegsleute Israels und Judas liegen: im Zelt� Urias ethische Haltung konkurriert mit der Gesinnung Davids, die die Erzählung gleich zu Beginn von Mitte�1 durch die beiden Sendungsgeschichten�2+3 präzise umreißt: Obwohl David soeben sendend erkundete, dass die von ihm erblickte schöne Frau die Frau des Uria ist, sendet er Boten zu ihr, um sie zu holen und ihr beizuwohnen (V. 3a-4d). Diese in königlicher Macht begründete Haltung Davids erfährt in Sendungsgeschichte�7 eine fatale Steigerung: Da Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 53 Urias Reinheit Davids Plan vereitelt, den folgenreichen Ehebruch mit Batseba zu verschleiern, zögert David nicht, Uria in den Tod zu senden� Der abschließende Kommentar, den der Erzähler in Schluss�3 wie eine siegelnde Unterschrift aus göttlicher Perspektive unter die David-Batseba-Geschichte setzt, hält unmissverständlich fest, dass Davids Reden und Handeln Gott missfallen (V� 27 f�g)� In konsequenter zeitlicher Fortsetzung der Sendungsgeschichten.1-9 und zugleich als deren inhaltliche Umkehrung lässt der Erzähler daher im narrativen Scharnier von 2Sam 12,1a Gott selbst die Sendungsinitiative ergreifen� Das Erzählprädikat ‚er sandte‘ wird somit zum Träger der theologischen Spitze des Erzählzusammenhangs: Gott ist es, der David, vermittelt durch den beauftragten Propheten Natan, den Spiegel vorhält, in dem sich David seines unheilvollen Sendungshandelns bewusst wird� Bildwahrnehmungen: 2Sam 11,1 - 12,1 in Bildern von Franciabigio, Rubens und Rembrandt Wie wird dieser ethisch und theologisch spannungsreiche Text in Bilder übersetzt? Welche Szene, welcher Handlungsstrang, welche Figur reizt die Malerei? Und welche ethische Entscheidung trifft die Kunst? Christina Hoegen-Rohls, * 1959, Dr� theol�, ist Professorin für Bibelwissenschaften (Altes und Neues Testament) und ihre Didaktik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster� Sie studierte Ev� Theologie, Germanistik und Erziehungswissenschaften an den Universitäten München und Zürich. In den Jahren 1991-1994 war sie als Gymnasiallehrerin für Deutsch und Ev� Religionslehre tätig� Als Privatdozentin an der LMU München wurde sie im Jahr 2005 vom Bayerischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit dem „Preis für gute Lehre 2004“ ausgezeichnet� Sie ist Mitglied im Lehrbeirat der WWU , der die Universitätsleitung u� a� in Fragen zu Studienbedingungen und Qualität in der Lehre berät� 54 Christina Hoegen-Rohls Abb. 1 Francesco di Cristofano Bigi (Florenz 1482 / 83 - Florenz 1525), Der Uriasbrief 5 / Story of Bathsheba 6 (1523), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden © akg-images / Erich Lessing Francesco di Cristofano Bigi, genannt Franciabigio, ein Schüler Piero di Cosimos, beeinflusst von den florentinischen Malern Fra Bartolomeo, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael und Andrea del Sarto, wurde 1482 / 83 in Florenz geboren, wo er auch im Jahre 1525 starb� 7 Das Bild - ein kleinfiguriges Breitbild in Öl auf Pappelholz in den Maßen 86 x 172 cm - stammt aus seinen letzten Lebensjahren, von 1523� Es entsteht im Auftrag eines gewissen Giovanni Maria Benintendi für die Wandverkleidung eines Raums in dessen Florentiner Palast� Solche wandverkleidenden ‚Spallieragemälde‘ wurden etwa in Schulter- und Augenhöhe angebracht, um eine genaue Bildbetrachtung zu ermöglichen� Was sehen wir? Zunächst fällt die helle, urbane Renaissance-Architektur ins Auge, in der Franciabigio die biblische Erzählung verortet� Wie für die Renaissance typisch, sehen wir die dargestellten Gebäude in perfekter Perspektive, was sich besonders an den Rundbögen der Arkaden, aber auch an den Treppen beobachten lässt� Folgen wir den durch die Architektur vorgegebenen Vertikalen, so ergibt sich eine rhythmische Gliederung des Bildes in weiter vorne und weiter hinten gelegene Bildräume� Am weitesten nach vorne tritt das linke äußere Bildfeld, das den Blick freigibt auf ein Brunnenbecken im Innenhof eines ebenfalls palazzoartigen Gebäudes, dessen rechte Mauer, ruinenartig aufgebrochen, dem Betrachter entgegenkommt - ein manieristisches Bildelement. 8 Wir befinden uns somit als Betrachter förmlich selbst im Innenhof, nahe bei der im Brunnen 5 So der Titel bei Marx, Gemäldegalerie� 6 So der Titel bei Mackillop, Franciabigio� 7 Vgl� dazu Marx, Gemäldegalerie, 67� 8 Vgl� Marx, Gemäldegalerie, 67� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 55 sich badenden Frauengruppe, in deren Mitte sich, umringt von mehreren lebhaft sich bewegenden Frauen, Batseba befindet� Körperlich frontal ist sie uns als Betrachtern zugewendet� Der hellen, monochromen Nacktheit der Frauengruppe im linken Bildfeld steht das Bekleidetsein der Figuren im übrigen Bildraum gegenüber� Hier herrscht bunte Farbigkeit in zeitgenössischen Gewändern� Welche Figuren lassen sich erkennen? Und welche „Logik der Struktur“ 9 wird „durch die räumliche Zuordnung der Einzelfiguren zum Ganzen, durch die Führung von Linien im Bildraum“ 10 deutlich? Im Vordergrund, leicht rechts von der Bildmitte aus gesehen, sehen wir eine kleine Gruppe, bestehend aus einem Pferd, an das sich eine Gestalt im weißen Hemd lehnt (vermutlich ein Diener), und einem uns den Rücken zuwendenden Halter dieses Pferdes in zeitgenössischer Uniform, aufrecht eine Lanze in der rechten Hand tragend� Folgen wir der aufgerichteten Lanze bis zur Lanzenspitze, so lenkt diese unseren Blick in leichter Linksdiagonale weiter hinauf auf den Balkon, an dessen Balustrade links außen eine Gestalt in einem Gewand mit prächtigen roten Ärmeln lehnt, angetan mit einer weißen Kopfbedeckung, die sich - bei lupenhaftem Hinsehen - als Krone entpuppt. Diese Figur ist König David, der fast genau in der Bildmitte, fast am höchsten Punkt des Bildes und doch wie versteckt aus dem Bildhintergrund seinen Blick in den Innenhof des links gelegenen Gebäudes wirft. Was er erblickt - das können wir als im Innenhof anwesende Betrachter bezeugen - entspricht wörtlich V. 2e unseres Textes: ‚und die Frau war von sehr schöner Gestalt‘� Halten wir jetzt schon fest: Anfang�2 und Anfang�3 unseres Textes werden in eindrucksvoller Verwandlung der Figurenproportion in unser Bild übersetzt� Die schöne, im Text jedoch nur kurz erwähnte Frau steht anmutig in ganzer Größe im Vordergrund, überhöht noch durch die aus ihrem Kopf gleichsam emporwachsende Säule mit korinthischem, kronenähnlichem Kapitell� Dagegen bleibt der große König des Textes klein und verborgen im Bildhintergrund� Allerdings zeigt uns das Bild genau, wohin er vom Palastbalkon aus blickt� Als Leseanleitung fungiert dabei ein kleines architektonisches Detail, nämlich die Balkenkonstruktion des Schrägdachs über dem Seiteneingang zum Brunnenhof, in dem die Damen baden: Verbinden wir über die Verlängerung des diagonal aufstrebenden Holzbalkens Davids Blick mit dem Brunnenbecken, so erkennen wir, dass sein Blick exakt in die Scham Batsebas fällt� Die grundlegende, konfliktgeladene Figurenkonstellation unseres Textes aus Anfang�3 ist damit über eine Diagonale ins Bild übersetzt� 9 Boehm, Bilder, 202� 10 Luz, Hermeneutik, 332, der betont: „Bilder werden durch ihre Komposition deutbar“� 56 Christina Hoegen-Rohls Welche weiteren Textszenen und ‚Textzeiten‘ erzählt das Bild durch seine räumlichen Strukturen? Richten wir unseren Blick auf das Schrägdach über dem Seiteneingang zum Brunnenhof: Der waagrechte Holzbalken der Dachkonstruktion weist nach rechts� Verlängert man die Linie bis zum rechten Bildrand, so trifft sie genau auf die Türe des Palastflügels, aus der König David auf die Treppe herausgetreten ist� Wir sehen jetzt besser seinen prächtigen roten Königsmantel, besser auch seine Krone, und wir erkennen, dass er seine linke Hand zum Handkuss darreicht, während seine rechte deutlich mit Zeigefinger und Daumen nach links zeigt, in Richtung des gegenüberliegenden Gebäudes, in dem sich Batseba befindet� Folgen wir Davids Blick, so stoßen wir auf die vor ihm auf den Treppen kniende Figur im rot-grün-blauen Mantel, die in jenem Bildausschnitt angesiedelt ist, auf den die verlängerte Diagonale des Schrägdachs verweist� Nun wird deutlich: Mit ihrer doppelten Geste verknüpfen und komprimieren die beiden Hände Davids die Ankunft Urias (V� 7a), die vom Bild als Kniefall in Szene gesetzt wird, und die Aufforderung Davids an Uria: ‚Geh hinab in dein Haus und wasch deine Füße‘ (V� 8b�c)� Dass Uria diesem Befehl des Königs nicht folgt, zeigt ein Detail im Bildhintergrund: Hier erkennt man an seinem Mantel wiederum Uria, der nicht in sein Haus zu Batseba eingekehrt ist, sondern auf einer Steinmauer vor dem Haus kauert� Lassen wir die vom Schrägdach ausgehende Diagonale früher enden, so wird unser Blick unter die linke der beiden frontalen Arkaden gelenkt� An einer breiten Tafel sehen wir ganz links außen König David sitzen, ihm gegenüber, mit dem Rücken zu uns, wiederum Uria, den wir an seinem rot-grün-blauen Gewand wiedererkennen� Weitere Personen sitzen mit den beiden an der Tafel, zu der von rechts aus den Arkaden des seitlichen Palastflügels Platten mit Speisen gebracht werden� Wird hier die Szene erzählt, in der David Uria in den Palast bittet, um ihn betrunken zu machen (V. 13a-c)? Wir hätten es somit bei unserem Bild mit einem Erzählbild zu tun, das bereits vier Szenen unseres Textes erzählt (sog� ‚kontinuierende Darstellung‘) 11 � Dabei beginnt die Erzählung, die Franciabigio bietet, in der Bildmitte hoch oben auf dem Balkon, weist dann nach links, von hier aus ganz nach rechts und wieder zurück in die Mitte des Bildes, wo sich genau unter dem an der Balustrade stehenden König dieser selbst in der Gelageszene verdoppelt� Die Bildmitte trägt daher das schwerste Königsgewicht� Liegt hier auch die Pointe des Bildes? Oder anders gefragt: Wo ist der Brief ? Sowohl Krauss / Uthemann 12 als auch Pigler 13 verzeichnen das Bild unter 11 Vgl� Pigler, Barockthemen I, 152�156� 12 Krauss / Uthemann, Was Bilder erzählen, 232� 13 Pigler, Barockthemen I, 156: „Urias übernimmt den Brief von David� II Sam� 11,14“� Pigler verzeichnet das Bild zugleich unter dem Motiv „Bathseba im Bade“ (Pigler, Barockthemen I, 152)� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 57 dem Motiv der Übergabe des Briefes an Uria� Wo aber soll diese Szene sein? Der rechts auf den Treppen stehende König hält keinen Brief in der Hand� Sollte das, was der in der Bildmitte unter den Arkaden sitzende König in der Hand hält, der Brief sein? In der Tat: Steht man in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden unmittelbar vor Franciabigios Bild, so wird der Brief, ausgehändigt an Uria, zumindest schwach erkennbar� Damit ist eine fünfte Szene des Textes ins Bild gebracht - und zwar genau jene, die aus den Sendungsgeschichten von 2Sam 11 eine Mordgeschichte macht� Reflektiert das Bild, indem es diese Szene in den Bildhintergrund rückt, die Hinterlist und Heimlichkeit des Verbrechens? Ganz unabhängig von der Antwort, die wir auf diese Frage bereit sind zu geben, sollte der Blick auf Franciabigios Bild das Bewusstsein dafür wecken, in welcher Weise die korrelative Methode der Text-und Bildwahrnehmung Studierenden zu vermitteln vermag, dass Bilder das zeitliche Nacheinander erzählter Szenen in ein räumliches Nebeneinander, ein ‚räumliches Zugleich‘, also in ‚Simultaneität‘ übersetzen� 14 Verlassen wir das Florenz der Renaissance und begeben wir uns in das barocke Antwerpen, wo der flämische ‚Malerfürst‘ Peter Paul Rubens herrscht, der schon von seinen Zeitgenossen als ‚Gott der Maler‘ und von Jacob Burckhardt als der größte Erzähler neben Homer gepriesen wird� 15 Ein Maler als Erzähler: Was erzählt der katholische Rubens 16 in einem Bild seines Spätwerks, das er in Öl auf Eichenholz in den Maßen 175 x 126 cm präsentiert, von unserem Text 2Sam 11,1-27? Wie anders wird unser Text hier ins Bild übersetzt als bei Franciabigio! Wollen wir uns angesichts des neugierig-koketten Blicks der dargestellten jungen Dame und ihrer blühenden weiblichen Reize überhaupt noch mit konfliktgeladenen Figurenkonstellationen befassen? Wollen wir nicht einfach nur schauen? 14 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik� 15 Vgl. dazu Hellwig, Rubens, 7.62-64. 16 Vgl� hierzu grundlegend Sauerländer, Rubens; Hecht, Bildertheologie� 58 Christina Hoegen-Rohls Abb. 2: Peter Paul Rubens (Siegen 1577 - Antwerpen 1640), Bathseba am Springbrunnen (1654), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden © akg-images Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 59 Kunsthistorisch betrachtet, ist das Thema von Rubens’ Gemälde tatsächlich der Voyeurismus, und zwar auf einer Metaebene� Der Voyeur ist nicht in erster Linie König David, den wir undeutlich links oben in luftiger Höhe auf dem Balkon eines barock weiterentwickelten Renaissance-Palastes entdecken können, sondern die Voyeure sind wir als Betrachter� Ganz sicher adaptiert Rubens den Text aus 2Sam 11, um weibliche Nacktheit inszenieren zu können - schon bei Franciabigio sahen wir ja im linken Bildfeld einen starken Akzent auf diesen Aspekt gesetzt -, und Rubens greift dabei als Model auf seine zweite, sehr junge Frau, Helene Fourment (1604-1673), zurück, die wir von dem wundervollen Bild Das Pelzchen im Kunsthistorischen Museum Wien kennen� 17 Wie nebenbei entdecken wir dabei einen weiteren Aspekt, den die Methode der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung erschließt: dass der Text zwar konzeptualisiert von einer ‚Frau‘ spricht und diese sogar namentlich benennt, sie uns jedoch das Bild erst sichtbar konkretisiert� 18 Rubens, dem wir als humanistisch Gebildetem, der die Vulgata auf Latein las und mit der Statenbijbel umging, Textkenntnis zutrauen dürfen, macht zweifellos ernst mit V� 2e unseres Textes: ‚und die Frau war sehr schön�‘ Durch leichten Pinselduktus und mattierte Farben gelingt ihm der Ausdruck von Jugend und Leichtigkeit, wobei alles Licht auf der marmorweiß schimmernden Haut der Arme, der Beine und Füße, des Dekolletés und der entblößten Brüste liegt� Lässt sich in Rubens’ Bild aber nur der Aspekt weiblicher Schönheit und somit nur die Beschreibung Batsebas in V� 2e unseres Textes greifen? Oder erzählt das an Räumlichkeit gebundene Bild mit dem bildlichen Mittel der Simultaneität noch mehr von unserem Text? Bemerkenswert scheinen mir zunächst die Waagerechten zu sein, die die Bildkomposition aufweist: Von oben nach unten betrachtet, finden wir in der Brüstung des Balkons links oben im Bild eine erste Waagerechte; von hier aus späht König David nach unten� Eine Trias mittlerer waagrechter Linien bilden die Brückenfläche und die beiden Waagerechten der Gartenmauerkonstruktion, die den Raum um den Brunnen begrenzt� Hier fällt uns ein Brief, so weiß wie Batsebas Körper, ins Auge, den, farblich kontrastreich, ein dunkelhäutiger Bote überbringt� Die unterste Waagrechte, die fast mit der unteren Bildkante zusammenfällt, markiert den Rand des Brunnenbeckens, in das das Wasser aus der Brunnenschale überfließt� Batseba, die lässig an der Brunnenschale lehnt, zieht ihre Füße zierlich zurück, um nicht in das Brunnenbecken abzurutschen� Die hübsche, jugendlich leichte Batseba - am Abgrund? Davon jedenfalls scheint das Hündchen zu wissen, das zu ihren Füßen aufgeregt bellt� Sein grimmig abwehrender Ausdruck konterkariert Batsebas neugierigen Blick nach links 17 Vgl� dazu Alpers / Carroll, Bathsheba, 166� 18 Zu ‚Konkretheit‘ als Merkmal von Bildlichkeit vgl� Luz, Hermeneutik, 330 f� 60 Christina Hoegen-Rohls auf den briefüberbringenden Boten� Verbinden wir den Kopf des Boten mit dem Kopf Batsebas und führen die Linien von jedem der Köpfe hinunter zu dem Hündchen, so erhalten wir ein schräges, auf der Spitze stehendes Dreieck, das entsprechend der geometrischen Typologie Guschti Meyers für Unsicherheit und Instabilität steht� 19 Der schöne Schein des Bildes - aufgebrochen ganz im Sinne der gleich zu Beginn unseres Textes offenkundigen Konfliktkonstellation� Betrachten wir nach den Waagerechten und dem Dreieck nun auch die für die Bildkonstruktion wesentlichen Bilddiagonalen, so zeigt sich, dass unser Bild auch von den zeitlichen Begebenheiten aus Mitte und Schluss unseres Textes weiß, somit also keineswegs nur eine einzige Szene der Erzählung in den Blick rückt: Mit der von links oben nach rechts unten verlaufenden Diagonalen transportiert das Bild Anfang�2 unserer Erzählung (David auf dem Dach des Königspalastes in Jerusalem)� Die von rechts oben nach links unten verlaufende Diagonale übersetzt die Sendungsgeschichte�3 aus Mitte�1 (David sendet Boten und lässt Batseba holen)� Als textlich geschulten Sendungsexperten fällt uns allerdings auf, dass die vom Text im Plural genannten Boten in einen einzelnen Boten verwandelt sind und die im Text mündlich vermittelte Botschaft Davids an Batseba zur schriftlichen Briefbotschaft geworden ist� Bellt deshalb der Hund so aufgeregt? Dient er als Hermeneut für uns als Betrachter? Sollen wir das bevorstehende Unheil antizipieren und in dem abgebildeten Brief simultan auch schon den Brief an Uria vorausahnen? Und sollen wir somit davor gewarnt werden, uns von der nackten Schönheit einer Frau zu Davids Tat verführen zu lassen? Die nackte Batseba also als Tugendappell? Das Bild als Plädoyer für die Ethik der Kunst? Wir können Rubens eine solche Aussageabsicht durchaus zutrauen� Und wir entdecken zugleich, dass sein expressives Bild 20 - anders, als wir es vielleicht zunächst vermuten wollen - die David-Batseba-Erzählung in „räumlicher Zeitverdichtung“ 21 aus jener Perspektive beleuchtet, die in Schluss�3 und dem narrativen Scharnier zu 2Sam 12,1-15a zur Geltung kommt: aus dem Blickwinkel des Erzählerkommentars, der den Blickwinkel Gottes offenbart� Wandern wir, im Barock bleibend, nun aber Ort und Konfession wechselnd, zum reformierten Rembrandt 22 nach Amsterdam: 19 Vgl� dazu Meyer, Bilder, 77� Die typologisch-psychologische Kunstbetrachtung Guschti Meyers ist in der Kunstgeschichte keineswegs unumstritten� Sie bietet meiner Erfahrung nach jedoch ein hohes ‚Reizpotential‘, um Studierende zum ‚Sehen‘ zu bewegen� 20 Zur Expression in Rubens‘ Malerei und deren Bedeutung für Rubens‘ Kunstauffassung im Umfeld seiner Zeit vgl� Kemmer, Expression� 21 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik, 332� 22 Vgl. dazu Rohls, Rembrandt, bes. 198-200.214-219. Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 61 Was wir vor uns sehen - ein Gemälde in Öl auf Leinwand in den Maßen 142 x 142 cm -, stellt im Werk Rembrandts dessen letzten Frauenakt dar, nach dem Urteil Simon Schamas auch seinen schönsten� 23 Doch anders als bei Rubens kommt es uns kaum in den Sinn, einfach nur Schönheit, geschweige denn Nacktheit zu bestaunen� Vielmehr verfallen wir angesichts des in warmen Farbtönen gehaltenen Bildes in tiefe Nachdenklichkeit, wie wir sie in Batsebas leicht geneigtem Kopf und ihrem wehmütigen Blick selbst gespiegelt sehen� Es zeigt keinen koketten Blick nach links, kein Hündchen, das bellt� Aber im Schnittpunkt der 23 Schama, Augen, 551� Abb. 3: Rembrandt Harmenszoon van Rijn (Leiden 1606 - Amsterdam 1669), Bathseba / Bathsheba Reading King David’s Letter (1654), Musée du Louvre, Paris © akgimages / André Held 62 Christina Hoegen-Rohls Bilddiagonalen ist der Brief zu sehen� Wie Rubens verwandelt Rembrandt die im Text mündlich überbrachte Königsbotschaft in ein schriftliches Dokument, und er zeigt uns Batseba, nachdem sie den Brief las� Er füllt damit eine Lücke, von der der Text schweigt� Charakteristisch für den späten Rembrandt ist es, dass er Figuren nach ihrer psychologischen, emotionalen, vergeistigten Innenseite darstellt� Das können wir auch für die Figur der Batseba bestätigen� Ganz besonders die sprechende Haltung der Hände und Arme und die feine Ausarbeitung der Augenpartie vermitteln präzise Batsebas emotionalen Zustand� Als taste sie nach Halt, stützt Batseba den linken Arm mit breit aufgefächerter linker Hand auf ein weißes Tuch (ein Handtuch oder Nachthemd oder Laken), während der rechte Arm schwer und erschöpft auf dem rechten Oberschenkel ruht, um der rechten Hand Gelegenheit zu geben, die unfassbare Botschaft zu begreifen� Die Augen mit den leicht hochgezogenen Brauen und die dadurch bewegte Stirn zeigen, dass Batseba nach innen blickt� Vor ihrem inneren Auge sieht sie vor sich, was kommen wird - im Interesse des Verhältnisses von Bild und Text gesprochen: Sie sieht V� 4c�d vor sich, die Erfüllung von Sendungsgeschichte�3: ‚Und als sie zu ihm kam, schlief er bei ihr‘. Dass die Einladung - oder der Befehl - des Königs zum Ehebruch führen wird, das ist es, was Batseba sich vor Augen hält� Diese innere Schau wird von Rembrandt durch die Art und Weise vertieft, in der er das traditionelle ikonographische Motiv ‚Batseba im Bade‘ modifiziert� 24 Drei Beobachtungen sollen dies beleuchten� Zum einen: Wir sehen Batseba nicht etwa wie bei Franciabigio bis zu den Knien in einem Brunnenbecken stehen oder sich an eine Brunnenschale anlehnen wie bei Rubens� Von einem Brunnen ist in unserem Bild keine Spur geblieben, sowenig mehr die Szene in einem Innenhof oder in einem Garten spielt� Die sog� „Freiraumszene“ 25 verlegt Rembrandt vielmehr in einen Innenraum, in das Gemach Batsebas, was seinem Anliegen entspricht, die inneren Gefühle Batsebas darzustellen� 26 Und weiter: So wie Rembrandt schon die mündliche Botschaft des Königs an Batseba in eine schriftliche verwandelte und dadurch möglicherweise das Uriamotiv aus Mitte�2 / Sendungsgeschichte�7 des Textes in das Batseba-Thema eintrug, so nutzt er ein weiteres Uriamotiv aus Mitte�2, um es auf Batseba zu übertragen, nämlich das Motiv der Fußwaschung� In Mitte�2 unseres Textes fordert David Uria auf, in sein Haus zu gehen und sich die Füße zu waschen (V� 8b�c)� Hier bei Rembrandt ist es Batseba, der von einer alten, sorgsam gekleideten Dienerin die Füße gewaschen werden� Natürlich müssen wir selbstkritisch fragen, ob wir Rembrandt eine Absicht unterstellen � 24 Vgl� dazu Kunoth-Leifels, Bathseba, 258� 25 Kunoth-Leifels, Bathseba, 255� 26 Alpers / Carroll, Bathsheba, 162� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 63 Kennt Rembrandt den Text so genau, dass er dessen Motive bewusst und signifikant vertauscht? Doch wie für Rubens gilt auch für Rembrandt: Hier stehen nicht nur große Künstler, sondern auch exzellente Kenner des Bibeltextes vor uns, deren Anliegen und Können es ist, diesen in ihre Kunst zu transformieren und durch ihre Kunst zu kommunizieren� Die Modifikation des Motivs der badenden Batseba stützt in unserem Bild noch eine dritte, besonders eindrückliche Note: Indem Batsebas nach innen gerichteter Blick in direkter Diagonale zugleich auf den konzentrierten, mit der Fußwaschung befassten Blick der Dienerin trifft, erkennt sie die Nichtigkeit, die Unzulänglichkeit dieser äußeren Reinigung� Sie weiß, dass sich dieser ‚Akt der Reinigung‘ - wenn sie Davids Botschaft folgt - in einen ‚Akt der Beschmutzung‘ verwandeln wird� 27 Rembrandt signalisiert mit der beziehungsreich gestalteten Fußwaschungsszene, dass er den Kommentar in V� 4e (‚sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit‘) nicht als Angabe über den weiblichen Zyklus liest, sondern als Hinweis auf Batsebas Verhängnis, kaum gereinigt, erneut in Unreinheit zu fallen - und zwar in eine Unreinheit, die keinen Vergleich mit der physischen aushält� Was Rembrandts Art der bildlichen Darstellung des biblischen Textes auslöst, ist der Aspekt des für die barocke Ästhetik und Poetik wesentlichen Motivs des movere � Sein Bild bewegt uns, wir fühlen mit Batseba - und entdecken im Vollzug der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung einen weiteren Aspekt der Bildlichkeit des Bildes: seine Exemplarität� 28 Exemplarisch führt Rembrandt uns als Rezipientinnen und Rezipienten mit seiner in Melancholie und Trauer gehüllten Bathseba eine Figur vor Augen, mit deren tragischem Dilemma wir uns identifizieren sollen� Für die barocke Kultur liegt der Sinn von Bildern zugleich im docere , im Belehren� Was will Rembrandt mit seinem Bild lehren? Mir scheint: eher dem Text zu trauen als einer bestimmten Rezeptionstendenz, die in Batseba die Verführerin sieht� 29 Korrelative Text- und Bildwahrnehmung im Interesse synchroner exegetischer Textarbeit Die Methode der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung kann ganz grundsätzliche Einsichten in das je Besondere von Text- und Bildsprache bzw� Text- und Bilderzählen vermitteln� So kann deutlich werden, dass das Bild das, was ein Text nacheinander erzählen muss, im räumlich begrenzten Feld seiner Fläche 27 Schama, Augen, 552 f� 28 Vgl� dazu Luz, Hermeneutik, 330 f� 29 Vgl� dazu Noort, Rezeptionsgeschichte, exemplarisch 69 f� 64 Christina Hoegen-Rohls nebeneinander und gleichzeitig erzählen kann: Zeitstrukturen biblischer Erzähltexte werden so in räumliche Strukturen übersetzt 30 � Darüber hinaus schärft der Umgang mit Bildern das Bewusstsein für synchrone exegetische Schritte in der Textarbeit wie Gliederung, Spannungsbogen, Figurenkonstellation, Pointe und kontextuelle Bezüge des Textes� Der bildlichen ‚Logik der Struktur‘, konstituiert durch die Linienführung im Bildraum, entspricht das gliedernde Erzählen des Textes in Anfang, Mitte, Schluss, die Einteilung in Erzählsequenzen, Einzelepisoden, Szenen, die Verwendung von narrativen Vor- und Rückverweisen� Die Logik des Bildes kann sich der narrativen Gliederung des Textes annähern, ihr vielleicht auch weitgehend entsprechen, sie kann der narrativen Abfolge aber auch widersprechen oder diese zumindest verändern, verwirren� Verbunden mit der Gliederung des Bildraums ist das bildsprachliche Element der Lichtführung� Dieses findet in der Textsprache ein korrelatives Pendant, nämlich in jenen Elementen, die die Spannungskurve des Textes erzeugen� Was ein Text durch Worte und Wendungen, durch Wortwiederholungen und Refrains, durch Parallelismen und Inklusionen aufbietet, um Spannung zu erzeugen, um Höhepunkte zu beleuchten und zwischen Haupt- und Nebenfiguren, Haupt- und Nebensträngen der Erzählung zu unterscheiden, das regelt das Bild durch seine Lichtregie� Auch das Format eines Bildes kann den synchronen Blick auf einen biblischen Text unterstützen: Welcher Erzählzug, welche Figur des Textes wird durch die Wahl des Bildformats in besonderer Weise hervorgehoben? Beachtung für das synchrone Erfassen narrativer Textstrukturen verdient auch das Verhältnis zwischen den im Text agierenden und den ins Bild gesetzten Figuren� Biblische Bilder können das Figurenpotential, das der Text narrativ aufbietet, fokussieren und auf eine Figur zentrieren oder aber durch im Text nicht genannte Figuren erweitern� Die Figurenkonstellation des Textes kann auf diese Weise bildsprachlich ergänzt, auf eine Deutung hin komprimiert und dabei dergestalt zugespitzt werden, wie es erst eine umfassende Bibellektüre weit über den Einzeltext hinaus ermöglichen kann� Biblische, an erzählte Figuren geknüpfte Theologie kann auf diese Weise im Bild zu ‚ikonischer Dichte‘ gelangen� 31 Leitfragen 32 zur Erschließung des Verhältnisses von Text und Bild samt einem kreativen Impuls zur Umsetzung des Text- und Bildeindrucks in einen poetischen Elf-Wort-Text: 30 Vgl� Luz, Theologische Hermeneutik, 332� 31 Zum Begriff ‚ikonische Dichte‘ vgl. Luz, Hermeneutik, 334-337. 32 Der Akzent liegt dabei nicht auf dem mimetischen, d� h� sich selbst als Betrachter in das Bild einschreibenden, Ansatz, wie ihn etwa Gerhard Büttner in Fortschreibung von Günter Langes Fragen zur ‚5� Stufe‘ der Bildbetrachtung vertritt� Vgl� dazu Büttner, Bibel, Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 65 1� Wie ist der Text gegliedert? Welches zeitliche Nacheinander, welche zeitlichen Vor- und Rückverweise werden in der biblischen Erzählung erkennbar? Von welchen Figuren lebt der Text? 2� Welches Bildformat wird für die Darstellung des biblischen Textes gewählt? Welche Größe hat das Bild? Lässt sich zwischen Bildformat, Bildgröße und Textinhalt ein Bezug herstellen? Welcher Erzählzug, welche Figur des Textes wird durch die Wahl des Bildformats in besonderer Weise hervorgehoben? 3� Welche ‚Logik der Struktur‘ ergibt sich aus dem Bildaufbau und der Linienführung im Bildraum? Ergeben sich aus Waagrechten, Vertikalen, Diagonalen u� a� Hinweise auf den besonderen Erzählgehalt des Bildes? Welche Szenen des Textes werden durch die Lichtführung des Bildes in besonderer Weise ‚beleuchtet‘? 4� Welche Textbezüge des Bildes lassen sich festmachen (z� B� Anfang / Mitte / Schluss; bestimmte Erzählsequenzen / Episoden / Szenen)? Wird im Bild der bildsprachliche Aspekt der ‚Simultaneität‘ erkennbar? 5� Aus welcher Perspektive erzählt das Bild den biblischen Text (z� B� vom Anfang / vom Schluss / vom Höhepunkt aus; aus der Perspektive einer der Figuren; aus der Perspektive des Erzählerkommentars)? 6� Wie steht die Bildaussage zur Textaussage? Entspricht sie dem Text? Widerspricht sie dem Text? Fokussiert das Bild einen bestimmten Aspekt des Textes? Verdichtet oder verkürzt es diesen? Ergänzt das Bild den biblischen Text und seine narrative Logik, z� B� durch das Füllen sachlicher ‚Lücken‘ oder durch weitere biblische Bezüge? Führt es die biblische Aussage weiter? 7� Eröffnet uns das Bild eine neue Leseweise des biblischen Textes? 8� Eingedenk des durch die Fragen 1-7 zum Verhältnis von Bild und Text Erarbeiteten: Welchen genaueren Titel würden Sie dem Bild geben? 9� Kreativer Impuls : Versuchen Sie, Ihre Einsicht in den Text und den Eindruck, den das Bild auf Sie macht, zu verknüpfen und in einem kreativen Elf-Wort-Text festzuhalten! 33 559; Lange, Bilder, 155� Die fünf Stufen der Bildbetrachtung stehen bei Lange unter den Leitfragen (1) Was sehe ich? (2) Wie ist die Bildfläche organisiert? (3) Was löst das Bild in mir aus? (4) Was hat das Bild zu bedeuten? (5) Was bedeutet das Bild für mich? Die Text- Bild-Relation kommt bei Büttner und Lange nicht in den Blick� 33 Zur Methode des Elf-Wort-Textes vgl� Zimmermann, Kreatives Schreiben, 507 f� Zu 2Sam 11,1-12,1 und der Arbeit an Rembrandts Bathseba fomulierte eine Studierende im Schema des Elf-Wort-Textes folgende poetische Miniatur, die nicht nur emotionale Empathie zum 66 Christina Hoegen-Rohls Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text: Der hochschuldidaktische Gewinn korrelativer Text- und Bildwahrnehmung für die exegetische Arbeit Die Frage, ob die Beschäftigung mit biblischen Bildern in der hochschuldidaktischen Praxis das Verstehen biblischer Texte fördern könne, ist nach meiner Einschätzung eindeutig zu bejahen� Aufgrund langjähriger Erfahrung, gesammelt in den von mir mit wechselnden Schwerpunkten durchgeführten Seminaren Bild und Botschaft 34 , kann ich den Gewinn korrelativer Text- und Bildwahrnehmung in mindestens dreifacher Hinsicht benennen: Erstens motivieren biblische Bilder Studierende dazu, den biblischen Text aufzusuchen, zu lesen und genau zu studieren - also genau das zu investieren, was für die exegetisch-theologische Arbeit unabdingbar ist und zu eigenständigen Beobachtungen und Erfolgserlebnissen führt� Studierende reflektieren dabei den ‚hermeneutischen Zirkel‘ korrelativer Text- und Bildwahrnehmung: Hätte ich, wenn ich zuvor nicht den Text wahrgenommen hätte, die Feinheiten der Bilder entdeckt? Hätte ich aber, wenn ich nicht von den Bildern vor Probleme gestellt worden wäre, überhaupt den Bibeltext so genau gelesen, wie ich es tat, als ich versuchte, die Bildsprache zu entschlüsseln? Zweitens fördert der Umgang mit biblischen Bildern auf komplexe Weise die Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Sprachkompetenz von Studierenden� Studierende bemerken bei der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung durchaus, dass sie im mehrdimensionalen Umgang mit Textsprache und Bildsprache selbst ‚mehrsprachig‘ werden� Drittens : Meiner Erfahrung nach werden biblische Bilder in der Praxis exegetischer Lehr-/ Lern-Prozesse von Studierenden keineswegs eindimensional als ‚Aufhänger‘ missverstanden� Studierende nehmen vielmehr wahr, dass biblische Bilder ein anspruchsvolles Formen- und Sinnpotential bieten, um das, wie um den biblischen Text, gerungen werden muss� Daher herrscht bei Studierenden auch manchmal zu Beginn des Semesters durchaus Ausdruck bringt, sondern auch die dezidierte Parteinahme für Batsebas Unschuld an ihrem Schicksal, Uria sowie ihr erstes gemeinsames Kind mit David zu verlieren: Zeile 1: Ein Wort: Batseba, Zeile 2: Zwei Worte: Deine Trauer - Zeile 3: Drei Worte: Der blutige Brief Zeile 4: Vier Worte: nimmt Dir zwei Leben� Zeile 5: Ein Wort: Unschuldig� 34 Der übergeordnete Titel lehnt sich bewusst an von Metzsch, Bild, an� Im Münsteraner Curriculum bot ich zuletzt die Seminare Chagall und die Bibel und Biblische Texte in der Malerei Rembrandts und Rubens‘ an, die sich in unterschiedliche Module einfügten (zum Beispiel in die Module Religion und Lebenswelt und Kommunikation des Evangeliums )� Verbunden waren die Seminare jeweils mit einer Museums-Exkursion in eine aktuelle Ausstellung oder eine ständige Sammlung� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 67 Skepsis gegenüber dem Medium ‚Bild‘ in kunsthistorischer Gestalt: Kann ich (als Laie) zum Dargestellten überhaupt etwas Sinnvolles, Fundiertes sagen? Meiner Erfahrung nach helfen die vorgestellten Leitfragen, sich Schritt für Schritt auf das ‚Sehen‘ einzulassen, Seheindrücke und Seherfahrungen zu sammeln und sich darüber kontrovers auszutauschen� Studierende sind vielfach überrascht davon, wie unterschiedlich sie biblische Bilder ‚sehen‘ - und reflektieren von hier aus ihre unterschiedlichen Leseeindrücke des biblischen Textes� Auf diese Weise sensibilisieren sie sich gerade im Umgang mit Bildern auch für das hermeneutische Vorverständnis, das in ihre exegetische Arbeit am biblischen Text miteinfließt� Da das Bild in seiner Sprache eine relecture des biblischen Textes bietet, konfrontiert es Studierende und uns als Lehrende im hochschuldidaktischen Lehr-/ Lern- Prozess mit unseren Lesegewohnheiten biblischer Texte, bricht möglicherweise eingefahrene Deutungsmuster auf und bringt Überraschungen mit sich, die unser theologisches Verständnis bereichern und vertiefen� Immer wieder staunen Studierende darüber, wie facettenreich sich das Verhältnis zwischen Text und Bild darstellt. Scheinbare ‚Kleinigkeiten‘ im Text - einzelne Erzählzüge, einzelne Figuren, einzelne Formulierungen, die der Aufmerksamkeit beim Lesen entgingen - können im Bild eine unübersehbare Größe und Bedeutung gewinnen, inszeniert von Farbe, Format und Figurenkomposition� So reflektierte ein Studierender bei der korrelativen Text- und Bildwahrnehmung der lukanischen Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-10), dass er der im Text auf die Engelserscheinung folgenden Reaktion der Hirten ‚und sie fürchteten sich sehr‘ (Lk 2,9) niemals Bedeutung beimaß, bevor er sich im Seminar mit Rembrandts Radierung Verkündigung an die Hirten (1634) 35 beschäftigte und dabei das schiere Entsetzen und Überwältigtsein der vor dem gleißenden Lichtglanz zurückweichenden Hirten samt ihrer in alle Richtungen davonstiebenden Tiere zu Gesicht bekam� Es sind genau solche Entdeckungen, die den technisch und fachlich aufwendigen Einsatz von Bildern in bibelwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen voll und ganz rechtfertigen und dazu führen, dass Studierende am Ende des Semesters das Lesen von Texten ohne Bilder fast schon als ‚zu einsprachig‘ empfinden� Literatur Alpers, Svetlana / Carroll, Margaret D�: Not Bathsheba, in: Adams, Ann Jensen: Rembrandt’s Bathsheba Reading King David’s Letter, Cambridge u. a. 1998, 147-175. Barghahn, Barbara von: Rubens, Peter Paul, OEBART 2 (2015), 340-346. 35 Vgl� dazu Kreutzer, Rembrandt, 86 f� 68 Christina Hoegen-Rohls Baudouin, Frans: Peter Paul Rubens, New York 1989� Belting, Hans: Kunstgeschichte� Eine Einführung, Berlin 7 2008� Boehm, Gottfried: Wie Bilder Sinn erzeugen� Die Macht des Zeigens, Berlin 2007� Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts, Berlin 3 2013� Burbaum, Sabine: Barock, Kunst-Epochen Bd� 8 ( RUB 18 175), Stuttgart 2003� Burrichter, Rita / Gärtner, Claudia: Mit Bildern lernen� Eine Bilddidaktik für den Religionsunterricht, München 2014� Büttner, Gerhard: Bibel und Kunst, in: Zimmermann, Mirjam / Zimmermann, Ruben: Handbuch Bibeldidaktik ( UTB 3996), Tübingen 2013, 554-559. Büttner, Nils / Heinen, Ulrich: Peter Pauls Rubens� Barocke Leidenschaften, Braunschweig / München 2004� Büttner, Nils: Einführung in die frühneuzeitliche Ikonographie, Darmstadt 2014� Günzel, Stephan / Mersch, Dieter (Hg�): Bild� Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart / Weimar 2014� Hartenstein, Friedhelm / Moxter, Michael: Hermeneutik des Bilderverbots� Exegetische und systematisch-theologische Annäherungen (Th LZ �F 26), Leipzig 2016� Hecht, Christian: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock� Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997� Hellwig, Karin: Peter Paul Rubens, Hamburg 2012� Hoegen-Rohls, Christina: Schritt für Schritt auf dem Weg in den Text� Die Methode der Verssegmentierung am Beispiel von Joh 4,1-15, VvAa 1 (2016), 27-59. Kemmer, Claus: ‚Expression‘, ‚effet‘ und ‚esprit‘� Rubens und die Kunsttheorie des 17� Jahrhunderts, in: Büttner, Nils / Heinen, Ulrich (Hg�): Peter Pauls Rubens� Barocke Leidenschaften, Braunschweig / München 2004, 99-106. Kipfer, Sara: Der bedrohte David� Eine exegetische und rezeptionsgeschichtliche Studie zu 1Sam 16-1Kön 2 ( SBR 3), Berlin / Boston 2015� Kirschbaum, Engelbert / Braunfels, Wolfgang (Hg�): Lexikon für christliche Ikonographie ( LCI ), 8 Bde., Freiburg u. a. 1968-1976 (1994 / 2004). Kopp-Schmidt, Gabriele: Ikonographie und Ikonologie� Eine Einführung, Köln 2004� Krauss, Heinrich / Uthemann, Eva: Was Bilder erzählen� Die klassischen Geschichten aus Antike und Christentum in der abendländischen Malerei, München 2 1988, 6 2011� Kreutzer, Maria: Rembrandt und die Bibel� Radierungen, Zeichnungen, Kommentare, Stuttgart 2003� Kunoth-Leifels, Elisabeth: Art� Bathseba, LCI 1 (1994 / 2004), 253-257. Lange, Günter: Aus Bildern klug werden, in: Müller, Wolfgang Erich / Heumann, Jürgen (Hg�): Kunst-Positionen� Kunst als Thema evangelischer und katholischer Theologie, Stuttgart 1998� Luz, Ulrich: Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments� Neukirchen-Vluyn 2014� Mackillop, Susan Regan: Franciabigio, Berkeley 1974� Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text 69 Marx, Harald: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden� Illustrierter Katalog in zwei Bänden, Bd� I: Die ausgestellten Werke, Köln 2 2006; Bd� II : Illustriertes Gesamtverzeichnis, Köln 2 2007� Marx, Harald: Gemäldegalerie Dresden - Alte Meister. Sammlung, Bau, Geschichte, Leipzig 2008� Meyer, Guschti: Sprache der Bilder� Kunst verstehen� Form, Farbe, Komposition, Leipzig 2011� Metzsch, Friedrich-August von: Bild und Botschaft� Biblische Geschichten auf Bildern der Alten Pinakothek München, Bd. 1-3, München 2002-2006. Noort, Ed: Rezeptionsgeschichte der Bibel als hermeneutisches Konzept, in: Fischer, Irmtraud (Hg�), Bibel- und Antikenrezeption� Eine interdisziplinäre Annäherung, Münster 2014, 46-76. Pächt, Otto: Rembrandt (1991), hg� v� Edwin Lachnit, München 2 2005� Perlove, Shelley: Rembrandt, OEBART 2 (2015), 254-265. Pigler, Andor: Barockthemen� Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17� und 18� Jahrhunderts, Bd� I: Darstellungen religiösen Inhalts, Budapest 2 1974; Tafelband, Budapest 1974� Rohls, Jan: Rembrandt und der niederländische Protestantismus, KuD 52 (2006), 198-224. Sauerländer, Willibald: Der katholische Rubens� Heilige und Märtyrer, München 2011� Schama, Simon: Rembrandts Augen, Berlin 2000� Schwartz, Gary: Das Rembrandt Buch� Leben und Werk eines Genies, München 2006� Stoellger, Philipp: Bildwissenschaften / Theologie, in: Günzel, Stephan / Mersch, Dieter (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart / Weimar 2014, 439-446. Wetzel, Christoph: Wie erkenne ich? Christliche Symbole in der Kunst, Stuttgart 2009� Wetzel, Christoph: Die Bibel in der bildenden Kunst ( RUB 18 571), Stuttgart 2009� Zimmermann, Mirjam: Kreatives Schreiben, in: Zimmermann, Mirjam / Zimmermann, Ruben: Handbuch Bibeldidaktik ( UTB 3996), Tübingen 2013, 503-508. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Wie beeinflussen traditionelle (mentale) Bilder die Lektüre biblischer Texte? Überlegungen aus exegetischer Sicht Peter Wick Abstract | This article deals with the mental images readers have about a biblical text� They compete with a literal understanding� The understanding of a text has been shaped by its tradition, having an effect on the text in a certain context, e�g� the Psalms in a song book can be eclectic and shortened� Mental images are turned into a reception of the inner being quite different from the original setting� The apostle Paul uses complex images but finally they all can be led back to faith as the presupposition of hope and love� This is his basing image and driving force� In a similar way students have images that control the understanding and perception of reality� Finally, the implication for exegesis is shown and a call for a hermeneutical approach of difference is made� 1. Mentale Bilder im Streit mit dem Wortlaut des Textes Die Menschen speichern Wissen häufig in Gestalt mentaler Bilder ab� 1 Dies gilt im Besonderen für biblische Geschichten� Dies betrifft die Erinnerungen von Individuen, aber auch kollektive Erinnerungen� Die Exegese von biblischen Texten ist immer mit diesem Phänomen konfrontiert: Bei der Lektüre einer bekannten biblischen Erzählung werden traditionelle, innere Bilder aktiviert, die leicht zu 1 Der exegetische, historische und methodische Hintergrund zu diesem Beitrag ist in folgenden Publikationen entfaltet worden: Wick, Metaphern trauen, 30-43; Egger / Wick, Methodenlehre; Heilmann / Wick, Mahl� 72 Peter Wick einer Überlagerung des Textes führen können� Das innere Bild ist stärker als der Text� Lücken, Unstimmigkeiten und Probleme der Textlektüre werden durch das bereits vorhandene mentale Bild der Geschichte geglättet oder sogar schlicht überlesen� Immer wieder ist der imaginierte Text stärker als der Text� Am 24� Juni 1534 predigte Martin Luther über die Enthauptung von Johannes dem Täufer in Mk 6,14-29. 2 Er spricht dort textgemäß über Johannes den Täufer als heiligen Mann� So wird er nur in Mk 6,20 bezeichnet� Gegen den Text des Markusevangeliums geht er davon aus, dass Herodes zusammen mit Herodias Johannes töten will; doch er fürchtet das Volk� Offensichtlich hat er hier nicht seinen Predigttext vor Augen, sondern den Paralleltext aus Mt 14,3-5. Dieses mentale Bild von der Geschichte hat Martin Luther somit auf die Erzählung von Mk 6 übertragen� Es war offensichtlich so stark, dass es seine Rezeption des Predigttextes ohne entsprechende Textgrundlage im Markusevangelium prägte� So kann das mentale Bild von einem Text dessen Auslegung dominieren� Bei Martin Luther kann eine bild-gesteuerte Exegese sogar zum hermeneutischen Prinzip werden� Seine hermeneutische Formel ‚Was Christum treibet‘ ist schließlich durch konkrete Vorstellungen gefüllt und definiert� Ein bestimmtes Bild von Christus als Erlöser der Menschen allein aufgrund des Glaubens ist darin enthalten� Dadurch wird im Voraus, also vor der Lektüre des jeweiligen Textes, festgelegt, was Christus ist und was er nicht ist� Der Satz von Luther „qui non intelligit res, non potest ex verbis sensum elicere“ 3 fordert ein ‚prä‘ der Sache� Die ‚Sache‘ muss in unserem Sinne ebenfalls als mentales Bild verstanden werden, das festlegt, was man bei der Lektüre eines Textes sucht� Denn auch die Sache ist in der Regel kein abstraktes Prinzip, sondern ein Bild - in diesem Falle von dem, was Jesus Christus für die Menschen tat, und von den Menschen, die dies auf rechte Weise empfangen� Bei der allegorischen Textauslegung wird dies besonders deutlich� Die Allegorese versteht Wörter und Worte als Codierungen, Festlegungen und Symbole und in diesem Sinne als Wortbilder für andere Wirklichkeiten� Bei der Heilung eines Taubstummen in Mk 7,33 berührt Jesus die Zunge des Kranken mit Speichel� Luther deutete in einer Predigt den Speichel als das Wort Gottes, welches den Menschen redend und damit selbst zum Verkünder macht� 4 Der Text wird so zum Bild für eine ganz andere Sache, die er bildhaft veranschaulicht� 2 WA 37, 462-468. Die Hinweise auf Luther verdanke ich Carolin Konze. 3 „Wer die Sache nicht versteht, kann den Sinn der Worte nicht erforschen“� WAT 5,26,11-16, Nr� 5246� 4 WA 10 III, 304-312. Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 73 Im Gegensatz dazu können auch eigene Bilder, die Lesende aus ihrem Umfeld mitbringen, zu einer dominanten Überlagerung des Lesens führen� Auch hier sind wieder eine individuelle und eine kollektive Form dieses Phänomens voneinander zu unterscheiden� So hat sich eine bestimmte Rezeption der Psalmen in der Auswahl der Psalmen im EG 702-764 niedergeschlagen. Diese Rezeption ist durch eine Auswahl von Psalmen und durch Kürzungen der ausgewählten Psalmen geprägt� Sie hat ein festes Bild von den Psalmen geschaffen� In diesem Bild wird der Psalter als Sammlung von Trost-, Bitt- und Lobgebeten fixiert� Zahlreiche, für dieses Verständnis sperrige Psalmen, werden ausgeschieden� Doch dies gilt auch für die Kürzungen der einzelnen Psalmen� So werden etwa im Ps 6 folgende Verse ausgelassen: 6 Denn im Tode gedenkt man deiner nicht; / / wer wird dir bei den Toten danken? 7 Ich bin so müde vom Seufzen; / ich schwemme mein Bett die ganze Nacht / / und netze mit meinen Tränen mein Lager� 8 Mein Auge ist trüb geworden vor Gram / / und matt, weil meiner Bedränger so viele sind� 9 Weichet von mir, alle Übeltäter; / / denn der Herr hört mein Weinen� 10 Der Herr hört mein Flehen; / / mein Gebet nimmt der Herr an� 11 Es müssen alle meine Feinde zuschanden werden und sehr erschrecken; / / sie müssen weichen und zuschanden werden plötzlich� Sowohl die ausgedehnte abgrundtiefe Klage der V. 6-8 als auch die Zornes- und die Rachebitte von V� 11 werden ausgeblendet� Wenn nun Pfarrpersonen, deren Zugang zu den Psalmen durch das EG geprägt ist, anfangen, den Psalter zu lesen, können sie in eine große kognitive Dissonanz geraten� Ihr Psalmenbild lässt sich nicht mit den vielen Psalmtexten vereinbaren, die Gott oder die Prof� Dr� Peter Wick, * 1965, Dr� theol�, ist seit 2003 Professor für Exegese und Theologie des Neues Testaments an der Ruhr-Universität Bochum� Neben der Entwicklung innovativer Lehrformate legte er die von Wilhelm Eggert veröffentlichte Einführung in die neutestamentliche Exegese neu und in erweiterter Form auf� 74 Peter Wick Lebensumstände bloß anklagen oder größtem Zorn sowie einem ausgeprägten Rachebedürfnis Ausdruck geben� Die Spannung zwischen dem traditionellen Bild über die Psalmen und den neuen Bildern, die die Psalterlektüre hervorruft, kann so groß sein, dass die Lektüre abgebrochen wird� Das Aktivieren mentaler Bilder wird an den folgenden Beispielen deutlich: Im Bibliolog 5 liest eine Gruppe gemeinsam einen Bibeltext� Dieser Text wird an bestimmten Stellen unterbrochen (‚Shift‘)� Hier sollen einzelne Teilnehmer bestimmte Rollen von Personen im Text übernehmen� Dieses Vorgehen hilft, mit traditionellen mentalen Bildern des Textverständnisses zu brechen und Bilder aus der eigenen Erfahrung an den Text heranzutragen� Mit neuen Fragen kann der mental festgelegte Sinn aufgebrochen werden� Dies geschieht etwa, wenn bei der Lektüre des Gleichnisses des verlorenen Sohnes die Frage nach der Mutter gestellt wird� Wie fühlt sich diese, als der jüngere Sohn Haus und Hof verlässt? Eine Antwort könnte folgendermaßen lauten: „Die Mutter findet das gut, weil sie schon vor dem Sohn gegangen ist�“ So wird ein provozierendes Bild aus der eigenen Alltagswelt in den Text hineingestellt, welches wiederum die traditionellen Bilder provoziert, mit denen üblicherweise der Text einem Gesamtverständnis zugeführt wird� Ein weiteres Beispiel: Die Frau, die Jesus salbt und das Fläschchen mit dem kostbaren Öl zerbricht, ruft in einer Runde ganz verschiedene Reaktionen hervor� Ältere Teilnehmer reagieren: „Was stört die jetzt die Männerrunde�“ Jüngere verstehen sie ganz anders: „Die ist aber mutig� Die macht, was sie will�“ Ein Einziger wagt den Zwischenruf: „Wow, diese Erotik�“ Und ein letztes Beispiel: In Ex 18 empfiehlt Jethro dem Mose, sich Hilfe zu holen� In einer Gruppe von Pfarrerinnen und Pfarrern reagieren die Älteren kritisch: „Was redet der Schwiegervater hier dem Mose rein, der macht schließlich schon lange alles gut und richtig�“ Die jüngeren Pfarrer reagieren aus ihrer Lebenssituation heraus ganz anders auf diese Geschichte: „Das ist gut, endlich bekommt Mose mehr Zeit für die Familie� Der Schwiegervater sorgt sich offensichtlich um seine Tochter und seine Enkel�“ Alle diese Beispiele 6 zeigen, wie konkrete Lebenserfahrungen zu Bildern werden, mit denen traditionelle Bilder des Textverständnisses zerschlagen werden� Exegese kann gewissermaßen als ikonoklastische Kunst verstanden werden� Allerdings kann dies nur prozessual begriffen werden: Alte Bilder werden durch neue zerschlagen� Neue Bilder werden während der Textlektüre und der Exegese konstruiert und zwar im besten Fall so, dass sich die mentalen Bilder im Prozess des Verstehens dynamisch immer mehr dem Wortlaut des Textes annähern� 5 Grundlegend sind Pitzele, Scripture, und Pohl-Patalong, Impulse� 6 Der Verfasser erlebte sie entweder selbst oder erfuhr sie aus erster Hand� Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 75 Dies ist aber ein idealtypischer Verlauf� Eine dynamische Entwicklung mentaler Bilder weg vom Text ist ebenso vorstellbar� Mentale Bilder werden zu einer inneren Repräsentation� Der Begriff „Abendmahl“ weckt bei vielen Gemeindemitgliedern heute ein Bild von einem Gottesdienstbesuch am Sonntagmorgen und einem kleinsten Stückchen Brot oder einer Oblate und einem symbolischen Schluck vom Wein� Im besten Fall erscheint eine innere Vorstellung vom Abendmahl von Leonardo da Vinci� Wenn Texte über das Deipnon (‚Abendmahl‘) und vor allem über das letzte Deipnon , das Jesus mit seinen Jüngern teilte, gelesen werden, hat dieser Begriff historisch in den Texten des Neuen Testaments mit Mahlgemeinschaft, Gelage, zu Tische Liegen, Sättigungsmahl, Männergemeinschaft am Abend, dem gemeinsamen Weintrinken, der Pflicht, sich gegenseitig dabei zu unterhalten, und (homo-) erotischen Assoziationen zu tun� Der Begriff ‚Abendmahl‘ ruft bei Lesern im ersten Jahrhundert eine solche innere Repräsentation hervor� Die Vorstellung eines Abendmahls am Morgen würde sie irritieren und die Kargheit der Speisen würde sie beleidigen, wenn sie zu so einem Mahl eingeladen würden� So verhindert heute die moderne innere Repräsentation von Abendmahl in der Kirche, dass das Sinnpotential des Textes ausgeschöpft werden kann, und führt in der Regel zu einem falschen Verstehen des jeweiligen Abendmahltextes� Dies gilt auch etwa für folgende Texte, die alle im Hintergrund das Deipnon und das Symposion haben: der arme Lazarus an Abrahams Brust (Lk 16), der Lieblingsjünger ( Joh 13), der Tanz der Tochter der Herodias (Mk 6), die Speisung der 5000 (Mk 6), der Speisemeister in Joh 2 und die Fußsalbung durch die Sünderin (Lk 7)� Historisch verantwortete Exegese muss hier nicht nur die zeitgenössischen kontextuellen mentalen Verstehensbilder rekonstruieren, sondern zugleich auch die modernen dekonstruieren. 2. Sprachbilder des Paulus: Bildwelten im 1. Korintherbrief Ein Text kann auch gezielt Sprachbilder schaffen� Allerdings sind solche Sprachbilder keineswegs stärker als mentale Bilder, die im Prozess des Verstehens an sie herangetragen werden� Dies soll anhand des dritten Kapitels des ersten Korintherbriefes des Paulus demonstriert werden� 1Kor 3 1 Und ich, Brüder und Schwestern, konnte nicht zu euch reden wie zu geistlichen Menschen, sondern wie zu fleischlichen, wie zu unmündigen Kindern in Christus� 2 Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen� Auch jetzt könnt ihr’s noch nicht, 3 denn ihr seid noch fleischlich� Denn wenn Eifersucht und Zank unter euch sind, seid ihr da nicht fleischlich und lebt 76 Peter Wick nach Menschenweise? 4 Denn wenn der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere aber: Ich zu Apollos -, ist das nicht nach Menschenweise geredet? Paulus ruft eine bei seinen Adressaten bekannte Vorstellungswelt durch den Begriff ‚fleischlich‘ hervor� Diesen setzt er gewissermaßen unter Spannung, indem er ihn mit einer konträren Bildwelt konfrontiert� Die ‚fleischlichen‘ Glaubenden in Korinth vertragen keine feste Speise, sondern nur Milch� Das Fleisch weckt Bilder von fester Speise� Milch ist hier dezidiert für solche bestimmt, die diese nicht vertragen� Diese Dissonanz der Bilder setzt Paulus mit rhetorischer Absicht ein� Mit Milch und fester Speise führt er das Bild von der Entwicklung des Menschen ein� Diejenigen, die Eifersucht verspüren, zanken und sich über eine innergemeindliche Partei definieren, sollen sich selbst im Bild eines Kleinkindes sehen� Zugleich sollen sie durch dieses Bild verstehen, dass sie nicht am Ziel sind� Das Ziel ist im Bild gesprochen, groß zu werden und feste Speise zu vertragen� Paränetisch ist das Ziel, liebevoll in der Gemeinde miteinander umzugehen� 1Kor 3 5 Was ist nun Apollos? Was ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: 6 Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben� 7 So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt� 8 Der aber pflanzt und der begießt, sind einer wie der andere� Jeder aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit� 9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau� Paulus führt nun eine zweite Bildwelt ein, nämlich die des Ackerbaus� Die Gemeinde in Korinth ist der Acker Gottes� Paulus hat mit der Gemeindegründung gepflanzt und Apollos durch seine Mitarbeit in der Gemeinde die jungen Pflanzen begossen� Am Ende von V� 9 führt Paulus als dritte Bildwelt die des Hausbaus ein, die in das Bild des Hauses Gottes, des Tempels, mündet� Die Gemeinde ist Gottes (Haus-)Bau� 1Kor 3 10 Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf� Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut� 11 Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus� 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden� Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren� Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen� 14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen� 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch� 16 Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 77 wohnt? 17 Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig - der seid ihr. Paulus vergleicht hier das Leben eines Gläubigen in Korinth mit dem Bau eines Hauses� Für das Fundament ist er offensichtlich nicht selbst verantwortlich� Paulus bzw� Gott haben das Fundament gelegt, welches Christus ist� Auf Christus und seine Gnade vertraut der Gläubige� Wer auf dem richtigen Fundament steht, wird gerettet werden� Der empfangene, rettende Glaube an Jesus Christus bezieht sich auf das Hausfundament� Doch nun hat jeder mit dem Hausfundament beschenkte Glaubende die Aufgabe, sein Lebenshaus auf dieses Fundament zu stellen� Hier trägt jeder eine hohe Eigenverantwortung� Eine weise oder törichte Lebensführung wird in das Bild von der Auswahl der geeigneten Baumaterialien transformiert� Etwas wie ein Hausbrand wird am jüngsten Tag das Haus erfassen� Gold und Silber werden durch die Flammen geläutert und so veredelt, Holz, Stroh und Heu haben keinen Bestand� Doch das Fundament allein genügt offensichtlich, um gerettet zu werden� Paulus macht mit den Sprachbildern der menschlichen Entwicklung und des Hausbaus deutlich, dass es ihm keineswegs nur um den Glauben geht� Der im Glauben passiv empfangende Mensch soll zum aktiven Täter werden� Die Zukunft wird sein Werk prüfen� Das Sprachbild erlaubt auch eine zeitliche Differenzierung� Das Fundament ist in der Vergangenheit gelegt worden� In der Gegenwart wird das Haus gebaut bzw� das Leben geführt und zwar auf dem Fundament und auf die Feuerprobe in der Zukunft hin� Für Paulus ist die Hoffnung auf die Zukunft hin ausgerichtet� Dieses Bild deutet so auch die Hoffnung als wichtiges Moment für das ethische Handeln im ‚Jetzt‘� Der Kontext des Briefes verdeutlicht, dass das beste Baumaterial die Liebe ist� So weckt dieses Sprachbild ganze Assoziationsketten, die den Sinn des Textes vertiefen: Das Fundament ist offensichtlich nicht das Haus� Der Glaube ist nicht alles� Wenn ein Haus gebaut ist, sieht man das Fundament nicht� Doch wenn ein Haus feststeht, wird deutlich, dass es ein gutes Fundament hat� Das Leben der Christen ist sichtbar, nicht ihr Glaube� Allein das Fundament bildet eine Bauruine und stellt eine Peinlichkeit dar� Ein Haus ohne Fundament ist gefährlich� Fundament und Haus gehören zusammen, bedingen sich gegenseitig und geben einander Sinn� Auf dem Fundament und im Haus kann gelebt werden, nicht umgekehrt� Dieses Fundament wird zur Verfügung gestellt, das Haus muss selbst gebaut werden� Das Bild macht den Subjektwechsel deutlich� Wenn die Sprachbilder vom Hausbau und von der menschlichen Entwicklung übereinandergelegt werden, wird deutlich, dass ihr Differenzierungspotential erheblich ist� Die Milchtrinkenden und diejenigen, die feste Speise zu sich nehmen können, sind offensichtlich Gläubige� Bei ihnen ist das Fundament gelegt� 78 Peter Wick Es geht also bei beiden um den richtigen Hausbau� Die Milchtrinkenden bauen mit brennbaren Materialien ihr Lebenshaus, die anderen gehören zu denen, die mit Gold und Silber und Edelsteinen bauen� Alle sollen auf Hoffnung hin bauen, doch nur die Einen bauen mit der Liebe� So sind in diese Sprachbilder das für diesen Brief und weit darüber hinaus geltende zentrale Konzept von Glaube, Hoffnung und Liebe (1Kor 13,13) im wahrsten Sinn des Wortes eingezeichnet� Dies wird in der evangelischen Exegese selten so gesehen� Wenn sich das sola fide- und sola gratia- Prinzip von der Frage, ‚wie finde ich einen gnädigen Gott‘, löst und zu einem Dogma 7 wird, welches die ganze christliche Existenz umfasst, dann wird dieses Dogma zu einer anikonischen Fixierung, die als mentales Bild gerade auch diesen Text und seine Sprachbilder unsichtbar macht� Gegen die von den Bildern geforderte Differenzierung wird die Textaussage allein auf den Glauben festgelegt� Die innere Repräsentation von dem, was Paulus zu sagen hat, ist dann stärker, als das, was Paulus im Text schreibt� Sprachbilder eines Textes wahrzunehmen, kann helfen, eigene dogmatische Bilder vom Bibeltext her in Frage stellen zu lassen� Die komplexe Argumentation und Theologie des Paulus sind extrem differenziert� Immer wieder vereinfacht und visualisiert er sie mit Hilfe von Bildern� Manche dieser Bilder sind nicht einfach eine einmalige, passende Untermalung von gewissen Aussagen, sondern folgen bei Paulus durchaus einer eigenen Stringenz� Dies ist beim Bild von der menschlichen Entwicklung der Fall� Wenn Milchtrinkende in 1Kor 3 diejenigen sind, die sich motiviert durch die Hoffnung auf Anstand und Ordnung ausrichten sollen, und die Liebenden diejenigen sind, die feste Speise vertragen, stellt sich die Frage, wo der Glaube in diesem Sprachbild seinen Platz hat� Der Glaube ist der Hoffnung und der Liebe vorgeordnet und wird in 1Kor 3 in diesem Bild nicht thematisiert� Ganz anders verhält es sich - wie gezeigt - mit dem Bild des Hausbaus, bei dem sich der Glaube auf das Fundament ‚stellt‘� Doch schon im folgenden Kapitel wird im Bild der menschlichen Entwicklung die Voraussetzung für das Milchtrinken eines Säuglings bildhaft entfaltet� Paulus schreibt in 1Kor 4,15: „Denn wenn ihr auch zehntausend Erzieher hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter; denn ich habe euch gezeugt in Christus Jesus durchs Evangelium�“ Die Zeugung steht am Anfang der menschlichen Entwicklung� In Gal 4,19 kann Paulus die Zeugung durch die Geburtsmetapher ersetzen: „Meine Kinder, die ich abermals unter Wehen gebäre, bis Christus in euch Gestalt gewinne! “ Zeugung beziehungsweise Geburt stehen für das zum Glauben-Kommen� Auch hier entfaltet das Sprach- 7 Auch ein Dogma kann als innere Repräsentation verstanden werden� Ein Dogma ist keineswegs bilderlos, sondern wird in der Kirche narrativ durch Bilder erzeugt und weitergegeben� Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 79 bild seinen vollen Sinn durch die Imagination und Assoziationsmöglichkeiten, die es hervorruft� Der Mensch wird ohne sein Zutun gezeugt und geboren� Er ist dabei passiv und kann keinen eigenen Verdienst vorweisen� All dies entspricht dem Glauben und dem, worauf sich der Glaube primär bezieht: auf die Heilstat Gottes in Jesus Christus� So zeigen diese Sprachbilder und ihre Überlagerung in 1Kor 3 im Kontext des ganzen Briefes, dass der Glaube die Voraussetzung für die Hoffnung und die Liebe ist� Der anständige Lebenswandel fußt auf dem Glauben und wird durch die Zukunft beziehungsweise durch die Hoffnung motiviert: „Wenn die Toten nicht auferstehen, dann ‚lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot! ‘ ( Jes 22,13)“ (1Kor 15,32)� „Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, denn ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn“ (1Kor 15,58)� Doch ist das Haus soweit gebaut bzw� die menschliche Entwicklung soweit fortgeschritten, dann kommt die nächste Stufe: „aber die Liebe ist die größte …“ (1Kor 13,13)� 3. Innere Bilder steuern unser Wirklichkeitsverständnis Mentale Bilder steuern unser Wirklichkeitsverständnis� Sie haben einen großen Einfluss auf unsere Text- und Weltwahrnehmung� Sie steuern, was wir aufnehmen und was wir übersehen, sie beeinflussen massiv unser Handeln� All dies geschieht in der Regel unbewusst� Zur exegetischen Kunst gehört es grundlegend, solche Bilder aufzudecken und bei sich selbst zu entdecken� Um politische Prozesse richtig wahrzunehmen, ist es auch unabdingbar, handlungsleitende Bilder aufzudecken� So steht im Hintergrund des Populismus’ ein ganzes Konglomerat von solchen Bildern� Wer den Populismus zurückdrängen will, muss auch dessen innere Repräsentationen dekonstruieren und durch andere mentale Bilder ersetzen� Diese politische Dimension wird im Folgenden an sehr allgemeinen Beispielen, die auch für die Ökumene und Kirche relevant sind, kurz reflektiert werden� Für die Wahrnehmung von Kirche, Gesellschaft und Politik ist unsere Vorstellung vom Verhältnis von Vielheit und Einheit grundlegend� Die deutsche Flagge mit Schwarz-Rot-Gold konnte in ihrem Entstehungsprozess als Bild für die Einheit des Deutschen Bundes gesehen werden, obwohl er in viele Fürstentümer zergliedert war� Die eine Flagge konnte so zum Symbol für die Einheit trotz Vielheit werden� Auch wenn Braun als Farbe des Nationalsozialismus auf die braunen Hemden der SA zurückgeht, so wurde es doch bald als Symbol für die Vereinheitlichung von Schwarz-Rot-Gold verstanden� So ist im neuen Brockhaus von 1937 über die Farbe Braun zu lesen: „1) eine Mischfarbe aus 80 Peter Wick Gelb, Rot, Schwarz� Braune Malerfarben sind z� B� Umbra, Raffeler Braun, Ocker, Braunstein, Sepia, Bifter� 2) Kennfarbe des Nationalsozialismus: das Braunhemd; das Braune Haus; die braunen Bataillone�“ 8 So konnte die Farbe Braun auch zur inneren Repräsentation der Gleichschaltung der durch Schwarz-Rot-Gold repräsentierten deutschen Vielheit werden� In diesem Sinne sind Schwarz-Rot- Gold und Braun zwei grundlegend verschiedene mentale Bilder der politischen Wahrnehmung� Die Jagd mit Hunden kann ein anderes Bild der Einheit und Vielheit schaffen� Jagdhunde, die herumtollen und sich kneifen, jagen plötzlich koordiniert hinter der Beute her, wenn die Jagd eröffnet wird� Die Vielheit verbindet sich zu einer Einheit durch ein gemeinsames Ziel� Im Judentum wird die Einheit und Einzigkeit ganz Gott zugeschrieben� Schöpfung ist durch Vielheit gekennzeichnet und steht so auch als das Viele dem einen Gott und Schöpfer gegenüber� Sogar Buchstaben können so zu inneren Repräsentationen werden� So beginnt die Bibel mit dem Buchstaben Beth, der den Zahlenwert 2 repräsentiert� Der Schöpfungsbericht beginnt mit der Vielheit� In jüdischer Zahlensymbolik können so die Buchstaben für den Menschen zum Bild für seine Berufung werden� Aleph (1), Daleth (4) und Mem (40) bilden Adam� Die Zahlen Vier und Vierzig stehen besonders für die Schöpfung und ihre Zeit� So ist der Mensch derjenige, der die Vier und die Vierzig mit der Eins verbindet und damit die Schöpfung mit Gott verbinden soll� Im Prolog des JohEv ( Joh 1) wird unter deutlichem Bezug zur hebräischen Bibel ebenfalls ein Sprachbild aus Einheit und Vielheit geschaffen: „ 1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort� 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott� 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist� … 14 Und das Wort ward Fleisch …“ Zu Beginn oszilliert das Wort zwischen einer Einheit und einer Zweiheit in Gott selbst� Durch die Fleischwerdung wird es zu einem Teil der Vielheit der Schöpfung, die dem einen Gott gegenübersteht� Andere biblische Geschichten sind zu inneren Repräsentation des Verhältnisses von Einheit und Vielheit geworden� So konstruiert die Geschichte vom Turmbau zu Babel die Vielheit als Strafe Gottes� Das menschliche Einheitsprojekt ist Hybris (Gen 11,4): „Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde�“ Paulus stellt Bilder zur Verfügung, um das Verhältnis von Einheit und Vielheit in der Kirche darzustellen� Eines davon ist die Rede vom einen Leib mit den vielen Gliedern (1Kor 12,12): „Denn wie der Leib einer ist und hat doch viele 8 Der Große Brockhaus, Art. braun (german…), das Braun. Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 81 Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus�“ Das Bild von einer Körperschaft als Leib war in der Antike durchaus bekannt� Der Epheserbrief ist besonders kühn, wenn er die Einheit von Christus und der Gemeinde im Bild der sexuellen Vereinigung darstellt (Eph 5,31 f�): „‚Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein‘ (Gen 2,24)� Dies Geheimnis ist groß; ich deute es aber auf Christus und die Gemeinde�“ Gerade die Gegensätze zwischen Mann und Frau ermöglichen dieses Einssein� So sind auch Christus und die Gemeinde, obwohl und gerade weil sie sich unterscheiden, ganz eins� Weitere Sprachbilder im Neuen Testament sind u� a� das Bild von der Familie ( familia Dei )� So gibt es politisch aber auch kirchlich mentale Bilder, die ein ganz bestimmtes Verhältnis von Einheit und Vielheit konstruieren und oft auch andere Bilder ersetzen wollen� Wer die Welt durch solch ein Bild anschaut, wird gewisse Dinge schärfer wahrnehmen, für andere Aspekte aber blind werden� Ein Schutz vor solch einer Blindheit bieten Paulus und das ganze NT , indem verschiedene Bilder, die durchaus in Spannung zueinander stehen, zur Verfügung gestellt werden und nebeneinander stehen bleiben� Wenn ein mentales Bild zu einem Aspekt neben anderen wird, steuert es nicht mehr die ganze Wahrnehmung und macht so auch nicht für alles, was außerhalb seines Bildrahmens liegt, blind� 4. Ausblick für die Exegese: eine Hermeneutik der Differenz Mentale Bilder von einer Jesusgeschichte repräsentieren, wie ein Mensch sich an diese Geschichte erinnert und mit welchen Einsichten und Affekten er mit ihr verbunden ist� Solch eine innere Repräsentation steuert die Erwartungshaltung, wenn er diese Geschichte erneut liest� Das innere Bild kann so stark sein, dass eine davon unabhängige Textwahrnehmung gar nicht mehr möglich ist� Die Fähigkeit, Neues in einem Text zu entdecken, ist so massiv eingeschränkt� Texte entdecken und Texte selbstständig auslegen ist nur möglich, wenn es gelingt, die eigenen leitenden Bilder zu dekonstruieren oder sie mindestens auszutricksen� Dafür gibt es viele hilfreiche Methoden, so etwa die Konfrontation von Bildern über biblische Inhalte mit mentalen Bildern der Lebenswirklichkeit der Leser� Auch historisch-kritische Methoden können ein durch Dogmen, die als innere Repräsentationen funktionieren, festgelegtes Textverständnis widerlegen� Allerdings muss darauf geachtet werden, die Texte nicht auf ein mentales Bild eines bestimmten Geschichtsmodells zu reduzieren� Synchrone Methoden 82 Peter Wick sind besonders hilfreich� Wenn in einem sprachlich-syntaktischen Zugriff Stilformen untersucht, Adjektive, Verben und Substantive gezählt werden und mit weiteren Fragen das ‚Material‘ eines Textes untersucht wird, wird der Exeget durch solche Fragen zuerst einmal von seinen eigenen Erwartungen an den Text entfremdet� Dies gilt auch, wenn ein narratives oder ein semiotisches Modell auf den Text hin angewendet oder nach Erzählalternativen gefragt wird oder semantische Wortfelder bestimmt werden� Solche Methoden entfremden den Text vom eigenen Vorverständnis� Eigene mentale Bilder werden zuerst einmal links liegen gelassen� Wenn so ein neuer exegetischer Ertrag sichtbar wird, kann damit das eigene Vorverständnis konfrontiert werden� Es braucht eine Hermeneutik der Differenz. Bibelleser und Bibelleserinnen müssen die Kunst lernen, das Unpassende, Sperrige, Fragwürdige, Widerspenstige in einem Text zu entdecken. Anders gesagt: Die erste und vielleicht höchste Kunst der Exegese ist die Fähigkeit, bei der Lektüre eines (bekannten) Textes vielfach zu stolpern� Stolpernde werden zu Entdeckern� Wer bei der Lektüre stolpert, zeigt, dass sein inneres Bild vom Text nicht fähig war, Störfaktoren im Text für dieses Bild auszublenden, und dass er eine Differenz zu seiner mentalen Repräsentation dieser Geschichte oder dieser Lehraussage entdeckt hat, die sich nicht einfach in diese integrieren lässt� Das Fremde im Text wird zum Potential eines sich erweiternden Textsinnes� Eine solche Hermeneutik der Differenz soll zu einem aspektiven Wahrnehmen des Textes führen� Ziel ist es, möglichst viele Aspekte eines Textes zu entdecken, ohne diese Bilder in ein einziges Bild hinein zu fixieren, welches verhindert, weitere Aspekte des Textes in der Zukunft zu entdecken� Die Bibel selbst ist für einen solchen Weg der Texterkenntnis hilfreich� Die Bibel und ihre Bücher fixieren kaum einen Sinn oder eine Aussage mit einem einzigen Bild� Zahlreiche potentielle mentale Bilder werden für Gott und vieles andere zur Verfügung gestellt� Das Bilderverbot verbietet, Gott auf ein äußeres Bild festzulegen� Da der Mensch mit mentalen Bildern denkt, kann es vielleicht auch als Verbot verstanden werden, die Mitmenschen und die ganze Schöpfung je auf ein mentales Bild festzulegen� Wenn bildloses Erkennen nicht möglich ist, dann brauchen wir ein Verstehensmodell, in dem wir mehrere Bilder statisch nebeneinander stellen können und in dem Bilder selbst dynamisiert werden und ihre innere Fixierung in Bewegung aufgelöst werden kann� Eine solche Texthermeneutik ist auch eine Hermeneutik der Wirklichkeit und besitzt deshalb eine implizit politische Dimension� Um einen Staat ist es schlecht bestellt, wenn die geltenden politischen Wahrheiten auf ein Bild festgelegt werden� Eine Demokratie braucht die Konkurrenz verschiedener mentaler Bilder von dem, was die Gesellschaft ist und sein soll� Die Fähigkeit der Wahrnehmung der Gesellschaft außerhalb der eigenen Bilder ist für eine Demokratie existen- Wie beeinflussen traditionelle mentale Bilder die Lektüre biblischer Texte 83 tiell wichtig� Innere Repräsentationen von einem Ideal der Gesellschaft, wie sie vom Populismus vertreten werden, müssen durch andere herausgefordert werden. Um die Wahrnehmung der Wirklichkeit - in unserem Fall insbesondere die der Textwirklichkeit - hinter unseren mentalen Bildern muss immer wieder neu gerungen werden� Literatur Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens in 20 Bänden, Leipzig 1928-1935, mit Ergänzungsbänden Leipzig 1937-1939. Egger, Wilhelm / Wick, Peter: Methodenlehre zum Neuen Testament� Biblische Texte selbständig auslegen, Freiburg 2011� Heilmann, Jan / Wick, Peter: Mahl / Mahlzeit ( NT ), Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (wibilex�de) https: / / www�bibelwissenschaft�de / stichwort / 51 975/ , erstellt: September 2013, letzter Zugriff am 24� 02� 2017� Luther, Martin: Luthers Werke auf CD - ROM [Weimarer Ausgabe], Cambridge u. a. 2002� Pitzele, Peter A�: Scripture Windows� Towards a Practice of Bibliodrama, Los Angeles 1998� Pohl-Patalong, Uta: Bibliolog� Impulse für den Gottesdienst, Gemeinde und Schule� Bd� 1: Grundformen, Stuttgart 2009� Wick, Peter: Den Metaphern trauen - Paulus als Lehrer von Glaube, Hoffnung und Liebe im 1� Korintherbrief, in: Müller, Peter (Hg�): Paulus in der Schule� Grundlagen - Didaktik - Bausteine für den Unterricht, Stuttgart 2012, 30-43. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Lehr-/ Lern-Beispiele Zugang zu Bildern finden Ein exemplarischer Vermittlungsansatz zu Millais’ Ophelia Alexander Schneider Der vorliegende Text widmet sich ausgehend von John Everett Millais’ Ophelia (1851-52) dem Thema der Bildrezeption im hochschuldidaktischen Kontext. Hierzu gliedert er sich in zwei Teile, die ihrerseits mit den grundlegenden und aufeinander bezogenen Organisationsebenen eines didaktisch initiierten Bildauslegungsprozesses übereinkommen� Der erste Teil bespricht die der Vermittlungssituation vorausgehende Bildauswahl� Durch diese Wahl legt der Lehrende 1 sowohl einen thematischen Schwerpunkt als auch einen kommunikativen Rahmen fest� Ferner geht mit der Entscheidung über den Anschauungsgegenstand unmittelbar eine erste eigene Bildinterpretation einher� M�a�W�: Der Dozierende muss erst selbst einen Zugang zum Bild finden, bevor er es in der Lehrveranstaltung behandeln kann� Dementsprechend baut der zweite Textteil auf einer exemplarischen, vom Lehrenden zu erbringenden ‚Vor-Interpretation‘ auf und gibt methodische Impulse zur Bildvermittlung� Im Folgenden liegt beiden Schritten - Seminarvorbereitung und -durchführung - die von Max Imdahl begründete Ikonik als methodische bzw. interpretatorische Klammer zugrunde� Gemäß diesem aus der Kunstwissenschaft stammenden Ansatz erwächst der Bildsinn aus der Synthese unterschiedlicher Seh-Formen, nämlich indem „gegenständliches, wiedererkennendes Sehen und formales, sehendes Sehen sich ineinander vermitteln zur Anschauung einer hö- 1 Der Text verzichtet zugunsten des Leseflusses auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung und greift auf das generische Maskulinum zurück� 86 Lehr-/ Lern-Beispiele heren, die praktische Seherfahrung sowohl einschließenden als auch prinzipiell überbietenden Ordnung und Sinntotalität�“ 2 Mit dem ‚wiedererkennenden Sehen‘ und dem ‚sehenden Sehen‘ sind im Endeffekt zwei ‚Anschauungsweisen‘ 3 gegeben, die nichts weiter als synonyme Begriffe für ‚Bildinhalt‘ und ‚Bildform‘ sind, wobei der Bildsinn als ‚erkennende[s] Sehen[]‘ aus deren korrelativen Verhältnis resultiert� 4 Seminarvorbereitung: Über das Verhältnis von Bildinhalt und Bildform Dass Millais’ Ophelia (Abb� 1) als Anschauungsgegenstand ausgesucht wurde, begründet sich aus dem theologischen Kontext des vorliegenden Publikations- 2 Imdahl, Giotto, 93� 3 Mit ‚Anschauungsweisen‘ ist hier ein Oberbegriff gemeint, welcher die unterschiedlichen bei Imdahl beschriebenen Seh-Formen zusammenfasst und gleichzeitig der Tatsache Rechnung trägt, dass Imdahl eine aktive Bildanschauung einfordert: „Um sich dieser durch nichts anderes zu substituierenden Identität des Bildes bewußt zu werden, um also das sonst Nichterfahrbare überhaupt als ein solches zu erfahren, bedarf es allererst und unverzichtbar einer intensiven und reflektierenden Bildanschauung�“ (Imdahl, Giotto, 14) 4 Imdahl, Giotto, 92� Abb� 1: John Everett Millais: Ophelia , 1851-52, Öl auf Leinwand, 76 x 112 cm, Tate Gallery, London Lehr-/ Lern-Beispiele 87 organs: So finden sich im Bild des präraffaelitischen Künstlers Reminiszenzen aus der christlichen Bildtradition, die es im Folgenden herauszuarbeiten gilt� Zur ikonischen Aufschlüsselung von Millais’ Werk setzt dieser Textteil zunächst rein deskriptiv auf der Ebene ‚wiedererkennenden Sehens‘ an� Das Bild zeigt den Ausschnitt eines Bachlaufs: Zwischen Algen, hoch aufragenden Schilfblättern, Kopfweide sowie Blütenranken treibt rücklings eine Frau auf dem Wasser� Mit halb geöffnetem Mund, leicht ausgebreiteten Armen und nach oben weisenden Händen blickt sie geradezu apathisch in den Bildraum - ohne einen erkennbaren Punkt zu fixieren� Dabei trägt sie ein reich besticktes Kleid entlang dessen sich eine Art Blumengewinde erstreckt, das sie mit ihrer rechten Hand noch zu berühren scheint und das mit dem floralen Muster ihres Gewands korrespondiert� Wäre der Bildtitel zuvor noch unbekannt gewesen, so ermöglichte spätestens die vorstehende Beschreibung eine ikonographische Bestimmung der im Wasser liegenden Frau: Es handelt sich um die aus Shakespeares Hamlet (um 1600) stammende Ophelia� Doch obschon es sich um einen überaus prominenten literarischen Charakter handelt - der Geliebten des Titelhelden -, kann in diesem Zusammenhang von einer detaillierten Inhaltsangabe der Shakespeare’schen Tragödie abgesehen werden� Die nachstehenden Zeilen umreißen die Gründe hierfür in aller Kürze� Die Kunde von Ophelias todbringendem Sturz in den Bach übermittelt im Stück Hamlets Mutter; das Geschehen bleibt den Augen der Theaterbesucher vorenthalten� Es ist daher überraschend, dass sich dieser ‚Botenbericht‘ zu einem derart populären Bildmotiv entwickelte� Doch bei einem genaueren Blick auf die entsprechende Textstelle (s� u� A15) fällt dessen rhetorische Qualität auf� Die Anschaulichkeit, mit der die betreffenden Zeilen verfasst sind, legt nahe, diese als ‚ekphrastisch‘ zu charakterisieren� 5 Das imaginative Potenzial dieser ‚Ekphrasis‘ kann somit als Triebfeder und Erklärung für die zahlreichen bildnerischen Umsetzungen von Ophelias Sterben angesehen werden� Mehr noch, Ophelia hat sich innerhalb der Künste zu einem eigenständigen Motiv emanzipiert und gilt gemeinhin als „Topos idealisierter Weiblichkeit“ 6 � Doch wie äußert sich diese Emanzipation speziell bei Millais? Er hat die ursprünglich pagane Shakespeare-Figur christianisiert� Besonders prägnant äußert sich das in ihrer Handhaltung� Diese erinnert an einen Orantengestus (lat� orare für ‚beten‘) und bewirkt eine ikonographische Zuschreibung zweiter Ordnung: Der Transfer zur christlichen Ikonographie, genauer noch zur Verkündigung einer Erlösungshoffnung, ist unverkennbar� Sucht man nach kon- 5 Vgl� Kindler, Ophelia, 52 f� 6 Hanika / Werkmeister, Geschöpf, 142; erhellend ist in diesem Zusammenhang außerdem Simone Kindlers Studie zur Ophelia, obschon bei ihr Millais’ Ophelia lediglich peripher behandelt wird (vgl� Kindler, Ophelia)� 88 Lehr-/ Lern-Beispiele kreten visuellen Referenzen, wird man bei Werken fündig, die Marias Himmelfahrt behandeln� 7 Führt man diesen Sachverhalt schließlich ikonologisch 8 fort und verortet Millais’ Bild in seinem geistesgeschichtlichen Kontext, ergibt sich aus der Art und Weise, wie die zur Heiligen stilisierte Ophelia in Millais Bild mit der Natur verschmilzt, ein eskapistisches Moment� Nicht bloß der Zierrat ihres Kleides verbindet sich mit der sie umfangenden Flora, selbst ihr Körper scheint sich im Wasser aufzulösen� 9 Millais Darstellung erscheint dergestalt als ästhetische Gegenwelt zu den durch die industrielle Revolution freigesetzten Entfremdungstendenzen� 10 Während bislang lediglich die inhaltliche Seite des Bildes Berücksichtigung fand, blieben die bildnerischen Formzusammenhänge unbeachtet� Es bedarf also, um in der Terminologie Imdahls zu bleiben, eines ‚sehenden Sehens‘, das nun noch jene Aspekte ergänzt, die das Motiv formal konstituieren� Hierzu empfiehlt es sich, das querformatige Bild mit seinen abgerundeten Ecken am oberen Rand anhand eines Fadenkreuzes einzuteilen (Abb� 2)� Dadurch ist eine Sehhilfe gegeben, mit welcher die formalen Zusammenhänge besser erfasst, auf ihre Wirkung hin befragt und mit den bereits erbrachten inhaltlichen Erkenntnissen kombiniert werden können� In der Folge wird erkennbar, dass die annähernd waagerecht ausgerichtete Frauengestalt fast die gesamte Längsseite des Formates ausfüllt� Das damit einhergehende statische Wirkungsmoment wird am linken Rand durch die senkrecht aufragenden Schilfblätter subtil aufgelockert� Gleichzeitig schließen diese Blätter gemeinsam mit der unterhalb von Ophelia befindlichen Algendecke sowie der oberhalb von ihr liegenden Uferlinie - sie kommt mit der Waagerechten des Fadenkreuzes überein - Ophelia ein. Es entsteht der Eindruck, Ophelia läge im Wasser als sei sie in einem Sarg aufgebahrt� In die statische Bildwirkung, die aus den vorherrschenden waagerechten Linien resultiert, mischen sich latent auch dynamische Formelement: Die 7 Es sei etwa an das in der venzianischen Frari-Kirche befindliche, von Tizian angefertigte Hochaltarbild, die sog� Assunta ( Mariä Himmelfahrt [kurz: Assunta ], 1516-1518; Öl auf Holz, 690 x 360 cm; Santa Maria Gloriosa dei Frari, Venedig), erinnert; darauf blickt Maria - ähnlich wie Millais’ Ophelia - mit erhobenen Armen nach oben zur Himmelsglorie. Allgemein zum Orantengestus vgl� Demisch, Hände, 205 und passim� 8 Die Ikonologie fragt in der Verlängerung bzw� Fortsetzung der Ikonographie nach dem geistesgeschichtlichen Kontext, in dem ein Werk entstanden ist (vgl� Imdahl, Giotto, 87); dass hier die ikonographisch-ikonologische Methode Panofskys durchscheint, ist beabsichtigt, da Imdahls Ikonik unmittelbar darauf Bezug nimmt; vgl� Imdahl, Giotto, 100 und passim� 9 Vgl� Hanika / Werkmeister, Geschöpf, 144�147, sowie Bayer, Mythos, 164� 10 Zu den gegenweltlichen Tendenzen bei Millais‘ Ophelia vgl� Bayer, Mythos, 164; zur generellen ‚Zeitflucht‘ in der Malerei der Präraffaeliten vgl� Schiff, Zeitkritik� Lehr-/ Lern-Beispiele 89 nach oben weisenden und leicht versetzt angeordneten Handflächen Ophelias deuten eine diagonale Bewegung an, die in Kombination mit ihrem Blick an den oberen Bildrand weisen, wo sich das sonst dichte Geäst etwas lichtet� 11 Gleichzeitig erzeugt die Kopfweide in der oberen Bildhälfte auf äußerst subtile Weise ein Gegengewicht, das dieses aufsteigende Bewegungsmoment ausponderiert (Abb� 2)� Will man diese formalen Beobachtungen interpretatorisch wenden und einen Bogen zu den bereits inhaltlich herausgearbeiteten christlichen Implikationen spannen, lässt sich die zuvor getroffene Einschätzung, Ophelia läge wie in einen Sarg gebettet im Bach, transzendieren: In der Sekundärliteratur finden sich Hinweise, wonach die Statik und Hermetik, mit der sich Ophelia dem Betrachter darbiete, an einen ‚hortus conclusus‘ erinnere, und dem Wasser im Zuge dessen kathartische Funktion zukomme, welche der zur Maria transformierten Ophelia Unschuld und Reinheit verleihe� 12 Doch damit ist es noch nicht genug: Bekrönt wird diese Transzendierung schließlich durch den seg- 11 In der Kompositionsskizze ist diese Stelle durch ein graues Kreuz markiert (vgl� sowohl Abb� 1, als auch Abb� 2)� 12 Vgl� Bayer, Mythos, 159�168; zur marianischen Symbolik des ‚geschlossenen Gartens‘ vgl� außerdem Hanika / Werkmeister, Geschöpf, 143� Abb� 2: Kompositionsskizze zu Millais’ Ophelia 90 Lehr-/ Lern-Beispiele mentbogenförmigen Bildabschluss, der „mit seinem Anklang an die christliche Bildtradition zum Andachtsbild erhöht wird�“ 13 Insgesamt hat sich ein vorläufiger Deutungshorizont für das Millais-Bild konturiert, der nicht den Anspruch auf eine umfassende Interpretation erhebt; das kann in der Kürze dieses Beitrages gar nicht geleistet werden� Stattdessen ging es darum, eine Sensibilität für das bedingungshafte Ineinanderwirken von Inhalt und Form zugunsten ‚erkennenden Sehens‘ zu wecken - ohne sich dabei in extravisuellen Bildbezügen zu verlieren� Darüber hinaus sei bemerkt, dass es sich aus didaktischer Sicht auch nicht anrät, im Rahmen der Seminarvorbereitung einen vorgängigen Bildsinn festzusetzen, da sonst grundsätzlich die Gefahr besteht, dass sich ein allzu enges Korsett ausbildet, in dem Beobachtungen, welche der Lehrende im Voraus nicht antizipiert oder erkannt hat, keinen Platz mehr finden� Seminardurchführung: Vom Bilddiktat zur Bildauslegung Häufig enden Bildbetrachtungen damit, dass Irritationen und Mehrdeutigkeiten mit floskelhaften Bemerkungen, etwa ‚Das ist Kunst, das gehört halt so‘, plausibilisiert werden� Der Aussagegehalt, welcher in ebendiesen Irritationen steckt, bleibt aus inhaltlicher und formaler Sicht oft unbestimmt - ein ‚erkennendes Sehen‘ findet nicht statt� So gesehen steht man als Dozierender bei einer Behandlung von Millais’ Bild vor der Herausforderung, das Befremden aufzuklären, welches dadurch verursacht wird, wie Ophelia gestikulierend im Wasser liegt� Aufgrund des hohen Ikonizitätsgrades des Millais-Bildes eignet sich hierfür ein Bilddiktat� Durch dieses lässt sich die Neugier am Anschauungsgegenstand wecken� Außerdem können auf diese Weise Anregungen für eine spätere Interpretation angebahnt werden� Doch bevor es nun genauer um die methodische Umsetzung geht, muss vorausgeschickt werden, dass die nachstehenden Ausführungen nicht als Rezept, sondern lediglich als Handlungsimpulse zu verstehen sind� In Anlehnung an Hans Meyers lassen sich zwei Diktatarten unterscheiden: die ‚freie‘ und die ‚gebundene‘� 14 Bei der freien Variante enthält der Seminarlei- 13 Hanika / Werkmeister, Geschöpf, 143; bezeichnenderweise weist die bereits erwähnte von Tizian stammende Assunta ebenfalls einen segementbogenförmigen Bildabschluss auf (vgl� A7)� 14 Vgl. Meyers, Kunstwerke, 41-46; es sei hierbei erwähnt, dass es sich bei den folgenden Ausführungen zur freien Diktatform um eine Weiterentwicklung handelt, die mehr eine begriffliche als eine inhaltliche Anleihe darstellt� Die hier vorgestellte freie Diktatform ist problemlos auf die ikonographischen Quelltexte anderer Bilder übertragbar� Lehr-/ Lern-Beispiele 91 ter dem Kurs das zu betrachtende Werk zunächst noch vor und rezitiert die zum Bild gehörende Textstelle aus Shakespeares Hamlet 15 � Nach dem ersten Vorlesen fordert er die Studierenden zu einem skizzenhaften Bildentwurf auf, während er die Textstelle erneut vorträgt� Um das Eis zu brechen und den Zeichenvorgang in Gang zu setzen, kann es hilfreich sein, dem Kurs das Bildformat vorzugeben� Dieses können sich die Studierenden dann mit dem Lineal oder frei Hand auf ihrem Zeichenpapier anlegen� Demgegenüber setzt die bildgebundene Version direkt am Originalwerk an� Hierzu finden sich die Seminarteilnehmer zu zweit zusammen� Einer erhält eine Kopie des Werkes und diktiert das, was er sieht, seinem Gegenüber� Es ist wichtig, dass der Diktierende einige Minuten Zeit hat, um sich eine gedankliche Struktur für das Diktat zu überlegen� Zwischenzeitlich können die Zeichnenden ebenfalls das Bildformat vorzeichnen� Dies erleichtert die Kommunikation während des Diktats� Durch das eigene Tun - ob verbal oder zeichnerisch - findet im Laufe des Diktats eine erste persönliche Auseinandersetzung mit dem Bild statt� 16 Das Zeichnen macht nicht nur die Vorstellungsbilder, sondern auch potentielle Verständnisschwierigkeiten sichtbar� In der Konsequenz ergeben sich Ansatzpunkte für ein gemeinsames Bildgespräch� 17 15 William Shakespeare, Hamlet, IV� Akt, 7� Szene� Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub, Mit welchem sie phantastisch Kränze wand Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen� Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde An den gesenkten Ästen aufzuhängen, Zerbrach ein falscher Zweig, und nieder fielen Die rankenden Trophäen und sie selbst Ins weinende Gewässer� Ihre Kleider Verbreiteten sich weit, und trugen sie Sirenen gleich ein Weilchen noch empor, Indes sie Stellen alter Weisen sang, Als ob sie nicht die eigne Not begriffe, Wie ein Geschöpf, geboren und begabt Für dieses Element� Doch lange währt’ es nicht, Bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken, Das arme Kind von ihren Melodien Hinunterzogen in den schlamm‘gen Tod� 16 Diese bildnerisch eigenaktiven Bildzugangsweisen haben in Kunstpädagogik längst Tradition und werden dort als praktisch-rezeptive Methode geführt, vgl� Buchschartner, Kunstbetrachtung, 88-118. 17 Bezüglich weiterführender Hinweise zum Bildgespräch vgl� Sowa, Gespräch� 92 Lehr-/ Lern-Beispiele Wo das freie Bilddiktat, wie es der Begriff bereits impliziert, zunächst eine größere subjektive Vorstellungsfreiheit bietet, verlangt es im Gegenzug allerdings auch ein höheres Maß an Reflexivität: M�a�W� muss man besonders hier in der Lage sein, wieder hinter seine eigenen Imaginationen zurückzutreten, um den Anschauungsgegenstand nicht aus den Augen zu verlieren� Gelingt dies, ergeben sich aus den Diktaten kontrastreiche Diskussionsfolien; man betrachte hierzu einmal beispielhaft die beigefügte Studierendenzeichnung (Abb� 3): Darauf ist die Frauenfigur - im Unterschied zu Millais’ Bild - bäuchlings und in der Gestalt einer Nixe, wie es Shakespeares Textstelle (A15) impliziert, dargestellt worden� Daneben kommt es selbst bei bildgebundenen Diktaten häufig zu Abweichungen vom Original, 18 weil der Diktierende etwas übersieht oder der Zeichnende etwas missversteht, sodass in einer anschließenden Gegenüberstellung von Zeichnung und Original ebenfalls Reibungspunkte entstehen, die eine vertiefte Rezeption, also ein Nachdenken über Bildzusammenhänge, anstoßen können� Im vorliegenden Studierendenbeispiel (Abb� 4) liefert unter anderem die vom 18 Meyers spricht diesbezüglich von einer Inkongruenz zwischen Wort und Bild (vgl� Meyers, Kunstwerke, 42)� Abb� 3: Freies Bilddiktat (Entstehungszusammenhang: kunstpädagogisches Grundlagenseminar zur Bildrezeption) Lehr-/ Lern-Beispiele 93 Millais-Bild abweichende Gestik Reflexionsbedarf� Bei beiden Diktatformen ist der Bildauslegungsprozess also „als dialogische Praxis geteilter Aufmerksamkeit zu verstehen, in der in gemeinsamer Wahrnehmung und bildnerisch und sprachlich geteilter Vorstellung eine gebildete Darstellungsim Sinne von Mitteilungsfähigkeit entsteht“ 19 � Während das Bilddiktat durch den primär deskriptiven Charakter weitgehend auf der Seite ‚wiedererkennenden Sehens‘ anzusiedeln ist, müssen die formalen Aspekte eines ‚sehenden Sehens‘ unbedingt noch hinzugeschaltet werden� Hierfür bietet es sich an, die unten stehenden ‚Exemplarischen Aspekte des Bildaufbaus‘ als Kopie auszugeben� Ein damit einhergehender Arbeitsauftrag könnte lauten: Welche Bildachsen bzw� Linien dominieren Millais’ Ophelia -Darstellung und welche Wirkung ergibt sich daraus; berücksichtigen Sie hierbei auch das Bildformat� Um zusätzlich die christlichen Implikationen, die in Millais’ Bild angelegt sind, erfahrbar zu machen, empfiehlt es sich, ein Vergleichsbild, etwa Tizians Assunta (1516-18) beizubringen; 20 hieran können weitere inhaltliche und formale Vergleichspunkt gewonnen werden� Insgesamt liegt es aber im Er- 19 Krautz, Imagination, 142� 20 Vgl� A7 und A14� Abb� 4: Gebundenes Bilddiktat (Entstehungszusammenhang: kunstpädagogisches Grundlagenseminar zur Bildrezeption) 94 Lehr-/ Lern-Beispiele messen des Lehrenden, wie und wann er sich moderierend einbringt und durch Fragen und ergänzende Informationen ein ‚erkennendes Sehen‘ befördert bzw� befördern muss� Literatur Bayer, Frauke: Mythos Ophelia� Zur Literatur- und Bild-Geschichte einer Weiblichkeitsimagination zwischen Romantik und Gegenwart, Würzburg 2009� Buchschartner, Helga: Kunstbetrachtung zwischen Kunsterfahrung und Kunstwissenschaft, Frankfurt 1998� Demisch, Heinz: Erhobene Hände� Geschichte einer Gebärde in der bildenden Kunst, Stuttgart 1984� Hanika, Karin / Werckmeister, Johanna: „…wie ein Geschöpf, geboren und begabt für dieses Element“. Ophelia und Undine - Zum Frauenbild im späten 19. Jahrhundert, in: Berger, Renate / Stephan, Inge (Hg�): Weiblichkeit und Tod in der Literatur, Köln / Wien 1987� Imdahl, Max: Giotto� Arenafresken� Ikonographie, Ikonologie, Ikonik, München 1980� Kindler, Simone: Ophelia� Der Wandel von Frauenbild und Bildmotiv, Berlin 2004� Lehr-/ Lern-Beispiele 95 Krautz, Jochen: Imagination als Beziehung� Zu einer relationalen Didaktik der Vorstellungsbildung in der Kunstpädagogik� In: Sowa, Hubert u� a� (Hg�): Bildung der Imagination� Bd� 2: Bildlichkeit und Vorstellungsbildung in Lernprozessen, Oberhausen 2014, 121-149. Meyers, Hans: Wir erleben Kunstwerke� Wege kind- und jugendgemäßer Kunstbetrachtung, Oberursel 1961� Schiff, Gert: Zeitkritik und Zeitflucht in der Malerei der Präraffaeliten� In: Grote, Ludwig (Hg.): Beiträge zur Motivkunde des 19. Jahrhunderts, München 1970, 167-197. Shakespeare, William: Hamlet� Prinz von Dänemark� Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel, in: Brandl, Alois (Hg�): Shakespeares Dramatische Werke� Bd� 4, Leipzig / Wien 1897, 117-266. Sowa, Hubert: Wie kommen Bilder ins Gespräch? Hermeneutische Überlegungen zu einer Didaktik des kunstpädagogischen Bildgesprächs, in: Glas, Alexander u� a� (Hg.): Sprechende Bilder - besprochene Bilder. Bild, Begriff und Sprachhandeln in der deiktisch-imaginativen Verständigungspraxis, München 2016, 241-270. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Kreatives Visualisieren als didaktisch-hermeneutischer Weg Am Beispiel der Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32) Norbert Brieden Wenn, wie Goethe meinte, Bilder und Worte Korrelate sind, die sich immerfort suchen, dann kann das Wechseln von der Wortin die Bildsprache und umgekehrt hochschuldidaktisch genutzt werden, um biblische Themen und Texte zu erschließen� Zwei Methoden kreativen Visualisierens möchte ich im Folgenden vorstellen� Dazu definiere ich zunächst: ‚Kreatives Visualisieren‘ bezeichnet die jeweils eigene - durch geeignete Methoden initiierte oder aufgedeckte - zeitaufwändige Tätigkeit, entweder einen bislang im Zeichensystem der Wortsprache ausgedrückten Inhalt durch bildsprachliche Zeichen zu ergänzen bzw� ihn ganz in die Bildsprache zu über-setzen (und damit zu interpretieren), oder gar von inneren Bildern auszugehen, sie darzustellen und erst dann im Zeichensystem der Wortsprache zu deuten� Diese wechselseitige Erhellung von Bild und Wort setzt den Prozess einer intensiven, selbstgesteuerten Auseinandersetzung mit Inhalten in Gang� Entsprechend dieser Definition lassen sich zwei Typen von Aufgabenstellungen unterscheiden� Die Grundlage des ersten Typs ist der eigene Verstehenshorizont (z� B� das biblische Thema ‚Zorn Gottes‘: Was verstehe ich momentan darunter, mehr oder weniger geprägt von den biblischen Texten? ); die Grundlage des zweiten Typs ein fremder Verstehenshorizont (z� B� wie wird in Ex 32 der ‚Zorn Gottes‘ dargestellt? )� Die allgemeine Funktion des ersten Typs ist es, den eigenen Verstehenshorizont aufzubauen bzw. ihn sich bewusst zu machen - mit dem Ziel eines vertieften Selbstverständnisses� Die allgemeine Funktion des zweiten 98 Lehr-/ Lern-Beispiele Typs ist es, einen anderen Verstehenshorizont zu erfassen bzw� ihn sich zu erschließen - mit dem Ziel eines vertieften Fremdverständnisses. Im Sinne einer Aufgabenstellung des ersten Typs können die Studierenden sich ihr Bild vom ‚Zorn Gottes‘ als abstraktes Vorstellungsbild vergegenwärtigen� Sie knicken dazu ein leeres Blatt einmal um� Auf der oberen Hälfte zeichnen sie zunächst schnell abstrakte Figuren, während Sie daran denken, was ‚Zorn Gottes‘ für sie bedeutet� Danach beschreiben sie auf der unteren Hälfte jeweils ihr Bild und die Bedeutung der einzelnen Bildteile� Wenn sie damit fertig sind, setzen sie sich in Kleingruppen zusammen und tauschen die Ergebnisse aus� Indem sich die Studierenden ihre eigenen Bilder von ‚Zorn Gottes‘ auf diese Weise bewusstmachen, bereiten sie ihre Auseinandersetzung mit dem biblischen Text vor� Dabei führt die Arbeit mit Bildern im Vergleich zu einer rein wortsprachlichen Erarbeitung (etwa über ein Brainstorming oder die Aufgabe einer Begriffsdefinition) erfahrungsgemäß in eine größere Tiefe, weil unbewusste Prägungen verstärkt Eingang finden und so der Reflexion zugänglich werden� Im Sinne einer Aufgabenstellung des zweiten Typs fertigen die Studierenden in ihren Kleingruppen topographische Mindmaps zu Ex 32 an� Dazu dient folgender Arbeitsauftrag: „Sie kennen Stadtpläne und Landkarten� Diese Vorgabe soll für Sie eine Hilfe sein, um Ihren Gedanken eine Form zu geben; die Inhalte (einzelne Straßen, Plätze, Berge, Flüsse …, z� B� ‚Zornesberg‘ oder ‚Gewaltplatz‘) legen Sie selber fest, indem Sie die Kernbegriffe der Erzählung vom Goldenen Kalb auswählen� In der Art und Weise, wie Sie die Straßen, Flüsse etc� anordnen, können Sie sich die Beziehungen zwischen den Begriffen vor Augen führen�“ Drei Beispiele zeigen, wie unterschiedlich sich drei Kleingruppen Ex 32 durch topographische Mindmaps vergegenwärtigten: In Beispiel 1 (‚Zornstromkarte‘) ist der ‚Strom des Zornes‘ auf der ‚Straße der Rettung‘ im oberen Kartenteil zu durchwandern, um vom Startpunkt links (‚Ägypten‘) das Ziel rechts (‚Das gelobte Land‘) zu erreichen� Um die ‚Wüste der Zweifel‘ zu durchqueren, ist allerdings auch die im unteren Kartenteil vom Zornstrom an seiner breitesten Stelle ausgehende ‚Allee des goldenen Kalbes‘ zu begehen, die zum ‚Gottesberg‘ führt� An dessen Fuß weist der ‚Mose-Abzweig‘ eine Abkürzung auf den ‚steinigen Weg der Gottesfurcht‘, der auf ungeraden Wegen schließlich ins gelobte Land führt� Lehr-/ Lern-Beispiele 99 Beispiel 2 sortiert die zentralen Kräfte der Erzählung in einem ‚Beziehungsplan‘: unten im ‚Lager‘ verbleiben ‚Aaron‘ und das ‚Volk‘, während ‚Mose‘ oben auf dem ‚Berg‘ ‚Gott‘ begegnet (visualisiert durch den Pfeil, der links von Mose nach 100 Lehr-/ Lern-Beispiele rechts auf Gott zielt)� Durch das grafisch im Zentrum des Planes hervorgehobene goldene Kalb versucht Aaron (mit seinem Bruder Moses auf der linken Bildseite), sowohl den Bedürfnissen des Volkes gerecht zu werden, als auch zugleich Gott anzusprechen (die beiden Pfeile, die von Aaron ausgehen)� Er erreicht allerdings das Gegenteil: die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk ist gestört� Die Wellenlinien deuten den Zorn Gottes an� In der Diskussion der Gruppe ging es um die symbolische Funktion des Goldenen Kalbes und inwiefern es das komplexe Beziehungsgefüge zwischen den genannten Protagonisten (Mose, Aaron, Gott, Volk) bestimmt� Beispiel 3 bringt in einem ‚Verlaufsplan‘ die komplexe Erzählstruktur mit den beiden Aufstiegen Mose zu Gott ins Bild� Die ‚Ägyptenallee‘ links geht nicht direkt in die ‚Israelallee‘ über: Dazwischen liegen links der ‚Kalbsplatz‘, auf dem die ‚Sündenmauer‘ eine schnelle Weiterreise verhindert, und rechts führt die vom ‚Weihebrunnen‘ ausgehende ‚Entsühnungstreppe‘ nach oben zur ‚Lebensbörse‘ oberhalb der Israelallee� Diesen Weg eröffnet die ‚Leiterleiter‘, auf der Moses in seinem zweiten Aufstieg zu Gott gelangt� Dazwischen geschieht allerdings allerhand: Das Boot ‚Moses‘ fährt ausgehend vom ‚Port Josua‘ mit den zerbrechenden Gesetzestafeln als Segeln auf dem ‚Zornesfluss‘ vom ‚Gottesberg‘ oberhalb der Ägyptenallee hinab zum Kalbsplatz� Dort gibt es im ‚Wirtshaus zum Goldenen Kalb‘ das ‚Kalbswasser‘ zu trinken, das Moses aus dem zerstäubten Kalbsgold bereitet hat (Ex 32,20)� Vom ‚Entscheidungstor‘ neben dem Wirtshaus führt der ‚Vollstreckungsweg‘ zum ‚Meuchelgrund‘, auf dem ‚3000 Mann‘ fallen (Ex 32,28) - angedeutet durch die (anachronistisch-christlichen) Friedhofskreuze� Auch dieses schreckliche Opfer ist überstrahlt von der ‚Wolke des göttlichen Erbarmens‘� Die unterschiedlichen Mindmaps zeigen fünf Funktionen des Visualisierens: Erstens ist deutlich geworden, dass der Text jeweils als eine bewusst gestaltete Ganzheit vor den Blick geraten ist� Die Funktion der Visualisierung besteht folglich darin, diese Ganzheit des Textes sichtbar zu machen� Diese Funktion ist insofern eine spezifisch visuelle, als komplexe Bezüge nicht im Nacheinander der abstrakten Sprache, sondern im Nebeneinander des anschaulichen Bildes realisiert werden� Die herkömmliche Auseinandersetzung mit einem Text führt durch Fragen nach Gliederungs- und Argumentationsaspekten leicht zur Zerstückelung des Textes� Die Visualisierung erfordert dagegen den kreativen Blick auf den Gesamtzusammenhang� Wer die Ganzheit eines Textes in einem Gestalt-Überblick sichtbar machen will, ist gezwungen, sich für eine Kernaussage des Textes zu entscheiden, um die herum sich die anderen Aussagen sinnvoll gruppieren� Zweitens ist die Kernaussage von Ex 32 in den drei Visualisierungen unterschiedlich ins Bild gesetzt worden: In der Zornstromkarte der enge Zusam- Lehr-/ Lern-Beispiele 101 menhang zwischen dem Zorn Gottes und dem steinigen Weg der Gottesfurcht zum gelobten Land; im Beziehungsplan die Bedeutung des zentralen Symbols ‚Goldenes Kalb‘ (im Versuch, sich Gottes zu bemächtigen, stellen Aaron und das Volk die Beziehung zu ihm infrage); im Verlaufsplan die paradoxe Einheit der Strafe des zornigen Gottes mit seinem Erbarmen� Der Zwang zur Wahl einer Kernaussage ist eine Funktion, die auch innerhalb der herkömmlichen Textinterpretation mit dem Arbeitsauftrag, die Kernthese zu formulieren, erfüllt werden könnte� Das Spezifikum der Visualisierung liegt darin, dass die Notwendigkeit, die anderen Textaussagen einzubeziehen, zugleich ein Kriterium an die Hand gibt, die Richtigkeit der gewählten Kernaussage zu prüfen: Ließen sich die anderen Textaussagen nicht in die Visualisierung eintragen (auch nachträglich), ließe sich die Kernthese nicht durchhalten� Im Vergleich der unterschiedlichen Mindmaps können die Studierenden die Aussagekraft ihrer ausgewählten Kernthesen überprüfen und gegebenenfalls im Rückgriff auf den Text Missverständnisse wahrnehmen� Damit tritt als dritte Funktion der Visualisierungen hervor, den Grund für Missverständnisse aufzudecken. Das ist aber erst im Vergleich der Visualisierung mit dem Text möglich, also in der Vorbereitung auf die abschließende Textinterpretation� So wäre etwa zu fragen, welche Aspekte des Textes aus welchem Grund in dieser oder jener Visualisierung keine Rolle spielen� Durch den Ver- 102 Lehr-/ Lern-Beispiele gleich von Visualisierung und Text wird das Textverständnis zwanglos vertieft� Viertens zeigt sich im Vergleich des Textes mit den unterschiedlichen Interpretationen in den Mindmaps, dass der Anspruch des Textes darin besteht, die komplex-paradoxe Beziehungswirklichkeit zwischen Gott und seinem Volk zum Ausdruck zu bringen: die Wüste der Zweifel - der Weg der Gottesfurcht (Zornstromkarte), Gottes Nähe im Goldenen Kalb absichern - Gottes Zorn dadurch erregen (Beziehungsplan), der sich erbarmende Gott will das Leben der Menschen erhalten - tausende werden durch die eigenen Volksgenossen auf Befehl Gottes gemeuchelt (Verlaufsplan)� Die Visualisierung hat somit fünftens die Funktion, den Prozess der Rezeption zu verlangsamen und Lektüregewohnheiten zu entautomatisieren � Die Widersprüche im Text regen Diskussionen an und sind geradezu als die notwendige Bedingung zu späteren Aha-Effekten der Studierenden anzusehen� Die durch abstrakte Vorstellungsbilder und topografische Mindmaps erzielte Auseinandersetzung mit dem biblischen Text schafft eine Basis, auf der nun Thesen aus exegetischen Wissenschaften rezipiert und mit den eigenen Ergebnissen verglichen werden können� Oft werden solche Texte zu früh gelesen, bevor eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text stattgefunden hat� Dass eine solche Vorgehensweise bei den Studierenden zur beklagten unkritischen Haltung führt, ist dann nicht mehr überraschend� 1 1 Ein analog strukturiertes Lehr-/ Lernbeispiel mit Ergebnissen aus der Arbeit an der christlichen Auferstehungshoffnung präsentiere ich in ausführlicher Diskussion und mit Hinweisen, wie aufbauend auf der intensiven Texterarbeitung dann daran anknüpfend mit wissenschaftlichen Texten das Fremdverständnis weiter vertieft werden kann: Brieden, Norbert: Was bedeutet der Glaube an die Auferstehung der Toten? Topografische Mindmaps zu 1 Kor 15,35-44 im Religionsunterricht der Oberstufe, in: Büttner, Gerhard u� a� (Hg�): Glaubenswissen ( Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik 6), Babenhausen 2015, 81-97. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Rezensionen Izaak J. de Hulster / Brent A. Strawn / Ryan P. Bonfiglio (eds.), Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible / Old Testament. An Introduction to Its Method and Practice. Göttingen / Bristol 2015, Vandenhoeck & Ruprecht, 383 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-525-53460-1, € 45,00 rezensiert von Reettakaisa Sofia Salo Zum Buch Das von Izaak J� de Hulster, Brent A� Strawn und Ryan P� Bonfiglio herausgegebene Buch Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible / Old Testament ist als eine Einführung in die Ikonographie als eine Methode der Exegese des Alten Testaments konzipiert (11)� Dieses Anliegen ist wichtig, denn trotz der wachsenden Berücksichtigung der Bilderquellen in der alttestamentlichen Wissenschaft gibt es bisher keine explizite methodische Einführung� 2 Der zu besprechende Sammelband enthält eine von den Herausgebern geschriebene Einführung und 18 Fallstudien, die zusätzlich zu de Hulster, Strawn und Bonfiglio von drei weiteren Autoren und einer Autorin verfasst wurden� Ein allgemeines Literaturverzeichnis, eine Autorenliste und ein Bibelstellenregister schließen das Buch ab� Das Buch ist vor allem als eine Problemanzeige der fehlenden Einleitungen und als erster Versuch dahingehend bedeutend, methodische Aspekte in einem Lehrbuch Studierenden zu vermitteln� Diesem Anspruch wird der Band jedoch 2 Im Allgemeinen kann auf die Arbeiten der sog� Freiburger Schule hingewiesen werden, insbesondere auf die Werke von Othmar Keel und Silvia Schroer� Vgl� auch Eggler, Jürg u� a�, Art� Ikonographie, http: / / www�wibilex�de, 2006, letzter Zugriff: 27� 02� 2017� 104 Rezensionen nicht gerecht: Die methodischen und theoretischen Einführungen sind sehr kurz gehalten und sie sind nicht konsequent mit den darauffolgenden Beiträgen abgestimmt� Dies fällt bereits im einleitenden Teil auf: Einerseits gibt sie den Studierenden keine wirklichen Anweisungen zur Arbeit mit Bilderquellen� Andererseits ist sie nicht auf die folgenden Fallbeispiele abgestimmt worden, sodass in ihnen Begriffe und Arbeitsschritte vorausgesetzt werden, die nicht erläutert werden� Querverweise oder ein Sachwortregister fehlen, wären aber eine notwendige Orientierungshilfe� Weiterhin sind mehrere Beiträge textlastig und / oder beinhalten Material, das kaum mit der Ikonographie in Verbindung zu bringen ist� Andererseits finden sich in einigen Artikeln Thesen und Vergleiche, die dringlich einer kritischen Betrachtung bedürfen� Zur Didaktik Die Einführung der Herausgeber (19-42) bietet einen Überblick über die Ikonographie als eine exegetische Methode: Sie erklärt, warum die Berücksichtigung des ikonographischen Materials von Bedeutung ist und wie die Beziehungen zwischen Bild und Text zu verstehen sind� Eine wichtige Funktion besitzen dabei die kurzgefassten Anleitungen zur Arbeit mit Bildern (32-41): Beschrieben werden die unterschiedlichen Bildtypen und -quellen sowie Analyse- und Darstellungsmethoden� Die theoretischen Einführungen sind jedoch unklar formuliert; weiterhin werden den Studierenden keine konkreten Werkzeuge an die Hand gegeben� Der größte Teil des Buches besteht aus Anwendungsbeispielen, die zur Erläuterung der theoretischen Aspekte dienen� Die einzelnen Beiträge enthalten teilweise methodische Überlegungen, die die Einführung vertiefen und Studierenden helfen können, die nicht aus der Praxis auf die Theorie schließen können� Da die Beiträge nicht aufeinander aufbauen, können sie prinzipiell in selbst bestimmter Reihenfolge oder in Auswahl gelesen werden� Positiv ist hervorzuheben, dass die Anwendungsbeispiele in beide Richtungen durchgeführt werden: sowohl von einem zu erläuternden biblischen Text oder Motiv zu den (möglichen) Parallelen in den Bildquellen aus der Umwelt Israels / Judas, als auch vom Befund bei den Nachbarkulturen zu den biblischen Erwähnungen� Der Band enthält 303 Abbildungen; ihre Anzahl ist für eine ikonographische Fragestellung durchaus ausreichend� Besonders die Mehrfachbelegung gewisser Abbildungen regt zu überlegen an, nach welchen Kriterien einzelne Bilder zur Erläuterung der jeweiligen Texte hinzugezogen werden können� Im gedruckten Buch gibt es neben den Linienzeichnungen einzelne schwarz-weiß-Fotos; das E-Book enthält auch Farbfotos� Im Buch wird auf die Bilderdatenbank BODO Rezensionen 105 des BIBEL + ORIENT -Museums in Freiburg (Schweiz) hingewiesen (12, 36)� 1 Die Übungen (s� dazu weiter u�) machen jedoch keinen Gebrauch der frei zugänglichen Onlinematerialien� Zur Methodik Die Leser und Leserinnen sollen sich die Lerninhalte vor allem selbst durch die zahlreichen Anwendungsbeispiele erschließen� Die Erläuterung der Methodik geschieht vorwiegend in der Einleitung� Zur weiteren Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema eines Kapitels wird durch Literaturangaben am Ende des Abschnitts angeregt� Jeder Beitrag enthält Übungsvorschläge, mit denen das Gelernte weiter vertieft werden kann� Die Qualität der Übungen variiert stark: Gelungen sind vor allem die Vorschläge, die konkrete Aufgaben stellen und auf die Ergebnisse des Beitrags aufbauen� Als gute Beispiele können die Übungsvorschläge von LeMon (278 f�), Schmitt (146) und Staubli (101) genannt werden� Bei anderen Artikeln sind die Übungen jedoch problematisch, da Studierende z� B� aufgefordert werden, irgendeinen neuassyrisch zu datierenden Text aus der Hebräischen Bibel mit den Bilderquellen derselben Periode zu vergleichen (214)� Solche Aufgaben werden eher zur Überforderung führen� Zudem beschäftigen sich einige Übungen eher mit Texten als mit der Ikonographie (164)� Die Beiträge des Bandes sind nach dem Tanach geordnet� Diese Einteilung ist neutral, erschwert jedoch das Erarbeiten einer Methodik, da die Arbeitsschritte der Ikonographie nicht systematisch dargestellt werden und die einzelnen Beiträge nicht aufeinander aufbauen� Das Buch als Lehr- und Lernbuch Als Zielgruppe des Buches werden Studierende ohne Vorkenntnisse in der Ikonographie genannt (11)� Die Beiträge erläutern keine Fachbegriffe und setzen z� B� die ‚klassischen‘ exegetischen Methoden voraus, sodass der Leser / die Leserin das Grundstudium im Fach Altes Testament schon absolviert haben muss� Die Herausgeber zielen auf eine Benutzung des Buches sowohl im Präsenzunterricht als auch im Selbststudium (11)� Der Gebrauch des Buches im Selbst- 1 Empfehlenswert wären daneben auch Hinweise auf die Onlinematerialien der größeren Museen bzw� die Kieler Bilddatenbank Naher Osten (KiBiDaNo) u� a� mit ihren Recherchemöglichkeiten gewesen� 106 Rezensionen studium ist m� E� aus den bereits angeführten Gründen problematisch� Zudem fehlen Kontrollmöglichkeiten für die Übungen� Für ikonographische Lehrveranstaltungen bietet das Buch ein breites Spektrum an Beispielen und Anregungen, die mit weiterer Literatur und Quellen sowie theoretischen Aspekten weiter vertieft werden können� Aufgrund der Ausrichtung als Lehrbuch versuchen die Artikel die Argumente und ihre Entstehung möglichst transparent aufzuzeigen� Die unterschiedlichen methodischen und theoretischen Erläuterungen und Diskurse, die innerhalb der einzelnen Beiträge zu finden sind, sind zumeist gut lesbar und empfehlenswert� Problematisch ist jedoch, dass explizite Hinweise darauf fehlen und man sie daher nur zufällig - oder wenn man das ganze Buch durcharbeitet - findet. Weiterhin stellt sich die Frage, ob nicht schon die Einführung etwas Grundsätzliches z� B� zu kultur- und religionsvergleichenden Ansätzen darbieten soll� Behandelt werden Texte aus acht Büchern des hebräischen Kanons, wobei die meisten Abschnitte den Büchern Jesaja und Psalmen gewidmet sind� Erwähnenswert ist insbesondere der Beitrag zum Buch Judith aus dem griechischen Kanon� Die Ursprachen werden transliteriert und übersetzt� Die Ikonographie wird in einzelnen Beiträgen mit den weiteren Methoden der wissenschaftlichen Exegese des Alten Testaments in Verbindung gesetzt� Eine mögliche Berufs- oder Lehrpraxis liegt außerhalb des Darstellungsinteresses der Autoren� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2-- 2017, Heft 1 Annett Giercke-Ungermann / Sandra Huebenthal (Hg.), Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Bibelwissenschaftliche Lehrformate und Lernumgebungen neu modelliert. Berlin 2016, LIT (Theologie und Hochschuldidaktik Bd. 7), 214 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-643-13466-0, € 29,90. rezensiert von Norbert Brieden Der vorliegende Band verbindet unterschiedliche Konzepte, Studierende in die Fragestellungen biblischer Exegese einzuführen� Seinen Titel erhält der Band durch den Beitrag von Giercke-Ungermann „Lernen in gamifizierten Lernumgebungen‘“ (69-90). Er analysiert die didaktische Chance, den Lernprozess der Studierenden durch eine in der Lernplattform „Induriel“ verankerte Fantasy-Story zu motivieren. Die gamifizierte Lernumgebung kreierte einen narrativen Rahmen für bibelwissenschaftliche ‚Quests‘� In diesem Rahmen konnten die Studierenden Punkte sammeln und unterschiedliche Level erreichen, die als Kompetenznachweise bzw� Vorbedingung für die Zulassung zur Modulabschlussprüfung dienten� Solche ‚Achievements‘ (Lernerfolge der Studierenden) wurden wahrgenommen und rückgemeldet; für alle Mitspieler / innen sichtbare ‚Badges‘ (Trophäen) waren zu erwerben und stärkten wie auch die Gildentreffen den Wettbewerb unter den Studierenden (78-83). Deren (insgesamt positive) Rückmeldungen gaben Anlass zu zwei Verbesserungen für den künftigen Einsatz: Den Gildenbereich auf der Lernplattform zu stärken, so dass eine bessere Teamarbeit ermöglicht wird, und die Leistungen bei den Live-Quests der Gildentreffen auf die individuellen Leistungen anzurechnen (89)� Das Lehrprojekt von Heilmann / Wick „Exegese des Neuen Testaments in einer Gelehrtenwerkstatt“ (105-119) orientiert sich an rabbinischen Traditionen der Textauslegung, indem es „den potentiellen Mehrfachsinn eines Textes nicht reduzieren, sondern zur Geltung bringen lassen will“ (106)� Die didaktische Kern- 108 Rezensionen idee ist, die Studierenden über die Arbeit an in Kleingruppen erstellten Wikis - Kommentare zu biblischen Texten, die ähnlich Wikipedia immer weiter ergänzt und überarbeitet werden - für das forschende Lernen zu begeistern. Auch die Projekte von Neuber - „Online-Lernplattformen als Bereicherung für exegetische Seminare“ (91-103) - und Luther - „Die Übersetzung der Kindheitserzählung des Thomas nach dem Codex Sabaiticus“ (121-136) - nutzten eine E-Learning-Plattformen zur Strukturierung des Lernprozesses� Bei Neuber wurden in einem Seminar zu alttestamentlichen Texten der Exilszeit (96 f�) durch auf ‚Moodle‘ von den Studierenden termingebunden hochzuladende Bearbeitungen von Literatur- und Textaufgaben (Beispiele: 98-101) die jeweiligen Sitzungen vorbereitet und bereits vor der Sitzung von der Lehrkraft korrigiert und mit einem positiven Feedback versehen � Weil die Lehrkraft die Konstruktionen des Themas durch die Studierenden erfasste, war sie für das Gespräch mit den Studierenden präpariert (101 f�)� Kurzreferate der Studierenden wurden in knapper Form als ‚Glossareintrag‘ auf der Plattform hinterlegt und von den Kommiliton / inn / en in einem ‚peer-review-System‘ bewertet (102)� Bei Luther wurden die Studierenden in einem über zwei Semester in fünf Phasen laufenden Projekt zunächst im ‚Seminarstil‘ in apokryphe Evangelien eingeführt (Phase I, 126-128); in der vorlesungsfreien Zeit im Anschluss an einen Workshop zu den Grundlagen des Übersetzens fertigten sie selbst eigene Übersetzungen der apokryphen Kindheitserzählung des Thomas nach dem Codex Sabaiticus an� Diese wurden „auf der eLearning-Plattform uni�versity�org eingestellt“ und mit Hilfe der „Social Reading-Funktion“ wechselseitig kommentiert, so dass am Ende eine gemeinsame Übersetzung erarbeitet war (Phase II , 128-130). Im folgenden Semester wurden Hintergründe des Textes in thematischen Workshops zum Codex Sabaiticus und anlässlich der Teilnahme an Gastvorträgen erarbeitet (Phasen III und IV , 130-132). Diese Phasen veranlassten eine kollaborative Überarbeitung der Übersetzung, die schließlich publiziert werden konnte (Phase V, 132 f�)� Hier sticht heraus, wie Studierende über die Aufgabe des Übersetzens in einen ergebnisoffenen Forschungsprozess einbezogen wurden und so einen „forschenden Habitus entwickelten bzw. erkennen ließen“ (135)� Eingeleitet wird der Band mit vier Beiträgen zur ‚Kompetenzorientierung‘ (9 f�): Jöris beschreibt in seinem Aufsatz „Die Grundlagen der historischen Quellenarbeit“ (15-26) eine Lehrsequenz von vier Sitzungen, die einen ersten Baustein des Moduls „Texte und Textverständnis“ im interdisziplinären Studiengang „Gesellschaftswissenschaften“ umfasst (15-26). Die detaillierte Beschreibung zeigt, wie Studierende am exemplarischen Material lernen können, durch Quellenvergleiche die Perspektivität von Quellen wahrzunehmen, historisches Hintergrund- Rezensionen 109 wissen zur Interpretation der Quellen zu nutzen sowie zwischen literarischer Besonderheit der Quelle und historischem Entstehungskontext zu unterscheiden und beide aufeinander zu beziehen � Huebenthal stellt in ihrem Beitrag „Wirtschaftsgleichnisse“ (27-42), ein komplexes Setting aus Vorlesungsanteilen und Eigenarbeiten der Studierenden vor, die teilweise wiederum zum Inhalt der Vorlesungen werden (vgl. 31-36). Didaktisch zentral ist, dass Studierende an ihren eigenen Auslegungen von Wirtschaftsgleichnissen sowie aus Fragmenten exegetischer oder pastoraler Auslegungen lernen, mit der „doppelten Kontextgebundenheit“ umzugehen � Rydryck / Schneider zeigen in ihrem Beitrag „Methoden der Auslegung in Exegese und Bibeldidaktik“ (43-54), wie aus bibelwissenschaftlicher Perspektive - das heißt auf der Basis biblischer Hermeneutik und der Kenntnis unterschiedlicher biblischer Methoden - bibeldidaktische Entwürfe kritisch „in den Blick genommen und auf ihre jeweiligen texthermeneutischen Implikationen und didaktischen Konsequenzen hin befragt“ werden (45)� Beachtenswert ist die Beurteilung des Constructive Alignments: Als Prüfungsleistung ist ein „bibeldidaktischer Essay vorgesehen“, in dem „exemplarisch ein Schulbuchabschnitt nach dem jeweiligen Umgang mit biblischen Texten analysiert, ein bibeldidaktischer Ansatz nach seinen exegetischen und hermeneutischen Implikationen befragt oder eine eigenständige Textexegese mit einem bibeldidaktischen Unterrichtsentwurf korreliert werden“ (51 f�)� Die konstatierten Unsicherheiten der Studierenden zeigen, dass in dieser Veranstaltung zu viel verlangt und erwartet wurde� Einen enger gefassten Rahmen setzt der Beitrag von Winkler „Exegetische Kompetenzen aufbauen und prüfen“ (55-67), indem er sich auf den zweiten Kompetenzbereich der Texthermeneutik konzentriert� Am Beispiel der Erzählung von Geburt und Berufung Mose (Ex 1,1-4,17), parallel mit dem exegetischen Kommentar von Utzschneider / Oswald erarbeitet, werden die Learning Outcomes, die Lernaktivitäten während der Lehrveranstaltung und die Prüfungsformen aufeinander bezogen (59-65). Ähnliche Probleme der Studierenden wie im Beitrag von Rydryck / Schneider werden hier auf der Basis der gestuften Prüfungserfahrungen anders interpretiert und gelöst� Die vier letzten Beiträge des Bandes dienen der „Praxisorientierung“ (11-13). Das interdisziplinäre Lehrprojekt von Eder / Prettenthaler : „Lebendige Textbegegnung“ (137-155) zeigt, wie durch das Lernen am Modell der im Titel genannten Bibeltexte Studierende zum einen erleben, dass „sich exegetische Erschließung und erfahrungsbezogene bibeldidaktische Ansätze wechselseitig bedingen“ (141) und sich das „auf der Ebene der Metareflexion“ auch bewusst machen (147�150)� Der Beitrag zeigt, wie durch permanente „Feedbackschleifen“, „intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit“, „organisches Ineinander von Text 110 Rezensionen und bibeldidaktischen Zugängen“ sowie eine „angenehme Lehr / Lernatmosphäre“ (152) ein Rahmen geschaffen wurde, der den Erwerb komplexer Kompetenzen „im Auseinandersetzungsprozess mit konkreten Inhalten“ (139) ermöglichte und zugleich ein „Repertoire für die Umsetzung im Religionsunterricht“ schuf (153)� Sterck-Degueldre zeigt mit seinem Beitrag „Ist Jesus übers Wasser gegangen? “ (157-172), wie durch den Einstieg mit der Anforderungssituation der Titel gebenden Schülerfrage (161 f�), die Thematisierung der jeweils eigenen Wunderverständnisse (162-164), einen aktivierenden Lehrervortrag zur Frage (164 f.) und didaktisch orientierte und begleitete Kurzreferate der Studierenden (166 f�) eine Basis geschaffen wurde, die schwierige Gattung der Wundererzählung in den Religionsunterricht einzubringen, hier durch den Auftrag an Kleingruppen von Studierenden, im letzten Drittel der Seminarveranstaltung eine Wundererzählung ihrer Wahl „in den heutigen Kontext zu übertragen“ (167)� Strube „‚Bei euch aber soll es nicht so sein‘“ zeigt in einer hochschuldidaktischen Mikroanalyse, wie durch das Bewusstwerden der eigenen Haltung zum „Herrschen und Dienen“ die Studierenden Impulse erhalten, „mit der appellativen Wirkung von Mk 10,35-45 doppelt kompetent, d. h. sowohl textangemessen als auch rezipient_innenorientiert, umzugehen“ (177) � Der letzte Beitrag von Paganini „Biblische Theologie als Objekt von Problem- Based Learning“ (189-202) basiert auf Case studies (196). Die Fälle hat er auf der Basis der von den Studierenden gewählten Themen „ad hoc konstruiert“; sie wurden in „kleinen Gruppen von acht bis zehn Studierenden“ bearbeitet (193)� Fazit: Ein Buch, das zum Weiterdenken anregt Insgesamt kommt im Buch eine eindrucksvolle Fülle innovativer Lehrprojekte zur Sprache� In den Beiträgen ist erstens Konsens, dass der Methodeneinsatz von den Learning Outcomes zu begründen ist und niemals einen Selbstzweck darstellt� Zweitens wird deutlich, dass die Beobachtung erster Ordnung (wie ich den Biblischen Text wahrzunehmen gewohnt bin) durch eine Beobachtung zweiter Ordnung aufzubrechen ist: Wie lenke ich den Blick auf meine eigenen Beobachtungsroutinen? Hier zeigen besonders die Beiträge von Huebenthal, Heilmann / Wick, Luther, Strube, Eder / Prettenthaler und Sterck-Degueldre geeignete Wege auf, indem etwa Arbeiten der Studierenden selbst zum Inhalt der Veranstaltung werden� Drittens ist auffällig, dass die Arbeitsergebnisse von Studierenden in verschiedenen Prüfungsformen wahrzunehmen und mit einem möglichst unmittelbaren Feedback zu versehen sind (Winkler, Neuber, Giercke- Ungermann)� Wie bei jeder guten Forschung entstehen im Vergleich der Beiträge weitere Fragen, die in der hochschuldidaktischen Erforschung von Lernprozessen mit biblischen Texten weiter zu verfolgen sind� An dieser Stelle sollen drei Fragen- Rezensionen 111 komplexe genannt sein: bezogen auf das Verhältnis von Theorie und Praxis, von fachlichen Inhalten und erworbenen Kompetenzen sowie von Kompetenzniveau- und Kompetenzentwicklungsmodellen� 1) Die Kompetenzorientierung ist durch die Berücksichtigung von Anforderungssituationen ab ovo praxisorientiert� Welche Rolle spielt der Theorie-Praxis-Zirkel auch in rein bibelwissenschaftlichen Veranstaltungen? Von welcher Praxis wäre diesbezüglich zu sprechen? Inwiefern weitet die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Religionspädagog / innen den Praxisbegriff aus bzw� erleichtert oder erschwert den theoretischen Zugriff auf Situationen der Praxis (vgl� die Beiträge von Rydryck / Schneider, Eder / Prettenthaler und Paganini)? 2) Die Beiträge wecken den Wunsch, mehr über die Zusammenhänge von erarbeiteten Inhalten und daran erworbenen Kompetenzen zu erfahren, wie es etwa Strube durch ihre Konzentration auf eine Sitzung gelingt� Meistens reicht der Raum nicht aus, um diese Zusammenhänge, wenn auch nur exemplarisch wie im Beitrag von Paganini, detailliert zu erörtern� Wie können die Arbeitsergebnisse der Studierenden im Blick auf die in ihnen zum Ausdruck kommenden Kompetenzen kriterienbezogen analysiert werden? Wann sind, beispielsweise bezogen auf den Beitrag von Winkler, Bezüge zur Sekundärliteratur stimmig, wann nicht? Welche Vorannahmen liegen solchen Kriterien zugrunde und wie können sie zusammen mit den Studierenden gefunden und evaluiert werden? 3) Kompetenzniveaumodelle beschreiben Kriterien einer transparenten Leistungsmessung� Kompetenzentwicklungsmodelle unterscheiden aufeinander aufbauende Lernräume� Inwiefern sind Lerntaxonomien wie diejenige von Bloom hilfreich für sinnvoll begrenzte Lernerwartungen? Bei den Beiträgen fällt auf, dass für alle Ausbildungsstufen Kompetenzen im Bereich von Synthese- Leistungen (Stufe 5 nach Bloom) formuliert werden� Selbst wenn diese Leistungen nicht erreicht werden: Welchen Zweck erfüllen sie, um den Zielhorizont des Kompetenzerwerbs zu beschreiben und Studierende zu motivieren? Wie gehen wir mit Leistungen um, die sich den gefundenen Kompetenzbeschreibungen entziehen? Welche blinden Flecken erzeugt die Kompetenzorientierung? Wie können wir diese blinden Flecken wahrnehmen und dekonstruieren? Inwiefern bleibt in den das Gefühl von Machbarkeit erzeugenden Modellierungen von Kompetenzstrukturen, -niveaus und -entwicklungen das Bewusstsein für die Freiheit des einzelnen wach, sein Lernen selbst zu steuern und ggf� auch zu verweigern? Interview mit-… Michaela Bauks Frau Bauks, zum Start ein kurzes Blitzlicht: Lehre - Frust oder Lust? Lustvolle Neugier� Lehre oder Forschung? Untrennbar� Lieber Erstsemester oder lieber Integrationsphase (früher Examensphase)? Sowohl als auch� Neues oder Bewährtes? Beides� Referate oder Gruppenarbeit? Plenum mit mündlich in die Diskussion eingestreuten Gruppenreferaten (im Vorfeld schriftlich zugänglich für alle); Textarbeit als Gruppenarbeit Steckbrief: Prof� Dr� Michaela Bauks Alter: 54 Jahre Familiäres: verheiratet mit einem Pfarrer der EK iR; 2 Kinder (18 und 16 Jahre) Berufliches: Studium Ev� Religion und Französisch Sek� II in Bochum, Liège, Wien, Hamburg mit Staatsexamen; Promotion Heidelberg; Habilitation Strasbourg; 1995-2005 Professorin für Altes Testament am Institut Protestant de Théologie in Montpellier; seit 2005 Professorin für Bibelwissenschaft (Altes Testament und Religionsgeschichte) an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz� Ko-Sprecherin der Landesforschungsinitiative Kulturelle Orientierung und normative Bindung (eine Kooperation von Bibelwissenschaft, Philosophie, Soziologie, Literatur- und Sprachwissenschaft) Foto: © Henriette Kriese 114 Interview Wenn Sie auf Ihren bisherigen Weg als Hochschullehrerin zurückblicken, welche Erfahrungen und / oder Menschen haben Ihre Lehre nachhaltig geprägt bzw. beeinflusst? Menschen, die aus jedem Buch, Referat oder Vortrag etwas Gutes bzw� Konstruktives ziehen können und daraus eine Diskussion entfachen, bewundere ich maßlos� Würden Sie sagen, dass es bei Ihnen ein Grundparadigma Ihrer Lehre gibt? Ich selbst bin sehr neugierig und brauche die Neugier der anderen, damit die Kommunikation in der Lernsituation klappt� Doofe Fragen gibt es für mich nicht, aber keine Fragen zu haben, macht mich betroffen� Ich möchte durch meine Lehre Fragen wecken und mich diesen dann stellen� Welche Bedeutung hat die Kompetenzorientierung für Ihre Lehre? Kompetenzorientierung heißt für mich, dass die Studierenden (Forschungs-) Fragen zu formulieren lernen und eine Idee bekommen, wie sie sich einem Thema annähern können (mein Vorschlag: WiBiLex auf die entsprechenden Stichworte hin durchforsten)� Frau Bauks, oft wirkt es so, dass die Lehre an unseren Hochschulen eher stiefmütterlich im Gegensatz zur Forschung behandelt wird. Beschreiben Sie Ihren Weg Forschung und Lehre miteinander zu verknüpfen. Wo sehen Sie Potentiale für Synergieeffekte zwischen diesen beiden Bereichen? Das ist leider wahr und liegt wohl daran, dass Lehre kein Geld bringt, sondern Geld kostet. - Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass es für Studierende einfacher ist, sich unbekanntes Terrain zu erarbeiten (z� B� Religionsgeschichtliches) als vermeintlich Bekanntes kritisch zu hinterfragen (‚Warum war Jakob nicht Abrahams Enkel, wenn es schon so erzählt ist? ‘)� Deshalb ist der Umweg über die Forschung aus hermeneutischen Gründen gar nicht zu vermeiden, vergleichbar dem V-Effekt im Brecht’schen Theater� Seit vielen Jahren sind Sie Kolleginnen / Kollegen und Studierenden durch wibilex. de, das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, bekannt. Welche didaktischen Zielsetzungen verbanden Sie, als Sie das Projekt zusammen mit Klaus Koenen starteten, und welche Zielsetzungen sehen Sie heute als erfüllt an? WiBiLex war ein enormes Wagnis und wir hatten viel Glück, dass rasch einige Weichen gut gestellt waren, ohne dass 2003 schon klar gewesen wäre, wie die digitale Welt sich entwickeln würde und ob die Kolleginnen und Kollegen sich als Autoren einbringen� Unser Ziel ist es, Studierenden u� a�, die mit dem Internet groß werden, Zugang zu qualitativ zertifizierten (d� h� lektorierten und im Netz unveränderbaren) und angemessen elementarisierten Forschungseinsichten zu geben� Durch die Aufbereitung mit Bild-, Interview 115 Karten- und tabellarischem Material wollen wir Lernhilfen geben, außerdem Neugier wecken für die größeren Zusammenhänge sowie durch geschickte Verlinkung eine Art intellektuelles Suchspiel gestalten, das jeder / m die Freiheit gibt, dem jeweiligen Interesse entsprechend mehr Informationen und Wissen einzuholen� Und als ausgesprochen bibliophile Menschen hoffen wir, dass die Literaturverzeichnisse sowie die Verlinkung mit Bibliographiedatabases Anregung zur weiteren Recherche geben, denn WiBiLex ist nur der Anfang� Zum Schluss: Was würden Sie den Kollegen und Kolleginnen im Blick auf die eigene Lehre gerne mitgeben? Hier bin ich konservativ und denke, dass die Biologie, das Proverbienbuch oder die deutsche Universitätsgeschichte bis zu Bologna uns zeigen, wie wichtig das ‚Lehrer-Schüler-Verhältnis‘, d� h� Imitation und Einüben, sind� Studierende lassen sich mitreißen, wenn sie merken, dass das Herz des / der Dozenten / in für ‚die Sache‘ schlägt - d. h. für die Lehre an sich und deren Inhalte im Besonderen� Authentische Lehre ist die beste Lehre� Didaktische Reflexion ist wichtig, kann aber intrinsisches Interesse nicht ersetzen� Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 1 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 1 Bild und Text Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 1 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an ISBN 978-3-7720-8619-9 Editorial Hauptbeiträge Stefan Fischer, Florian Lippke und Thomas Wagner Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel Christina Hoegen-Rohls Vom Text ins Bild und vom Bild in den Text. Die Methode korrelativer Text- und Bildwahrnehmung am Beispiel von 2 Sam 11,1-12,1 Peter Wick Wie beeinflussen traditionelle (mentale) Bilder die Lektüre biblischer Texte? Überlegungen aus exegetischer Sicht Lehr-/ Lern-Beispiele Alexander Schneider Zugang zu Bildern finden. Ein exemplarischer Vermittlungsansatz zu Millais’ Ophelia Norbert Brieden Kreatives Visualisieren als didaktisch-hermeneutischer Weg. Am Beispiel der Erzählung vom Goldenen Kalb (Ex 32) Rezensionen Interview mit ... Michaela Bauks