Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
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2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
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2017
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Fischer Heilmann Wagner KöhlmoosForum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 2 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 2 Digital Humanities Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 2 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an Editorial Hauptbeiträge Patrick Sahle Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Juan Garcés / Jan Heilmann Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Tobias Flemming Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen Lehr-/ Lernbeispiele Anja Swidsinski Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Matt Munson Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis Rezensionen Interview mit … Heike Behlmer Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 2 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 2 Digital Humanities Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 2 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an Editorial Hauptbeiträge Patrick Sahle Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Juan Garcés / Jan Heilmann Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Tobias Flemming Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen Lehr-/ Lernbeispiele Anja Swidsinski Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Matt Munson Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis Rezensionen Interview mit … Heike Behlmer Herausgeber Stefan Fischer, Wien Thomas Wagner, Wuppertal in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos, Frankfurt am Main in Verbindung mit Norbert Brieden, Wuppertal Johannes Diehl, Frankfurt am Main Jan Heilmann, Dresden Matthias Hopf, Neuendettelsau Melanie Stein, Frankfurt am Main Christian Stein, Frankfurt am Main Anschrift der Redaktion Thomas Wagner Bergische Universität Wuppertal Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften Seminar für Evangelische Theologie Gaußstr. 20 42119 Wuppertal info@forumexegese.de Manuskripte Zuschriften, Beiträge und Rezensionsexemplare werden an die Adresse der Redaktion erbeten. Eine Verpflichtung zur Besprechung unverlangt eingesandter Bücher besteht nicht. Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) ist ein peer-reviewed Journal (double-blind). Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) is a double-blind peer-reviewed journal for methodology and practice in academic didactics of biblical exegesis. VvAa Jg. 2 - 2017 | Heft 2 Impressum Bezugsbedingungen Die VvAa erscheint halbjährlich ( Juni und Dezember) Einzelheft: € 28,- (zzgl. Versandkosten) Abonnement jährlich (print): € 44,- (zzgl. Versandkosten) Abonnement (print & online): € 56,- (zzgl. Versandkosten) Abonnement (e-only): € 48,- Bestellungen nimmt Ihre Buchhandlung oder der Verlag entgegen: Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Postfach 25 60 D-72015 Tübingen Telefon: (0 70 71) 97 97-0 Fax (0 70 71) 97 97 11 E-Mail: info@francke.de Internet: www.francke.de Anzeigen Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Telefon: (0 70 71) 97 97-10 © 2017 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG ISSN 2366-0597 ISBN Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. 978-3-7720-5644-4 Inhalt Editorial Stefan Fischer / Thomas Wagner � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 3 Hauptbeiträge Patrick Sahle Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7 Juan Garcés / Jan Heilmann Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 29 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 53 Tobias Flemming Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 69 Lehr-/ Lernbeispiele Anja Swidsinski Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften � � � � � � � � � 81 Matt Munson Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 87 Rezensionen Online-Portale zu antiken Texten und Manuskripten � � � � � � � � � � � � � � � � � 93 vorgestellt von Helge Bezold 2 Inhalt Claire Clivaz/ Paul Dilley/ David Hamidović (Hg.) in Verbindung mit Apolline Thromas: Ancient Worlds in Digital Culture rezensiert von Johannes F. Diehl � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 101 Interview mit … Heike Behlmer � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 105 Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Editorial Die vierte Ausgabe dieser Zeitschrift befasst sich mit dem Thema Digital Humanities , mit dem neue Trends in Forschung und Lehre der Geistes- und Kulturwissenschaften verbunden werden� In der biblischen Exegese wird bereits seit längerer Zeit mit digitalisierten und ausgezeichneten Texten gearbeitet, so dass morphologische Analysen und Konkordanzsuchen in systembasierten Programmen (BibleWorks, Accordance, Logos etc�) bereits zu Standardverfahren gehören, die in Proseminaren vermittelt und von Studierenden mit Gewinn eingesetzt werden� Die Beiträge dieser Zeitschrift gehen über diese ersten Ansätze einer Digitalisierung akademischer Lehre in den Bibelwissenschaften hinaus� Eingeleitet wird das Heft durch einen Beitrag von Patrick Sahle, in dem er aufzeigt, was in den Geistes- und Kulturwissenschaften als Digital Humanities verstanden wird und in welchem Verhältnis sie sich zu den klassischen Fachdisziplinen befindet. Deutlich zeigt er, dass es hier keine Trennung von herkömmlichen, ‚analogen‘ und digitalisierten Methoden geben kann� Er sieht die digitale Transformation nicht als einen einmaligen Prozess, sondern als einen dauerhaften Zustand an� Diesem einleitenden Beitrag folgend, nehmen Juan Garcés und Jan Heilmann neuere Trends in der neutestamentlichen Exegese auf und zeigen an, welche Möglichkeiten die Digital Humanities für Forschung und Lehre in ihrem Fach besitzen� Wie Patrick Sahle fordern sie Strategien der interdisziplinären Kooperation ein� Die von ihnen aufgezeigten Einsatzgebiete lassen sich auch auf die alttestamentliche Wissenschaft übertragen� Klaas Spronk: Web-based Ressources in the Field of Old Testament Studies, Bibliotheca Orientalis 71 (2014), 361-370, zeigt vergleichbare Einsatzgebiete für die alttestamentliche Forschung auf� Garcés/ Heilmann gehen über diese Darstellung vor allem hinsichtlich des didaktischen Mehrwerts des Einsatzes digitaler Analysemethoden für den akademischen Unterricht hinaus� 4 Editorial 4 Editorial Mit dem Beitrag von Kevin Künzl und Fridolin Wegscheider beschreiten wir Neuland, in dem die Hochschuldidaktik aus der Perspektive von Studierenden reflektiert wird. Die beiden am Ev.-Theol. Seminar der TU Dresden studierenden Kommilitonen beschreiben, welche Bildungsgehalte sie für nötig erachten, um in einer späteren akademischen und beruflichen Praxis gewinnbringend mit digitalen Analysemethoden arbeiten zu können� Hier sticht besonders ihre Forderung nach dem Erwerb basaler Programmierkenntnisse hervor� Wie selbstverständlich sehen sie die neuen Medien als Grundlage und nicht als Ergänzung exegetischer Ausbildung an� Diese Form der Reflexion hochschuldidaktischer Anforderungen werden wir in den kommenden Jahren intensivieren und zu unterschiedlichen Themen Studierende zu ihren Erwartungen an einen akademischen Lehr-/ Lernprozess befragen� Der von Tobias Flemming verfasste Beitrag zum Einsatz des New Testament Virtual Manuscript Room des Textgeschichtlichen Instituts Münster ist ein Erfahrungsbericht, in dem die Chancen und Grenzen des Forschenden Lernens an den Grundlagen biblischer Exegese dargelegt werden� Sein Plädoyer für die unmittelbare Auseinandersetzung mit biblischen Handschriften und ihre motivationsfördernde Wirkung sollte nicht ungehört verhallen� Zugleich stellt dieser Beitrag den Übergang zu den Lehr-/ Lernbeispielen her, die sich mit zwei unterschiedlichen Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Medien im akademischen Unterricht zuwenden� Anja Swidsinski beschreibt die Möglichkeit, Blogs als Publikationsform in Seminaren anzuwenden. Sie zeigt auf, wie diese zunehmend häufig verwendete Publikationsform einen eigenen Sprach- und Kommunkationsstil erfordert, der heutigen Studierenden vertraut ist� Mit ihm bietet sich die Möglichkeit, Studierende zu neuen Präsentationsformen zu führen, die ihnen einfach zugänglich sind, die aber voraussetzen, dass sie nicht nur Wissen reproduzieren, sondern eigene Forschungsergebnisse erzielen� Matt Munson berichtet im zweiten Lehr-/ Lernbeispiel von einem Entwicklungsprozess, der durch den Lehreinsatz erfolgt� In ihm zeigt er die Ambivalenz in der Vermittlung von Methoden der Digital Humanities auf, bei denen zwischen einem spezialisierten Umgang mit Computersprachen zur Erstellung eigener Research Tools und einer Erschließung von Textphänomenen abzuwägen ist. Das bereits von Patrick Sahle angezeigte Problem findet hier eine graduelle Lösung, die einen für die akademische Praxis gangbaren Weg darstellt� Die Rezensionen tragen den sich mit der Digitalisierung verändernden Publikationsformen Rechnung� Während Johannes Diehl mit Claire Clivaz/ Paul Dilley/ David Hamidović (Hg.) in Verbindung mit Apolline Thromas: Ancient Worlds in Digital Culture , den ersten Band der seit 2016 von Brill herausgegebenen Editorial 5 Reihe Digital Biblical Studies bespricht, wendet sich Helge Bezold in einer Sammelrezension den für die Bibelwissenschaften wichtigsten Onlineplattformen zu, die für den Einsatz in Veranstaltungen einsetzbar sind. Dabei nimmt er nicht nur auf deren Inhalte Bezug, sondern zeigt auch Vor- und Nachteile der jeweiligen Frontend-Gestaltungen auf� Diese Rezension bildet den Auftakt zu einer neuen Rubrik in VvAa. Von der kommenden Ausgabe an wird jeweils ein Online Portal mit Content und Frontend-Funktionen vorgestellt, so dass ein Einsatz im Unterricht einfach möglich sein wird� Als Interviewpartner stand uns für die Ausgabe Heike Behlmer von der Universität Göttingen zur Verfügung. Sie ist als Ägyptologin und Koptologin eine der Vorreiterinnen in der Edition digitaler Fassungen antiker Corpora. Sie ist als Projektleiterin maßgeblich für die Digitalisierung, Übersetzung und digitale Edition der koptisch-sahidischen Übersetzung des Alten Testaments, einer der ersten Übersetzungen der Septuaginta verantwortlich� Im Interview gibt sie Einblick in ihren Lebensweg, der sie von einer Altertumswissenschaft bis hin zu einem breiten Einsatz in den DH führte� Schließlich wenden wir uns in eigener Sache an Sie: Die Zeitschrift ‚Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an‘ sucht stets nach neuen Wegen, hochschuldidaktische Problemstellungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten sowie Informationen zusammenzustellen, um einen möglichst schnellen und einfachen Zugang zu den die Bibelwissenschaft betreffenden Medien zu schaffen. Wenn Sie Anregungen, Wünsche und Kritik haben, die Sie uns mitteilen möchten, nehmen wir diese gerne auf� Dazu wenden Sie sich bitte an uns unter info@forumexegese�de� Wien | Wuppertal Stefan Fischer und Thomas Wagner Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Patrick Sahle Abstract | Although Digital Humanities (DH) has been around for decades now - albeit under the name Humanities Computing for most of those years -, they are still considered a young discipline undergoing a process of formation� Consequently, their status and character are under fierce debate: Are they a discipline, a field of research, or just a set of methods and tools? And what are they about? DH research is triggered by questions from the established disciplines� But it aims at generic solutions and attempts to reflect the transition that humanistic research is subject to under the conditions of the digital� DH is gaining a lot of attention (and funding) these days, leading to a rapidly accelerated development. But what effect does that have on traditional fields of research such as the field of Biblical studies? Are they to be left behind, decoupled and alienated from an increasingly autocentric community of DH? How can we integrate both sides of D and H, reinforce the dialogue and ensure that innovation from DH is fruitful for the evolution of a range of fields from the humanities? Alle reden über Digital Humanities (DH)� 1 Digitalisierung und die digitale Transformation auch der Geisteswissenschaften wird allerorten propagiert� Die Fachforschung sieht sich nicht nur mit der methodischen Herausforderung konfron- 1 Es wird sogar diskutiert, ob es sich dabei um einen Singular oder einen Plural handelt� In diesem Beitrag wird beides verwendet� ‚Das Fach / Feld DH‘ (Singular) und ‚die Digital Humanities‘ (Plural). Damit wird der offenen Diskussion um den Status von DH Rechnung getragen� 8 Patrick Sahle tiert, neue technische Möglichkeiten und analytische Verfahren in die eigenen Ansätze zu integrieren� Inzwischen besteht dazu auch ein gewisser unterschwelliger politischer Druck und manchmal sogar die explizite Vorgabe der Forschungsförderung, dass es eigentlich keine geisteswissenschaftliche Forschung mehr geben könne, die nicht über eine ‚digitale Komponente‘ verfüge� Die digitale Dimension wird zwar durch den Begriff Digital Humanities grundsätzlich abgedeckt, es gibt aber immer noch eine heftige Diskussion darüber, was dieses DH eigentlich genau sein soll, was sein Inhalt, sein Status, seine Grenzen und seine Zukunft sind. Vor allem stellt sich die Frage, ob sich hier ein neues Feld entwickelt, das den bestehenden geisteswissenschaftlichen Fächern zuarbeitet oder sich von ihnen abkoppelt. Wie also das Verhältnis von DH zu H ist und wie DH in die Geisteswissenschaften in Forschung und Lehre integriert werden kann� 1 Digital Humanities Jede Beschreibung von DH fängt mit dem Hinweis an, dass das Feld zwar in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebte, deshalb aber nicht ‚neu‘ ist� Computer und später digitale Kommunikations- und Publikationsnetzwerke (das WWW) wurden von Anfang an auch in den Geisteswissenschaften adaptiert und eingesetzt. Von der Sache her besteht DH unter anderen Namen mindestens seit den späten 1940er Jahren� Früher nannte man es Humanities Computing oder hierzulande manchmal auch ‚geisteswissenschaftliche Fachinformatik‘� In den verschiedenen Jahrzehnten hat es verschiedene Wellen und Paradigmen der Nutzung neuer Technologien gegeben, die in den frühen 2000er Jahren zu einer gewissen Konsolidierung führten, die in eine Vereinigung aller Strömungen unter dem weiten Begriff der Digital Humanities mündete� Seit ungefähr 15 Jahren versteht sich das Feld unter diesem Etikett als integrative, globale, alle geisteswissenschaftlichen und weitere umliegende Disziplinen einschließende Gemeinschaft von Forschenden� Die sich bis dahin oft eigenständig entwickelnden Teile Computerlinguistik, Archäoinformatik, Computerphilologie oder historische Fachinformatik haben sich in den letzten Jahren unter dem gemeinsamen Dach angenähert. Eine einfache, konsensuale Definition von DH ist damit allerdings nicht verbunden. Vielmehr ist die anhaltende Formierungsperiode auch von einer breiten Diskussion um Definitionen geprägt, an der sich manche leidenschaftlich beteiligen und von der sich andere bereits genervt abwendeten� 2 2 Siehe hier u. a. Terras, Defining, oder die Webseite www.whatisdigitalhumanities.com ( Jason Heppler, erstellt 2015) mit zuletzt über 800 Definitionsvorschlägen. Digital Humanities und die Fächer 9 Im Kern lässt sich aber wohl ohne großen Widerspruch sagen, dass es bei DH um die Entwicklung, den Einsatz und die kritische Reflexion von digitalen Verfahren im Bereich der Geisteswissenschaften geht. Die DH nehmen die Fragestellungen der Geisteswissenschaften auf und verbinden sie mit Lösungsangeboten aus der Informatik und teilweise auch anderen Fächern - wenn man an fortgeschrittene Bildgebungsverfahren aus dem Ingenieurswesen, an Geoinformationssysteme aus der Geografie, an empirische Verfahren aus den Sozialwissenschaften oder an informationstheoretische Ansätze aus den Library and Information Science denkt� DH ist in doppelter Weise durch Interdisziplinarität gekennzeichnet: Es umfasst vom Anspruch her nicht nur alle geisteswissenschaftlichen Fächer, sondern schlägt auch die Brücke zu anderen Wissenschaftsbereichen� Digital Humanities wird deshalb oft als Brückenfach beschrieben oder als etwas, das durch seine Schnittmengen und eigenständige Aspekte gekennzeichnet ist� Es nimmt die Fragestellungen der Geisteswissenschaften auf, berücksichtigt deren theoretische Grundlagen und ihr methodisches Rüstzeug, ist dann aber an Lösungen interessiert, die auf der inter- oder transdisziplinären Ebene jenseits der konkreten Forschungsfrage verallgemeinert werden können� Aus der Informatik (I) deckt sich DH mit Teilen der angewandten Informatik , wird deshalb manchmal auch als Fachinformatik verstanden und wendet diese auf geisteswissenschaftliche Problemstellungen an� Sie kann damit aber auch Anstöße für neue Entwicklungen in der Informatik geben� Schließlich sind die oft komplexen, von unscharfen Datenstrukturen gekennzeichneten Probleme der Geisteswissenschaften nicht von Natur aus im Fokus einer abstrakten, nicht an Einzelfragen aus den Fachwissenschaften ausgerichteten Informatik� Diese Distanz ist eine der Existenzgründe für Fachinformatiken im Allgemeinen und der Digital Humanities im Besonderen� Patrick Sahle, *1968, ist nach dem Studium der Geschichte, Philosophie und Politik (Köln/ Rom) und der Promotion in Historisch-Kulturwissenschaftlicher Informationsverarbeitung derzeit Apl� Professor für Digital Humanities an der Universität zu Köln� Er betreut u�a� am Cologne Center for eHumanities (CCeH) zahlreiche Forschungsprojekte und an der dort angesiedelten "Koordinierungsstelle DH" digitale Aspekte der Langzeitvorhaben der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste� Daneben ist er Gründungsmitglied im Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE)� 10 Patrick Sahle Eine direkte Zusammenarbeit zwischen H und I scheitert häufig am Fehlen einer gemeinsamen Sprache, dem gegenseitigen Unverständnis für Problemstellungen und Lösungsansätze und den divergierenden Interessen� Überspitzt formuliert sind für die Informatik weder die Beantwortung der Fachforschungsfragen, noch unmittelbar einsatzfähige Werkzeuge oder nachhaltig zu betreibende Informationssysteme von Interesse, sondern allein neue informatische Herausforderungen und deren prinzipielle Lösung auf der Ebene von ‚proof of concept‘� 3 Die DH fungieren deshalb als Übersetzungs- und Vermittlungsinstanz, verfügen und pflegen über ihre kontinuierliche Beschäftigung mit den spezifisch geisteswissenschaftlichen Wissensdomänen und Problemlagen aber auch ein eigenes Portfolio an Ansätzen und Lösungskompetenzen� Dies macht nämlich ihren dritten Bereich und ihren Kern aus: Themen, Technologien, Verfahren oder auch Standards, die so weder in den Geisteswissenschaften noch in der Informatik anzutreffen wären. Aus Sicht der Informatik sind sie zu fach(bereichs)spezifisch. Aus Sicht der einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen sind sie als technische Problemlösung zu speziell für das Fach und ein Luxus, den man sich kaum leisten kann� Zugleich geht es hier um Ansätze, die nicht nur ein einzelnes Fach betreffen und deshalb auch auf einer Ebene außerhalb der Einzeldisziplin besser aufgehoben sind� Was DH beinhaltet und wie es positioniert ist, beantwortet noch nicht die Frage, was es ist � Ist DH nun ein Set an Methoden und Tools? Ein Forschungsbereich und ein loses Feld? Eine Metadisziplin? Eine Interdisziplin? Ein Dach? Ein ‚Fach‘? Oder vielleicht alles zugleich? Wie so oft werden Begriffe in der 3 Hier werden Vertreterinnen der Informatik offensichtlich widersprechen. Selbstverständlich gibt es auch gelungene Kooperationen und innerhalb des Verbandes DHd (Digital Humanities im deutschsprachigen Raum) eine Arbeitsgemeinschaft für ‚DH und Informatik‘ (http: / / dig-hum�de/ ag-dh-und-informatik), die sich um die Annäherung der Kulturen kümmert� Abb� 1: Digital Humanities als Brückenfach mit Schnittmengen Digital Humanities und die Fächer 11 realen Welt durchaus sinnvoll in einem engeren und in einem weiteren Sinne verwendet. Ausgehend von der Frage, ‚wo findet DH statt? ‘, lässt sich in Bezug auf die Positionierung, die Spezialisierung und die Disziplinierung der Digital Humanities ein 3-Sphären-Modell aufzeichnen� Abb� 2: 3-Sphären-Modell der Digital Humanities Nach diesem Modell findet DH zunächst in jenem Kernbereich statt, in dem es eine eigene Disziplin ist, die zwischen den Fächern steht, zu allen aber die gleiche Distanz besitzt� 4 DH ist dabei genauso ein eigenständiges Fach wie alle anderen auch und verfolgt ganz eigene Fragestellungen. Aus Sicht der DH findet sie in einem äußeren Orbit aber auch in den traditionellen Fächern statt� Schließlich sind es initial die Fachfragen der Disziplinen, die sie antreiben� Und 4 Das Diagramm ist stark vergröbert� Die dargestellten ‚Fächer‘ sind nicht allumfassend, sondern beispielhafte Vertreter. Andere Disziplinen könnten ergänzt und an geeigneter Stelle positioniert werden oder als Teilfächer einzelner oder als Schnittmenge verschiedener Großdisziplinen verstanden werden� Insofern würden verschiedene Menschen auch die Bibelwissenschaften unterschiedlich positionieren, als Teil der Theologie (die selbst hier nicht enthalten ist, aber vielleicht an ähnlicher Stelle wie die Philosophie steht), als Bereich, der Methoden aus verschiedenen Richtungen integriert, oder als eigene Disziplin� Die Positionierung der Fächer signalisiert auch bzw� steht exemplarisch für die unterschiedliche Ausrichtung an verschiedenen Gegenständen: abstrakten Konzepten (Philosophie), Sprache (Linguistik), Texte (Literaturwissenschaften) oder Objekte in ihrer historischen (Geschichte), visuellen (Kunstgeschichte) oder materiellen (Archäologie) Dimension� 12 Patrick Sahle es geht um den Aufbau von methodischen und technischen Lösungen (Werkzeugen), die in den Fächern eingesetzt werden sollen� Hier lebt die Idee von DH als einer vorübergehenden Entwicklung, die in die Fächer zu integrieren ist� Als drittes ist davon ein mittlerer Bereich zu unterscheiden, in dem sich die traditionellen Fächer als ‚transformative‘ oder ‚transformierte‘ Disziplinen zeigen� Bereits seit Jahrzehnten, teilweise also schon mit längerer Tradition als DH selbst, hat sich so z� B� die Computerlinguistik etabliert, die einerseits immer noch linguistische - also fachbezogene - Fragestellungen verfolgt, sich aber andererseits von der allgemeinen oder traditionellen Linguistik abkoppelte und an eigenen Lehrstühlen und Instituten und in eigenen Studiengängen Forschende ausbildet� Diese würden von sich selbst sagen, dass sie zwar Linguisten und damit Geisteswissenschaftler in einem allgemeinen Sinne, aber eigentlich doch Computerlinguisten und damit Fachinformatikerinnen seien� In dieser Weise sind in den letzten Jahren auch für andere Fächer neue Spezialdisziplinen entstanden, die eine ähnliche Stellung zu ihren Ausgangsfächern auf der einen Seite und zu Informatik und DH auf der anderen Seite einnehmen� Ein Ansatz zur Veranschaulichung der drei Sphären kann auch darin liegen, dass man nach der Art von Fragen fragt, mit denen sie sich beschäftigen� Hier könnte zugespitzt gesagt werden: - DH im engeren Sinne beschäftigt sich nicht mit Fachfragen aus den einzelnen Disziplinen, sondern mit Fragen, welche die Geisteswissenschaften (oder wenigstens deren konkrete Forschungsfragen) übergreifen oder die Grundbedingungen, die Praxis und die Reflexion geisteswissenschaftlicher Forschung unter digitalen Bedingungen betreffen. Diese übergreifenden Probleme sind die eigentlichen und eigenen Fachfragen der DH� - DH als Spezialdisziplinen beschäftigen sich zwar mit Fragen aus einem disziplinären Kontext; es sind dann aber Fragen, die man sich traditionell so nicht gestellt hätte� Es sind neue Fragen, die durch die veränderten Informationsbedingungen, Bearbeitungsoptionen und Publikationsmöglichkeiten provoziert werden� - DH als Teil der bestehenden Fächer beschäftigen sich damit, wie man bestehende Fragestellungen mit neuen Werkzeugen und vielleicht auch neuen Methoden effizienter und besser bearbeiten kann. 5 5 Allerdings ist damit auch wieder eine definitorische Grenze aus Sicht der DH im engeren Sinne gezogen und überschritten� DH im engeren Sinne würde sagen, dass es sich beim bloßen Einsatz von reifen Werkzeugen gerade nicht um DH handelt� Beispiele wären hier digitale Recherchestrategien wie Suchmaschinen, Kommunikationsformen wie Mail oder Blog, Standardanwendungen wie Textverarbeitungssysteme oder die Verwendung digitaler Datenformate für Texte oder Bilder� Folgerichtig würde man auf einer DH-Tagung Digital Humanities und die Fächer 13 Digital Humanities als eigenständiges Feld ist in jedem Fall auch für die anderen Sphären eine Leitdisziplin� Seine Formierung lässt sich jenseits aller theoretischen Definitionsversuche schon rein wissenschaftssoziologisch beschreiben. Dabei geht es dann z� B� um eigene Kommunikationsinfrastrukturen (Mailing- Listen, Zeitschriften, Konferenzreihen), verbandsmäßige Organisationsstrukturen, eigene Studiengänge, Institute oder explizite Lehrstühle für Digital Humanities � Institutionalisierung, Professionalisierung und Professoralisierung sind Verfestigungstendenzen, die den DH in ihrem Kern eine Stabilität verleihen, von dem aus sie auf die anderen Bereiche ausstrahlen und ihre Ergebnisse zur Diskussion und zur Nachnutzung stellen� 6 Die doppelte Ausrichtung an den eigenen Fragen (auf der Metaebene) und der Orientierung an den Fragestellungen der Geisteswissenschaften ist in der Praxis kein Widerspruch. Beides fließt zusammen, wenn man nach dem wesentlichen Kern der DH fragt, wie dies z� B� in Arbeitsgruppen zu curricularen Konvergenzen in der DH-Ausbildung erfolgt� Dabei lautet die Antwort dann, dass es bei DH immer wieder um zwei wesentliche Aktivitäten und Kompetenzen geht: ‚Modellierung‘ und ‚Formalisierung‘� Dabei bezeichnet Modellierung das Verstehen von Fragestellungen, die Durchdringung von Wissensdomänen und die Abstraktion beider hinsichtlich ihrer Operationalisierbarkeit für rechnergestützte Ansätze� Formalisierung steht für die Entwicklung, die Anpassung und den Einsatz von Informations- und Softwaresystemen für die Bearbeitung der Fragestellungen auf der Grundlage der Modellierung� Dies ist eine stark kondensierende, abstrakte Formulierung� Das Feld der DH lässt sich aber auch sehr einfach beschreiben: Wer wissen will, um was es bei DH geht, der möge sich die Konferenzen zu DH und die dort präsentierten Beiträge anschauen� Dies kulminiert vor allem in der jährlichen Weltkonferenz Digital Humanities � Hier werden regelmäßig hunderte von Beiträgen eingereicht und einem strikten peer-review-Auswahlprozess unterzogen� Die Summe der Beiträge, die von den Kolleginnen und Kollegen der Fachgemeinschaft anerkannt werden, bildet Jahr für Jahr ein gutes Panorama, was als DH verstanden und dabei als ‚state of the art‘ anerkannt wird� Dadurch, dass alle Beiträge mit Schlagwörtern belegt werden, lassen sich zugleich auch das innere Themenspektrum und seine Veränderungstendenzen ablesen. 7 Dabei weist das auch keine Präsentation von Fachforschungen erwarten, die zwar digitale Verfahren für ihre Fragestellungen einsetzen, darüber hinaus aber keinen übertragbaren Beitrag zur Entwicklung von Methoden oder Techniken liefern� 6 Sahle, Professoralisierung� 7 Scott� B� Weingart wertet die Beiträge zur Weltkonferenz (und anderen regionalen Konferenzen) und ihre Schlagworte seit einigen Jahren auf seinem Blog quantitativ aus und visualisiert und kommentiert die Entwicklungen. Zum Einstieg siehe ‚dh quantified‘ unter http: / / scottbot.net/ dh-quantified. Die Auswertung für 2017 findet man unter http: / / scottbot�net/ submissions-to-dh2017-pt-1� 14 Patrick Sahle Schlagwortsystem selbst wieder mehrere Dimensionen auf: Zum einen gibt es fachübergreifende ‚topics‘ wie ‚text analysis‘ oder ‚visualisation‘; zum anderen werden Beiträge sehr wohl aber auch ‚disciplines‘ zugeordnet, deren Fragestellungen sie verfolgen, wie z� B� ‚historical studies‘, ‚computer science‘ oder ‚literary studies‘� Jedenfalls dürften die ‚volumes of abstracts‘ einen der besten und umfassendsten Einstiegsmöglichkeiten bieten, wenn man verstehen will, worum es in den Digital Humanities eigentlich geht und was die aktuellen Themen, Tendenzen und Diskussionen sind� 2 Digital Humanities im Forschungsprozess DH findet in den Fächern statt. Aber wo findet man es im Forschungsprozess? Dieser wird in letzter Zeit gerne als Forschungszyklus beschrieben, der verschiedene Etappen von der Fragestellung über die Informationserhebung und Auswertung bis hin zur Ergebnispräsentation durchläuft� Dabei ist sein Ende, nämlich die Ergebnisse, zugleich wieder Anstoß und Ausgangspunkt für die weitere Forschung. Dies ist gerade in den Geisteswissenschaften offensichtlich, in denen die produzierte Literatur oft das Rohmaterial für die nächste Frage bildet� In den Modellen von Research Data Life Cycles ist klar, dass alle Schritte im Zyklus durch digitale Daten und Prozesse der Datenverarbeitung abgebildet werden� 8 Daraus folgt die zentrale Behauptung, dass digitale Verfahren und damit auch die DH nicht nur den Bereich der Datenverarbeitung und Analyse betreffen, sondern eben alle Aspekte der Forschung. Das Phänomen der Durchdringung der Forschung durch die Digitalisierung lässt sich auch über eine vertikale und eine horizontale Sicht beschreiben� In einer vertikalen Sicht gibt es im Forschungsprozess aufeinander aufbauende Schichten� Eine Arbeitsgruppe innerhalb des Projekts DARIAH schlug dazu mit TaDiRAH eine hierarchische Taxonomie digitaler Forschungsaktivitäten vor, mit denen diese Schritte beschrieben und weiter untergliedert werden können� 9 Auf der obersten Ebene wird unterschieden: 8 Siehe Puhl u� a�, Research Data LifeCycle� URN: urn: nbn: de: gbv: 7-dariah-2015-4-4 9 Siehe http: / / tadirah�dariah�eu� Digital Humanities und die Fächer 15 Nr. Titel Meine Paraphrase 1 Capture Digitalisierung, Datenerhebung aus gegebenen Objekten oder Wissensbeständen (digitale Repräsentation) 2 Creation Erstellung von Daten (die nicht einfach Dinge repräsentieren) oder Anwendugen 3 Enrichment Datenbearbeitung und Informationsanreicherung 4 Analysis (formale) Datenanalyse 5 Interpretation Modellierung, Kontextualisierung, theoretische Durchdringung 6 Storage Datenspeicherung, -bereitstellung, -archivierung 7 Dissemination Zusammenarbeit, Kommentierung, Verfügbarmachung, Publikation 0 Meta-Activities Bewertung, Fachgemeinschaften, Projektdurchführung, Ausbildung Tab� 1: TaDiRAH-Taxonomie, oberste Ebene Vom grundsätzlichen Ansatz her soll die Taxonomie umfassend sein. Man stellt sich vor, dass es eigentlich keine Forschungsaktivitäten gebe, die nicht mit irgendwelchen digitalen Verfahren korrespondieren würden. Umgekehrt kann damit allen digitalen Ansätzen und Praktiken wiederum ein Platz in einem Forschungsprozess zugewiesen werden, den es so in den Fächern immer schon gab� Dabei sind die expliziten Forschungs aktivitäten wieder eingebettet in eine weitergehende digitale Umwelt� Deshalb geht es auch um die allgemeinen Grundlagen einer ‚computer literacy‘, die Veränderungen durch eine uns umgebende digitale Medienlandschaft und die Reflexion aller Veränderungen auf einer epistemologischen Metaebene� In einer horizontalen Sicht finden sich auf den Schichten des Forschungsprozesses vielfältige und verschiedene Aktivitäten, Ansätze, Methoden und technische Lösungen� Hier gibt es jeweils Baukästen, aus denen man sich nach Bedarf bedienen kann, wobei die Entwicklung auf den einzelnen Schichten bis heute unterschiedlich weit gediehen ist� 10 So gibt es im Bereich ‚capture‘ inzwi- 10 Diese Sicht auf unmittelbar anwendbare Methoden und Werkzeuge werden in der bereits erwähnten TaDiRAH-Taxonomie unter den ‚research techniques‘ gesammelt� Parallel dazu gibt es eine gegliederte Aufstellung von Werkzeugen und Beispielprojekten auch in dem amerikanischen Projekt DIRT - Digital Research Tools unter https: / / dirtdirectory� org - wobei es sich dabei um eine Momentaufnahme aus dem Jahr 2015 handeln dürfte� 16 Patrick Sahle schen reife Standards und etablierte Praktiken: Man weiß heute recht gut, wie Objekte (als materielle Objekte, als visuelle Objekte, als Träger und Instanzen von Texten etc�) digitalisiert werden� Dagegen gibt es im Bereich ‚enrichment‘ derzeit viel Bewegung: Unter dem Stichwort ‚Annotation‘ werden vielfältige Ansätze und Praktiken entwickelt und erprobt, mit denen informationsreichere digitale Repräsentationen entstehen und mit denen auch das Kontextwissen der Forschenden explizit gemacht und in den analytischen Prozess eingebracht werden soll� Der Kern wissenschaftlicher Forschung wird oft in den Bereichen ‚Analyse‘ und ‚Interpretation‘ gesehen� Hier spielen Computer als rechnende Maschinen, die in ihrer algorithmischen Verarbeitung von Information hinsichtlich Menge und Geschwindigkeit dem menschlichen Geist überlegen zu sein scheinen, von Anfang an eine große Rolle� DH steht hier für die Automatisierung und Beschleunigung von Auswertungsverfahren durch entsprechende Softwarewerkzeuge� Diese changieren aber zwischen Nachbildung und Innovation von Methoden� Zum einen sollen sie bewältigbar machen, was theoretisch auch ohne sie schon möglich gewesen ist, zum anderen verschaffen sie aber auch bestimmten Methoden und Betrachtungsweisen eine neue Prominenz und verschieben so den Fokus der Forschung� Neue Werkzeuge können damit auch eine Antriebskraft für Veränderungen der Forschung sein. Ihre inhärente Schieflage liegt aber darin, dass bestimmte Verfahren von ihnen leichter umgesetzt werden können als andere. Dies betrifft offensichtlich jene, die einfach explizit zu machen und quantitativ zu bearbeiten sind� Auf der Strecke bleiben dagegen derzeit noch jene für die Geisteswissenschaften zentralen Verfahren, die unter dem Stichwort Hermeneutik zusammengefasst werden können und zu einer ‚verstehenden Deutung‘ als Kernziel der Forschung führen sollen� Für das Verständnis der DH-Ansätze im Forschungsprozess und ihr Zusammenspiel ist es wichtig, einige Grundprinzipien ‚des Digitalen‘ im Blick zu behalten� Rechnergestützte Arbeiten sind nicht zuletzt deshalb so umfassend, weil die Einfachheit der Herstellung, die Leichtigkeit der Bereitstellung und Verbreitung, die unmittelbare Anschlussfähigkeit und Nachnutzbarkeit auch in anderen Kontexten und damit ihre Vernetzung zur Natur digitaler Daten gehören� Daten spielen auf allen Ebenen eine zentrale Rolle, wechseln diese Ebenen aber auch und verbinden sie damit: die bibliografische Information ist das Rückgrat der Digitalisierung eines Objekts, dessen digitale Repräsentation mit Kontextwissen angereichert wird, das Gegenstand analytischer Auswertung ist, die Voraussetzung einer Interpretation ist, die in einer digitalen Publikation präsentiert wird, deren Daten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen sind� Digital Humanities und die Fächer 17 3 DH und die Fächer: Problemlagen DH markiert einen Bereich, der sich um die Entwicklung von digitalen Lösungen für die geisteswissenschaftliche Forschung kümmert� Er entfaltet dabei aber auch eine gewisse Eigendynamik, in der das Verhältnis von DH zu H problematisch erscheinen kann� Aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, besonders aber den Debatten der letzten Jahre heraus, lassen sich einige immer wiederkehrende Diskussionspunkte identifizieren. Das Abgrenzungsproblem : Menschen definieren sich durch das, was sie tun. Die Digital Humanities sind ein Feld, das sich in seiner Spezialisierung, in seiner Konzentration auf Methoden und Technologien und in seinem Interesse an einer fachübergreifenden Metaebene von den speziellen Problemlagen in den Einzelfächern entfernt� Deren Forschungsfragen geben zwar meistens den Anstoß für DH-Entwicklungen, letztlich interessiert sich DH aber für eigene Themen und definiert sich als eigenständige Disziplin gerade nicht über die fachspezifischen Interessen der Geisteswissenschaften� Spezialfächer wie Computerlinguistik oder ‚Digital History‘ stecken in einer doppelten Legitimationsfalle: Auf der einen Seite werden sie gefragt, warum sie sich nicht unter dem Dach einer umfassenden DH einrichten, die ihnen aber oft als zu breit, zu vage und zu wenig konkret erscheint� 11 Auf der anderen Seite müssen sie erklären, warum sie etwas substanziell Anderes sein sollen als die Fächer, aus denen sie hervorgegangen sind und deren Forschungsgegenstände und -interessen sie doch teilen� Da sie es aber zugleich mit konkreten Fachfragen (aus dem Gegenstandsbereich der Ausgangsdisziplinen) zu tun haben und in deren Beantwortung recht erfolgreich sind, scheinen sich diese Fächer oft ganz gut in ihren Nischen einrichten zu können� Der größte Widerstand gegen eine sich verselbstständigende Disziplin DH kommt aus den etablierten Fächern� Hier wird zwar die Notwendigkeit digitaler Verfahren inzwischen weitgehend akzeptiert, den DH wird ein Fachcharakter aber abgesprochen, weil ‚die Entwicklung von Lösungen‘, ‚die Reflexion der Transformation‘ oder ‚die Digitalität der Forschung‘ nicht als ein eigener Forschungsgegenstand anerkannt wird� Den DH wird die Rolle eines Dienstleisters, bestenfalls einer Hilfswissenschaft zugeschrieben, die den Fachwissenschaften zuarbeiten sollen� Erwartet wird, dass die DH einfache und reife Lösungen entwickeln, die von den Geisteswissenschaften unmittelbar genutzt und in ihre alltägliche Forschungspraxis integriert werden können� Damit habe DH seine Aufgabe erfüllt und werde nicht mehr gebraucht� Die oft vorgetragene These 11 Robertson, Differences; Watrall, Archaeology. 18 Patrick Sahle zu Wesen und Zukunft der DH lautet: Da die Wissenschaften ihre Methoden ohnehin beständig fortentwickeln und sie in absehbarer Zeit ohnehin vollständig digital arbeiten würden, sei DH ein Übergangsphänomen, das bald wieder verschwinden werde� 12 Menschen definieren sich auch durch ihre Biografien. Die Ablehnung von DH als eigenständiges Fach fällt auch deshalb leicht, weil die Vertreter einer jungen Disziplin alle aus einer etablierten Disziplin stammen: „Du bist ein Digital Humanist? Nein, Du hast Geschichte studiert und damit bist Du Historiker! “ Damit wäre dann aber grundsätzlich jede Entwicklung des Fächerspektrums in den Wissenschaften ausgeschlossen� Das Abgrenzungsproblem scheint mir durch das oben vorgestellte Angebot des 3-Sphären-Modells insofern entschärft, als dass die Entweder-Oder-Frage der Disziplinarität durch eine Sowohl-Als- Auch-Beschreibung verschiedener Aktivitäts- und damit Identifikationsfelder beantwortet werden kann� Das Entkoppelungsphänomen : DH ist aus Fachfragen der Geisteswissenschaften herausgewachsen und hat den Auftrag, hier geeignete Lösungen und Werkzeuge zu entwickeln� Dabei gehen die DH aber zunehmend eigene Wege und verfolgen ihre eigenen Fragen� Die fachwissenschaftlichen Agenden sind dann eher Auslöser, Sprungbrett und Testfall. Die treibende Kraft der DH, auch und vor allem hinsichtlich ihrer finanziellen Ressourcen, sind kooperative Forschungsprojekte, in denen beide Seiten zusammenarbeiten� Auch wenn hier der Regelfall gar keine gleichgewichtige Zusammenarbeit ist, sondern die DH als kleinerer Partner nur für bestimmte Anteile, nämlich die ‚digitalen Komponenten‘ zuständig ist, muss sie in diesem Bereich den Stand der Kunst einhalten und - weil es sich um Forschung handelt - darüber hinausgehen. Wenn die Vertreter von DH sich als Wissenschaftlerinnen ernst nehmen, dann müssen sie bei allem, was sie tun, auch nach der Innovation im DH-Sinne fragen. Kooperationsprojekte sichern die Verbindung von Geisteswissenschaften und DH, verhindern aber nicht die weitergehende Spezialisierung der DH� In der Zusammenarbeit mit Kollegen aus der (eigentlichen) Informatik besteht das Problem, dass diese sich im Grunde nur für die Entwicklung neuer Algorithmen, für neue formale Lösungen interessieren, bei denen die Fachfragen nur als ‚proof of concept‘ dienen� Dies ist bei der Zusammenarbeit mit DH-Spezialisten nicht ganz so konsequent zu beobachten, in der Tendenz 12 Eine gewisse Rolle spielt hier auch die Ressourcenkonkurrenz� Es besteht der Eindruck, dass immer größere Teile von Budgets in Fakultäten und in der Forschungsförderung den bestehenden Fächern ‚entzogen‘ und ‚den Technikern‘ zugeschoben würden� Damit würden die echten Geisteswissenschaften zugunsten einer fachfremden Kultur der Informatik ausgetrocknet� Digital Humanities und die Fächer 19 aber ähnlich� DH leistet sehr wohl Grundlagenarbeit für die Geisteswissenschaften und hat als ‚angewandte Informatik‘ ein Interesse an Systemen, die dauerhaft in der Praxis funktionieren� Auch hier geht der Blick aber auf die jeweilige Forschungsfront und die Themen, die gerade besonders aktuell und spannend sind� In den Geisteswissenschaften kann dadurch der Eindruck entstehen, bei Kooperationsprojekten zurückzubleiben: Zur Laufzeit gilt das besondere Interesse der DH-Seite eher spezialistischen Herausforderungen und mit dem Ende der Förderung zieht sie zum nächsten Vorhaben weiter, während die Fachforscher mit ihren ‚halb durchgebohrten dicken Brettern‘ allein gelassen werden� 13 Das Kommunikationsproblem: Die Unmöglichkeit der Kommunikation zwischen den ‚zwei Welten‘ ist legendär� Informatik und Geisteswissenschaften sind so unterschiedlich ausgebildet und leben in so unterschiedlichen Sphären, dass sie nicht über eine gemeinsame Sprache verfügen� Gemeinsame 3-Jahres-Projekte, in denen man zwei Jahre brauchte, um die jeweils andere Seite zu verstehen, so dass keine Zeit für produktive Lösungen mehr blieb, sind keine Legende, sondern empirische Wirklichkeit� DH hat darin einen Teil seiner Existenzgrundlage� Es gibt DH, weil man die geisteswissenschaftlichen Begriffswelten und Problemlagen verstehen muss, um hier adäquate Lösungen zu finden. DH wird deshalb manchmal auch über seine Dolmetscherfunktion beschrieben� Ihre Aufgabe läge wesentlich in der wechselseitigen Übersetzung von geisteswissenschaftlichen Problemen in informatische Lösungsangebote� Der grundsätzlichen Nähe von DH und H steht die fortschreitende Spezialisierung und Disziplinierung von DH in gewisser Weise entgegen� Als erstes reduziert sich die gemeinsame Kommunikationsbasis, wenn Digital Humanists nur noch zu ihren eigenen Tagungen gehen und in ihren eigenen Zeitschriften publizieren� Damit die gemeinsame Grundlage nicht verloren geht, sind aber z� B� die spezialisierten Studiengänge in DH in der Regel als Zwei-Fach-BA-Programme mit einem geisteswissenschaftlichen Fach ausgelegt oder setzen als Spezialisierungs-Master ein geisteswissenschaftliches Bachelorstudium voraus� Das Adäquanzproblem : Die DH sind auf H ausgerichtet und liefern passende Methoden und Verfahren. Sie digitalisieren im Grunde die Arbeitsweisen der Geisteswissenschaften, indem sie auf Grundlage ihrer theoretischen Annahmen, in Modellierung ihrer Domänen und Formalisierung ihrer Praktiken für entsprechende digitale Daten, Bearbeitungsroutinen und Auswertungsalgorithmen sorgen� Oder nicht? Auf der Seite 13 Vgl. Lubich, Rant. 20 Patrick Sahle der Geisteswissenschaften wird manchmal das Ausbleiben einfach einsetzbarer Werkzeuge beklagt, die sich unmittelbar an die gelernten Praktiken anschließen� Ihre Vertreter fordern, dass von den DH Lösungen entwickelt würden, die eben nicht den bisherigen Methoden entsprechen, sondern zu einem Umdenken, einer neuen Betrachtungsweise und einem ‚fremden‘ Vorgehen zwingen. Systematisch scheint es eine Tendenz der DH zu geben, positivistischen, quantifizierenden, mathematisch berechenbaren Ansätzen einen starken Vorzug zu geben und keine Unterstützung für die weniger scharfen Prozesse der verstehenden Deutung (Hermeneutik) zu bieten. Damit gehen der Verdacht und manchmal der Vorwurf einher, bei DH handele es sich in Wirklichkeit um einen Angriff auf die Geisteswissenschaften, mit dem diese einer fachfremden Technisierung und einem empiristisch-naturwissenschaftlichen Forschungsdesign unterworfen werden sollten� 14 Dieser Eindruck ist nicht zurückzuweisen, weil er auf grundlegende Bedingungen digitaler Kultur verweist, die durchaus bestehen� Mit digitalen Werkzeugen wird das leichter bearbeitbar, was sich in klaren Beschreibungen explizieren und in Daten übersetzen lässt� Das Werkzeugarsenal hat Präferenzen für bestimmte Rohstoffe und Verfahren, während die Bearbeitung anderer schwierig bleibt und damit zunächst zurückgestellt wird� ‚Big data‘ versus ‚close reading‘, Datenmodelle versus Wissen, Algorithmen versus Verstehen: Während immer mehr Informationen digital aufbereitet werden, immer besser zugänglich sind, immer leichter genutzt werden können und mit immer leistungsfähigeren Verfahren ausgewertet werden, scheinen die Kernprozesse der Geisteswissenschaften, durch wissensbasierte und vielfältige Kontexte berücksichtigende Interpretation Sinn zu erzeugen, in den Hintergrund zu treten� Über die Zielstellungen und die Strategien zur Weiterentwicklung der Geisteswissenschaften mag man streiten� Ein gewisser Wandel der Welt, in der wir leben, ist aber zu konstatieren und aufzunehmen. Digitalisierung betrifft nicht nur ‚die geisteswissenschaftliche Methode‘ im engeren Sinne, sondern umfasst - wie oben bereits beschrieben - alle Bereiche wissenschaftlichen Arbeitens� Dies reicht von den Ausgangsdaten (früher: die Überlieferung, jetzt: deren digitale Repräsentation) über die Systeme der Bereitstellung und Zugänglichkeit, über die eigenen Arbeitsumgebungen, über Analyseverfahren bis hin zur Ergebnisproduktion und ‚Dissemination‘ (Einspeisung in den wissenschaftlichen Diskurs)� Es geht nicht um eine einfache Erweiterung unseres Werkzeugkastens, sondern um eine umfassende Veränderung unserer gesamten Informationsumwelt� Was wir derzeit erleben, ist eine auch epistemologische Trans- 14 Manchmal erscheinen DH-Lösungen auch als methodischer Rückschritt, wenn die Modellierung und Formalisierung nur für einfache Ansätze möglich ist, über die die Geisteswissenschaften konzeptionell und auf der Theorieebene längst hinausgegangen sind� Digital Humanities und die Fächer 21 formation, die allerdings in ihren Auswirkungen noch nicht leicht präzise zu fassen ist. Was wir brauchen, ist ein Bewusstsein für die Veränderungen und für die inhärenten Schieflagen, die neue Technologien mit sich bringen. Gerade die Geisteswissenschaften verfügen über die Kompetenz zur kritischen Beobachtung und Begleitung von informatischen Ansätzen, die niemals objektiv sind, sondern immer schon subjektiv im Sinne von theoriegeladen � In die Digitalisierung (Beschreibung & Analyse) unserer Informationsumwelt gehen immer schon Haltungen und Sichtweisen ein, die partikular sind und in Konkurrenz zu anderen stehen� Dass die Geisteswissenschaften sich mit der Veränderung der Welt auch selbst verändern, ist unausweichlich� Sie müssen dabei aber die ganze Breite der digitalen Transformation der Forschung und deren epistemologischen Schieflagen und Eigendynamiken im Blick behalten, um sicher zu stellen, dass sie sich mit den für sie geeigneten technischen Strukturen und Werkzeugen ausstatten� Das Reformproblem : Theoretisch ist eine Haltung denkbar, die eine scharfe Trennung zwischen DH und H so definiert, dass sich in den Geisteswissenschaften einfach nichts ändern müsste, weil alles Neue und Andere sich in den DH abspielen könnte� Eine solche Haltung extremen Solipsismus‘ würde aber ausschließen, dass sich Wissenschaften durch die Veränderung ihrer Informationsumgebung oder durch das Aufkommen neuer technischer Möglichkeiten selbst auch verändern würden� Und sie würde einen dialogischen Entwicklungsprozess erschweren� Im Prinzip sind die zu beobachtenden Spezialisierungs- und Abspaltungsprozesse ein ganz natürlicher Vorgang. Das Prinzip der Wissenschaft ist das Prinzip der Differenzierung. DH ist hier kein ungewöhnliches Phänomen, sondern etwas, was sich in allen Wissenschaftsbereichen beobachten lässt� Fachinformatiken gibt es überall: Wirtschaftsinformatik, Bioinformatik, Geoinformatik, medizinische Informatik, Chemieinformatik, Medieninformatik etc� Zu fragen und zu unterscheiden ist vielleicht nur, wie das Verhältnis von Spezialdisziplin und allgemeiner Fachforschung ausgestaltet wird und welche Rückwirkungen die Spezialisierungsbewegungen auf die etablierten Fächer haben� Hier mag mit den Geisteswissenschaften ein besonderer Fall vorliegen, gerade weil die neuen Ansätze sich so fundamental von den bisherigen Praktiken zu unterscheiden scheinen� Wenn man aber akzeptiert, dass DH auch eine prinzipielle epistemologische Herausforderung darstellt und zu einer substanziellen Erweiterung des Methodenarsenals sowie des Werkzeugkastens der Geisteswissenschaften führen kann, dann muss die Frage beantwortet werden, wie diese Entwicklungen in den einzelnen Fächern aufgenommen und in sie integriert werden können� Hier gibt 22 Patrick Sahle es wiederum mindestens drei Probleme zu beachten, wobei ich für keines von ihnen einen echten Lösungsvorschlag anbieten kann� Die erste Herausforderung liegt in der inhärenten Perpetuierung etablierter Methoden und Praktiken� Studenten und Doktoranden lernen von der vorhergehenden Generation und übernehmen deren Methoden� Auf der Ebene der Professuren, auf der die Curricula gestaltet werden, besteht eigentlich kaum Innovationsdruck� Auf der Ebene der Promovierenden und Habilitierenden, auf der eigentlich noch die größte Innovationsfreiheit bestehen sollte, besteht oft die Vorgabe, auf den etablierten Pfaden zügig zum Ziel zu kommen und sich nicht auf riskante Abwege zu begeben: Wer etwas anderes macht, als sich auf die Erstellung einer Monografie zu konzentrieren, reduziert womöglich noch die ohnehin geringen Aussichten auf ein akademisches Fortkommen� So scheint jedenfalls die Haltung vieler Menschen im Feld zu sein� Die zweite Schwierigkeit liegt im ‚Fluch der Interdisziplinarität‘. Die Verbindung von Fachfragen und neuen technischen Ansätzen führt zu einem Spagat, der doppelten Aufwand bedeutet� Zeit ist aber eine begrenzte Ressource und so zahlt man für Innovation und für die ernsthafte Hinwendung zu neuen Ansätzen einen Preis� Man verliert Zeit - und damit vielleicht zunächst auch Tiefe und Qualität in der Forschung aus traditioneller Sicht� Es ist dann eine Frage der Ergebnisbewertung, ob diese Verluste durch die Gewinne auf der Seite möglicher neuer Erkenntnisse wettgemacht werden� Das dritte Dilemma ist ein ‚doppeltes Nullsummenspiel‘� Die Fachforschung organisiert sich über begrenzte zeitliche und finanzielle Ressourcen, die in Forschung und Lehre eingebracht werden� Und sie organisiert sich über Curricula, deren Rahmen (in Zeitstunden bzw� Credit Points) ebenfalls feststeht� Das bedeutet auch hier, dass jede Forderung nach der Einbeziehung ‚neuer‘ Themen eine Antwort auf die Frage verlangt, was denn dafür weggelassen, gestrichen, ‚geopfert‘ werden sollte� Da aber alle Lehrinhalte mit gutem Grund Teil des Lehrplans sind, kann diese Frage eigentlich nicht beantwortet werden� 4 DH in den Fächern: Einbeziehung und Ausbildung Die einzelnen Disziplinen haben ein berechtigtes Interesse daran, sich über die Verfeinerung ihrer Methoden und über neue Werkzeuge und Praktiken weiterzuentwickeln� DH als Spezialisierungsbereich geht hier voran und entwirft, testet und konsolidiert Ansätze und trägt zum Aufbau digitaler Informationsressourcen bei� Dies alles sollte in die Fächer integriert werden� Dabei besteht mit dem 3-Sphären-Modell ein Beschreibungsansatz, der zeigt, wo sich Entwicklungen in welcher Tiefe vollziehen können� Wissenschaftsorganisatorisch Digital Humanities und die Fächer 23 ist damit die Landschaft in Deutschland und anderen europäischen Ländern gut skizziert, in denen sowohl Spezialisierungsfächer, als auch ‚DH als Fach‘ existieren� Für die Tendenz, DH eher aus den Einzelfächern heraus aufzubauen, steht die angelsächsische Universitätskultur� Auch hier gibt es inzwischen zwar viele ausdrückliche Stellen für digital humanists , diese sind aber fast immer in die traditionellen Departments eingebunden� 15 Die Frage nach den DH stellt sich für jedes einzelne Fachgebiet und damit auch hier: Was leisten die DH und wie können sie in die Geisteswissenschaften, in die Theologie, die Philologien, die Religionswissenschaften oder in die Bibelwissenschaften eingebunden werden? Hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Disziplinen schon immer zu den frühen Anwendern, wenn nicht gar treibenden Kräften gehörten, wenn es um den Entwurf und das Ausprobieren neuer Methoden ging� 16 Traditionell gab es hier einen Fokus auf Textverarbeitung, Textanalyse oder auch Editionsfragen� Dazu kommen heute u� a� aktuelle Themen wie Annotation, Semantisierung, Netzwerkanalysen oder Visualisierung� Aus Sicht der DH ist zu beobachten, dass sie zwar für alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen zuständig ist, dass es hier aber sehr wohl traditionelle Schieflagen oder, positiv gesprochen, Schwerpunkte gibt. Die gute Nachricht ist, dass diese Schwerpunkte vom Objekt her bei ‚Text‘, fachlich in den Sprach- und Literaturwissenschaften und thematisch bei Corpora, Editionen, Informationsportalen und Verfahren der Textanalyse und damit nahe an den exegetischen Interessen liegen� 17 Die schlechte Nachricht wurde bereits oben angedeutet: Hermeneutik, die verstehende Deutung und Interpretation von Texten, ist ein so komplexes Verfahren, dass es derzeit als eine der am härtesten zu knackenden Nüsse der DH gilt� 18 Es ist müßig, zu fragen, ob ‚die Exegese‘ automatisiert werden kann� Spannend ist es hingegen im Blick zu behalten, welche damit zusammenhängenden Bereiche von der Digitalisierung in welcher Weise erfasst 15 Zu den ‚klassischen‘ Referenzen zu diesem Thema gehört Kirschenbaum, Digital Humanities� 16 So ist das am häufigsten zitierte ‚Ursprungsprojekt‘ der DH der Index Thomisticus - siehe z� B� Hockey, History, 3-19� Auszeichnungssprachen und deren frühe Standards (wie SGML) wurden auch in den Bibelwissenschaften schon früh eingesetzt� 17 Einen empirischen Beleg für diese Schwerpunkte des Feldes DH liefert wiederum Scott B� Weingart mit seinen quantitativen Analysen zu den ‚topics‘ der Beiträge zu den Weltkongressen; für die ‚topics‘ der Konferenz DH 2017 http: / / scottbot�net/ submissions-todh2017-pt-1� 18 Siehe z� B� van Zundert, Screwmeneutics, oder Wettlaufer, Neue Erkenntnisse� Diese Situation adressierte zuletzt (2016) eine spezielle Förderlinie der Volkswagen-Stiftung unter dem Titel Interaktion qualitativ-hermeneutischer Verfahren und Digital Humanities: ‚Mixed Methods‘ in den Geisteswissenschaften? (URL: https: / / www�volkswagenstiftung�de/ mixedmethodsgeisteswissenschaften�html)� Dort gibt es auch eine Liste der geförderten Projekte� 24 Patrick Sahle werden� Denn auch hier zeigt sich wieder, dass es bei DH nicht nur um die Algorithmisierung von Analyseprozessen geht, sondern um den ganzen Zyklus der Forschung, von der Digitalisierung der Texte über ihre tiefe Erschließung und Annotation, ihre Bereitstellung in Portalen und an Schnittstellen, ihre Auswertung bis hin zur Publikation von Studien über sie� Aber wie kann dies in Forschung und Lehre einfließen? In der drittmittelgetriebenen Forschung ist es heute üblich, Kooperationen einzugehen� Durch die Einbeziehung einer ‚digitalen Komponente‘ in die Fachforschung kann diese erweitert und durch neue Verfahren ergänzt werden. Die meisten Förderorganisationen unterstützen damit die digitale Transformation der Forschung; es stellt sich aber die Frage nach der Nachhaltigkeit der Wirkung auf die Fachforschung und ob hier ein dauerhafter Kompetenztransfer stattfindet, der auch jenseits von Projekten und Förderzeiträumen einen Effekt besitzt. Dies hängt wesentlich davon ab, wie Partner zusammenarbeiten: Besteht eine starke Trennung zwischen Fachforschung und DH bzw� Informatik und werden einerseits die Fachfragen nur als beliebige Beispielfälle (die man nicht zu verstehen braucht) und andererseits die technischen Ansätze z� B� nur als Dienstleistungen (die man nicht zu verstehen braucht) betrachtet, dann wird es auf beiden Seiten keine nachhaltige Entwicklung geben� Wichtig ist hier, dass die Fachwissenschaften auch die Grundlagen und Paradigmen digitaler Methoden soweit verstehen, dass sie aus dem Status reiner (blinder? ) Anwendung herauskommen und ihre Entwicklung aktiv mitgestalten können� Passiert dies nicht, dann werden innerhalb der Forschung keine wirklich passenden und innovativen Methoden entwickelt werden können und werden keine anhaltenden neuen Kompetenzen in den Fächern zurückbleiben, sobald die Partner aus Informatik oder DH zum nächsten Projekt weitergezogen sind� Es geht zwar grundsätzlich um die Ausweitung des epistemologischen Rahmens; im Alltag von Forschung und Lehre geht es aber auch ganz einfach um die Ausweitung des Skillsets und wie dieses in die Lehre eingebracht werden kann� Intensive kooperative Forschung ist eine Form des teaching the teachers � Der Königsweg der Lehre ist: ‚Was in der eigenen Forschung gelernt wird, kann gut fundiert, gut reflektiert und nah an der Praxis weitergegeben werden‘. Jenseits des ‚Nebenbei‘ ist die Frage nach Inhalt und Form erweiterter Ausbildung aber auch systematisch zu stellen. Bei DH geht es häufig um generische Kompetenzen, die das Verständnis digitaler Daten, Kenntnisse von Ressourcen, Werkzeugen und Standards, die Praxis der Datenerstellung und Datenverarbeitung, Ansätze der Modellierung und Formalisierung oder Techniken der Ergebnispräsentation und Visualisierung betreffen. Diese können aus den Lehrangeboten der DH im Allgemeinen oder aus denen der spezielleren Subfächer (Computerlinguistik Digital Humanities und die Fächer 25 etc�) übernommen werden� 19 Hier können die einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen anschließen und aus dem allgemeinen Kanon jeweils die Teile übernehmen, die für die eigenen Fragestellungen besonders relevant sind� Hinzu kommen dann fachspezifische Überblicke und Übungen, die wiederum für die allgemeinen DH zu speziell wären, als dass sie von ihnen behandelt würden. ‚Digitale Verfahren der Bibelwissenschaften‘ ist eher in der Theologie und den Religionswissenschaften zu unterrichten, als dass sie ein Gegenstand allgemeiner DH-Ausbildung wären� In einem idealen Fall gelangen die Einzeldisziplinen darüber zu einem eigenen Curriculum von relevanten Lehrinhalten� Aber wie integriert man diese Inhalte in die Formen der Ausbildung? Manche glauben, dass die für ein Fach notwendigen Kompetenzen im Laufe der Zeit von selbst in die Basisveranstaltungen oder die exemplarisch vorgehenden Aufbauveranstaltungen eingehen würden, weil sie die Forschungspraxis der Lehrenden spiegeln� Fraglich ist aber, ob diese Transformation zügig geschehen wird, ob sie ausreichend ist und ob es Möglichkeiten ergänzender oder paralleler Studien gibt� Da die Integration in die Standardausbildung über die Ausweitung der Inhalte bestehender Kurse schwierig ist, sind verschiedene andere Wege zu bedenken� Personell können die Institute mit Spezialisten aus den DH verstärkt werden, um eine weitergehende, spezialisiertere Lehre anzubieten� Dieses Phänomen ist durchaus zu beobachten und reicht von Lehrkräften für besondere Aufgaben bis hin zu DH-Professuren, die nicht an Instituten für DH, sondern an den bestehenden Seminaren angesiedelt werden und auch keine expliziten DH-Studiengänge anbieten, sondern die Lehre in die Fächer hineintragen sollen� Eine andere Praxis liegt im ‚Import‘ von Lehrkapazität und damit auch Lehrangeboten aus benachbarten Bereichen� Dies können DH-Einrichtungen an der Hochschule sein, aber auch Informatik-Institute oder die Rechenzentren� Allerdings ergeben sich dabei oft nicht nur formale und organisatorische Probleme, sondern auch Fragen nach der Adäquanz der Didaktik� 20 Hinsichtlich der Integration in die Studiengänge ist deshalb zunächst vor allem an die Vertiefungsmodule in den Fächern zu denken, die eine gewisse Wahlfreiheit und damit auch methodische Differenzierung erlauben. Hinzu kommen an vielen Universitäten freie Wahlbereiche (manchmal studium integrale oder Optionalbereiche 19 Allgemeine (Lehr-)Handbücher zu den Digital Humanities liegen inzwischen vor� Siehe zuletzt Jannidis, Digital Humanities� 20 Zu den formalen Schwierigkeiten gehören die Anrechenbarkeit von Leistungen in anderen Fächern und manchmal schon die Bereitschaft, Kurse für andere zu öffnen. In der Vermittlung ist zu bedenken, dass es eine spezifische Didaktik der Informatik für Geisteswissenschaften gibt, weil hier nicht nur von anderen Voraussetzungen und Interessenlagen, sondern eben auch von anderen Anwendungsszenarien und Zielstellungen ausgegangen werden muss� 26 Patrick Sahle genannt), in denen fächerübergreifende Angebote genutzt werden können� Hier lassen sich ggf� auch zielgerichtet Kurse zusammenstellen, die in der Summe ein Zertifikatsprogramm ergeben und zu einer Art Mini-Zusatzausbildung in einem bestimmten Bereich führen können� 21 Jenseits der lokalen Studiengänge spielen im Bereich der DH vor allem Summer Schools eine große Rolle� Dazu gibt es inzwischen eine ganze Reihe fest etablierter Angebote, die mehr oder weniger regelmäßig angeboten werden� 22 Solche Schools verlangen eine hohe Eigenmotivation und sind eine zusätzliche Belastung zur normalen Ausbildung� Sie schlagen aber eine gute Brücke zwischen den lokal unterrichteten Fächern und der globalen Sphäre der Digital Humanities� Sie stehen damit einmal mehr für die Grundherausforderung der etablierten Disziplinen� Auf der einen Seite können die neuen Methoden nicht einfach in den bestehenden Strukturen wachsen, sondern brauchen den Input von Spezialisten, die sich ganz den neuen Ansätzen widmen und sie interdisziplinär und mit Rückgriff auf die Informatik vorantreiben. Auf der anderen Seite müssen diese Entwicklungen wieder in die Fächer zurückgeholt und integriert werden� Hier ist dem latenten Missverständnis vorzubeugen, Methoden und Werkzeuge würden irgendwann einen statischen, ‚fertigen‘ Zustand erreichen, den man dann nur noch aufnehmen müsste. Vielmehr ist die digitale Transformation kein einmaliger Prozess, der bald abgeschlossen wäre, sondern ein dauerhafter Zustand� Deshalb ist es wichtig, dass die Fächer und DH in engem Kontakt stehen und einen beständigen Austausch pflegen, auf dessen Grundlage die Fachforschung in ihrer Forschung und Lehre in der besten möglichen Weise kontinuierlich vorangebracht werden kann� Literatur Gold, Matthew K� (Hg�): Debates in the Digital Humanities 2016, Minneapolis, MN 2016� Hamidović, David: An Introduction to Emerging Digital Culture, in: Clivaz, Claire u�a� (Hg�): Ancient Worlds in Digital Culture, Leiden/ Boston, MA 2016, 1-16� DOI: 10.1163/ 9789004325234_002, letzter Zugriff: 29.08.2017. 21 Siehe z� B� das IT-Zertifikat der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln (URL: http: / / www.itzertifikat.uni-koeln.de). 22 Zu nennen sind für den deutschsprachigen Bereich u� a� die Leipziger European Summer University in Digital Humanities (http: / / www�culingtec�uni-leipzig�de/ ESU_C_T/ node/ 97), die edirom-Summer School in Paderborn (http: / / ess�uni-paderborn�de/ ) oder die nomadisierenden IDE-Schools (https: / / www�i-d-e�de/ aktivitaeten/ schools/ )� International ist auf die Digital Humanities at Oxford Summer School (https: / / digital�humanities�ox�ac� uk/ dhoxss/ ) und das Digital Humanities Summer Institute in Victoria (Kanada, http: / / www�dhsi�org) zu verweisen� Digital Humanities und die Fächer 27 Heppler, Jason: www.whatisdigitalhumanities.com, letzter Zugriff: 29.08.2017. Hirsch, Brett (Hg�): Digital Humanities Pedagogy - Practices, Principles and Politics, Cambridge 2012� Jannidis, Fotis u� a�: Digital Humanities - eine Einführung� Stuttgart 2017� Kirschenbaum, Matthew: What Is Digital Humanities and What’s Its Doing in English Departments? , in: Gold, Matthew K�: Debates in the Digital Humanities, Minneapolis, MN 2012, 3-11� Lubich, Gerald: Rant and Rave with Thee Olde Historian™� Bemused musings on behalf of the peculiar entanglement of History and IT, how it started, arrived and where it might lead to, in: Ladstätter, Sabine/ Preiser-Kapeller, Johannes (Hg�): Entangled Worlds - Network Analysis and Complexity Theory in Historical and Archaeological Research, Wien 2017 (im Erscheinen)� Puhl, Johanna u� a�: Research Data LifeCycle� urn: nbn: de: gbv: 7-dariah-2015-4-4, letzter Zugriff: 29.08.2017. Sahle, Patrick: DH studieren! Auf dem Weg zu einem Kern- und Referenzcurriculum der Digital Humanities (DARIAH-DE Working Papers Nr� 1), Göttingen 2013� URN: urn.nbn.de.gbv: 7-dariah-2013-1-5, letzter Zugriff: 29.08.2017. Sahle, Patrick: Digital Humanities? Gibt's doch gar nicht! , Zeitschrift für Digital Humanities, Sonderband 1: Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities (2015)� DOI: 10�17175/ sb01 Sahle, Patrick: Zur Professoralisierung der Digital Humanities� URL: http: / / dhd-blog� org/ ? p=6174. DHd Blog, Beitrag 6174, 2016-2017, erstellt: 23.3.2016, letzter Zugriff: 29�08�2017� Schreibman, Susan u �a� (Hg�): A New Companion to Digital Humanities, Chichester 2016� Terras, Melissa u. a. (Hg.): Defining Digital Humanities: A Reader, London 2016. Wettlaufer, Jörg: Neue Erkenntnisse durch digitalisierte Geschichtswissenschaft(en)? Zur hermeneutischen Reichweite aktueller digitaler Methoden in informationszentrierten Fächern, Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften (2016), DOI: 10�17175/ 2016_011� van Zundert, Joris: Screwmeneutics and Hermenumericals� The Computationality of Hermeneutics, in: Susan Schreibman u� a� (Hg�): A New Companion to Digital Humanities, Chichester 2016, 331-347� Digital Humanities 2014 - Lausanne 7�-12� Juli 2014� Book of Abstracts� URL: https: / / dh2014.files.wordpress.com/ 2014/ 07/ dh2014_abstracts_proceedings_07-11.pdf, letzter Zugriff: 29.08.2017. Digital Humanities 2015 - Sydney 29� Juni - 3� Juli 2015� Abstracts� URL: http: / / dh2015� org/ abstracts, letzter Zugriff: 29.08.2017. Digital Humanities 2016 - Krakau 11�-16� Juli 2016� Book of Abstracts� URL: http: / / dh2016.adho.org/ static/ dh2016_abstracts.pdf, letzter Zugriff: 29.08.2017. Digital Humanities 2017 - Montreal 8�-11� August 2017� Book of Abstracts� URL: https: / / dh2017.adho.org/ abstracts/ DH2017-abstracts.pdf, letzter Zugriff: 29.08.2017. 28 Patrick Sahle http: / / dig-hum.de/ ag-dh-und-informatik, letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / scottbot.net/ dh-quantified, letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / scottbot.net/ submissions-to-dh2017-pt-1, letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / tadirah.dariah.eu, letzter Zugriff: 29.08.2017. https: / / www�volkswagenstiftung�de/ mixedmethodsgeisteswissenschaften�html, letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / www.itzertifikat.uni-koeln.de, letzter Zugriff: 29.08.2017, letzter Zugriff: 29�08�2017� http: / / www.culingtec.uni-leipzig.de/ ESU_C_T/ node/ 97, letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / ess.uni-paderborn.de/ , letzter Zugriff: 29.08.2017. https: / / www.i-d-e.de/ aktivitaeten/ schools/ , letzter Zugriff: 29.08.2017. https: / / digital.humanities.ox.ac.uk/ dhoxss/ , letzter Zugriff: 29.08.2017. http: / / www.dhsi.org, letzter Zugriff: 29.08.2017. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven Juan Garcés / Jan Heilmann Abstract | In this article, we summarize the current state of the implementation of methods from the Digital Humanities (DH) in the field of New Testament studies, on the one hand, and examine its potentials as well as its limits in this field on the other hand� The article is divided along the methods stylometry, linguistic analysis, text re-use/ reception history, manuscripts/ textual criticism� While further development in this field is certainly necessary, DH has made impressive inroads into New Testament studies. It enhances the field by automating already established approaches and challenges to re-think concepts and approaches that may be indebted to the print era that gave birth to the field. In the end, we explore the challenges of the emerging DH for academic teaching in the field of Biblical Studies from a perspective of university didactics� 1 Einleitung Der digitale Medienwandel, der nicht nur die Gesellschaft allgemein, sondern auch die bestehenden Wissenskulturen maßgeblich und tiefgreifend transformiert, macht auch vor der Bibelwissenschaft (BW) keinen Halt� Die Reaktionen aus den Geisteswissenschaften auf diesen Prozess fallen durchaus unterschiedlich aus und der Hype, der oftmals durch die Organe der Forschungsförderung und des Universitätsmanagements befördert wird, stößt - zuweilen zurecht - auf Skepsis� Einige Fragen stellen sich vor diesem Hintergrund: Welchen 30 Juan Garcés / Jan Heilmann Mehrwert bringen digitale Methoden der Bibelwissenschaft? Inwiefern ist eine Ressourceninvestition, die notwendig wird, um sich digitale Kompetenzen anzueignen, legitimierbar? Und grundsätzlicher: Wie sind die sozialen und epistemologischen Auswirkungen des Medienwandels zu bewerten? Aber auch: Welche Grenzen der Nutzung digitaler Methoden müssen markiert werden? Es ist festzuhalten, dass die Digitalisierung und digitale Erforschung der für die BW relevanten Daten in vielerlei Hinsicht vergleichsmäßig früher und umfangreicher als in anderen, verwandten geisteswissenschaftlichen Disziplinen stattfand� Zusätzlich zu den unten zu besprechenden Beispielen denke man nur an die sich Anfang der 1990er Jahre etablierenden und seitdem vielfach weiterentwickelten Bibelprogramme, die Pfarrerinnen und Pfarrer, Lehrerinnen und Lehrer sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittlerweile ausgereifte virtuelle Forschungsumgebungen bieten� Diese erlauben es, die wichtigsten Texte in der digitalen Umgebung zu lesen und zu untersuchen� Die mit den Bibelprogrammen einhergehende Befriedigung der digitalen Bedürfnisse der genannten Zielgruppen scheint aber auch dazu beigetragen zu haben, dass sich die BW erst in jüngster Zeit intensiver mit den interdisziplinären Herausforderungen der Digitalisierung befasst und sich mit dem Diskurs und den Impulsen aus den Digital Humanities (DH) auseinandersetzt� Die DH befassen sich - teils als interdisziplinäres Forschungsfeld, teils als eigenständiges Fach, teils als Mischform 1 - mit der „Anwendung von computergestützten Verfahren und […] systematische[n] Verwendung von digitalen Ressourcen in den Geistes- und Kulturwissenschaften sowie die Reflexion über deren Anwendung“, so die häufig zitierte und u. E. aussagekräftige Definition im Artikel Digital Humanities in der Wikipedia� 2 Dabei nehmen sie die Funktion eines wichtigen Bindeglieds zwischen den jeweiligen Geisteswissenschaften und der Informatik ein� In diesem Beitrag verstehen wir DH im etwas engeren Sinne der digitalen Erschließungs- und Analysemethoden und beleuchten die für die BW bereits vorliegenden Erträge, ihre Potentiale aber auch Grenzen einerseits und die Integrationsmöglichkeiten in einer dem Medienwandel gerecht werdenden, fachspezifischen Hochschuldidaktik andererseits (siehe den Ausblick unter Punkt 7). Ohne auch nur annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können, werden wir exemplarisch an etablierten Fragestellungen und Methoden den bisherigen Ertrag digitaler Erschließungs- und Analyseansätze für die exegetischen Fächer vor dem Hintergrund der eingangs gestellten Fragen kritisch evaluieren� Dabei liegt der Fokus aus pragmatischen Gründen auf der 1 Sahle, Gibt’s doch gar nicht! ; Sahle in diesem Heft� 2 Vgl. https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Digital_Humanities, letzter Zugriff am 13.07.2017. Digital Humanities und Exegese 31 neutestamentlichen Wissenschaft, wobei die methodischen Ansätze grundsätzlich auch die LXX-Forschung betreffen. 3 Andere relevante Bereiche der digitalen Forschung in den BW - etwa die computergestützte Archäologie - werden aus Platzgründen ausgegrenzt� 4 2 Stilometrie Die computergestützte Stilometrie untersucht einen Sprachstil mithilfe der Analyse von statistisch signifikanten Merkmalen. Ihre häufigste Anwendung 3 Vgl. dazu weiterführend Garcés, Prospects. 4 Auch nicht diskutiert werden Ansätze in der alttestamentlichen Forschung, quellenkritische Fragen mit digitalen Methoden zu untersuchen. Vgl. dazu Dershowitz u.a., Source Criticism� Juan Garcés, *1968, ist promovierter Theologe (Neues Testament und Biblische Hermeneutik) mit einer Zusatzqualifikation (MA) im Bereich Digital Humanities. In diesem Bereich war er u� a� am Kings College London langjährig für die Planung und Umsetzung von Projekten zuständig� An der British Library war er für den Aufbau und die Koordinierung der Digitalisierungs- und Präsentationsinfrastruktur, insbesondere für die wichtigen biblischen Handschriften Codex Sinaiticus und Codex Alexandrinus, verantwortlich� Am Göttingen Centre for Digital Humanities war als wissenschaftlicher Koordinator in dessen Anfangsphase leitend aktiv� Als Fachreferent für Theologie mit besonderem Auftrag im Bereich Digital Humanities bereichert er derzeit Digitalisierungsprozesse der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Leipzig insbesondere durch seine kodikologische und textkritische Expertise sowie mit seinen Fähigkeiten im Bereich der Methodik der Digital Humanities� Jan Heilmann, *1984, Dr� theol�, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ev� Theologie der TU Dresden� Studium der Ev� Theologie, Geschichte und Germanistik in Bochum und Wien� Seine Dissertation wurde mit mehreren Wissenschaftspreisen ausgezeichnet� Er ist Gewinner des eLearning-Wettbewerbs der Ruhr-Universität Bochum 2011, hat zahlreiche Lehr-/ Lern-Projekte (Blended -Learning) entwickelt und erprobt und ist im Bereich der hochschuldidaktischen Fortbildung tätig� 32 Juan Garcés / Jan Heilmann findet die Stilometrie in der Autorenidentifikation, indem beispielsweise für einen Autor typische Sprachmerkmale festgestellt und andere, diesem Autor zugeschriebene Werke daraufhin geprüft werden, ob sie diese Merkmale in einem statistisch signifikanten Umfang aufweisen und die Autorschaft als wahrscheinlich oder unwahrscheinlich zu betrachten ist� Auf den Grad der Entwicklung dieser Methoden deutet die forensische Anwendung hin, bei der stilometrische Beweise in juristischen Verfahren zum Einsatz kommen. In der neutestamentlichen Wissenschaft hat dieser Ansatz zunächst nur als Randerscheinung Fuß gefasst. Dennoch handelt es sich um ein vielversprechendes Verfahren, das über Verfasserschaftsfragen hinaus gewinnbringend eingesetzt werden kann. Exemplarisch soll dies zunächst an Beispielen der umfangreichen Untersuchungen von David Mealand gezeigt werden� Wie die Pionierarbeiten von A� Q� Morton (1978) und A� Kenny (1986) zum stilometrischen Vergleich der unumstrittenen Paulusbriefe mit denen als deuteropaulinisch angesehenen Briefen zeigen, 5 können diese Verfahren zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen� Der Grund dafür - und dies gilt grundsätzlich für alle digitalen Ansätze - ist, dass der Ansatz selbst eine Reihe von Methoden umfasst und diese mit unterschiedlichen Parametern (Umfang, Kontrolldaten, das ‚Maß‘ zur Bestimmung stilistischer Ähnlichkeiten etc.) angewendet werden können� David Mealand hat sich in zwei wichtigen Artikeln 6 mit der Frage der stilistischen Kohärenz der Paulusbriefsammlung aufgrund von stilometrischen Untersuchungen befasst� Dabei untersuchte er (1989) die ‚positionelle Stilometrie‘ bestimmter Partikel (καί, δέ, γάρ und εἰ) an unterschiedlichen Stellen im Satzbau� Seine Untersuchung liefert interessante stilometrische Argumente für einen Korpus von sieben ‚echten‘ Paulusbriefen, die einem kleineren Korpus von nur vier ‚echten‘ Briefen vorzuziehen ist� In einer weiteren Studie (1995) untersuchte Mealand gleich 18 Kriterien, nach denen er in einer multivariaten Analyse Probetexteinheiten aus der neutestamentlichen Briefliteratur von jeweils unterschiedlicher Länge in ihrer Ähnlichkeit nach gruppierte (Clusteranalyse)� Das Ergebnis warf eine Reihe von zu erwartenden und ein paar unerwartete Ergebnisse auf� Was das Corpus Paulinum angeht, ergaben sich auch hier eindeutige Cluster der sieben Protopaulinen gegenüber den anderen Paulus zugeschriebenen Briefe� Aber auch andere neutestamentliche Verfasserschaftsfragen können mit stilometrischen Methoden untersucht werden� Die Frage etwa, ob das lukanische Doppelwerk auf die Redaktion eines einzelnen Redaktors oder unterschiedlicher Redaktoren zurückgeht, wurde von Patricia Walters unter Berufung auf stilo- 5 Vgl. Morton, Detection; Kenny, Study. 6 Vgl. Mealand, Sylometry; Mealand, Extent. Digital Humanities und Exegese 33 metrische Unterschiede zugunsten unterschiedlicher Redaktoren entschieden� 7 Dabei untersuchte sie solche Passagen des Lk und der Apg - sogenannte seams (Säume) und summaries (Zusammenfassungen) -, die im Forschungskonsens als auf den Redaktor zurückgehend angesehen werden und deswegen wahrscheinlicher dessen Sprachstil repräsentieren� Walters verglich die Frequenz, mit der in diesen Passagen bestimmte stilistische Phänomene vorkommen, die von antiken Schriftstellern - wie z� B� in Dionysius, Longinus oder Demetrius zugeschriebenen Werken - im Zusammenhang mit ‚gutem‘ oder ‚schlechtem‘ Stil erwähnt werden: die Präsenz oder Abwesenheit von Hiatus und Dissonanz zwischen Wörtern, Prosarhythmen, abschließende syntaktische Elemente von Sätzen und Satzgliedern, die Benutzung von καί-Parataxe und post-positiven Partikeln. Der direkte Vergleich des Vorkommens der erwähnten Phänomene zeigt, dass die Unterschiede deutlich sind� Die Studie bietet so zusätzliche Argumente für redaktionsgeschichtliche Hypothesen zum lukanischen Doppelwerk� David Mealand fragt in einem 2016 veröffentlichten Artikel, 8 ob der stilometrische Vergleich zwischen Lk und Apg auch einen bedeutenden Stilunterschied aufzeigt, wenn man grundsätzlich dem Ansatz von Walters folgt, aber ihre Vergleichsparameter ändert. So unternimmt er vier ‚Versuche‘ ( tests ), in denen er genau dieses tut. Der erste Versuch vergleicht das Vorkommen von besonders häufig vorkommenden ‚Funktionswörtern‘ in besagten Passagen (außer dem Artikel sind das: καί, αὐτός, δέ und ἐν), - ein Kriterium, das sich in der stilometrischen Verfasseridentifizierung als besonders erfolgreich erwies. Im zweiten Versuch wurden die Textanteile aus dem Lk und der Apg noch einmal geteilt und im Vergleich mit einbezogen, um zu schauen, ob Lk und Apg eine interne Kohärenz zeigen. Für den dritten und vierten Versuch wurde noch einmal der Textdatenpool vergrößert und ein größerer Vergleichskriterienkatalog benutzt (man spricht hier von multivariate method )� Die von Mealand unternommen Versuche bestätigen nicht nur die These Walters, sie differenzieren das Bild weiter: z. B. zeigt sich, dass Lk in den Vergleichspassagen den Septuaginta-Erzählungen nähersteht, während Apg eher eine Nähe zu anderen hellenistischen Texten mit narrativen Element aufzeigt� Die exemplarisch ausgewählten Untersuchungen zeigen, dass stilometrische Ansätze für neutestamentliche Texte durchaus fruchtbar sein können� Doch wie verlässlich sind die verschiedenen stilometrischen Methoden und ihrer Testergebnisse? Das computergestützte Verfahren ergänzt den wissenschaftlichen Diskurs methodisch und bietet einer exegetischen Entscheidung bezüglich Verfasserschaftsfragen zusätzliche Argumente, die der Unterstützung oder Wieder- 7 Vgl. Walter, Unity. 8 Vgl. Mealand, Seams. 34 Juan Garcés / Jan Heilmann legung einer Hypothese durchaus mehr Gewicht verleihen� Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der nur verstreut vorliegende und oft nur unbewusst wahrgenommene stilistische Phänomene quantifiziert und dadurch für die Interpretation neutestamentlicher Texte fruchtbar macht� Der Computer hilft somit etwas Intuitives und nur schwer Greifbares wie den Sprachstil eines Textes auswertbar zu machen� 3 Linguistische Analyseverfahren Linguistische Analyseverfahren gehören zu den fest etablierten Methoden in der Exegese� 9 Für diese Methoden gelten Konkordanzen, Wörterbücher und Grammatiken als klassische Hilfsmittel� Bezüglich der Konkordanzarbeit ist es augenfällig, dass die kommerziellen Bibelprogramme (v� a� BibleWorks, Accordance, Logos) „gedruckte Konkordanzen weitgehend ersetzen“ 10 können� Dabei stellt die Konkordanz, die erst seit der ersten Bibelkonkordanz um 1230 (unter der Leitung von Hugo von St� Charo ab 1230 im Pariser Jakobinerkloster) gebräuchlich war, ein für die korpuslinguistische Analyse grundlegendes Instrument dar, das im digitalen medientechnologischen Kontext nicht nur ideal repliziert (weil es ja schon algorithmisch erzeugt wurde), sondern vor allem weiter algorithmisch ausgebaut werden kann und sollte� In der Konkordanz wurde das, was algorithmisch geprägt ist und computergestützt umgesetzt werden kann, vorausgesehen� Die bisherige Integration von Konkordanzen in Bibelprogrammen aber zeigt, dass man nur sehr zögerlich über die methodischen Möglichkeiten einer gedruckten Konkordanz hinaus zu gehen wagt� Dabei verschließt man sich aber dem großen Potential eines methodischen Ansatzes, der im Digitalen erst zur vollen Entwicklung seines inhärenten Potentials kommt� Wörterbücher und Grammatiken bieten lediglich einen Zugang zu einem ‚Destillat‘ korpuslinguistischer Forschung� Im Druckzeitalter konnten diese Werkzeuge nur aufgrund der philologischen Kompetenz der sie verantwortenden Autorität(en) funktionieren� Der Nutzer musste ein hohes Maß an (manchmal blindem) Vertrauen aufbringen, denn die ökonomischen Grenzen der gedruckten Seite erlaubte es nicht, jede Aussage durch die Darlegung der ausgewerteten Daten zu unterstützen� Im digitalen medientechnologischen Kontext aber können konkrete korpusanalytische Fragestellungen durch Analysealgorithmen durchgeführt werden� Der Computer durchsucht große Text- 9 Vgl. Egger/ Wick, Methodenlehre, 115-173; Ebner/ Heiniger, Exegese, 92-99; Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 103-128� 10 Ebner/ Heininger, 422; vgl� auch Finnern/ Rüggemeier, 146� Digital Humanities und Exegese 35 mengen in wenigen Sekunden, die ein Mensch in seiner Lebenszeit nie komplett lesen könnte� Dadurch entstehen völlig neue Möglichkeiten� Eine Grundannahme der Korpuslinguistik ist es, dass bestimmte sprachliche Phänomene durch die Analyse einer (ausreichend großen aber dennoch) begrenzten Menge von (Text-)Daten (i� e� ein ‚Korpus‘) untersucht werden können, und zwar unter der Bedingung, dass dieser Korpus aus sprachlichen Ausdrücken aus einem ‚natürlichen‘ kommunikativen Kontext besteht und die zu untersuchenden linguistischen Phänomene ausgewogen repräsentiert� Der gemeinhin große Umfang eines solchen Korpus hat aber vor allem methodische Konsequenzen: der eigentliche Grund, einen Korpus zu erstellen, ist das Ziel, die Verteilung von sprachlichen Phänomenen zu beobachten, also: deren Vorkommen oder Nichtvorkommen sowie deren Vorkommen zusammen mit anderen sprachlichen Phänomenen (Kookkurrenz)� Es handelt sich dementsprechend um Phänomene, die nur extrem schwer durch einfache Beobachtung untersucht werden können� Dies bedeutet weiterhin, dass dabei quantitative Methoden und statistische Modelle eine zentrale Rolle spielen� Bei der Kombination der Suche nach (potentiell komplexen) sprachlichen Mustern in umfangreichen Korpora einerseits und mit der Bewertung ihrer statistischen Signifikanz andererseits, kommt die rechnerische Leistungskraft des Computers voll zur Geltung� Auch wenn computerunterstützte linguistische Untersuchungen am Neuen Testament ein fester Bestandteil der neutestamentlichen Methodik geworden sind, geht der konsequente Einsatz digitaler Methoden nur selten über den im vordigitalen Zeitalter anvisierten Gebrauch hinaus� Matt Munson zeigte in seiner 2016 verteidigten Dissertation, wie konsequent computerbasierte Methoden der semantischen Extraktion gewinnbringend auf die exegetische neutestamentliche Diskussion angewendet werden können� In seiner methodologisch ausgerichteten Arbeit überlegt Munson, wie man vorgehen müsste, wenn man die Bedeutung von Wörtern an den Mustern der jeweils kookkurrierenden Wörter festmacht (man spricht hier von distribution )� Da Bedeutungsunterschiede dann mit unterschiedlichen Kookkurenzmustern einhergehen, eröffnet sich daraus ein Projekt: „If we set a computer up to encounter and learn from enough word contexts, the computer will be able to start building a distributional, semantic profile of the word, which will, at least to some extent, represent the meaning of that word�” 11 Methodisch geht Munson so vor, dass er für jedes Wort statistisch ausgewertete Kookkurrenzprofile anlegt und diese Profile dann innerhalb eines Korpus und zwischen Korpora vergleicht� Zunächst lässt man dabei die tatsächlichen Kookkurrenzprofile mit Profilen vergleichen, die man bei zufälliger Kookkurrenz 11 Vgl. Munson, Semantics, 10. 36 Juan Garcés / Jan Heilmann zweier Wörter erwarten würde. Erst daraus lässt sich ein Kookkurrenzprofil erstellen, dass auf Signifikanz ausgelegt ist, indem insignifikante kookkurierende Wörter entfernt werden. Auf diese Profile basierend, kann man schließlich berechnen, welche Wörter innerhalb eines Korpus aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Profile auch semantisch ähnlich sind. Es lässt sich aber auch untersuchen, ob es bei einem Wort eine Bedeutungsverschiebung zwischen Corpora stattgefunden hat, etwa zwischen der LXX und dem Neuen Testament� Munson demonstriert die gewinnbringende Anwendung dieses Ansatzes anhand dreier Anwendungsfälle: (1) dem Vergleich mit dem semantisch ausgerichteten Wörterbuch von Louw und Nida bei Ausdrücken wie σάρξ, δαιμόνιον sowie den trinitarisch relevanten θεός, χριστός und πνεῦμα; (2) dem Bedeutungsvergleich von ἐκκλησία in der LXX und dem Neuen Testament; und (3) einer Untersuchung des exegetisch umstrittenen Ausdruck πίστις [Ἰησοῦ] Χριστοῦ. Dabei offenbart die Kookkurrenzanalyse zwar noch keine bemerkenswerten, neuen semantischen Einsichten, sie kann aber durchaus in exegetischen Streitfragen ihr argumentatives Gewicht auf die Waagschale legen, indem sie mathematisch präzise in die eine oder andere Richtung weisen kann� Die Anwendung genuin digitaler Methoden in der linguistisch ausgerichteten Exegese weist aber auch auf mehrere Desiderata hin, vor allem im Bereich der zugrunde gelegten Daten und dem wünschenswerten Format einer neuen Generation linguistischer Werkzeuge� Was die zu analysierenden Korpora angeht, ist noch einiges an Arbeit zu leisten, um diese in einem quantitativ und qualitativ zufriedenstellenden Standard bzw. in einer Form vorzufinden, welche die freie Anwendung von Analysen und Anreicherungen erlaubt� Neutestamentliches Griechisch muss im Rahmen des hellenistischen Griechisch verstanden werden� Das bedeutet, dass der ohnehin verhältnismäßig kleine Korpus des Neuen Testament (und der LXX) quantitativ um relevante literarische und dokumentarische Texte (insbesondere Inschriften und Papyri) aus der griechisch-römischen Welt, für rezeptionsgeschichtlich orientierte Fragen auch um spätantike christliche Texte, ergänzt werden muss� Gerade bei einer dann großen Datenmenge, die sich mit einem analog-händischen Verfahren nicht mehr überblicken lassen, werden digitale Methoden ihren Nutzen zeigen� Hier ist in den nächsten Jahrzehnten, vor allem im digital orientierten interdisziplinären Austausch mit der klassischen Philologie, ein großes Potential für neue Ergebnisse insbesondere lexikographischer und semantischer Analysen (aber auch sprachlich-syntaktischer Analysen) vorstellbar, die - gemessen am Forschungsstand, der in den Wörterbüchern und Grammatiken dokumentiert ist - zu Modifikationen der Bedeutung und des Bedeutungsspektrums von zahlreichen, für das NT (ferner auch für die LXX) relevanten griechischen Lexemen und Wendungen führen werden� Digital Humanities und Exegese 37 Die genannten Korpora müssen aber auch qualitativ so erschlossen werden, dass grundlegende linguistische Annotationen (Lemmatisierung, morpho-syntaktische, evtl. auch syntaktische Informationen) mit zur Verfügung stehen. Zudem ist es notwendig, die digitale Forschungsinfrastruktur in den Altertumswissenschaften insgesamt weiterzuentwickeln und zu standardisieren, um etwa die derzeit in vielen Einzelprojekten erschlossenen Inschriften und dokumentarischen Papyri zentral zugänglich und ohne Barrieren nachnutzbar zu halten� 12 Doch es gibt einen weiteren, für die BW wesentlichen Aspekt, der nicht zu vernachlässigen ist: Literarische Texte mit komplexen handschriftlichen Textgeschichten sollten für die Kollokationsanalyse nicht ohne weiteres auf einen linearen Text reduziert werden� Dies wird in traditionellen Konkordanzen allerdings notwendigerweise getan, denn diese orientieren sich am (potentiell veränderbaren) Ausgangstext und verzeichnen z� B� die Belegstellen von Lemmata in Textvarianten gerade nicht� Zwar ist zu fragen, wie genau solch ein kritischer Text samt Varianten linguistisch zu analysieren ist und ob er sich statistisch signifikant auswirkt, ein solcher Informationsverlust sollte jedenfalls im digitalen Zeitalter nicht mehr in Kauf genommen werden� Schließlich ist die freie Verfügbarkeit besagter Texte für die digitale Forschung essentiell� Die wichtigsten Texte kann man mittlerweile als Module der gängigen Bibelsoftwareprodukte erwerben, alle griechischen literarischen Texte als Teil des Thesaurus Linguae Graecae ( TLG ) lizenzieren (jeweils aber ohne aufbereitete textkritsche Daten)� Das kommt allerdings der digitalen Analyse nicht entgegen, denn jegliche datenintensive Analyse ist ausschließlich innerhalb der lizenzierten Umgebung gestattet und durch vorgegebene Analysetools beschränkt. Digitale Forschung braucht offen zugängliche Daten, sowohl für die Analyse als auch für die offene Bewertung der daraus entstehenden Analyseergebnisse� Projekte wie das Open Greek and Latin Project 13 lassen diesbezüglich auf eine bessere Zukunft hoffen. 14 12 Seiten wie z� B� papyri�info, das Tool Searchable Greek Inscriptions (Cornell University und Ohio State University; http: / / inscriptions�packhum�org/ ) und die Leuven Database of Ancient Books (LDAB) bzw� das Netzwerk-Portal Trismegistos (nur Metadaten) sind in dieser Hinsicht schon sehr hilfreich, wobei aber die Textdaten weder vollständig noch für korpusanalytische Forschungsansätze im oben skizzierten Sinne aufbereitet und ohne Weiteres nachnutzbar sind� 13 http: / / www�dh�uni-leipzig�de/ wo/ projects/ open-greek-and-latin-project/ 14 Zwar stellen ältere Editionen die Grundlage der hier digital zugänglichen Texte dar, für viele statistische Analysen ist das aber auch ausreichend� Im Idealfall stünden freilich die Daten der neuesten Texteditionen mit textkritischem Material zur Verfügung, was aber angesichts von Urheberrechtsfragen und der ökonomischen Verwertung von den Forschungsdaten editorischer Erschließungsarbeit derzeit noch schwierig ist� 38 Juan Garcés / Jan Heilmann 4 Text Re-Use/ Rezeptionsgeschichte Ein wichtiges und aktuelles Forschungsfeld im Bereich der DH liegt in der Untersuchung von sog� Text Re-Use (Text Re-Use Detection, kurz TRD) , also der automatischen Erkennung von Zitaten (und Paraphrasierungen)� Für die BW interessant sind diese Ansätze in begrenztem Maße für Fragen der Rezeption von Texten aus der LXX im Neuen Testament, aber vor allem für die Rezeptionsgeschichte biblischer Texte� Obwohl es mit den patristischen Texten ein besonders großes Korpus von Texten gibt, in denen sowohl das griechische Alte Testament als auch das Neue Testament vielfach zitiert wird, werden digitale Ansätze (vielleicht auch wegen der notwendigen Größe solcher Untersuchungsansätze) hier nur zögerlich genutzt� Als digitales Werkzeug steht freilich das hilfreiche Portal Biblindex (Institut des Sources Chrétiennes) zur Verfügung, das eine elektronische Form der vom Centre d'analyse et de documentation patristique (CADP) erarbeiteten (und mittlerweile eingestellten) Biblia Patristica (BP) darstellt und auch einige der noch weitere, nicht geprüften Verweise aus den analog gewonnenen Daten des CADP digital bereitstellt� 15 Neben einer nicht sehr benutzerfreundlichen Suchmaske weisen die zugrundeliegenden Daten der BP einige wissenschaftliche Mängel (z. B. zahlreiche falsche Verweise und zahlreiche fehlende Belegstellen) auf. 16 Zudem stellt Biblindex einen reinen Index biblischer Referenzen in der patristischen Literatur dar („nothing but references“ 17 ), ein direkter Zugriff auf die Volltexte ist (bisher noch) nicht möglich� 18 Nutzen lassen sich die Daten allerdings schon jetzt für breit angelegte statistische Analysen im Hinblick auf regionale, zeitliche und quantitative Verteilung der Zitation biblischer Texten. 19 Für textkritische Arbeit ist die Datenbank aber auch zukünftig nur eingeschränkt einsetzbar, da zwar bei angekündigter Vernetzung mit den Volltextdatenbanken TLG und LLT ein Zugriff auf die Texte möglich wäre, aber in diesen Datenbanken die historisch-kritischen Informationen über die Textüberlieferung und Varianten in den patristischen Texten selbst fehlen; also die mögliche Kontamination der patristischen Handschriftenüberlieferung durch biblische Hss�, die im Vergleich zu den vom jeweiligen Verfasser zitierten Textvariante abweichen 15 Mellerin weist darauf hin, dass 100�000 Einträge schon in der Datenbank implementiert wurden, aber noch 400.000 weitere „unverified hard-copy references“ (Mellerin, Issues, 13) ungescannt in Kisten liegen� 16 Vgl. Harmon, Note; Merkt, Projekt, 586f. 17 Mellerin, Issues, 12� 18 Angekündigt ist eine „textual phase“, die vorsieht bestehende Textdatenbanken (TLG; LLT etc) mit Biblindex zu vernetzen. Vgl. Mellerin, New Ways, 180, ausführlich Hue-Gay/ Mellerin/ Morlock, TEI-encoding� 19 Vgl. dazu Mellering, New Ways, 181-188. Digital Humanities und Exegese 39 können, nicht kritisch evaluiert werden kann� Hier ist nach wie vor zwingend die Einsicht einer historisch-kritischen Edition notwendig� Digitale Methoden wurden, wie im besprochenen Beispiel, bisher vorwiegend zum digitalen Festhalten herkömmlich wahrgenommener Intertextualität eingesetzt� Doch wie sieht es mit der automatischen Erkennung und Bewertung von Text-Reuse-Phänomenen? Die vom eTraces-Projekt bzw� weiterführend von der eTrap-Nachwuchsgruppe (http: / / www�etrap�eu/ ) angewendeten Text Mining-Methoden bei der Erkennung und Analyse von solchen Phänomenen in historischen Texten sind zukunftsweisend� 20 5 Handschriften, Textkritik und Edition Nie hatten Exegetinnen und Exegeten einen besseren Zugang zu Bibelhandschriften� Die von den wichtigsten Sammlungen vorgenommenen Massendigitalisierungsprojekte von Handschriften haben zur Folge, dass ein einfacher Internetzugang ausreicht, um sich Bilder einer wachsenden Zahl der wichtigsten Bibelhandschriften in zunehmend brauchbarer Auflösung anschauen zu können. Dies ist insofern wichtig, als Hss. der grundlegende Wissensrohstoff der BW sind� Einerseits hängt von deren sachgemäßen Analyse die (Re-)Konstruktion des der Exegese zugrundeliegenden Textes ab, andererseits bestimmen die anvisierten Methoden wiederum die zielführende Erschließung der hss� Texte� Beides ist nun tief vom digitalen Medienwandel geprägt� In der neutestamentlichen Textkritik hat sich die von Gerd Mink entwickelte und der Editio Critica Maior des Novum Testamentum Graecum zugrunde liegenden ‚Kohärenzbasierte Genealogische Methode‘ (KBGM) als der neue Standard etabliert� 21 Das Beibehalten der bisher angewandten ‚lokal-genealogischen Methode‘ (LGM) als Teil der KBGM wird gemeinhin mit den Phänomenen des gleichzeitigen Gebrauchs von textgeschichtlich unabhängigen Vorlagen - man spricht hier von ‚hochgradiger Kontamination‘ - sowie der unabhängigen und zufälligen Mehrfachentstehung gleicher Varianten begründet. Vereinfacht dargestellt verfährt die KBGM folgendermaßen: Eine quantitative Ermittlung des Übereinstimmungsgrad der Texte der bezeugenden Handschriften lässt schon eine Hypothese über die Wahrscheinlichkeit einer genealogischen Abhängigkeit zu, kann aber die genealogische Richtung noch nicht entscheiden� Deswegen spricht man hier von ‚prägenealogischer Kohärenz‘� Das durch die LGM erstellte Ergebnis ist ein lokaler Stammbaum für jede Variantenstelle, der auch 20 Vgl. Büchler u. a., Measuring; Büchler u. a, Text Re-use Detection. 21 Vgl. dazu grundlegend Mink, Problems; Mink, Contamination; Wachtel, Method. 40 Juan Garcés / Jan Heilmann gleich eine Hypothese über die wahrscheinlichste Entstehungsgeschichte an dieser Stelle repräsentiert� Der Summe aller so entwickelten Stammbäume kann man eine ‚genealogische Kohärenz‘ ablesen, die wiederum mithilfe u. a. des Vergleichs mit der prägenealogischen Kohärenz zu einer stemmatischen Kohärenz und somit schließlich zu einer „definitve[n] Hypothese über den einfachsten genealogischen Zusammenhang aller Zeugen“ sowie einer Hypothese des Ausgangstextes dieser abstrahierten Textgeschichte führt� Es handelt es sich bei der KBGM also um einen hybriden Methodenkomplex, der der traditionellen Anwendung der LGM die neu entwickelte digitale Berechnungen der „Kohärenz“ als „Ergänzung und Korrektiv“ 22 gegenüberstellt� Digitale Ansätze verstehen sich hier also nicht als Ersatz, sondern als Vervollständigung und Verbesserung bestehender Methoden, indem diese mit innovativen Methoden interagieren� An dieser Stelle sei ferner auch auf den New Testament Virtual Manuscript Room 23 verwiesen, der kollaborative Erschließungsarbeit der Handschriften ermöglicht und sich insbesondere auch für den didaktischen Einsatz eignet� 24 Die Vorteile kollaborativer Erschließungs- und Transkriptionsarbeit im digitalen Zeitalter gegenüber der früheren textkritischen Arbeit müssen an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden� 25 Einen Einblick in einen digitalen Ansatz, der in der Analyse intensiver auf digitale Berechnungen basiert, gewährt die Dissertation von Stephen Carlson� 26 Sie ist auch gleichzeitig ein Beispiel für einen disziplinenübergreifenden Methodentransfer� Die Phylogenetik nämlich - eine Teildisziplin der Biologie, die sich mit der Erforschung der Stammesgeschichte von Lebewesen beschäftigt - setzt seit den 1960er Jahren Computerprogramme ein, die anhand von verglichenen Merkmalen Stammbäume konstruiert. Zwar sind die auffälligen Analogien zwischen der Phylogenetik und der in den Philologien betriebenen Stemmatologie schon in den 1970er Jahren bemerkt worden, in der neutestamentlichen Wissenschaft ist aber die Anwendung besagter Ansätze bisher eher auf Zurückhaltung gestoßen� 27 Die insgesamt 1624 Varianteneinheiten der 92 kollationierten Zeugen zum Galaterbrief wurden von Carlson in zwei Schritten analysiert� Im ersten Schritt lies Carlson ein von ihm geschriebenes Programm nach dem in der Phylogenetik gefolgtem Parsinomie-Prinzip mehrere Stemmata erstellen� Diese Stemmata sind noch nicht ausgerichtet (sie sind unoriented), d� h� sie besagen noch nichts über die genealogische Richtung der Handschriften- 22 Siehe der Untertitel von Mink, Contamination� 23 http: / / ntvmr�uni-muenster�de/ de 24 Vgl. den Beitrag von T. Flemming in diesem Heft. 25 Vgl. dazu mit weiterführenden Hinweisen auf die Literatur Houghton, Scriptorium. 26 Vgl. Carlson, Text. 27 Siehe aber Wachtel u. a., Vorlage; Wachtel u. a., Pathways. Digital Humanities und Exegese 41 texte zueinander bzw� haben noch nicht einen genealogischen Ausgangspunkt identifiziert. Sie zeigen aber schon wahrscheinliche, wenn auch genealogischrichtungsoffene, Beziehungen zwischen den Handschriftentexten. Anders als bei der Berechnung der prägenealogischen Kohärenz der KBGM aber wurde hier das Phänomen der Kontamination - in der Biologie wird dieses Phänomen als ‚Retikulation‘ bezeichnet - mit berechnet� Das Parsimonie-Prinzip, das in der Geisteswissenschaft besser als Ockhams Rasiermesser bekannt ist, gebietet ja die höchste Sparsamkeit im Umgang mit Hypothesen und Theorien� In der Phylogenetik spricht man auch gerne von ‚Kosten‘, die bei der hypothetischen Erstellung von Stammbäumen anfallen� Mit Allan Dickermans ‚Hypertree‘-Ansatz berechnet Carlsons Programm für jeden Fall der Kontamination zusätzliche ‚Kosten‘ in Form von der Streichung von Verbindungslinien (Kanten). Das Ergebnis ist demnach im Idealfall das hypothesensparsamste Stemma� Die Einberechnung der wahrscheinlichen Kontamination im ersten automatisierten Schritt hat eine Reihe von Vorteilen. Einer davon ist, dass im Gegensatz zur im INTF praktizierten Einbeziehung der lokalen Stemmata dieser arbeits- und hypothesenintensive Schritt ausfallen kann� In einem zweiten Schritt greift Carlson auf interne Kriterien der traditionellphilologischen Analyse zurück, um das Stemma anhand der Knoten oder Zweige auszurichten, die dem ältesten Wortlaut am nächsten kommt� Carlson behilft sich der Arbeit des INTF und der Hortschen Theorie des ‚neutralen Texts‘, um den Bereich zu identifizieren, an dem sich diese häufen und findet einen ‚inneren Ast‘, der Codex Sinaiticus mit Codex Vaticanus/ P46 verbindet. Bemerkenswert ist, dass Carlsons Rekonstruktion des ältesten Wortlautes lediglich an zwölf Stellen von dem des Novum Testamentum Graece abweicht� Dennoch erscheint eine Diskussion dieses Ansatzes gerade wegen der genannten methodologischen Implikationen notwendig� Der in den oben erwähnten Methoden zugrundeliegende Text ist angemessenerweise ein abstrakter, ‚linguistischer‘ Text, der nur das erfasst, was für die Rekonstruktion eines ältesten Wortlauts wesentlich zu sein scheint� Orthographische Varianten, Akzente, sinngebende Textgestaltung und dergleichen wurden für die Textkollation nicht berücksichtigt� Das hat einmal praktische Gründe: Die Aufnahme solcher Merkmale würde eine Kollationstabelle überkomplizieren� Es hat aber auch textbegriffliche Gründe: Der für die gängigen Rekonstruktionen angenommene Textbegriff ist ein abstrakter. Im Rahmen der zunehmenden Zahl zugänglicher Bibelhandschriftendigitalisate und - vor allem - der digitalen Erschließung derer Texte in Form von XML-ausgezeichneten Transkripten stoßen sich Forscher zunehmend auf den Informationsverlust, den diese Abstraktion erlaubt� Insbesondere haben sogenannte ‚Paratexte‘ - Material, das den ‚eigentlichen‘ Text begleitet, wie z� B� Einführungen, Inhaltsbeschreibungen, Glossen, 42 Juan Garcés / Jan Heilmann Kolophone und dergleichen - das Augenmerk der Textwissenschaft gefunden� Im Rahmen der Vorarbeiten für die ECM schreibt die Forschergruppe an der KiHo Wuppertal/ Bethel, dass man sich von der zusätzlichen Erschließung der Paratext-Elemente „Einblicke in das kulturgeschichtliche Setting der Apk-Hss�“, sowie die erfolgreiche Verbindung sozialgeschichtlicher und textkritischer Fragen erhofft. 28 Nicht zuletzt hat es eigens auf dieses Phänomen ausgerichtete Projekte, wie das „Paratexts of the Bible“-Projekt 29 ins Leben gerufen� Ein weiteres, wichtiges Thema im Rahmen des digitalen Medienwandels ist die Frage, inwiefern das digitale Medium das Grundkonzept einer Edition verändert� Das INTF hat hierzu in Zusammenarbeit mit dem ITSEE einen interessanten Prototyp entwickelt� 30 Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass das digitale Edieren von Texten eine wichtige Unterscheidung nicht nur praktisch möglich, sondern auch notwendig macht: nämlich die Trennung von Inhalt und Form und damit auch die Trennung von Erschließung und historischer Rekonstruktion� 31 Die digitale Erschließung der Textdaten in der Form der Erfassung aller für das wissenschaftliche Verständnis wichtigen Merkmale kann nun eigenständig gedacht und präsentiert werden� Dies ist eine grundlegende und wichtige Differenzierung, die allerdings auch - unnötigerweise 32 - zu Missverständnissen führen kann� Wenn beispielsweise ein etablierter DH-Spezialist zugespitzt sagen kann, „gedruckte Editionen sind eigentlich nur digitale Editionen, deren Kernstück der Öffentlichkeit vorenthalten wird“ 33 , dann ist nicht damit gemeint, dass die historisch-kritische Rekonstruktion eines Textes (auch in gedruckter Form) im digitalen Zeitalter nicht mehr notwendig oder erstrebenswert sei� Historischkritische Rekonstruktionen bleiben als Hypothesen über die historische Gestalt eines Textes für geschichtswissenschaftliches Arbeiten unverzichtbar� Es geht vielmehr darum, dass die erschlossenen Daten nicht mehr einer solchen Rekonstruktion lediglich als Dokumentation und Begründung der historischkritischen Entscheidungen unterworfen werden� Für die wachsende Zahl der Wissenschaftler, die nicht nur an einer verlässlichen Textrekonstruktion, sondern vor allem an der Erforschung der Textgeschichte interessiert sind, sind diese neuen Möglichkeiten äußerst hilfreich� 28 Müller u� a�, Die Apokalypse, 11f� 29 S� http: / / www�paratexbib�eu/ 30 http: / / nttranscripts�uni-muenster�de/ AnaServer? NTtranscripts+0+start�anv 31 Sahle, Digitale Editionsformen I, 281� 32 So unsere Bewertung der polemischen Stellungnahme Meins, Editionen, zur beachtlichen Studie von Patrick Sahle, die in drei Bänden erschienen ist� 33 Jannidis, Digitale Literaturwissenschaft, 4� Digital Humanities und Exegese 43 6 Potentiale und Grenzen Am Beispiel der textgeschichtlichen Forschung lassen sich Potentiale und Grenzen digitaler Forschungsansätze in der Exegese exemplarisch diskutieren� So ist es zunächst evident, dass digitale Analyse- und Erschließungsverfahren angesichts der großen Anzahl an Handschriften (allein etwa 5�700 griechische Hss� und Fragmente 34 und zusätzlich zu den Testimonien noch einmal eine größere Zahl an Versionalhandschriften) und Textvarianten 35 analogen Verfahren weit überlegen sein sollten� Außerdem ermöglicht die konsequente Anwendung digitaler Verfahren in der Textkritik, dass diese auch für Nichtspezialisten einsehbar und nachprüfbar wird� Sowohl die Handschriften als auch deren digitale Erschließung in Form von Transkripten (ausgezeichnet in TEI-XML) sind über einen Internet-Zugang nicht nur einsehbar, sondern auch für eigene Forschungsbemühungen nachnutzbar� Die von Rechnern umgesetzten Algorithmen sind an sich nicht unmittelbar von Arbeitshypothesen und Vorannahmen abhängig. Sie können ihre Aussagekraft aber nur innerhalb angenommener, hypothetischer Szenarien erweisen� Der empirische und vorwiegend quantitative Ansatz digitaler Analysemethoden dient grundlegend der Überprüfung von Hypothesen� 36 Aber man darf hier von keiner falschen Dichotomie von qualitativer und quantitativer Auswertung ausgehen: „[I]n der Praxis geht jeder sinnvollen quantitativen Auswertung ohnehin eine qualitative Begutachtung/ Interpretation voraus und folgt jeder sinnvollen quantitativen Auswertung eine qualitative Interpretation der Resultate�“ 37 Dies schließt auch die der Analyse zur Verfügung stehenden erschlossenen Daten mit ein� Die grundlegende Frage ist also: Inwiefern stellen die erschlossenen Daten und die daran vorgenommenen Berechnungen eine zielführende Repräsentation der zu untersuchenden Realität dar? Welchen Informationsverlust hat man bei der Erschließung der handschriftlichen Texte in Kauf genommen und stellt dieser (notwendige) Informationsverlust eine inakzeptable Verzerrung für die zu untersuchende Frage dar? Welcher Aspekt der Textgeschichte wird durch die algorithmische Berechnung erhellt bzw� inwiefern kann man diesen Aspekt argumentativ legitimieren? An dieser Stelle sollte klar sein, dass der sinnstiftende Rahmen solcher empirischer Versuche nicht dem Computer, 34 Vgl. Metzger/ Ehrman, Text, 52 35 Gurry, Number, 113, schätzt die Anzahl der Varianten nur in den griechischen Hss. auf ca. 500�000� 36 Korrekter sollte man hier von der Falsifizierung der Nullhypothese sprechen, also der Hypothese, die die zu prüfenden Hypothesen verneint. Vgl. hierzu im korpuslinguistischen Kontext Gries, Statistik, 35� 37 Gries, Statistik,11� 44 Juan Garcés / Jan Heilmann sondern der von Forschern formulierten Fragestellung und Evaluierung zu entnehmen ist� 38 Die Integration datenanalytischer Methoden in das philologische Instrumentarium bringt einen entscheidenden Vorteil mit sich: Die Beweise bzw. Falsifizierungen von Hypothesen können nun anhand der Daten und analytischen Schritte nachvollzogen werden� Bedingung ist hierbei aber die Zurverfügungstellung beider Elemente, die idealerweise standardkonform und ausreichend dokumentiert erzeugt wurden� Für die textgeschichtliche Forschung ist nicht mehr nur die Rekonstruktion eines bestimmten Wortlauts von zentralem Interesse, sondern die zur Rekonstruktion führenden Daten und die analytischen Schritte, die daran vorgenommen wurden� Es handelt sich also in gewisser Hinsicht um eine Umkehrung der sich im Druckzeitalter durchgesetzten Priorität von öffentlich publizierten und in der privaten Forschung genutzten Daten. Das Neuformulieren von methodischen Schritten der Erschließung und Analyse bietet eine neue Chance, herkömmliche Annahmen grundsätzlich neu zu durchdenken� Dabei erweisen sich erstaunlich viele methodische Schritte als grundsätzlich algorithmisch� Diese Schritte sollten getrost Computern überlassen werden� Im Idealfall sollte der Computer den Forscher entlasten zugunsten der denkerischen Arbeit der Exegese (die Interpretation und Auslegung der Texte, die Formulierung von Hypothesen und Entwicklung von Modellen), die sich nicht auf einen Algorithmus reduzieren lässt� Ein grundlegendes Beispiel für das Hinterfragen herkömmlicher Annahme ist die Erkenntnis, dass sowohl der exegetische Arbeit prägende „philologische Habitus“ - also das „kontingente[,] aber gleichwohl wirksame[] Set von Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Denkkategorien, das den Umgang mit den 38 Das bedeutet z� B� für die Rekonstruktion des Textes des Neuen Testaments, dass diese auf ein mit Methoden der historischen Kritik gewonnenes textgeschichtliches Modell angewiesen ist; d� h� konkret: auf eine Entscheidung, welcher Text rekonstruiert werden soll� In der neutestamentlichen Textkritik hat man sich u� E� zurecht darauf verständigt, den ‚Ausgangstext‘, also den Text, der am Anfang der Hss�-Transmission stand, zu rekonstruieren� Das , was am Anfang der Hss�-Transmission stand, kann aber nur historisch bestimmt werden und bleibt in den aktuellen Ansätzen definitorisch unterbestimmt. Stehen Einzeltexte, wie Holmes, Initial Text, 659, ganz entsprechend des alten Urtext-Paradigmas formuliert, am Anfang der Hss-Transmission oder muss nicht vielmehr davon ausgegangen werden, dass (womöglich noch einmal redaktionell bearbeitete) Sammlungen den Anfang bilden? Zudem sind textkritische Entscheidungen auch im neuen Paradigma noch entlang des binären Prinzips primär/ sekundär orientiert� Es wäre aber zu diskutieren, ob der Text am Anfang der Hss�-Transmission zwingend der älteste erreichbare Text ist oder ob sich in den Hss� nicht durch das Phänomen der Kontamination Spuren älterer, nicht mehr vollständig rekonstruierbarer Textfassungen erhalten haben können, wie etwa jüngst von Klinghardt, Evangelium, postuliert wurde, aber auch unabhängig von der Richtigkeit seiner historischen Thesen über das für Marcion bezeugte Evangelium gilt� Digital Humanities und Exegese 45 philologischen Gegenständen prägt“ 39 - als auch das Forschungsobjekt selbst - die Bibel - stark vom medientechnologischen Kontext geprägt sind� Dieser Sachverhalt eröffnet eine wichtige Chance: „Das methodologische Potential der Digital Humanities läge dann weniger darin, alte Gegenstände mit neuen Methoden zu analysieren, als darin, neue Fragen auch an alte Texte zu formulieren� So könnte nicht zuletzt sichtbar werden, dass auch die Einstellung, die wir scheinbar natürlich gegenüber Texten einnehmen, Ausdruck einer bestimmten historischen Situation ist�“ 40 Was die Geschichte der biblischen Texte angeht, heißt dies: Exegese kann sich im Rahmen des digitalen Medienwandels einem neuen, erweiterten Textbegriff öffnen, der nunmehr die aufgrund ihrer Kontingenz wegabstrahierten Phänomene (alles, was im Rahmen der materiellen Gegebenheiten der Textrezeption anfiel) wieder als Teil des Textes zu verstehen� Aus diesen Überlegungen ist aber auch abzuleiten, dass der Einsatz digitaler Methoden in den Bibelwissenschaften einem pragmatisch orientierten Ökonomieprinzip unterliegen sollte� D� h� nur solche Forschungsprozesse sollten digital durchgeführt werden, bei denen der durch den Einsatz digitaler Methoden entstehende Aufwand eine zeitliche Ersparnis gegenüber einem traditionellen Ansatz haben und dadurch z� B� mehr Zeit für das eigentliche Denken zur Verfügung steht; außerdem sollten Aufwand und zu erwartender wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen. 41 Das bedeutet, dass die Anwendung digitaler Methoden z� B� ausschließlich auf bereits gut erforschte biblische Einzeltexte sehr gut begründet sein müsste� Zudem gibt es zahlreiche methodische Zugriffe auf die biblischen Texte, bei denen es schwer vorstellbar ist, dass sie mit digitalen Methoden durchführbar werden� Dazu zählen insbesondere die traditionsgeschichtliche, 42 die formgeschichtliche, die redaktionsgeschichtliche Analyse und religions-, zeit- und sozialgeschichtliche Fragestellungen, aber etwa auch das Instrumentarium der Narratologie� 39 Limpinsel, Digitalisierung, in Anlehnung an Bourdieu und Wacquant� 40 Limpinsel, Digitalisierung� 41 So auch das Urteil bei Vergari, Aspects, 191. 42 Der Grund hierfür ist, dass Traditionen sich nur schwer konkret beschreibbar fassen lassen� Es gibt vielversprechende aber noch ausbaufähige Ansätze, Topoi beispielsweise mittels Topic Maps zu umschreiben und diese Topic Maps als heuristisches Konstrukt zur Erkennung besagter Topoi zu nutzen� 46 Juan Garcés / Jan Heilmann 7 Hochschuldidaktische Perspektiven 43 Bibelprogramme und Suchmöglichkeiten im Internet (z� B� TLG) werden in den aktuellen Methodenbüchern weitgehend als Hilfsmittel aufgeführt, die als Ersatz traditioneller Hilfsmittel in Form von gedruckten Medien verstanden werden� Dies deutet darauf hin, dass eine wirkliche Integration digitaler Methoden und Forschungsansätze in den Methodenkanon der exegetischen Fächer noch aussteht� Digitale Methoden werden in der Logik analoger Analyseverfahren betrachtet und vermittelt� Dabei ist anzumerken, dass z� B� digitale Literaturverwaltung, computer- oder basierte Verfahren zur Unterstützung des wissenschaftlichen Workflows, digitale Kollaborationsmöglichkeiten zwar gemäß der oben stehenden Definition nicht als digitale Forschungsmethoden im engeren Sinne verstanden werden, aber in didaktischer Hinsicht berücksichtigt werden sollten� Doch wie genau könnten digitale Forschungsmethoden in die Ausbildung in den exegetischen Fächern integriert werden? Welches Wissen und welche Fähigkeiten sind gleichsam als Minimalstandards unabdingbar? Welche Aspekte können darüber hinaus im Sinne einer Spezialisierung angeboten werden? Ein wichtiges Ziel der Integration digitaler Methoden in die Lehre in den Bibelwissenschaften besteht aus unserer Sicht darin, Studierende dazu zu befähigen, mit den Spezialisten aus der Informatik (bzw� mit Spezialisten, die in den DH ausgebildet wurden) produktiv zusammenarbeiten zu können� Diese Fähigkeiten benötigen nicht nur zukünftige Forscherinnen und Forscher, die voraussichtlich zu einer Generation gehören werden, für die digitale Methoden in den Geisteswissenschaften zu einer Selbstverständlichkeit werden; vielmehr werden Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch die Auseinandersetzung mit den Methoden der digitalen Geisteswissenschaft entwickelt werden, zunehmend insbesondere auch für Lehrerinnen und Lehrer (digitale Lehr-/ Lern-Angebote; Nutzung digitaler Medien durch die Schülerinnen und Schüler usw�) sowie für Pfarrerinnen und Pfarrer (z� B� Angebote der Kirchen im Internet) relevant� Das bedeutet, Studierende müssen in der Lehre der exegetischen Fächer nicht im engeren Sinne lernen, selbst zu programmieren oder sogar eigene Softwarelösungen zu entwickeln� 44 Eine informatische Grundausbildung kann im Rahmen des Curriculums in den Bibelwissenschaften nicht geleistet werden� 43 Weiterführend sei auf die Monographie zur bibeldidaktischen Reflexion neuer, digitaler Medien von S. Scholz verwiesen. Vgl. Scholz, Bibeldidaktik. Diese hat jedoch andere didaktische Kontexte im Blick und nicht die Hochschuldidaktik 44 Hier grenzen wir uns dezidiert von den Lehr-/ Lerninhalten neuerer DH-Studiengänge bzw� von Zielkompetenzen von DH-AbsolventInnen ab, wie sie etwa von P� Sahle beschrieben worden sind. Vgl. P. Sahle, DH studieren! Digital Humanities und Exegese 47 Wünschenswert wären allerdings einige Minimalstandards, die im Rahmen des Curriculums adressiert werden sollten; dazu der folgende Vorschlag zur Ausbildung von Grundkompetenzen digitaler Geisteswissenschaften in der Exegese, wobei wir uns am Kompetenzrahmen des Strategiepapiers der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ 45 orientieren� Die folgenden Formulierungen verstehen sich als Beschreibung von Zielkompetenzen, die bei Abschluss des Studiums in den exegetischen Fächern als Mindeststandard zu erreichen wäre� 46 Die Studierenden… Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren - … kennen und verwenden fachspezifische digitale bibliographische Hilfsmittel (möglichst) im Zusammenhang mit einem Literaturverwaltungsprogramm� - … kennen und nutzen die Grundfunktionen gängiger Bibelprogramme: z� B. für die Konkordanzarbeit, zur Identifizierung von Strukturen, also für die Beantwortung sprachlich-syntaktischer und semantischer Fragestellungen� - … verwenden einfache Datenbankstrukturen, um ihre Forschungsdaten zu dokumentieren� Kommunizieren und Kooperieren - …nutzen digitale Möglichkeiten, gemeinsam exegetische Fragestellungen zu bearbeiten und die Ergebnisse kollaborativ zu formulieren� Produzieren und Präsentieren - … benennen die wichtigsten Strukturmerkmale und Anwendungsbereiche von digitalen Auszeichnungssprachen (XML) in der exegetischen Forschung� - … transkribieren gut lesbare griechische Handschriften (Papyri und frühe Majuskeln) biblischer Texte und zeichnen diese in XML aus� - … nutzen digitale Präsentationsmöglichkeiten (z� B� Blogs, Wikis), um die Ergebnisse ihrer exegetischen Arbeit zielgruppenorientiert darzustellen� 45 Vgl. Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 15-18. Für den Kompetenzbereich Schützen und sicher Agieren lassen sich u. E. keine fachspezifischen Kompetenzziele formulieren. 46 Die Perspektive würde sich ein wenig verschieben, wenn die Eingangskompetenzen aus der schulisch-informatischen Ausbildung (im digitalen Zeitalter sind Programmiersprachenkenntnisse eigentlich eine essentielle Kulturtechnik) anders aussehen würden� 48 Juan Garcés / Jan Heilmann Problemlösen und Handeln - … setzen digitale Methoden und Werkzeuge bedarfsgerecht, bezogen auf die exegetische Fragestellung und zielorientiert ein� - … benennen die algorithmischen Strukturen in verwendeten Werkzeugen und setzen diese in einen Bezug zu den etablierten exegetischen Methoden� Analysieren und Reflektieren - … filtern Informationen im digitalen Raum unter der Maßgabe fachspezifischer Relevanz und beurteilen ihre wissenschaftliche Validität anhand von Kriterien wie Nachvollziehbarkeit, Transparenz der Entscheidungen und Schlussfolgerungen, Quellenbezug etc� - … benennen Potentiale digitaler Methoden für die wissenschaftliche Exegese� - … reflektieren und problematisieren Implikationen digitaler Methoden (insbesondere des Einsatzes, der Transparenz bzw� Intransparenz von Algorithmen) und Forschungsansätze für wissenschaftliche Erkenntnisprozesse in der Exegese� Das heißt, dass sie grundlegende analytische Algorithmen kennen und die Auswirkungen der Analyseparadigmen einschätzen können� 47 - … reflektieren die Interdependenz von Medientechnologien und Auffassungen von Texten, insbesondere im Hinblick auf die Textgrundlage wissenschaftlicher Exegese� Um Studierenden zu ermöglichen, Kompetenzen im Sinne dieser Vorschläge zu erlangen, sind curriculare Modifikationen in der Hochschullehre der exegetischen Fächer notwendig� Es wäre zwar möglich, die Ausbildung dieser Kompetenzen vollständig institutionell zu delegieren� So bieten viele Studiengänge Möglichkeiten der Spezialisierung im Rahmen eines Studium-Generale-Programms u� ä�; zahlreiche Universitäten bieten mittlerweile Masterprogramme für DH an; ein besonders vielversprechendes Format erscheint das Zertifikatsprogramm ‚Digital Humanities‘, das an der Universität Passau 48 angeboten wird und im Gegensatz zu den Masterprogrammen einen niedrigschwelligeren Zugang für eine größere Anzahl von Studierenden in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern erreichen kann� U� E� wäre es aber in mindestens zweifacher Hinsicht suboptimal, das Angebot zur Ausbildung von Grundkompetenzen digitaler Geisteswissenschaft vollständig zu delegieren: a) Die genannten For- 47 Konkret: Studierende verstehen die Theorie hinter der technischen Umsetzung und können fachspezifische Modifikationen selbst vornehmen oder in Auftrag geben. Sie nutzen digitale Werkzeuge (Bibelsoftware, TLG) nicht nur als ‚Black Box‘, sondern können nachvollziehen, was ‚unter der Motorhaube‘ geschieht, welche die Grenzen des so Erreichbaren sind und welche Anpassungen notwendig sind, diese Grenzen zu verschieben� 48 http: / / www.phil.uni-passau.de/ zertifikat-dh/ Digital Humanities und Exegese 49 mate können nur fachübergreifende Kompetenzen der digitalen Geisteswissenschaften an Hand exemplarischer Gegenstände ausbilden� Die Ausbildung fachspezifischer Grundkompetenzen digitaler Geisteswissenschaften ist dagegen auf eine Auseinandersetzung mit dem konkreten fachlichen Forschungsgegenstand angewiesen und bedarf der fachlichen Expertise der jeweiligen Fachvertreterinnen und Fachvertreter. b) Die Integration der Ausbildung fachspezifischer Grundkompetenzen digitaler Geisteswissenschaft in die exegetischen Fächer hat daneben außerdem eine (hoch)politische Dimension und Relevanz, die berücksichtigt werden soll� Es ist eine hochschulpolitische Realität, dass sich die geisteswissenschaftlichen Fächer im Wettbewerb um finanzielle Ressourcen mit Forschungsansätzen im Bereich der Informatik und im Speziellen mit Einrichtungen für DH konkurrieren� Strategien der interdisziplinären Kooperation scheinen in dieser Hinsicht vorteilhafter als solche der institutionellen Abgrenzung zu sein� Dabei darf es natürlich nicht darum gehen, aus rein opportunistischen Gründen bloß einem Trend zu folgen� Das Kriterium für den Einsatz digitaler Methoden in der exegetischen Forschung - und damit auch für die Integration der Kompetenzentwicklung in das hochschulische Curriculum - muss ein zu erwartender fachwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn sein� Dass es vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten digitaler Methoden in den exegetischen Wissenschaften gibt, versuchten wir oben anzudeuten� Aus der Fachperspektive der Exegese sind die Informatik und die DH weitere Hilfswissenschaften, welche die bereits existierende große Zahl an Hilfswissenschaften im 21� Jh� ergänzt� Und die Entwicklung von Kompetenzen im Bereich der etablierten Hilfswissenschaften (z� B� literaturwissenschaftliche und linguistische, altphilologische, papyrologische, epigraphische und ikonographische Grundkompetenzen) ist ein unhinterfragter Bestandteil des akademischen Unterrichts in den Bibelwissenschaften� In nicht allzu ferner Zukunft wird dies für die DH ebenfalls zutreffen. Die Diskussion darüber sollte in jedem Fall jetzt beginnen. 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A Preliminary Study for a New Lexicographical Resource, in: Clivaz, Claire u� a� (Hg�): Digital Humanities in Biblical, Early Jewish and Early Christian Studies (Scholarly Communication 2), Leiden 2014, 191-229� Wachtel, Klaus: The Coherence-Based Genealogical Method: A New Way to Reconstruct the Text of the Greek New Testament, in: Kloppenborg, John S�/ Newman, Judith H� (Hg�): Editing the Bible� Assessing the Task Past and Present (SBL�RBS 69), Atlanta, GA 2012, 123-138� Walters, Patricia: The Assumed Authorial Unity of Luke and Acts� A Reassessment of the Evidence (SNTS�MS 145), Cambridge 2009� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Abstract | This contribution explores the didactical potential of Digital Humanities for academic education in Biblical Studies� Arguing from the perspective of undergraduate und graduate students, it is suggested that digital resources and tools can help foster student engagement and orientation towards exegetical expertise from the very beginning on� After an introduction which assesses the current role of digital resources in the didactics of Biblical Studies, the potentials are illustrated by drawing on ancient language education, textual criticism, Bible survey, and exegesis with digital corpus analysis� The authors conclude that the use of digital resources can at least partly compensate the growing lack of familiarity with the Bible and ancient languages among students and, likewise, enable them to partake in research-oriented and self-regulated learning much easier� Instead of being a bonus, the possibilities offered by digital tools need to become a basic part of teaching Biblical Studies� Ducunt volentem fata, nolentem trahunt! 1 Durch die Digitalisierung verändert sich Lehre allgemein, die universitäre im Speziellen� Im Zuge der Digital Humanities gilt es, Lehr-/ Lernkonzepte zu überdenken und zu überprüfen, was und wie Studierende heute am besten lernen sollten� Diese Fragen in ihrer wechselseitigen Beziehung leiten unsere Über- 1 Sen� epist� 107,11,5� 54 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider legungen zur bibelwissenschaftlichen Hochschuldidaktik� Im ersten Heft der vorliegenden Zeitschrift beschreiben die Herausgeber Stefan Fischer und Thomas Wagner die veränderten Bedingungen, unter denen heute Theologie studiert wird. Ein Aspekt dabei ist das veränderte Vorwissen: „Die in früheren Generationen durch das Sprachenstudium in humanistischen Gymnasien schon vor dem Studium vorhandene Kenntnis biblischer Ursprachen sowie […] bereits vor dem Studium erworbene Kenntnis der Texte des Alten und des Neuen Testaments sind bei vielen Studierenden kaum oder gar nicht mehr vorhanden�“ 2 Außerdem haben sich Lesebzw� Lernprozesse verändert: „Informationsaufnahme erfolgt vermehrt über digitale Medien, die eine Kombination von kurzen Texten sowie von Bild- und Filmsequenzen anbieten�“ 3 Dadurch gehe die Kompetenz verloren, „[…] sich Sinngehalte längerer Textpassagen zu erschließen“, 4 so die Autoren� Studierenden falle es immer schwerer, längere Zeit zuzuhören oder zu lesen� Unabhängig davon, ob man diese Beobachtung teilt, begrüßen wir den daraus resultierenden Impuls: „Hier steht die Hochschuldidaktik vor der großen Aufgabe, Lehr-/ Lernprozesse den Verstehensmöglichkeiten der Studierenden anzupassen und dabei die klassischen Formen universitärer Lehre weiterzuentwickeln�“ 5 Dieser Herausforderung muss, so der Ansatz unserer Überlegungen, durch sinnvollen Einsatz der ‚Neuen Medien‘ begegnet werden� 6 Bevor wir unter dieser Prämisse im Hauptteil des vorliegenden Beitrags auf verschiedene Bereiche der Fachausbildung eingehen, in denen die Digital Humanities u� E� ein besonderes Innovationspotential bieten, wird im Folgenden zunächst die aktuelle Vermittlungssituation kurz anhand typischer Einführungsliteratur beleuchtet� 1 Stand der Dinge und Zielsetzung Blickt man in einige gängige exegetische Methodenbücher, die für viele Studierende als Grundlage in Proseminar und Selbststudium dienen, zeigt sich, dass die Möglichkeiten digitaler Medien noch längst nicht zum Standardrepertoire 2 Fischer/ Wagner, Verstehen, 8. 3 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10. 4 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10. 5 Fischer/ Wagner, Verstehen, 10f. 6 Statt von ‚E-Learning‘ wird dabei inzwischen immer häufiger von ‚Blended Learning‘ gesprochen, vgl� Iberer, E-Learning� Generell ist es wichtig, dass bereits existierende Online-Ressourcen schlichtweg bekannt gemacht und weitergegeben werden� Gerber bspw� bietet eine umfangreiche Tabelle mit digitalen Hilfsmitteln für Theologie und Religionswissenschaften, vgl� Gerber, Digital Humanities, 7� Auch der Abschnitt Elektronische Hilfsmittel bei Ebner/ Heininger ist hervorzuheben, vgl� Ebner/ Heininger, Exegese, 422-425� Faszination Digital Humanities 55 dessen gehören, womit Studierende der Theologie von Anfang an vertraut gemacht werden� Die Methodenbücher haben gemein, 7 dass sie die Möglichkeiten, die durch die Digital Humanities Einzug in die Exegese halten, v� a� als Bonus betrachten, auf den man zurückgreifen kann , wenn man mit dem ‚Erprobten‘ durch ist. Bei Finnern/ Rüggemeier finden sich dabei noch die innovativsten Positionen. Sie bieten einen Abschnitt, in dem explizit auf die Vorzüge elektronischer Textsammlungen im Vergleich zu gedruckten Konkordanzen u. ä. hingewiesen wird� 8 Im Kapitel Themenanalyse stellen sie das Tool „Bibelclouds“ 9 vor und betonen, dass elektronische Hilfsmittel die Identifizierung von Schlüsselbegriffen enorm erleichtern können. 10 Schließlich äußern sie sich überaus kritisch zu gedruckter Kommentarliteratur, die sie als „[…] reformbedürftig, gerade im digitalen Zeitalter“ bezeichnen� Durch die Möglichkeit, Forschungsdaten online in Datenbanken zu veröffentlichen, sei es „[…] hochgradig unöko- 7 Becker, Exegese; Ebner/ Heininger, Exegese; Egger/ Wick, Methodenlehre; Erlemann/ Wagner, Leitfaden; Finnern/ Rüggemeier, Methoden; Schnelle, Einführung� 8 Vgl. Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 146; so auch Ebner/ Heininger, Exegese, 422 9 Abrufbar unter https: / / www.bibelclouds.de/ , letzter Zugriff 14.07.2017. Inwiefern dieses Tool wirklich für den akademischen Bereich anwendbar ist, sei dahingestellt� Das Potential digitaler Textanalysen illustriert es allemal� 10 Vgl. Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 273f. Kevin Künzl *1990, studiert Ev� Theologie, Gräzistik und Anglistik an der TU Dresden und ist dort als Studentische Hilfskraft am Institut für Evangelische Theologie (Professur für Biblische Theologie) tätig� Zudem ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Netzwerkes „Mahl und Text“ (DFG)� Fridolin Wegscheider *1992, studiert Ev� Theologie und Germanistik an der TU Dresden und arbeitet dort am Institut für Ev� Theologie (Professur für Biblische Theologie) als Studentische Hilfskraft und Tutor� 56 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider nomisch, wenn jeder für jeden Anlass die Exegese/ Textauslegung erneut durchführen muss oder aus dem Textkommentar eines anderen die für ihn relevanten Informationen herausfiltern muss“ 11 � Am anderen Ende der Innovationsskala bietet Schnelle zwar ein ganzes Kapitel zum Thema Internet als Hilfsmittel, sieht darin aber nicht viel mehr als die erleichterte Verfügbarkeit von Informationen durch E-Books, Blogs etc�, und weniger mögliche Implikationen für die exegetische Arbeit generell� 12 Stets präsent erscheint die Befürchtung, dass „[…] der Fokus auf die eigene Fragestellung und wertvolle Zeit durch zielloses Surfen im Internet verlorengehen“ und dass das Internet „[…] den strengen Maßstäben wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit […]“ 13 möglicherweise nicht genügen könne� Derartige Äußerungen zeigen v. a., dass die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Wissenschaft oft noch immer in den Mustern der alten Medien gedacht werden� Allerdings sind die Digital Humanities nicht nur eine Erweiterung dessen, was schon da ist� Sie verändern die Spielregeln und ermöglichen neue Ansätze, die früher überhaupt nicht denkbar gewesen wären� 14 In der Forschung bricht sich diese Erkenntnis langsam Bahn� Wenn aber Studierende auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit hin ausgebildet werden sollen, ist es an der Zeit, die Chancen der Digital Humanities grundlegend für die Hochschuldidaktik fruchtbar zu machen� Gerade in den exegetischen Fächern gibt es dafür aus unserer Sicht vielversprechende Ansatzpunkte, um einiges neu zu durchdenken und vielleicht sogar völlig neu zu konzipieren� Vor diesem Hintergrund beleuchten wir im Folgenden vier Bereiche, in denen die Digital Humanities große didaktische Potentiale bieten könnten: Ausbildung in den alten Sprachen, Bibelkunde, Textkritik und Exegese mit Methoden der Corpusanalyse� Dabei haben wir nicht die Absicht, ausgefeilte didaktische 11 Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 300� 12 Vgl. Schnelle, Einführung, 30-35. 13 Schnelle, Einführung, 31. Beide Ängste laufen indes ins Leere. ‚Verlorengehen‘ ist bei klassischer Recherche von Buch zu Buch ebenso gut möglich wie bei der Verwendung digitaler Medien� In Bezug auf wissenschaftliche Nachprüfbarkeit bietet das Internet sogar weitaus größere Chancen als Printmedien, da theoretisch nicht nur das Endprodukt, sondern auch alle auf dem Weg dorthin entstandenen Forschungsdaten publiziert werden können� 14 Patrick Sahle illustriert den Gegensatz zwischen den Möglichkeiten der ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medien in einem Beitrag zu digitalen Texteditionen: Diese funktionieren innerhalb digitaler Paradigmen , d� h� sie haben Eigenschaften, die sich in einer gedruckten Edition nicht nachbilden ließen� Gescannte Bücher hingegen sind an die Spielregeln des analogen Mediums gebunden� Sie sind keine digitalen Editionen, weil sie „[…] von ihrer Methode, ihren Inhalten und ihren Nutzungsformen her in der Denkwelt des Buchdrucks gefangen bleiben“ (Sahle, Edition, 239)� Faszination Digital Humanities 57 Konzepte zu präsentieren, sondern wollen aus studentischer Perspektive einige streitbare Anregungen bieten� 2 Anregungen zur Einbindung der Digital Humanities in die bibelwissenschaftliche Hochschuldidaktik 2.1 Sprachausbildung als Basis für exegetische Kompetenz Das Beherrschen der klassischen tres linguae sacrae , Hebräisch, Griechisch und Latein, bildet seit jeher eine Grundvoraussetzung für die theologische Arbeit gerade in den exegetischen Fächern� Wie bereits eingangs erwähnt, ist es dabei längst keine neue Entwicklung mehr, dass immer mehr Studierende ihr Theologiestudium gänzlich ohne Vorkenntnisse in den alten Sprachen beginnen� Während Latein mit über 600�000 Lernenden noch immer die dritthäufigste Fremdsprache an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland ist, liegt die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Altgriechisch erlernen, bei unter 11�000 - Tendenz bei beiden Sprachen stark fallend� 15 Diese Entwicklung zu bewerten, ist nicht Thema dieses Beitrags; ihre Folge ist allerdings, dass für die überwiegende Zahl der Studienanfänger erst einmal Sprachkurse den Stundenplan ausfüllen, die in der Regel mit staatlichen Examina abzuschließen sind� Dass Hebraicum, Graecum und Latinum in volltheologischen Studiengängen erworben werden müssen, steht für uns ebenso außer Frage, wie die generelle Wichtigkeit der alten Sprachen für die Exegese� Neu zu durchdenken wäre u� E� aber der Umgang mit ihnen in Studiengängen mit reduziertem fachwissenschaftlichem Anteil� Allem voran betrifft dies die Lehramtsstudiengänge, die mittlerweile an fast allen theologischen Fakultäten und Instituten die höchste Zahl der Studierenden stellen� In diesen Studiengängen zeichnet sich die Tendenz ab, die Sprachanforderungen immer weiter zu reduzieren und manchmal sogar vollständig abzuschaffen. Bei den aktuell vielerorts praktizierten Formen altsprachlicher Ausbildung ist dieses Vorgehen durchaus nachvollziehbar, da die Art der Ausbildung unter den Rahmenbedingungen, die diese Studiengänge bieten, nicht zielführend ist. Zum einen wird von den Studierenden häufig kein Nutzen der Sprachausbildung für die spätere berufliche Praxis gesehen; zum anderen scheint im Studium oft nicht deutlich genug spürbar zu werden, welcher Gewinn aus der Beschäftigung mit den Texten in ihren Ausgangssprachen eigentlich er- 15 Vgl. Statistisches Bundesamt, Unterricht. Die Daten beziehen sich auf das Schuljahr 2015/ 16; Hebräisch wird nicht separat aufgeführt, sondern fließt nur in die Kategorie „Sonstige Sprachen“ ein� 58 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider wächst� Beiden Problemen könnte man u� E� durch eine Neukonzeption der altsprachlichen Ausbildung entgegentreten, die dann denkbar wird, wenn die Möglichkeiten der Digital Humanities essentiell in das didaktische Konzept implementiert werden� Dies würde es erlauben, schon beim Erlernen der Sprachen den Fokus auf exegetische Kompetenzen zu richten� Die Kernkompetenz, die Studierende u� E� beim Erlernen der alten Sprachen ausbilden sollten, ist, die antiken Zeugnisse in den jeweiligen Quellensprachen in Hinblick auf exegetische Fragestellungen selbstständig erfassen zu können� 16 Dies beinhaltet u. a. ein Verständnis für semantische und syntaktische Aspekte zu entwickeln, die in Übersetzungen oft nicht vermittelbar sind; auch die Sensibilisierung für Ambiguitäten spielt eine große Rolle� Der Weg zu einer solchen Kompetenz gestaltet sich in den Augen vieler indes unendlich steinig, wenig effizient und kaum zielorientiert. Unter Einbindung von Ressourcen der Digital Humanities wäre es allerdings möglich, den Weg deutlich einfacher beschreitbar zu machen� Denn die klassischen Barrieren, mit denen etliche sich konfrontiert sehen und die viel Zeit kosten, sind v� a� das langwierige Auswendiglernen von Formen und Vokabeln. Kann man diese stumpfen Aktivitäten, provokant gefragt, nicht einfach dem Computer überlassen und sich dem Wesentlichen zuwenden? Grundsätzlich ist dies aus unserer Sicht zu bejahen� Denn indem man Software wie BibleWorks , Accordance und Logos von Beginn an in eine Form der Sprachausbildung einbindet, die sich an exegetischen Fragestellungen orientiert und diese in den Vordergrund rückt, wäre es möglich, Studierende bereits sehr früh selbstgesteuert an originalsprachlichen Texten arbeiten zu lassen� Durch die Nutzung morphologisch und syntaktisch ausgezeichneter Texte, die direkt mit Wörterbüchern, Grammatiken und diversen Übersetzungen verknüpft sind, könnte das Wesentliche, nämlich das selbstständige Erfassen der originalsprachlichen Texte in Hinblick auf exegetische Fragestellungen zum Zentrum schon während der Sprachausbildung werden� Sprachenlernen wäre von Beginn an mit Aspekten des forschenden und entdeckenden Lernens verknüpft� 17 Lehr- 16 Beschluss 6 des Evangelisch-theologischen Fakultätentages 2008 spricht davon, „[…] den Spracherwerb der Studierenden kompetenzorientiert und auf die Anforderungen des jeweiligen Berufsfeldes bezogen zu gestalten und die Integration der Sprachverwendung in das Studium zu verstärken“, und ist damit auf einer ähnlichen Linie wie die hier skizzierte Position� In Übereinstimmung mit z� B� Markschies meinen wir aber, dass die alleinige Orientierung an der beruflichen Praxis zu kurz greift für eine Lehramtsausbildung, die an deutschen Universitäten angesiedelt ist, vgl� Markschies, Sprachen� 17 Zum Konzept Forschendes Lernen verknüpft mit digitalen Medien vgl� Dürnberger u� a�, Lernen, 210f� Die Autorinnen weisen in ihrem Artikel mit Recht auf die Gefahr der Überforderung der Lernenden hin, vgl� Dürnberger u� a�, Lernen, 214; Seufert/ Käser, Wikis, 170� Hier liegt u� E� eine große Herausforderung des dargestellten Konzepts� Einer Über- Faszination Digital Humanities 59 kräfte hätten durch den Einsatz der digitalen Hilfsmittel schon früh im Prozess die Möglichkeit, in die Rolle des Impulsgebers und Moderators zu wechseln� Grammatik- und Vokabelwissen würden vorwiegend neben der Textlektüre her und durch diese angeregt erworben� Methodenkompetenz im Umgang mit digitalen Hilfsmitteln wäre in einem solchen Konzept kein ‚Extra‘ mehr, sondern selbstverständlicher Teil der alltäglichen Studienarbeit in der Exegese� Die Befürchtung, das ‚solide Faktenwissen‘ könne bei solchen Ansätzen ins Hintertreffen geraten, ist unbegründet. Lediglich die Paukerei würde weniger im Mittelpunkt stehen. Anstelle dessen wird es möglich, sich mehr dem Verstehen von Sprachstrukturen als dem Auswendiglernen zuzuwenden� Grammatische Kategorien und Syntax müssen dabei immer noch als Basis gelernt und verstanden werden� 18 Die digitalen Werkzeuge ersetzen nicht das Gehirn, sondern sie schaffen mehr Freiraum, um sich mit weiterführenden Fragestellungen befassen zu können� Gerade in Studiengängen wie denen des Lehramts, in denen es mitunter nur sehr wenige exegetische Veranstaltungen gibt, könnten solche Konzepte u� E� die Lernerfolge enorm vergrößern� Das Ziel kann und muss nicht sein, sich einen Text allein mit einer einsprachigen Ausgabe und einem Wörterbuch erarbeiten zu können� Dafür reicht in diesen Studiengängen weder die Zeit, noch ist eine solche Arbeitsweise zeitgemäß� Stattdessen sollte das Ziel darin liegen, unter Verwendung digitaler Hilfsmittel kompetent mit einem hebräischen, griechischen, oder lateinischen Text umgehen zu können� Anstatt über volle Studienordnungen zu klagen, die keine Zeit für eine ‚ordentliche‘ Sprachausbildung lassen, wäre die Umsetzung von didaktischen Konzepten wie dem hier skizzierten zu forcieren oder wenigstens produktiv zu diskutieren� 2.2 Bibelkunde verstehen statt pauken In der Hochschuldidaktik der Bibelwissenschaften gehört die Bibelkunde zur Wissensbasis, die, wie die alten Sprachen, am Anfang des Studiums gelernt werden soll� Insbesondere durch die eingangs beschriebenen Entwicklungen in Kultur und Gesellschaft stehen Studierende der Theologie inzwischen häufig vor dem Problem, weder die biblischen Geschichten, noch deren Textgrundlage zu kennen� Dies bedeutet, dass es zumindest in der Theorie notwendig forderung lässt sich nur mit flexibler Begleitung durch die Lehrkräfte und eingewobenen Phasen gemeinsamer Grundlagenaneignung effektiv entgegenwirken, vgl. Warren, Teaching, 311f� 18 Die generelle Wichtigkeit einer soliden Wissensbasis in den exegetischen Fächern betont auch Huebenthal, Schriftauslegung, 30-32� Die große Frage, die durch die Digital Humanities erneut aufgeworfen wird, ist jedoch, worin diese Basis sinnvollerweise bestehen sollte� 60 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider wäre, zu Beginn des Studiums die Bibel möglichst komplett durchzuarbeiten, um unabhängig von Forschung und Exegese zuvorderst den Gegenstand kennenzulernen� Lehramtsstudierende z� B� belegen neben der Theologie noch ein weiteres Fach sowie die Bildungs- und Erziehungswissenschaft� Dabei fehlt der Fokus oder die Zeit, sich einer einzelnen Disziplin so ausführlich zu widmen, es sei denn, ein besonderes Interesse motiviert zusätzlich� Studierende müssen sich entscheiden, wie viel Zeit und Aufwand sie für welches Fach investieren wollen und können� Eine Schlüsselfrage in diesem Zusammenhang ist immer wieder die Relevanz für die spätere berufliche Praxis. Dabei fällt die Bibelkunde oftmals etwas ab, ein Kreislauf, der sich negativ verstärkt. Wenig Vorkenntnisse führen zu verhältnismäßig wenig Auseinandersetzung, was wiederum im Beruf weitergetragen wird und bei der nächsten Generation wenig Vorkenntnisse verursacht� Das Anliegen der Hochschuldidaktik sollte sein, diesem Prozess entgegenzuwirken, da eine große Einigkeit darüber besteht, dass Bibelkunde für theologische Berufe unverzichtbar ist� Die Digital Humanities bieten diesbezüglich einige didaktische Potentiale, die zumindest an vielen Hochschulen und Universitäten noch nicht ausgeschöpft werden� Die Bibelkunde stellt didaktisch vor allem vor zwei Herausforderungen: (1) Eine große Menge an Wissen bzw� Text muss kompakt vermittelt werden� (2) Die Textinhalte und -bedeutungen erschließen sich nicht ohne eine Kenntnis des entsprechenden Umfelds und der Kulturgeschichte� Es ist zwar möglich, stur auswendig zu lernen, dass in Jes 7 das Immanuels-Zeichen steht. Ein nachhaltiges Verständnis dieser Stelle ist aber ohne ein Wissen um das Prinzip von prophetischen Zeichenhandlungen und den historischen Kontext des syrisch-ephraimitischen Kriegs nicht möglich� Für die Didaktik bedeutet das einerseits, dass Wissensgrundlagen zum basalen Verständnis des Gegenstands geschaffen werden müssen, z. B. die Behandlung der Geschichte Israels als Grundlage für die Auseinandersetzung mit Texten aus dem Alten Testament� 19 Andererseits ist die zentrale Aufgabe sinnvoll zu reduzieren� Denn angesichts der Tatsache, dass wenig bekannt ist, muss die zumutbare Breite nochmals verringert werden� Diese Aufgabe stellt sich bezüglich der Textauswahl und der jeweiligen Tiefe der Auseinandersetzung� Für den Umgang mit der Bibel wurden im Laufe der Zeit viele Hilfsmittel entwickelt, so auch viele digitale� Es gibt klassische Bibelkunde-Publikationen, die als E-Books digital zur Verfügung stehen. 20 Einen Schritt weiter geht z� B� die Plattform bibelwissenschaft.de � Hier wird eine ursprünglich als Buch publizierte 19 Vgl. Huebenthal, Schriftauslegung, 30f. 20 Etliche grundlegende Studienliteratur findet sich z. B. im Online-Angebot von UTB (https: / / www.utb-studi-e-book.de, letzter Zugriff: 14.07.2017), so auch Axel Wiemers Lernkarten zur Bibelkunde � Faszination Digital Humanities 61 Bibelkunde (in Auszügen) als Website präsentiert� 21 Die Funktionsweise der gesamten Website, auf der sich nicht nur diese Bibelkunde finden lässt, basiert auf dem Prinzip von Wikis. Verschiedene Artikel werden in einem Beziehungsnetz verbunden, was eine Lektüre mit relativ fein bestimmbarem Umfang ermöglicht� Je nach Interesse und Notwendigkeit können überschaubare Informationen hinzugezogen oder ignoriert werden� Außerdem entwickelt sich dieses Netz aus Informationen immer weiter� Es wird entsprechend dem Stand der Forschung aktualisiert und ergänzt. Das ist ein zentraler Vorzug von Online-Angeboten im Gegensatz zu Printmedien oder systembasierter Software� Digitale Bibelausgaben sind hingegen immer noch häufig nur über CD-Rom verfügbar. 22 Dieses Format ist im Zuge der technischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß� Aktualisierungen sind umständlich und oft mit zusätzlichen Kosten verbunden� Eine weitere Hürde stellt die eingeschränkte Kompatibilität mit verschiedenen Betriebssystemen dar� Sind nun die Möglichkeiten der Digital Humanities sinnvoll und notwendig für die Bibelkunde? Ja! Gerade, weil didaktische Reduktion z� B� in Form von Textauswahl und Schwerpunktsetzung notwendig ist, entscheidet die aktuelle Forschungsperspektive über Form und Umfang der Bibelkunde� Diesem Anspruch können digitale Formen und v� a� Online-Angebote besser gerecht werden� Für Studierende sind sie inzwischen leichter zugänglich und erschwinglicher als Bücher oder o� g� systembasierte Software� Beim Lernen von Bibelkunde kann der Austausch mit Mitstudierenden und das gegenseitige Abfragen sehr förderlich sein� Dazu ist es theoretisch nicht notwendig, digitale Hilfsmittel zu nutzen, allerdings können sie das gemeinsame Lernen erheblich erleichtern� Bibelkunde-Apps für das schnelle Abfragen unterwegs und ohne notwendige Vorbereitung von Lernmaterialen sind ausgesprochen praktisch und im universitären Gebrauch u� W� noch kaum verbreitet� Hier liegt ein Potential der Hochschuldidaktik, verstärkt an den Lernenden orientiert zu unterrichten, in deren Lebenswelt die ‚Neuen Medien‘ die Medien sind� 23 Zudem kann mittels der Digital Humanities auch bei der Bibelkunde selbstgesteuertes Lernen angeregt werden. Die Veranschaulichung durch Bilder und Gemälde oder Hinweise auf literarische Bezüge, wie sie Lernprogramme oder Wikis bieten, können das Lernen von Bibelkunde in erheblichem Maße erleichtern� 21 Vgl. http: / / www.bibelwissenschaft.de/ bibelkunde (letzter Zugriff: 14.07.2017). 22 Vgl. https: / / www.die-bibel.de/ shop/ bibelausgaben/ digitale-bibelausgaben (letzter Zugriff: 14�07�2017)� 23 Vgl. Scholz, Bibeldidaktik, 262-271; Iberer, E-Learning, 24. 62 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider 2.3 Ad fontes: Handschriftenarbeit und Textkritik Die Textkritik spielt im Kanon der exegetischen Methoden eine ambivalente Rolle� Da sie den auszulegenden Text und damit die Grundlage der ganzen Disziplin konstituiert, füllt sie typischerweise das erste Kapitel der Methodenbücher und steht am Beginn des exegetischen Proseminars� Es steht im Kontrast zu dieser essentiellen Stellung, dass für etliche Studierende die oberflächliche Begegnung mit der Textkritik im Proseminar die erste und zugleich letzte ist� Dafür mag es insbesondere zwei Gründe geben: Einerseits mutet die Textkritik häufig wie ein ‚unüberschaubares Ungeheuer‘ an, dem man sich nur nach jahrelanger Spezialausbildung überhaupt zaghaft nähern sollte� Andererseits bildet die Arbeit mit Handschriften einen großen Teil des textkritischen Geschäfts, aber der Zugriff auf diese gehüteten Schätze ist in der Regel nur an privilegierten Orten möglich sowie den ‚Spezialisten‘ vorbehalten� Unter den Vorzeichen der Digital Humanities gibt es allerdings in diesem Bereich tiefgreifende Veränderungen alter Selbstverständlichkeiten, die sich auch auf die Didaktik auswirken können und sollten. Eine grundsätzliche Veränderung besteht darin, dass Handschriften vom Bibliothekstresor in den Seminarraum geholt werden können - selbstverständlich nicht materialiter , sondern in Form von Digitalisaten, die heute von allen bedeutenden biblischen Handschriften online zugänglich sind� Obgleich diese Digitalisate den Zugang zum Original nicht vollständig ersetzen können, 24 stellen sie eine absolut innovative Lernressource dar� Die Buchstabenkombinationen im Apparat des Novum Testamentum Graece verlieren ihre Abstraktheit, wenn die Varianten, die sie ausdrücken, tatsächlich in den Handschriften wahrgenommen werden können� Durch den Zugang zu den Quellen gewinnt die Textkritik an Nachvollziehbarkeit und kann von der Trockenübung plötzlich zu etwas Faszinierendem für Studierende werden, das zum Entdecken und Erforschen einlädt� Damit steht im Zusammenhang, dass der Status der Textkritik als exklusives Feld für ‚Spezialisten‘ durch die Digital Humanities teilweise relativiert werden kann� Diese Erfahrung konnten wir selbst im Rahmen eines Hauptseminars am Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden machen, in dem ein Teil des Dresdner Codex Boernerianus transkribiert wurde� 25 Gerade aus Studierendensicht war es eine bereichernde Erfahrung zu erkennen, dass das Lesen und Transkribieren einer Handschrift kein Hexenwerk, sondern mit etwas Einarbei- 24 Der Grund dafür liegt darin, dass Bilder, auch wenn sie digital mit noch so vielen Metadaten versehen sind, doch immer Bilder bleiben� Eine perfekte Übertragung aller am analogen Objekt wahrnehmbaren Eigenschaften in die digitale Sphäre ist nicht möglich� 25 Ausführlich wird dieses Seminar im vorliegenden Heft im Beitrag von Tobias Flemming thematisiert� Faszination Digital Humanities 63 tung (je nach Handschrift) schnell erlernbar ist� Das Transkribieren erfolgte in einer webbasierten Umgebung des Instituts für neutestamentliche Textforschung , wobei automatisch der Basistext des Novum Testamentum Graece vorgeladen werden konnte. Dieser musste nur anhand des Manuskripts modifiziert werden, was den Prozess nochmals einsteigerfreundlicher gestaltete� Da noch kein digitales Transkript des Codex Boernerianus vorlag (bzw� auch jetzt noch nicht vollständig vorliegt), war unsere Arbeit außerdem ein effektiver Beitrag zur Erstellung der Editio Critica Maior � Dabei bot sich uns die Chance, einen Einblick in die (digitale! ) Arbeitsweise eines solchen Großprojektes zu bekommen und selbst Teil davon zu werden, was wegen der digitalen Arbeitsumgebung sogar völlig abgekoppelt vom Projektstandort Münster möglich war� Man mag einwenden, dass die Arbeit an Handschriften doch sehr speziell sei und zu viele Aspekte beinhalte, die sonst kaum eine Rolle für die Exegese spielen, sondern eher als Aufgabe für ‚Hilfswissenschaften‘ wie Paläographie und Kodikologie zu gelten haben� Dieser Einwand greift jedoch zu kurz: Die Handschriften sind die Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem biblischen Text, weshalb Basiswissen im Umgang mit ihnen u� E� eine Rolle in den exegetischen Fächern spielen muss � Der Text der Bibel ist weder in der Biblia Hebraica noch im Novum Testamentum Graece überliefert, sondern in tausenden Manuskripten aus der Antike bis ins Mittelalter und die frühe Neuzeit� Das grundlegende Bewusstsein für diesen Umstand kann durch eine Didaktik der Textkritik, die Gebrauch von den Möglichkeiten der Digital Humanities macht, in nachhaltigerer Weise als bisher geschärft werden� Es gibt keine Ausrede mehr, die rechtfertigen könnte, didaktisch erst bei den kritischen Textausgaben anzusetzen� Zum ersten Mal gibt es für alle und an jedem Ort die Chance, ad fontes zu gehen� Der Erwerb von Basiskenntnissen über den Aufbau von Handschriften und Paläographie hält nicht von exegetischen Fragestellungen ab, sondern ist eine zusätzliche Lernchance, die von großer Relevanz ist, wenn man sich mit der Frage nach dem Ursprung unserer Texte befassen möchte� Schon im Proseminar wäre es denkbar, durch digitale Hilfsmittel hinter die textkritischen Ausgaben zurückzugehen� Ein im Seminar durchexerziertes textkritisches Beispiel muss nicht mehr nur anhand des Apparats behandelt werden, sondern kann durch den Vergleich von Handschriften illustriert und damit konkretisiert werden� Die Formel ‚Erleben statt Erlernen‘, wie Scholz sie für seine Bibeldidaktik im Zeichen der ‚Neuen Medien‘ prägt, könnte auch für die Didaktik der Textkritik fruchtbar gemacht werden� 26 So würde man die materielle Basis der Disziplin neu ins Bewusstsein rücken und zugleich eine kritischere und differenziertere Grundhaltung gegenüber den rekonstruierten 26 Vgl. Scholz, Bibeldidaktik, 251f. 64 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Texten fördern, deren Zustandekommen zu oft unhinterfragt bleibt� Die Digital Humanities können an dieser Stelle dazu beitragen, unter den Studierenden ein tieferes Verständnis von dem zu schaffen, worauf jede weitere exegetische Arbeit erst fußt� 2.4 Exegese 2.0 - Die Bibel als Corpus In der exegetischen Wissenschaft werden digitale Hilfsmittel schon verschiedentlich eingesetzt. Angefangen beim digitalen Zugriff auf die Texte in verschiedenen Sprachen und Übersetzungen bietet Software wie BibleWorks , Accordance oder Logos allerdings noch weitere Funktionen� Wie schon im Abschnitt zur Sprachausbildung angedeutet, können Texte morphologisch und syntaktisch analysiert werden� Wörterbücher, Lexika, textkritische Apparate und zuweilen sogar Kommentarliteratur sind verschiedentlich eingebunden� Im Studium werden diese Hilfsmittel allerdings, wenn überhaupt, nur ergänzend genutzt� Die klassische Arbeitsweise mit Büchern und Zeitschriften herrscht vor� Gerade für eine innovative und individuelle Auseinandersetzung mit dem Bibeltext wäre eine geschulte Nutzung der technischen Möglichkeiten aber ertragreich� Bestimmte Fragestellungen ergeben sich erst aus einer computergestützten Analyse bzw� werden durch eine solche bearbeitbar� Mittels Corpusanalyse können bspw� grammatische Konstruktionen oder Wortverbindungen im Text des Neuen Testaments mit anderen Texten des frühen Christentums verglichen werden� Anhand dieser Forschungsdaten können nicht nur Fragen der Textkritik, sondern z� B� auch der Form- und Gattungskritik bearbeitet werden� Es wäre wünschenswert, Studierenden einige dieser Werkzeuge (kostenlos) zur Verfügung zu stellen, da dies eine bessere Anteilhabe am Forschungsprozess bewirken könnte� 27 Studierende hätten vermehrt das Gefühl, wirklich selbst etwas herauszufinden und forschend tätig zu sein, weil sie durch die Hilfsmittel besser eigene Fragen und Antworten entwickeln könnten� 28 Dazu ist es notwendig, bestimmte Programme zu beherrschen und deren Funktionsprinzip zu verstehen. V. a. müssen diese Programme jedoch zugänglich sein. Hier bedarf es eines besseren Austauschs� Im Zuge von Open Source und Open Access ist es längst überfällig, dass bestimmte Hilfsmittel, wie z� B� morphologische und syntaktische Analysen von griechischen oder hebräischen Texten, Studierenden zur Verfügung stehen. Im Rahmen des exegetischen Proseminars müssten Hilfsmittel, z� B� Perseus Digital Library , vorgestellt und die Anwendung dieser geübt werden� Anstatt, dass veraltete Forschungsergebnisse aus Kommentarwälzern 27 Vgl. Gerber, Digital Humanities, 5. 28 Vgl. die Beobachtungen in Warren, Teaching, 310. Faszination Digital Humanities 65 abgeschrieben werden, sollten Studierende herausgefordert werden, mehr selbstständig zu denken und zu forschen� Die Digital Humanities erleichtern solche Prozesse� Forschungsergebnisse könnten zumindest fakultätsintern gesammelt und ausgetauscht werden� In Form von Wikis ist dies ausgesprochen praktisch möglich� 29 Studierende müssten zumindest basale Programmierkenntnisse erwerben, um maschinenlesbare Texte produzieren bzw� umwandeln zu können (XML und HTML)� 30 Eine sachgemäße Verwendung von Unicode gerade im Umgang mit alten Sprachen ist hier außerdem notwendig� 31 Die Produktion von Texten und das Aufbereiten von Forschungsdaten geschieht heutzutage digital und dabei sollten entsprechende Standards bekannt sein und angewandt werden� Unter heutigen Voraussetzungen ist die zu überblickende Textmenge für die exegetische Arbeit eine große Herausforderung, der eine nicht digital gestützte Arbeitsweise längst nicht mehr gewachsen ist� Angefangen bei Datenbanken bis hin zur Schlagwortsuchen im Volltext ist es für eine fundierte Exegese notwendig, auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen� Digitale Werkzeuge strukturieren die Datenmasse vor und machen sie analysierbar� Die patristische Literatur bspw. kann mittels dieser Instrumente effektiver und umfangreicher in die exegetische Arbeit eingebunden werden. Die Quellen finden sich nicht ausschließlich vorausgewählt in der bereits bestehenden Literatur zu einem bestimmten Thema, sondern stehen digital im Internet zur Verfügung. Kaum überprüfte Forschungspositionen können durch neue Quellenbelege hinterfragt oder fundiert werden� Die Gefahr, dass immer nur die gleichen Belege voneinander abgeschrieben werden (möglicherweise auch noch falsch), könnte damit verringert werden� Dem Anspruch, möglichst alle Quellen selbst einzusehen, der Studierende zumindest anfangs schnell überfordert, kann durch geschulte Nutzung digitaler Werkzeuge (wieder) entsprochen werden� Professionalität im Umgang mit Technik auszubilden, gehört zunehmend zu einer erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere dazu� Zukünftig wird das zentrale Format für (kleine) wissenschaftliche Publikationen das Schreiben in einem Blog sein. Wissenschaft geschieht hier öffentlich und im direkten Austausch. Durch Linkstrukturen, Offenlegung und Bereitstellung der verwendeten Hilfsmittel sowie Kommentarfunktionen kann gerade auch die exegetische Arbeit profitieren. Sinn und Ziel sollte es sein, den analytischen Zugang zum Bibeltext zu vereinfachen und Forschungsergebnisse anschaulich und nachvollziehbar zu veröffentlichen. 29 Vgl. Warren, Teaching, 313; Heilmann, E-Learning; Seufert/ Käser, Wikis. 30 Für ein Umsetzungsbeispiel vgl� Warren, Teaching, 314� 31 Unicode dient der eindeutigen Zuweisung eines jeden Zeichens zu einem digitalen Code� 66 Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider 3 Fazit und Ausblick Was benötigen Studierende heute in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Welche Inhalte sollten vermittelt werden? Wie sollten sie vermittelt werden? In unseren Überlegungen haben wir verschiedene Ansatzmöglichkeiten, aber v� a� Notwendigkeiten aufgezeigt� Die generelle Einbindung digitaler Technik in Lehr-/ Lernprozesse halten wir für selbstverständlich� Allerdings sollten zukünftig auch inhaltliche Aspekte, z� B� der Erwerb basaler Programmierkenntnisse, die formale Ebene ergänzen. Eingangs haben wir auf generationsbedingte Veränderungen hingewiesen, z. B. vermehrt fehlende Vorkenntnisse. Wir möchten das Bewusstsein dafür stärken, dass digitale Hilfsmittel hier innovativ zum Ausgleich beitragen können. Sie können das Fehlen von Vorkenntnissen in vielerlei Hinsicht kompensieren und den Einstieg in die forschungsorientierte Exegese erleichtern und beschleunigen� Kompetenzorientierung als allgemeine Anforderung an die Hochschuldidaktik schlägt sich z� B� in der Diskussion um das Lernen der alten Sprachen nieder� Der Fokus sollte u� E� darauf liegen, ein Arbeiten mit digitalen Hilfsmitteln am Quellentext, also in den Ausgangssprachen und ggf� sogar an Digitalisaten von Handschriften, zu fördern� Dies kann einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, die zentrale Zielsetzung bibelwissenschaftlicher Ausbildung, nämlich „[…] Studierenden den Zugang zu eigenständigen, wissenschaftlich verantworteten theologischen Positionen auf Basis des Textstudiums zu ermöglichen“ 32 , effizienter zu erreichen. Die Nutzung der ‚Neuen Medien‘ sollte keine Ergänzung, sondern eine Grundlage der exegetischen Ausbildung darstellen� Dafür ist es notwendig, sich mit den Digital Humanities auseinanderzusetzen und auf dieser Basis die Lehre weiterzuentwickeln, anstatt uneinsichtig an veralteten Ansprüchen und traditioneller Mediennutzung festzuhalten bis Generationswechsel diesen Prozess schließlich erzwingen� Ducunt volentem fata, nolentem trahunt! Literatur Becker, Uwe: Exegese des Alten Testaments� Ein Methoden und Arbeitsbuch (UTB 2664), Stuttgart 4 2015� Dürnberger, Hannah u� a�: Forschendes Lernen� Konzeptuelle Grundlagen und Potenziale digitaler Medien, in: Köhler, Thomas/ Neumann, Jörg (Hg�): Wissensgemeinschaften. Digitale Medien - Öffnung und Offenheit in Forschung und Lehre (Medien in der Wissenschaft 60), Münster 2011, 209-219� Ebner, Martin/ Heininger, Bernhard: Exegese des Neuen Testaments� Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis (UTB 2677), Paderborn 3 2015� 32 Fischer/ Wagner, Verstehen, 15. Faszination Digital Humanities 67 Egger, Wilfried/ Wick, Peter: Methodenlehre zum Neuen Testament� Biblische Texte selbstständig auslegen (Grundlagen Theologie), Freiburg u� a� 6 2011� Erlemann, Kurt/ Wagner, Thomas: Leitfaden Exegese� Eine Einführung in die exegetischen Methoden für BA- und Lehramtsstudium (UTB 4133), Tübingen 2013� Evangelisch-theologischer Fakultätentag: Beschlüsse des Fakultätentages in Wuppertal 2008� Beschluss 6, http: / / www�evtheol�fakultaetentag�de/ PDF/ wuppertal6�pdf, letzter Zugriff 14.07.2017. Finnern, Sönke/ Rüggemeier, Jan: Methoden der neutestamentlichen Exegese� Ein Lehr- und Arbeitsbuch (UTB 4212), Stuttgart 2016� Fischer, Stefan/ Wagner, Thomas: Verstehen von Anfang an. Exegese und Hochschuldidaktik, VvAa 1 (2016), 3-18. Heilmann, Jan: E-Learning und Forschendes Lernen mit Wikis in der Lehre der Bibelwissenschaften. Ein Weg zur Entwicklung guter Bibelauslegung im Studium? , VvAa 1 (2016), 77-100� Huebenthal, Sandra: Vom Zauber der Schriftauslegung. Ein hochschuldidaktischer Blick auf Exegese, VvAa 1 (2016), 19-38. Iberer, Ulrich: Vom E-Learning zum Blended Learning. Aktuelle Entwicklung und didaktische Chancen virtueller Lehr- und Lernformen, Theo-Web 9 (2010), 15-27� Markschies, Christoph: Ohne alte Sprachen? Die protestantische Theologie vor der Preisgabe ihres reformatorischen Anspruchs, FAZ 186 (2016), 6� Sahle, Patrick: Digitale Edition, in: Jannidis, Fotis u� a� (Hg�): Digital Humanities� Eine Einführung, Stuttgart 2017, 234-249� Schnelle, Udo: Einführung in die neutestamentliche Exegese (UTB 1253), Stuttgart 8 2014� Scholz, Stefan: Bibeldidaktik im Zeichen der Neuen Medien� Chancen und Gefahren der digitalen Revolution für den Umgang mit dem Basistext des Christentums (Ökumenische Religionspädagogik 5), Berlin/ Münster 2011� Seufert, Sabine/ Käser, Reto: Einsatz von Wikis als Kollaborationstool für die forschungsbasierte Lehre, in: Mandel, Schewa u� a� (Hg�)�: Digitale Medien für Lehre und Forschung (Medien in der Wissenschaft 55), Münster 2010, 159-176� Statistisches Bundesamt: Schüler/ innen mit fremdsprachlichem Unterricht� Allgemeinbildende und berufliche Schulen, https: / / www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ GesellschaftStaat/ BildungForschungKultur/ Schulen/ Tabellen/ AllgemeinBildendeBeruflicheSchulenFremdsprachUnterricht.html, letzter Zugriff 14.07.2017. Warren, Meredith: Teaching with Technology� Using Digital Humanities to Engage Student Learning, Teaching Theology & Religion 19 (2016), 309-319� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen Tobias Flemming Abstract | This article focuses on the educational and motivational benefits of a cooperative and research-based investigation of digitalized Biblical manuscripts� With this approach, the introduction of students to New Testament textual criticism does not just start with the (for many not very appealing) study of the Nestle-Aland and its apparatus � Instead, students discover the fascination of the material culture by investigating different features of manuscripts and, in an explorative manner, learn to go beyond the use of the Nestle-Aland � Likewise, they become experts in Biblical manuscripts and improve their skills in Digital Humanities � A seminar held at the TU Dresden which made use of such a didactical approach, is presented at the end of this article� 1 Forschendes Lernen - Schleiermachers Wunsch mit digitalen Medien nachgehen „Die Idee der Wissenschaft in den edleren, mit Kenntnissen mancher Art schon ausgerüsteten Jünglingen zu erwecken, ihr zur Herrschaft über sie zu verhelfen auf demjenigen Gebiet der Erkenntniß, dem jeder sich besonders widmen will, so daß es ihnen zur Natur werde, alles aus dem Gesichtspunkt der Wissenschaft zu betrachten, alles Einzelne nicht für sich, sondern in seinen nächsten wissenschaftlichen Verbindungen anzuschauen, und in einen großen Zusammenhang einzutragen in beständiger Beziehung auf die Einheit und Allheit der Erkenntniß, daß sie lernen, in jedem Denken sich der Grundgesetze der 70 Tobias Flemming Wissenschaft bewußt zu werden, und eben dadurch das Vermögen selbst zu forschen, zu erfinden und darzustellen, allmählich in sich herausarbeiten, dies ist das Geschäft der Universität�“ 1 Friedrich D� E� Schleiermacher thematisiert hier - wenngleich ohne heutige Begrifflichkeiten und mit einem uns fremden sprachlichen Pathos - gegenwärtig verbreitete Grundprinzipien hochschuldidaktischen Handelns: Das Lernen der Studierenden soll - forschungsorientiert („die Idee der Wissenschaft […] zu erwecken“; „das Vermögen selbst zu forschen, zu erfinden und darzustellen, allmählich in sich herausarbeiten“), - selbstbestimmt („auf demjenigen Gebiet der Erkenntnis, dem jeder sich besonders widmen will“), und - interdisziplinär („alles Einzelne nicht für sich, sondern in seinen nächsten wissenschaftlichen Verbindungen anzuschauen, und in einen großen Zusammenhang einzutragen“) geschehen� Gewiss bot der Universitätsbetrieb zu Schleiermachers Zeiten für diese Ziele teilweise bessere Voraussetzungen - doch an einer zentralen Stelle der theologischen Wissenschaft stehen in unserer Zeit fundamental bessere Möglichkeiten zur Verfügung. Denn heute, im sogenannten digitalen Zeitalter, kann in den exegetischen Seminaren auf die Quellen, konkret die Bibelhandschriften, zurückgegriffen und so unmittelbar ein wichtiges Anliegen der akademischen Tätigkeit erfüllt werden� Auf den folgenden Seiten wird dies inhaltlich näher beschrieben, didaktisch begründet und anhand eines konkreten Seminarbeispiels vorgestellt� Dazu wird erläutert, wozu und wie an Handschriften gelernt werden kann (Teil 2), warum es höchst sinnvoll ist, in diesem Zusammenhang Studierende als Experten zu gewinnen (Teil 3) und zu guter Letzt wird ein an der TU Dresden durchgeführtes Seminar vorgestellt, das sich der digitalen Transkription einer Handschrift widmete (Teil 4)� Durch alle Kapitel zieht sich die Fragestellung, welche Potentiale die Verbindung von digitalen Anwendungen und Forschendem Lernen für die Bibelexegese bietet� 1 Schleiermacher, Gedanken über Universitäten, 33� Lernen an Handschriften 71 2 Lernen an Handschriften Methodenbücher zur Exegese des Neuen Testaments legen als ersten Analyseschritt bevorzugt die Bestimmung des Textes fest, der ausgelegt werden soll� 2 Nach einer kurzen Einführung zu Notwendigkeit und Aufgabe der Textkritik wird ausführlich das Novum Testamentum Graece als Arbeitsgrundlage vorgestellt und seine Handhabung erklärt: Die kritischen Zeichen im Text, die textkritischen Zeichen im Apparat, die Abkürzungen für Handschriften, Übersetzungen und Kirchenväterzitate, andere Sigel wie das des sog� Mehrheitstextes (das durch das Voranschreiten der Editio Critica Maior durch byz abgelöst wird), die Einteilung in Textgruppen usw� 3 Wenn der Leser Glück hat, werden diese Aufzählungen am Rand von einem kleinen Bild eines Papyrusfragments (mehr oder weniger) veranschaulicht� Im Anschluss daran werden die Leser angeleitet, diese textkritischen Zeichen zu entschlüsseln und darauf aufbauend anhand verschiedener Kriterien einen Text zu rekonstruieren� Anders ausgedrückt: Der Weg zum Text ist sehr weit - und es besteht die Gefahr, dass unterwegs einige Studierende aussteigen oder zwischendurch zumindest eine kleine (Denk-)Pause einlegen� Demgegenüber liegt es sehr viel näher, direkt mit den Handschriften zu arbeiten - und diese auch in Ihrer Gesamtheit wahrzunehmen� Dies ist dank der Digitalisierung möglich; eine Großzahl der Handschriften ist ohne Probleme auch für Studierende zugänglich (am einfachsten über den New Testament Vir- 2 So etwa Ebner/ Heininger, Exegese 25-56; Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 15-38 (anders: Egger/ Wick, Methodenlehre, die mit einer linguistisch ausgerichteten Arbeit am Text beginnen und die Textkritik erst in § 5, auf den Seiten 68-79 thematisieren)� Die Situation stellt sich für die Einführungen in die Exegese des Alten Testaments ganz ähnlich dar (vgl� z� B� Becker, Exegese, 16-40), doch im Folgenden soll aufgrund des später folgenden Seminarbeispiels der Fokus auf dem Neuen Testament liegen� 3 Vgl. Ebner/ Heininger, Exegese, 25-56; Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 15-38. Tobias Flemming, *1987 ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Biblische Theologie am Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden� Er studierte an der TU Dresden Geographie, Geschichte und Evangelische Religion für das Lehramt an Gymnasien und arbeitet an einer Promotion über die Textgeschichte des Epheserbriefes� 72 Tobias Flemming tual Manuscript Room ( NTVMR ) des Instituts für Neutestamentliche Textforschung der Universität Münster)� 4 Mit einem solchen Vorgehen bewirkt man in hochschuldidaktischer Hinsicht drei wichtige Punkte: 2.1 ad fontes als motivationsfördernder Weg Die Studierenden begeben sich einen ganz wesentlichen Schritt näher ad fontes � Sie sehen nicht nur einen Text, der aus aneinandergereihten Druckbuchstaben besteht, sondern einen Text mit einer fremdartigen Handschrift, der kunstvoll verziert, der vielleicht auch nur schnell dahin geschrieben wirkt und fragmentarisch überliefert ist; einen Text, der paratextuelle Phänomene aufweist, an dem Ergänzungen, Streichungen und Änderungen vorgenommen wurden; einen Text, der durch kleine Bilder kommentiert ist (wie z� B� das zur Interpretation freigegebene kleine Galgenmännchen am Initialen von 1Kor 7 - dem paulinischen Ehe-Kapitel - im Codex Augiensis ) usw� In diesen Text können sie hineinzoomen, um die einzelnen Buchstaben Stück für Stück zu erkennen (anders als in den zur Veranschaulichung aufgelegten Folien einiger Proseminare). Außerdem ist er im besten Falle (wie im NTVMR ) bereits detailliert indiziert, so dass sie sich schnell zurechtfinden. 5 Die direktere Begegnung mit den Quellen erzielt bei den Studierenden eine intensivere, die Emotionen und den Forschergeist ausgiebiger ansprechende Wirkung als die Lektüre eines Textes, der im dritten Druck der 28. Auflage vorliegt und bei dem das untere Drittel der Druckseite auf den ersten Blick völlig kryptisch erscheint� Allein aus diesen motivationalen Gründen ist es eine Bereicherung, an den Handschriften zu lernen, um „Kenntnis der Vergangenheit“ 6 zu gewinnen� 4 http: / / ntvmr.uni-muenster.de/ de; um erweiterte Zugriffsrechte zu erhalten, kann mit einer einfachen Nachricht per E-Mail um ‚Expert Access‘ gebeten werden� 5 Jedoch muss an dieser Stelle auch festgehalten werden, dass ein digitales Bild den direkten visuellen, haptischen und olfaktorischen Kontakt keineswegs ersetzten kann� So konnten wir uns in Dresden im Rahmen eines Workshops den Codex Boernerianus (G 012) ganz aus der Nähe anschauen - und alle waren überrascht von der geringen Größe des Codex, der wie ein dickeres Taschenbuch aussah und nicht wie der prunkvolle Codex, den man sich ausgehend von den Digitalisaten (und ohne einen Blick auf die Metadaten) vorgestellt hatte; außerdem wurde sichtbar, dass sich auf den ersten und letzten Seiten des Codex ein Kommentar zum Matthäusevangelium findet, der im Lichtdruck von 1909 - der sich auch im NTVMR findet - nicht inkludiert ist. 6 So die klassisch gewordene Zieldefinition historischer Quellenarbeit durch Paul Kirn, Einführung, 29: „Quellen nennen wir alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann.“ Lernen an Handschriften 73 2.2 Ausgehend von den Handschriften zum Verständnis des Nestle-Aland Durch die Arbeit an den Handschriften bleibt das Grundziel der herkömmlichen exegetischen Methodenlehre zur Textkritik gleichwohl bestehen - die Einführung in Verzeichnung und Entscheidungskriterien des Nestle-Aland wird keinesfalls obsolet� Ganz im Gegenteil: Der didaktische Beginn bei den Handschriften bietet die große Chance, auf induktivem Weg an den Nestle-Aland heranzuführen� Ausgehend von der Lektüre einer Handschrift kann nachvollzogen werden, was die einzelnen Zeichen im Text und im kritischen Apparat bedeuten� Dies geht am besten durch die Beschäftigung mit einer Handschrift, die im Apparat häufig angegeben ist, wie beispielsweise dem Codex Sinaiticus. Auch die methodisch wichtigen ‚äußeren Kriterien‘ (welche Handschriften die jeweilige Variante lesen) und ‚inneren Kriterien‘ 7 (z� B� Schreibfehler, lectio brevior usw�) der Textkritik können auf diesem induktiven Weg anhand der Entscheidungen der Nestle-Aland-Herausgeber nachvollzogen - und auch kritisch diskutiert werden� Wenn man beispielsweise den Codex Boernerianus transkribiert, stellt man schnell fest, dass dessen Varianten nur einigermaßen selektiv Eingang in den kritischen Apparat fanden� Doch zugleich lernt man auch den großen Vorzug des Nestle-Aland kennen: Er bietet viele Informationen im handlichen Format. Das hier aufgezeigte Vorgehen integriert die Ziele der klassischen Einführung in die Textkritik, erreicht diese jedoch auf einem induktiven Weg, der positive Auswirkungen auf das Lernen, besonders auf die Eigenaktivität und Motivation, vorweist� 8 2.3 Über den Text hinausgehende Forschungspotentiale Mit dem Lernen an Handschriften werden nicht nur die allgemeinen Ziele der exegetischen Methodeneinführung auf einem lernförderlicheren Weg erreicht, sondern diese Lernform bietet darüberhinausgehend noch etliche weiterführende Potentiale: Es rücken neue Forschungsfragen in den Fokus, denn nun ist nicht mehr nur der von der Handschrift gebotene Text interessant, sondern die Handschrift insgesamt� Dies kann zur Auseinandersetzung mit z� B� spannenden Korrekturen oder paratextuellen Phänomen führen� 9 Die Begegnung mit digitalisierten (und vor allem digital transkribierten) Handschriften kann auch der Ausgangspunkt sein, um sich mit vielversprechenden aktuellen For- 7 Vgl. Aland/ Aland, Text, 284f. Vgl. dazu auch Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 23-26. 8 Vgl. die Zusammenstellung der Argumente (und den Verweis auf die Studien) in: Schlak 2003, Grammatik, 86f� 9 Vgl. zum Beispiel das ERC-Projekt Paratexte der Bibel. Analyse und Edition der griechischen Textüberlieferung (ParaTexBib) von Martin Wallraff an der LMU München. 74 Tobias Flemming schungsansätzen wie denen der Digital Humanities zu beschäftigen (vgl� dazu den Beitrag von Jan Heilmann und Juan Garcés in diesem Heft)� Dabei muss es nicht darum gehen, alle im Seminar aufgeworfenen Fragen zu beantworten� Vielmehr sollte es das primäre Ziel sein, ein Bewusstsein für die Fragestellungen, Methoden und Prozesse historischen Arbeitens zu gewinnen� Diese Thematik bietet sich ganz hervorragend für das Lernen an Handschriften an - und wird im nächsten Kapitel näher besprochen� 3 Studierende als Experten gewinnen - Forschendes Lernen Forschendes Lernen zeichnet sich nach der Definition von Ludwig Huber dadurch aus, „dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen - von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt - (mit)gestalten, erfahren und reflektieren“ 10 � Diese Bestimmung zeigt bereits an, welch großes Feld didaktischer Überlegungen mit dem Terminus Forschendes Lernen verbunden ist� Daher möchte ich mich im Folgenden auf zwei für unsere Fragestellung zentrale Punkte beschränken: Der didaktische Ansatz des Forschenden Lernens passt in doppelter Weise hervorragend zum Lernen an digitalisierten Handschriften� Zum einen entstehen bei der Beschäftigung mit Handschriften viele Fragen, die nur auf forschendem Weg - durch Heranziehung anderer Handschriften oder geeigneter Literatur - beantwortet werden können� Zum anderen kann durch die Beschäftigung mit digitalisierten Handschriften forschendes Lernen eingeübt werden - und zwar in der Weise, wie Forschung heutzutage zunehmend geschieht: kooperativ und durch digitale Infrastrukturen unterstützt� 11 Konkret bietet sich durch ein solches Vorgehen die Chance für die Studierenden, unter professioneller Anleitung einen Forschungszyklus zu durchlaufen - angefangen beim Auffinden einer konkreten Fragestellung/ Hypothese, über die Auswahl der Methoden, die Durchführung der Analyse hin zur Darstellung und Reflexion der Ergebnisse. 12 Das Ziel ist hierbei nicht nur, dass sich die Studierenden in das jeweilige Thema 10 Huber, Forschendes Lernen, 10� 11 Vgl. Schulte u. a., Unterstützung, 81. 12 Heidkamp/ Kergel, Digital Turn, 47� Lernen an Handschriften 75 einarbeiten und darin zu Experten werden, sondern sie erlangen auf diesem Wege übergreifende handlungs- und produktorientierte wissenschaftliche Kompetenzen� 13 Didaktisch ist es wichtig, die dabei entstehenden Probleme und Unsicherheiten wahrzunehmen und zu begleiten - gerade wenn die Studierenden das erste Mal mit einem forschungsnahen Lernsetting in Kontakt kommen� Besonders in diesem Fall bietet sich ein kooperatives Arbeiten im exegetischen Seminar hervorragend an, bei dem die Studierenden in kleinen Gruppen gemeinsam an einer Forschungsfrage arbeiten, so dass eventuelle Unklarheiten eher zur Sprache kommen und - auch unter Hinzuziehung der Lehrperson - gelöst werden können� Wie in der Forschung im Allgemeinen, so ist auch beim Forschenden Lernen die Ergebnisdarstellung ein zentraler Aspekt: Daher ist zu empfehlen, am Ende des Seminars einen Artikel zu publizieren, in dem die Forschungsfragen und deren Antworten dargestellt werden� Wir hatten bei unserem Seminar an der TU Dresden (dazu im Folgenden mehr) die Gelegenheit, einen Beitrag im Magazin der sächsischen Bibliotheken zu veröffentlichen. Doch ist auch eine Veröffentlichung auf der Homepage der Fakultät/ des Instituts in vielen Fällen kein Problem, oder - gerade wenn die Handschrift einen lokalen Bezug aufweist - auch in der Regionalpresse oder einer kirchlichen Zeitung� Im gesamten exegetischen Seminar und auch bei der Anfertigung der Publikation ist - besonders bei dem für die meisten Studierenden vergleichsweise fremden Themenfeld der biblischen Handschriften - ein begleitendes prozessuales Feedback von größter Relevanz: Die Studierenden müssen zwischendurch immer wieder die Möglichkeit haben, sich abzusichern, Fragen zu stellen und ihre Zwischenergebnisse präsentieren zu können� Ein letzter Punkt soll dieses Kapitel zum Forschenden Lernen abschließen: Durch den digitalen Wandel wird nicht zuletzt auch die Forschung zunehmend durch digitale Medien und Methoden geprägt und somit zur ‚e-Science‘� 14 Daher ist es im Sinne einer Wissenschaftspropädeutik ein spezieller, immer wichtiger werdender Aspekt, dass die Studierenden den Umgang mit fachspezifischen digitalen Werkzeugen und Plattformen (wie z� B� dem NTVMR ) erlernen - und auch auf diesem Gebiet zu Experten werden� 13 Vgl. Heidkamp/ Kergel, Digital Turn, 47. 14 Vgl. zusammenfassend Heidkamp/ Kergel, Digital Turn, 64. 76 Tobias Flemming 4 Lernen an Handschriften - Kurzdarstellung eines Seminarbeispiels Das soeben vorgestellte Konzept des Forschenden Lernens an Handschriften wurde im WS 2015/ 16 in einem exegetischen Seminar des Instituts für Evangelische Theologie der TU Dresden unter der Leitung von Dr� Jan Heilmann umgesetzt� Ziel des Seminars war, ein digitales Transkript des vor Ort liegenden Codex Boernerianus (G 012) anzufertigen� Dafür wurden von der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek angefertigte Digitalisate dieser Handschrift genutzt� Diese Form der Produktorientierung des Forschenden Lernens hatte den Effekt, dass alle Studierenden an einem gemeinsamen Projekt tätig waren und somit vor ähnlichen Herausforderungen standen - über die sie sich austauschen und gemeinsam Lösungen erarbeiten konnten (z� B� was einzelne, schwer lesbare Buchstaben oder Zeichen angeht)� Die individuellen Forschungsfragen entstanden genau auf diesem Weg der Auseinandersetzung mit der Handschrift, sie wurden von den Studierenden durch die Heranziehung von Literatur und anderen Handschriften bearbeitet (so z� B� die Frage, welche Bedeutung die in unregelmäßigen Abständen gesetzten Punkte zwischen Worten haben oder wofür einzelne Marginalzeichen stehen)� Die ersten beiden Sitzungen wurden genutzt, um sich in der Seminargruppe mit der Handschrift vertraut zu machen: deren Lektüre üben, sich mit ihrer Geschichte und ihren Eigenheiten vertraut machen� Direkt im Anschluss daran wurde in Zweiergruppen mit der Transkription des Epheserbriefes im Codex Boernerianus begonnen� Dazu wurde der oben bereits genannte New Testament Virtual Manuscript Room des INTF Münster genutzt� Hier wurde uns auf Anfrage freundlicherweise ein eigener digitaler ‚Arbeitsraum‘ eingerichtet, in dem in einem Wiki das Vorgehen abgesprochen, Transkriptionsregeln festgelegt und offene Fragen diskutiert werden konnten. Außerdem hatte dies den Vorteil, dass die Transkripte vorerst in einem geschützten, nicht-öffentlichen Raum blieben, so dass sie durch ein internes Peer-Review überprüft werden konnten� Die grafische Oberfläche des NTVMR erleichterte die Transkriptionsarbeit, so dass die Studierenden auch ohne Vorkenntnisse innerhalb einer halben Stunde mit der Funktionsweise des NTVMR vertraut waren� Zwar ist solch ein vorstrukturiertes Transkriptionsinstrument für den Seminarkontext hervorragend geeignet, doch wurden auch seine Grenzen deutlich: So entschied sich die Seminargruppe anfangs dafür, ein möglichst genaues Transkript anzufertigen, auf das mit verschiedenen Fragestellungen zurückgegriffen werden kann - so beispielsweise von der Kunstgeschichte, die die verwendeten Farben in frühmittelalterlichen Handschriften untersuchen könnte� Doch in den Auswahlfeldern des NTVMR lässt sich z� B� nicht festlegen, dass ein Buchstabe mit mehreren Farben ver- Lernen an Handschriften 77 ziert ist� Die Ergebnisse der Transkription können auch in der Auszeichnungssprache XML ausgegeben und weiterverarbeitet werden (so u� a� auch in der angestrebten Münsteraner Editio Critica Maior )� Nach dem Abschluss der Transkription fand in der viert- und drittletzten Sitzung die gegenseitige Überprüfung der Ergebnisse statt, um Auszeichnungs- und Tippfehler zu beheben und noch offene Transkriptionsfragen zu klären. Die letzten beiden Sitzungen wurden dazu genutzt, das Seminar zu reflektieren und mit der Veröffentlichung, die das Forschende Lernen zu einem vorläufigen Abschluss bringen sollte, zu beginnen� Für unser Seminar bot sich durch die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, die von unserem Transkriptionsvorhaben wusste, die Chance, einen kurzen Beitrag im Magazin der Bibliotheken in Sachsen ( BIS ) zu publizieren und so einige Ergebnisse unseres Forschenden Lernens an Handschriften einer größeren - auch fachfremden - Öffentlichkeit zugänglich zu machen� 15 5 Fazit Dieser Beitrag thematisiert das Lernen an Handschriften in exegetischen Lehrveranstaltungen unter hochschuldidaktischen Aspekten� Im ersten Teilkapitel wurde deutlich, dass die unmittelbare Auseinandersetzung mit den biblischen Handschriften im Vergleich zu den üblichen Methodik-Einführungen in die Textbestimmung motivationsfördernd wirkt, auf diesem Weg außerdem induktiv ein Vertrautwerden mit textkritischen Methoden und dem Nestle-Aland erreicht werden kann und darüber hinaus ein weites Feld von weiterführenden Forschungsfragen eröffnet wird. Im zweiten Teil wird dargestellt, weshalb die Methode des Forschenden Lernens außerordentlich gut zum Lernen an digitalisierten Handschriften passt: Bei der Beschäftigung mit Handschriften entstehen a) viele Fragen, die nur auf forschendem Weg beantwortet werden können und b) erleichtern digitale Kollaborationswerkzeuge die Lektüre von Handschriften und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihnen ganz enorm� So gewinnen beide Seiten - das Lernen an Handschriften und das Forschende Lernen - einen wechselseitigen didaktischen Mehrwert� Auf diesem Weg, so die Hoffnung, die aufgrund unserer Seminarerfahrung berechtigt scheint, steigt auch die Begeisterung für den Text der Handschriften� Dabei ist die Transkription mithilfe des New Testament Virtual Manuscript Room nur eine Möglichkeit, Forschendes Lernen an Handschriften in ein exegetisches 15 Vgl. Dalke u. a.: Digitale Transkription, 92-93.f. (insgesamt bis 93). Online verfügbar unter: http: / / bibliotheksmagazin�de/ archiv/ jahrgang-9-ausgabe-nr-2-2016/ 78 Tobias Flemming Seminar zu implementieren� Andere Ideen sind beispielsweise, Korrekturen oder die bildlichen Elemente der Handschrift zu untersuchen oder auch, eine mitlernende Software gemeinsam so anzulernen, dass sie den Text selbständig (und zunehmend fehlerfrei) mittels OCR (Optical Character Recognition) erkennt - hier sind aufgrund der technischen Entwicklung in den nächsten Jahren große Fortschritte zu erwarten� All dies würde ebenso die in diesem Beitrag formulierten Vorzüge des Forschenden Lernens umsetzen� Zu diesem Themenfeld soll nun abschließend noch einmal Schleiermacher zu Wort kommen: „[…] allein man vergißt, daß das Lernen an und für sich, wie es auch sei, nicht der Zweck der Universität ist, sondern das Erkennen; daß dort nicht das Gedächtnis angefüllt, auch nicht bloß der Verstand soll bereichert werden, sondern daß ein ganz neues Leben, daß ein höherer, der wahrhaft wissenschaftliche Geist soll erregt werden�“ 16 Diesen - freilich erneut mit dem zukunftsoptimistischen Pathos des frühen 19� Jahrhunderts formulierten - Sachverhalt würde Schleiermacher heute in Bezug auf die exegetische Textkritik vielleicht so ausdrücken: ‚Der Zweck der Universität ist es nicht, das Gedächtnis mit dem Nestle-Aland-Apparat anzufüllen, sondern den Studierenden soll die Chance gegeben werden, ihren wissenschaftlichen Geist zu wecken und Handschriften-Experten zu werden�‘ Literatur Aland, Kurt/ Aland, Barbara: Der Text des Neuen Testaments� Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart 2 1989� Becker, Uwe: Exegese des Alten Testaments� Ein Methoden- und Arbeitsbuch (UTB 2664), Tübingen 4 2015� Dalke, Daniel u� a�: Das Neue Testament in verändertem Licht? Die Digitale Transkription des Codex Boernerianus, in: BIS 9/ 2 2016, 92f� Ebner, Martin/ Heininger, Bernhard: Exegese des Neuen Testaments� Ein Arbeitsbuch für Lehre und Praxis� Paderborn 3 2015� Egger, Wilhelm/ Wick, Peter: Methodenlehre zum Neuen Testament� Biblische Texte selbständig auslegen, Freiburg 6 2013� Finnern, Sönke/ Rüggemeier, Jan: Methoden der neutestamentlichen Exegese: eine Einführung für Studium und Lehre (UTB 4212), Tübingen 2016� Heidkamp, Birte/ Kergel, David: Der ‚Digital Turn‘ - Von der Gutenberg-Galaxis zur e-Science� Perspektiven für ein forschendes Lernen in Zeiten digital gestützter Wissensproduktion, in: Heidkamp, Birte/ Kergel, David (Hg�): Forschendes Lernen 16 Schleiermacher, Gedanken über Universitäten, 109f� Lernen an Handschriften 79 2�0� Partizipatives Lernen zwischen Globalisierung und medialem Wandel, Wiesbaden 2016, 45-67� Huber, Ludwig: Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist, in: Huber, Ludwig (Hg�): Forschendes Lernen im Studium: aktuelle Konzepte und Erfahrungen� Bielefeld 2009, 9-35� Kirn, Paul: Einführung in die Geschichtswissenschaft� Berlin 5 1986� Schlak, Torsten: Grammatik induktiv oder deduktiv vermitteln? Zielgruppenorientierte Methodikforschung an einem konkreten Beispiel veranschaulicht, in: Eckerth, Johannes (Hg�): Empirische Arbeiten aus der Fremdsprachenerwerbsforschung� Beiträge des Hamburger Promovierendenkolloquiums Sprachlehrforschung� Bochum 2003, 81-96� Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn� Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende, Berlin 1808� Schulte, Jonas u� a�: Unterstützung des ko-aktiven Forschungsdiskurses durch Synergien zwischen E-Learning und E-Science, in: Köhler, Thomas/ Neumann, Jörg (Hg�): Wissensgemeinschaften. Digitale Medien - Öffnung und Offenheit in Forschung und Lehre, Münster 2011, 81-91� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Lehr-/ Lernbeispiele Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Anja Swidsinski 1 Didaktische Herausforderung und Ziele Nicht jede technische Innovation eignet sich für die Lehre, genauso, wie nicht jeder akademische Trend nachhaltig in die jeweilige Fachkultur eingeht� Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien eine immer größere Rolle sowohl im Universitätsbetrieb, als auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen spielt� Als Illustration sei der deutsche Ableger des Blogportals hypotheses�org 1 genannt, der über 400 akademische Blogs verzeichnet 2 und nicht zuletzt deswegen als Publikationsorgan ernst zu nehmen ist, weil die Einträge über die Deutsche Nationalbibliothek eine ISSN (eine internationale Standardnummer für fortlaufende Publikationen 3 ) erwerben können, mit der sie über Bibliothekskataloge auffindbar sind. 4 Es ist die Aufgabe der Lehre, die Studierenden für neuere Entwicklungen im Fach zu sensibilisieren� Gleichzeitig ist es ihre Aufgabe, sie zur Teilhabe daran zu befähigen� Beide Aufgabenbereiche, die Sensibilisierung sowie die Be- 1 OpenEdition: hypotheses� Blogportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften� www� de.hypotheses.org. Letzter Zugriff am 06.07.2017. 2 DHI Paris, Bloggen� 3 Zu den International Standard Serial Numbers (ISSN) vgl� International Centre, ISSN� 4 König, ISSN� 82 Lehr-/ Lernbeispiele fähigung der Studierenden zu Wissenschaftskommunikation standen im Vordergrund eines Lehr-/ Lernprojekts, das akademisches Bloggen als zentrale Methode einsetzte� Ein erstes Ziel der Verwendung von Blogs war es, den Studierenden einen Einblick in die Produktionsbedingungen eines Wissenschaftsblogs zu geben 5 � Ein zweiter didaktischer Schwerpunkt war es, die Studierenden dazu zu befähigen, eigene Blog-Einträge zu verfassen und somit selbst Wissenschaftskommunikation zu betreiben 6 � 2 Einbettung in die Lehrveranstaltung Das Lehr-/ Lernprojekt Bloggen war Teil des Projektseminars ‚Wissenschaftskommunikation‘, das begleitend zur ‚Langen GenderLeseNacht‘ 7 (einer interdisziplinären Zusammenarbeit mehrerer Fakultäten der TU Dresden) in den WS 2014 und 2015 stattfand� Das Seminar besaß die Doppelfunktion, einerseits ein inhaltlich und didaktisch eigenständiges Programm anzubieten und andererseits die LeseNacht zu komplementieren, indem im Rahmen des Seminars ein begleitendes Rahmenprogramm für die Lesung produziert wurde� Beide Funktionen waren eng mit dem Hauptziel, theoretische sowie praktische Aspekte von Wissenschaftskommunikation zu vermitteln, verknüpft� Die Seminarstruktur erlaubte es einerseits, Formen von Wissenschaftskommunikation abstrakt zu thematisieren, gleichzeitig ergab sich durch den Projektcharakter des Seminars die Notwendigkeit, das Gelernte anzuwenden, um Produkte zu erstellen� Die methodische Entscheidung, Blogs einzusetzen, stand im engen Zusammenhang mit den oben genannten Zielen, da Blogs, wie oben schon beschrieben, zunehmend eine Rolle in der Wissenschaftskommunikation spielen� Wichtig ist, dass eine Methode nicht nur innovatives Beiwerk darstellt, sondern mit den avisierten Lernergebnissen der Veranstaltung sowie den geplanten Prüfungsformen abgestimmt ist� Dieses ‚constructive alignment‘ 8 von Zielen, Methoden und Prüfung stellte sich im aktuellen Lehr-/ Lernbeispiel wie folgt dar: 5 Dieses Lernziel entspricht dem Bereich ‚Wissen und Verstehen‘ des Kompetenzmodells im aktuellen Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse. HRK, Qulifikationsrahmen� 6 Dieser Schwerpunkt entspricht dem Bereich ‚Kommunikation und Kooperation‘ des Kompetenzmodells im aktuellen Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse. Ebd� 7 Höhnisch, GeschlechterGeschichten� 8 Zum Konzept constructive alignment vgl� Biggs/ Tang, Teaching� Lehr-/ Lernbeispiele 83 Das Ziel, die Produktionsbedingungen von Wissenschaftskommunikation theoretisch zu reflektieren, wurde verfolgt, indem die Studierenden sich in der ersten Sitzung mit der spezifischen Struktur von Blogs beschäftigten, indem sie aus verschiedenen Quellen 9 eine Übersicht der typischen Komponenten von Blogs erstellen sollten� In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, welche dieser Komponenten den diskursiven Traditionen der Fachkultur ent- (Kommentarfunktion, Verlinkungen) bzw. widersprechen (Bilder). Das zweite Ziel, das Wissen über Wissenschaftskommunikation praktisch zu erproben, wurde von Anfang an methodisch umgesetzt, indem die Studierenden angehalten wurden, ab der ersten inhaltlichen Sitzung selbst Blog-Einträge zu verfassen. Um die Studierenden nicht zu überfordern und eventuelle Ängste gegenüber der neuen Arbeitsform abzubauen, war die Vorgabe, für den ersten Blog-Eintrag nur einzelne Komponenten von Blogs (provokante Überschrift zum Text, Verbindung von Inhalt und Bild bzw. von Inhalt und Verlinkung auf andere Quellen) als Schwerpunkt der Blogartikel in den Mittelpunkt zu rücken� Dabei bestand die Möglichkeit, gezielt Negativbeispiele zu erstellen� Im Verlauf des Semesters wurden von Seiten der Seminarleitung in jeder Sitzung zunehmend komplexere Artikelangebote formaler oder inhaltlicher Art gemacht, die eng mit anderen Komponenten des Seminars verknüpft waren und somit gezielt zur Übung bestimmter Textsorten (Thesendarstellung, Rezension, Autorvignette) eingesetzt werden konnten� Diese wurden jeweils am Anfang der Sitzung kommuniziert, so dass die Studierenden in deren Verlauf überlegen konnten, welche der besprochenen Inhalte sie gerne im Blog verschriftlichen würden� Über die Artikelvorschläge seitens der Seminarleitung konnten sowohl Inhalt als auch Ausführlichkeit der Artikel gesteuert und somit dem Arbeitsaufkommen im Seminar insgesamt angepasst werden� Dabei wurden gezielt Arbeitsaufträge kleineren Umfangs vorgeschlagen, um damit die Angst vor dem neuen Medium bzw� der Textsorte und den Mehraufwand zu verringern� Die Artikel wurden regemäßig im Seminar diskutiert� Die begrenzte Präsenzzeit im Seminar konnte entlastet werden, weil die Artikel im Vorfeld gelesen und digital mittels der Rückmeldefunktion der Sternchenvergabe (von 1-5) bewertet wurden� Die Kriterien für diese Diskussionen waren aus den gemeinsamen theoretischen Überlegungen über die Komponenten von Blogs und den gleichzeitig unabdingbaren Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit der Artikel erwachsen� Durch diese Bewertungsaufgabe fand schon während des Semesters ein Transfer von der theoretischen auf die praktische Ebene statt� Um den methodischen Einsatz von Blogs auch bei der Frage der Bewertung von Studienleistungen zu berücksichtigen, wurden die Artikel als Teil der Prü- 9 Vgl. z. B. Geldschläger, Blog. 84 Lehr-/ Lernbeispiele fungsleistung verankert� Als Teil des abschließenden Portfolios 10 sollte ein selbst verfasster Blog-Artikel eingereicht werden, der in Bezug auf die im Seminar entwickelten Kriterien zu kommentieren war. Dies eröffnete den Studierenden die (explizit kommunizierte) Möglichkeit, auch einen wenig gelungenen Artikel einzureichen� Die Leistung konnte also entweder mit stärkerem Schwerpunkt auf der kommunikativen Leistung des Blogeintrags oder auf der Wiedergabe von Kriterienwissen (und dessen Anwendung) erbracht werden� Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf den Einsatz von Blogs im Projektseminar ‚Wissenschaftskommunikation‘ sagen, dass diese Methode sowohl mit den Seminarzielen als auch mit den Bewertungsformen eng verzahnt war� Diese Verzahnung wurde den Seminarteilnehmern von Anfang an deutlich kommuniziert, so dass die Möglichkeit, die Blogartikel als kleine Übungsformen vor dem Erbringen größerer Leistungen zu nutzen bzw� auch die Freiheit, mehrere Artikel zu schreiben und nur einen daraus auszuwählen, auch als Motivationsfaktoren fungierten� Die genannten Faktoren sind auch von den Studierenden in den Evaluationen positiv hervorgehoben worden� Ein anderer wichtiger Faktor für die Studierenden war die mit der Auseinandersetzung mit Blogs verbundene Berufsfeldorientierung� Das Kennenlernen und Ausprobieren einer in den Geisteswissenschaften immer wichtiger werdenden Arbeitsform kam ihrem Bedürfnis nach Erfahrungen mit der praktischen, berufsfeldbezogenen Anwendung des universitären Wissens entgegen� Schlussendlich ist aus der Perspektive der Lehrenden zu erwähnen, dass ein rein praktischer Gesichtspunkt bei der Entscheidung dafür, mit Blogs zu arbeiten, der Vorteil war, dass Blogs unproblematisch auf Lernplattformen wie OPAL oder Moodle bzw� über Anbieter wie Wordpress 11 angelegt werden können und als digitales Medium relativ wenig Aufwand bereiten-das Einsammeln von gedruckten Studierendenleistungen und deren Verwaltung entfällt, je nach Plattform sind darüber hinaus verschiedene digitale Kommentar- und Rückmeldemöglichkeiten 12 mit den Blogs verknüpft� Nicht zuletzt stellt das Blog eine Arbeitsform dar, die der aktuellen Tendenz, Wissen zunehmend in digitaler Form zur Verfügung zu stellen, näher kommt als herkömmliche Lehr-/ Lern-Settings� 10 Zur Bewertung mit Hilfe von Portfolios vgl� Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik, Lern- Portfolio� 11 Automattic.inc, Wordpress. www.wordpress.com. Letzter Zugriff am 06.07.2017. Bei nicht universitätsgebundenen Anbietern sind jedoch sowohl datenschutztechnische als auch rechtliche Fragen zu bedenken� 12 So z. B. die Bewertung durch die Vergabe von 1-5 Sternchen, die auch gleichzeitig zum Ranken, also Sortieren der Artikel nach Beliebtheit verwendet werden kann� Lehr-/ Lernbeispiele 85 Literatur Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik: Lern-Portfolio� http: / / www�hochschuldidaktik� uzh�ch/ dam/ jcr: 00000000-1937-95a7-0000-0000058e6a2d/ du_lernportfolio-1�pdf, letzter Zugriff am 06.07.2016. Automattic.inc: Wordpress. www.wordpress.com, letzter Zugriff am 06.07.2017. Biggs, John B�/ Tang, Catherine: Teaching for Quality Learning at University, Maidenhead 4 2011� Deutsches Historisches Institut Paris: Bloggen in den Geisteswissenschaften: de�hypotheses�org feiert 5-jähriges Jubiläum� https: / / www�dhi-paris�fr/ newsroom/ detailseite/ news/ detail/ News/ bloggen-in-den-geisteswissenschaften-dehypothesesorg-feiert- 5-jaehriges-jubilaeum.html, letzter Zugriff am 06.07.2017. Geldschläger, Jonas: Blog schreiben! Schreibst Du gute Blog-Artikel? http: / / blogkiste� com/ blog-schreiben/ , letzter Zugriff am 06.07.2017. Hochschulrektorenkonferenz: Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse. HQR. https: / / www.hrk.de/ fileadmin/ redaktion/ hrk/ 02-Dokumente/ 02-03- Studium/ 02-03-02-Qualifikationsrahmen/ 2017_Qualifikationsrahmen_HQR.pdf, letzter Zugriff am 06.07.2017. Höhnisch, Jana: GeschlechterGeschichten� Lange GenderLeseNacht� https: / / tu-dresden� de/ gsw/ der-bereich/ news/ news_article.2014-12-18.3996522313, letzter Zugriff am 06�07�2017� König, Mareike: Erste ISSN für Blogs von de�hypotheses vergeben� https: / / redaktionsblog.hypotheses.org/ 1614, letzter Zugriff am 06.07.2017. OpenEdition: hypotheses� Blogportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften� www� de.hypotheses.org, letzter Zugriff am 06.07.2017. The International Centre for the Registration of Serial Publications - CIEPS: What is an ISSN? http: / / www�issn�org/ understanding-the-issn/ what-is-an-issn/ , letzter Zugriff am 06.07.2017. Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis Matt Munson 1 Zu Python als Basis der NLP-Vermittlung Meine Erfahrung, die Methoden des Natural Language Processing (NLP) 1 anhand biblischer Quellen zu vermitteln, sind vielfältig� Bisher unterrichtete ich Anfänger und fortgeschrittene Studierende in wöchentlichen Kursen, in Blockseminaren sowie in kürzeren, einbis zweitägigen Lehreinheiten� Dabei baute ich jeweils auf der Programmiersprache Python auf, die ich auch für meine eigenen Analysen verwende� Bereits in den frühen Phasen meiner Karriere als DH’ler erkannte ich, dass vorgefertigte Tools für die Durchführung von computergestützten Textanalysen nur zu 50-60% zielführend einsetzbar sind, dass ich mit ihnen aber nie die von mir definierten Ziele erreichte. So befand ich mich in dem Dilemma, entweder meine Forschungsziele den vorhandenen Tools anzupassen oder lernen zu müssen, meine Ziele an den Programmvorgaben auszurichten� Dieses war der Grund, warum ich mich dafür entschied, eine Programmiersprache zu erlernen und meine eigenen Lösungen zu entwickeln� Dabei verwende ich Code-Sammlungen, die es bereits in Python gibt� Ein entscheidender Grund für mich, NLP unter der Nutzung von Python zu unterrichten, ist die Möglichkeit, Studierenden aufzuzeigen, wie sie sich Lösungen erarbeiten können, wenn die vorhandenen Tools diese nicht vorsehen 1 Als Natural Language Processing wird jegliche Form einer computergestützten Analyse eines Textes bezeichnet, die an einem Text in einer mündlichen oder geschriebenen Sprache, d� h� in einer ‚natürlichen Sprache‘ durchgeführt wird� 88 Lehr-/ Lernbeispiele und sie deshalb ihre Forschungsfragen nicht stellen können� Die Befähigung der Studierenden, ihre Forschungsfragen beantworten zu können, führt gleichzeitig zu einem genaueren Verständnis ihrer Fragen sowie der Methoden, die sie anwenden� Der damit verbundene mühsame Lernprozess der Studierenden, Forschungsfragen durch die Nutzung digitaler Systeme zu beantworten, führt dazu, dass sie selbst entscheiden müssen, welche Methoden es ihnen erlauben, ihre Datensammlung in der Art und Weise, wie sie es für nötig erachten, auszuwerten� Durch die Übersetzung der Methoden in eine Programmstruktur erwerben sie die wissenschaftliche Fähigkeit, eigenständige, methodisch profilierte Untersuchungen durchzuführen, wie dieses bei einer Anwendung vorgefundener Programme nicht der Fall wäre� Dieser Ansatz stellt eine große Herausforderung für die Lehrenden dar, die sowohl die computertechnische, als auch die fachwissenschaftliche Seite gleichermaßen verstehen und vertreten müssen, um die Studierenden bei ihren Problemlösungen zu unterstützen� Eine solche duale Unterstützung benötigen sowohl Studierende der geisteswissenschaftlichen Fachdisziplinen, als auch der Informatik� Während die ersten die fachwissenschaftliche Perspektive der NLP verstehen und Hilfe brauchen, ihr Wissen auf Digitalisate zu übertragen, stehen die anderen vor dem gegenteiligen Problem, ihr Wissen über computer gestützte Methoden auf den geisteswissenschaftlichen Bereich hin anzuwenden� Mir als Geisteswissenschaftler fällt es schwerer, Informatikern geisteswissenschaftliches Denken zu vermitteln als umgekehrt� Dies hat m� E� etwas mit der Denkweise und Problemanalysemethodik von Geistewissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern zu tun� Diese habe ich durch meine eigene Tätigkeit verinnerlicht� Oftmals verstehe ich nicht, warum Informatikstudierende es schwierig finden, eine Problemstellung geisteswissenschaftlich zu betrachten. Die Studierenden der Geisteswissenschaften wiederum kämpfen mit denselben Problemen, die auch mir begegnen, wenn ich versuche, ein geisteswissenschaftliches Phänomen computergestützt zu bearbeiten� 2 Zum Aufbau einer didaktischen Struktur Nachdem ich mich entschieden hatte, NLP unter Nutzung einer Progammiersprache zu unterrichten, stellte sich mir die Frage, wie ein solcher Kurs zu gestalten ist. Bei den ersten Versuchen, NLP zugleich an Studierende der Geisteswissenschaften und der Informatik zu vermitteln, begann ich zunächst mit der Unterweisung der Programmiersprache und wandte mich erst im weiteren Verlauf des Kurses einer Anwendung auf NLP spezifische Problemstellungen zu. Dieser Ansatz erwies sich als schwierig für beide Studierendengruppen� Für die Lehr-/ Lernbeispiele 89 Studierenden der Geisteswissenschaften bedeutete dies, zunächst für sie unbekannte und unerheblich scheinende Dinge wie Datenarten und Grundlagen einer funktionalen Programmierung zu erlernen, bevor sie dazu kamen, ihre geisteswissenschaftlichen Interessen zu verfolgen� Die vermittelten Informationen über die technischen Aspekte konnten von diesen Studierenden kaum aufgenommen werden, da sie diese nicht kontextualisieren konnten und daher auch nicht verstanden, warum sie wichtig sind. Mein Ansatz glich dem Versuch, eine fremde Sprache allein durch den Erwerb grammatischer Regeln zu vermitteln, und zugleich zu erwarten, dass die Lernenden die Sprache hinterher sprechen können, ohne Vokabeln gelernt zu haben. Für die Informatikstudierenden wiederum, welche bereits andere Programmiersprachen kennen, war dieser Zugang eine noch höhere Zeitverschwendung, da sie sich die Informationen im Selbststudium mit höherer Effizienz aneignen können. Meine Kursstruktur veränderte sich im Sommer 2016 grundlegend, als mich eine Kollegin bat, zwei Einheiten in ihrem Seminar zu übernehmen, um den Studierenden zu helfen, Pythons Natural Language Toolkit (NLTK) zu erlernen� Zunächst war ich äußerst skeptisch, ob und bis zu welchem Grad Studierende NLP-Methoden erlernen können, wenn sie die Grundlagen der Programmiersprache nicht kennen� Meine Skepsis wich, als ich feststellte, dass die Studierenden äußerst engagiert waren und interessante NLP-Ergebnisse bereits in den ersten Stunden des Kurses erarbeiteten� Ehrlicherweise muss ich sagen, dass dies nicht meinen hohen didaktischen Fähigkeiten geschuldet war, als vielmehr der Tatsache, dass die Entwickler von NLTK mittlerweile online ein Buch zur Verfügung stellen, in dem der Gebrauch ihrer Tools erläutert wird. Dieses Buch ist unter http: / / www�nltk�org/ book/ frei abrufbar� Mit der Nutzung des Buches veränderte sich meine Rolle als akademischer Lehrer weg vom Bemühen, interessante Wege zu finden, meinen Studierenden uninteressante Dinge zu vermitteln, hin zu einer Begleitung ihrer kreativen Prozesse, Forschungsfragen in einer Art und Weise zu formulieren, dass NLTK nach ihnen befragt und durch es beantwortet werden kann� Der unerhoffte Erfolg, den ich in meinem Kurs erzielt hatte, führte dazu, dass ich meinen bisherigen Ansatz aufgab� Ich hatte noch keine Gelegenheit, meinen neuen, auf NLTK basierenden Ansatz auch mit Informatikstudierenden zu erproben� Ich erwarte jedoch denselben Erfolg, den ich bereits mit den Studierenden geisteswissenschaftlicher Fächer hatte. Wenn ich den Vergleich mit dem Erwerb einer Sprache an dieser Stelle nochmals bemühe, dann ist mein Ziel bei der Vermittlung von NLP an Studierende nicht, diese zu Philologen auszubilden, die alle Details der inneren Struktur der Programmiersprache kennen, sondern Sprachfähigkeit hinsichtlich des NLP-Dialekts von Python zu erlangen, 90 Lehr-/ Lernbeispiele die sie in die Lage versetzt, tagtägliche Probleme zu lösen, denen sie in den Geisteswissenschaften oder der Informatik begegnen� NLTK lässt sich neben modernen Sprachen auch auf die biblischen Ursprachen anwenden� Auch wenn das in NLTK eingeschlossene Corpus schwerpunktmäßig in moderne Sprachen umfasst und ein besonderes Gewicht auf englischsprachigen Quellen liegt, ist es sehr einfach, eigene Corpora zu importieren und mit ihnen zu arbeiten. Innerhalb der ersten beiden Unterrichtsstunden erwerben die Studierenden die Fähigkeit, Diagramme von z. B. dem Verwendungsmuster der Wörter Χριστός, θεός und πνεῦμα im Neuen Testament oder in der Hebräischen Bibel von חור ,די und םש zu erzeugen, die sie zu weiteren Forschungsfragen führen, allein schon, wenn sie beschreiben, was sie sehen� So werden sie bei der Betrachtung von Abbildung 1, die sich auf die erste Fragestellung bezieht, z. B. fragen, warum Χριστός in der ersten Hälfte der Neuen Testaments, d. h. in dn Evangelien und der Apostelgeschichte, so unregelmäßig erscheint. Ein vergleichbares Diagramm (Abb� 2) würde dazu herausfordern, das Erscheinen von חור in der zweiten Hälfte des Alten Testaments und die vergleichweise geringe Verwendung von די im selben Textbereich zu untersuchen� Abb. 1: Lexical Dispersion Plot zu Χριστός, θεός und πνεῦμα im NT © Matt Munson Lehr-/ Lernbeispiele 91 Abb. 2: Lexical Dispersion Plot zu די , חור und םש im AT © Matt Munson 3 Zum Selbstverständnis des Lehrenden Ein Aspekt ist hinsichtlich dieses Ansatzes jedoch zu bedenken: Er setzt zwigend ein ziemlich hohes Level an Kenntnissen und Erfahrung mit Python voraus� Ich halte mich nicht für einen fortgeschrittenen Python -Programmierer, verfüge aber durchaus über ausreichende Erfahrung, die meisten meiner NLP-Fragen mittels des Programms zu beantworten� Und selbst auf diesem Level stelle ich fest, dass ich auf Fragen der Studierenden nicht immer adäquat reagieren kann� Dies wäre mir peinlich gewesen, bevor ich begann, NLP zu unterrichten� Die Vermittlung von NLP führte dazu, dass sich mein Selbstbild als akademischer Lehrer veränderte� Ich nehme mich nicht mehr als den Experten im Unterrichtsraum wahr. Vielmehr sehe ich mich als den vielleicht fortgeschrittensten Studenten in einer Gruppe wissbegieriger Forschender, die alle voneinander lernen und gemeinsam voranschreiten� Als Geisteswissenschaftler, der digitale Fertigkeiten vermittelt, ist dies eine Rolle, in die man sich zunächst einfinden muss� Dazu gehört es auch, darauf vorbereitet zu sein, dass Studierende Fragen stellen könnten, auf die man nicht vorbereitet ist� Wie ich bereits oben schrieb, eröffnet das Erlernen einer Progammiersprache, um NLP-Problemstellungen zu lösen, Forschungsmöglichkeiten, die mit bereits existierenden Tools nicht 92 Lehr-/ Lernbeispiele möglich wären� Man sollte daher Studierende immer darin unterstützen, ihre eigenen Wege zu gehen� Schließlich muss sich jede Theologin und jeder Theologe, die/ der sich entscheidet, Studierenden NLP-Progammierung sei es mit Python oder mit einer anderen Programmiersprache zu vermitteln, bewusst sein, dass sie/ er bereits die Bereiche der eigenen Fachexpertise verlässt und sich auf ein Wissenslevel begibt, das dem der Studierenden nahezu identisch ist� Die Forschungsmöglichkeiten und die veränderte Art, Problemstellungen zu bearbeiten, sind es allemal wert, dieses Risiko einzugehen� Ich bin davon überzeugt, dass es letztendlich einem verbesserten Verständnis theologischer Gehalte dient - sowohl für die akademisch Lehrenden, als auch für die Studierenden� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Rezensionen Online-Portale zu antiken Texten und Manuskripten rezensiert von Helge Bezold Computergestützte Analysen haben in den Bibelwissenschaften eine verhältnismäßig lange Tradition� Einschlägige Software bewährte sich schnell in den theologischen Fächern und setzte neue Maßstäbe in der exegetischen Arbeit� Insbesondere der schnelle morphologische und konkordante Zugriff auf ein umfassendes Datenmaterial innerhalb wie außerhalb der biblischen Literatur etablierte die Exegese als Teil der Digital Humanities � Die Bedeutung dieser technischen Möglichkeiten kann kaum überschätzt werden und wird aktuell intensiv diskutiert� 1 Einschlägige Kenntnisse dieser Programme gehören inzwischen zu den wesentlichen Kompetenzen der Exegese im Theologiestudium� Neben der Bibelsoftware (z�B� BibleWorks, Accordance, Logos) bieten zahlreiche Online-Portale kostenfreien Zugang zu bibelwissenschaftlich relevanten Bereichen� Aus der großen Fülle des Angebots seien hier die folgenden einschlägigen Portale zu antiken Text- und Bildquellen exemplarisch vorgestellt und auf ihre Einsatzmöglichkeiten in Lehrveranstaltungen hin befragt� 1 Vgl. Clivaz, Claire u. a. (Hg.), Digital Humanities in Biblical, Early Jewish and Early Christian Studies (Scholarly Communication 2), Leiden u�a� 2014� 94 Rezensionen 1 CDLI (http: / / cdli.ucla.edu) Die CDLI (Cuneiform Digital Library Initiative) ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of California, Los Angeles, der Oxford University, des Centre national de la recherche scientifique, Paris sowie des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, Berlin� Die Plattform macht sich die digitale Aufbereitung der gesamten keilschriftlichen Texte und deren systematische Dokumentation zur Aufgabe� Das groß angelegte Projekt hat dabei den Anspruch, die schier unüberblickbare Menge an altorientalischen Keilschriftfunden in einem interdisziplinären Netzwerk zu bearbeiten und letztlich einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Von etwa 500.000 vorliegenden Keilschriftfunden aus einem Zeitraum von mehr als 3500 Jahren sind gegenwärtig bereits 320�000 durch die CDLI katalogisiert, wobei die Plattform um tägliche Aktualisierung bemüht ist� Die CDLI ist der unangefochtene Maßstab in Bezug auf digitale Katalogisierung und Recherche von Keilschrifttexten� Die Datenbank bietet zum jeweiligen Artefakt eine übersichtliche Kartei, die in drei Spalten die wesentlichen Informationen bereitstellt� Neben den üblichen Angaben zu Fundort, Alter, Material und Sprache findet sich in einer zweiten Spalte eine hochauflösende Fotografie (sofern verfügbar) sowie in einer dritten eine zeilenweise Transliteration mit englischer (bzw� in Teilen deutscher) Übersetzung� Insbesondere die fotografische Aufarbeitung des Materials, die aus allen Perspektiven erfolgt, erlaubt eine nachvollziehbare Arbeit an den Texten� Leider liegen zum aktuellen Zeitpunkt häufig keine Bilder, sondern lediglich Abzeichnungen bzw. schwarz-weiß Fotografien vor. Die Suchfunktion ermöglicht u. a. eine Suche nach Fundort, Datierung oder direkt nach CDLI-Nummer� Besonders hilfreich für die Arbeit in den Bibelwissenschaften ist die erweiterte Suchfunktion, die es zulässt, direkt nach Termini in der Transliteration und Übersetzung zu suchen, wenngleich die Fülle der variablen Suchmöglichkeiten (insbesondere vor dem schwarzen Hintergrund) leicht unübersichtlich wirkt� Bei fortgeschrittener Kenntnis lässt jeder Eintrag der Datenbank die Möglichkeit zur Einsendung von Korrekturen und Verbesserungen (z. B. Transliterationsvorschläge) zu. Die eigene cdli-wiki-Seite bietet dazu umfassende Richtlinien, wertvolle Datensätze für die computergestützte Verarbeitung der Quellen und Links auf weiterführende Hilfsmittel. Die iPad-App „cdli tablet“ erleichtert ferner den mobilen Zugriff auf die Datenbank� Die Initiative ist mit den renommierten Foren aus den altorientalischen Fachgebieten (u�a� KeiBi oder CCP) vernetzt und wird durch die Datenbank Oracc (The Open Richly Annotated Cuneiform Corpus) ergänzt, welche Transliterationen in projektbezogenen Unterkategorien bietet� Für Studierende wie Forschende bietet die im Umfang allerdings wesentlich beschränktere Daten- Rezensionen 95 bank des CCP (Cuneiform Commentaries Project, Yale University) im Einzelfall umfassendere Informationen� Bisher sind hier allerdings erst etwa 200 Tontafeln eingestellt� Die CDLI ist eine effiziente Ressource, die durch die Übersetzungen auch von Studierenden ohne (vertiefte) Keilschriftkenntnisse zu Rate gezogen werden kann� Sie bietet - in etwa vergleichbar mit der Datenbank des TLG - schnellen und konkordanten Zugang zu einer schon jetzt äußerst umfangreichen Datenmenge, die noch weiter anwachsen wird� Die erweiterte Suchfunktion ermöglicht z. B. die Suche nach bestimmten Begriffen, wobei die Uneinheitlichkeit der vorhandenen Übersetzungssprachen diese Suche leider erschwert� Die größte Stärke des CDLI, sein beeindruckender Umfang, kann sich für Studierende fernab der Altorientalistik schnell als Schwäche erweisen: Das z� B� durch die Suchfunktion reduzierte Material ist oftmals immer noch sehr umfangreich� Eine intensive Einführung in die Funktion der CDLI sowie die parallele Recherche mithilfe einschlägiger Literatur zur atl� Umwelt sind zur Einschätzung der Belastbarkeit des so eingegrenzten Materials weiterhin unerlässlich� Dennoch bietet die CDLI exegetisch arbeitenden Studierenden den übersichtlichsten und umfangreichsten online-Zugang zum Textmaterial des alten Orients� Für Studierende mit fortgeschrittenen Keilschriftkenntnissen ist die Mitarbeit oder Korrektur an Transliterationen nach den ausführlichen Richtlinien des eigenen wiki-Portals eine spannende Möglichkeit, Forschendes Lernen zu betreiben, das letztlich der Erschließung des Materials zugute kommt� 2 BODO. BIBEL+ORIENT Datenbank Online (http: / / www.bible-orient-museum.ch/ bodo/ ) Das BIBEL + ORIENT Museum in Fribourg, Schweiz, führt vor Ort durch kompetent angeleitete Führungen und Workshops in die Welt der Bibel in ihrem altorientalischen Kontext ein� Der Fokus liegt darauf, die biblischen Texte durch ausgewählte Objekte der altorientalischen Kulturen in ihrem Entstehungskontext zu verorten und ihre realgeschichtlichen Hintergründe plastisch werden zu lassen� Seit 2010 wird das Angebot um die Online-Datenbank BODO (BIBEL + ORIENT Datenbank Online) erweitert� Diese ermöglicht den weltweiten Zugriff auf die digitalisierten Bestände des Museums, das vor Ort stets nur eine Auswahl aus tausenden Siegeln, Amuletten und weiteren Objekten präsentieren kann� Der frei zugängliche Katalog eröffnet den schnellen und einfachen Zugang zur beeindruckenden Sammlung des Museums (nach eigenen Angaben 21�000 Einträge mit mehr als 150�000 Bilddateien)� Die Startseite ist übersichtlich gestaltet, wobei eine Einleitung 96 Rezensionen in Funktion und Konzept der Datenbank nur über die Seite des Museums zu finden ist, auf der Seite der Datenbank jedoch fehlt. Ein einfaches Suchfenster erlaubt die Suche u� a� nach Objektart (z� B� Rollsiegel), Material oder Fundort sowie zusätzlich nach dargestelltem Inhalt (z� B� Löwe)� Ferner besteht die Möglichkeit, die Suche mithilfe eines Zeitstrahls (10�000 v� Chr� - 2000 n� Chr�) schnell einzugrenzen� Eine erweiterte Suchfunktion erlaubt das Kombinieren von Suchbegriffen. Sehr erfreulich ist die Fülle des Materials, die sehr übersichtliche Katalogisierung - neben den üblichen Angaben sind oft ausführliche Begleittexte und bibliographische Angaben beigegeben - und die Bebilderung durch mehrseitige Fotografien und Abzeichnungen. Die Datenbank präsentiert sich als effizientes und einfach bedienbares Werkzeug, das Forschenden wie fachfremden Interessierten Zugang zu der gut gepflegten Sammlung des Museums bietet. Die teilweise Verlinkung mit dem wissenschaftlichen Bibellexikon wibilex�de erlaubt weiterführende Studien� Für Forschung und Lehre in den bibelwissenschaftlichen Fächern stellt die Datenbank eine wertvolle E-Learning-Ressource dar� Die übersichtliche Anwendung ermöglicht effizienten Zugang zu einer großen Sammlung altorientalischen Materials, das nach wissenschaftlichen Standards detailliert und kompetent aufbereitet ist� Die ausführlichen Beschreibungen der Objekte sowie die fundierten bibliographischen Angaben erlauben auch fachfremden Studierenden intensives und vor allem selbstständiges Arbeiten� 2 Die BODO erweitert damit die ohnehin wertvolle Arbeit des BIBEL + ORIENT Museums um eine innovative Plattform, die mit entsprechender Einführung gewinnbringend in Übungen und Seminare der exegetischen Fächer integriert werden kann� 3 The Digital Dead Sea Scrolls (http: / / dss.collections.imj.org.il) Die vom Israel Museum in Jerusalem herausgegebene Plattform „The Digital Dead Sea Scrolls“ (DSS) bietet Zugang zu den intensiv diskutierten Textfunden vom Toten Meer, wobei lediglich die große Jesajarolle (1QIsa a ), die Tempelrolle (11Q19), die Kriegsrolle (1QM), die Gemeinderegel (1QS) und der Pesher Habakuk (1QpHab) digitalisiert verfügbar sind� Die Seite der DSS-Kollektion ist übersichtlich gestaltet und bietet durch ein leicht zu bedienendes Interface Zugang zu den fünf Rollen� Als Beispiel sei die Darstellung von 1QIsa a angeführt, die bisher leider die einzige Rolle darstellt, zu 2 Eine Sammlung aller Referenzen, auf die BODO verweist, findet sich unter https: / / www. academia�edu/ 12256218/ Lippke_2015�2_Bibliography_Bible_Orient_ und steht dort zum Download bereit� Rezensionen 97 der eine englische Übersetzung auf der Seite angeboten wird� In einer digitalen Version erscheint die Rolle in der Mitte des Bildschirms, wobei das Lesen entweder nach Kolumnen oder nach Kapiteln/ Versen möglich ist. Die größte Stärke des auf fünf Rollen beschränkten Programms ist dabei die gute Orientierung mithilfe einer versweisen Markierung, die mittels einer transparenten roten Markierung das Lesen auf der Rolle ermöglicht� Durch einfaches Klicken auf den markierten Vers erscheint die dazugehörige englische Übersetzung. Die Lektüre dieser ohnehin eindrucksvollen Rolle gelingt somit schnell und aufgrund der guten Zoom-Funktion besonders einfach� Bei den anderen vier Rollen bleibt die Funktionalität aufgrund fehlender Übersetzung bzw� Transkription leider eingeschränkt� Im hochschuldidaktischen Kontext ist die Arbeit an der großen Jesajarolle mit ihrem einfachen Handling ein plastischer Einstieg in die Arbeit mit den Texten aus Qumran� Insbesondere die versweise Markierung erlaubt einen schnellen Textvergleich z� B� mit der BHS� Leider ist die Auswahl der Rollen stark begrenzt und es fehlt (auch im Falle von 1QIsa a ) eine Transkription� Zudem ist die fortlaufende Kommentarfunktion ohne Bezug zu Rolle oder Textabschnitt auf der Startseite für den akademischen Gebrauch leider völlig unbrauchbar� Immerhin gibt es - wenn auch etwas umständlich zugänglich - einen zweispaltigen englischen Textvergleich zwischen der Jesajarolle und der JPS-Übersetzung� 4 The Leon Levy Dead Sea Scrolls Library (http: / / www.deadseascrolls.org.il) Die maßgeblich durch den Philanthropen Leon Levy geförderte digitale Bibliothek, die die Israel Antiquities Authority betreut, bietet digitalen Zugang zu allen Fragmenten der Textfunde der judäischen Wüste (damit u� a� auch zu den Fragmenten von Wadi Murabbaʿat, Naḥal Ḥever und Masada). Neben der Bereitstellung hochauflösender Fotografien ist das langfristige Ziel, jedem Fragment eine Transkription und Übersetzung beiseite zu stellen. Das aufwendige Verfahren der digitalen Aufbereitung der Fragmente garantiert eine beeindruckende Qualität sowie - sofern materialiter gegeben - gute Lesbarkeit und verhindert damit langfristige Schäden an den empfindlichen Originalen. Aufgrund der Fülle der Fragmente liegt dem Portal der Dead Sea Scrolls Library ein komplexes System zum Auffinden der Texte zugrunde. Neben einem einfachen Suchfeld besteht die Möglichkeit, nach Fundort, Sprache oder Inhalt (z� B. nichtbiblischen, biblischen oder nicht-identifizierten Fragmenten) zu suchen. Am einfachsten gestaltet sich die Suche, wenn die standardisierte Abkürzung des Fragments bekannt ist� Die Suche nach ‚Deuteronomy‘ ergibt beispielsweise 98 Rezensionen 92 Ergebnisse zu Fragmentengruppen, wobei kein Register verfügbar ist, um die enthaltenen Textbereiche aufzufinden. Die Suche nach 1Q5 (1Q Dtn b ) hingegen liefert Zugang zu 142 hochauflösenden Fotografien der Rollenfragmente, wobei dem Interface eine Suchfunktion nach Bibelstelle auch hier fehlt� Die faszinierende Kollektion stellt für die exegetische Arbeit eine hilfreiche Ressource zur Überprüfung von vorliegenden Publikationen dar, die durch die den einzelnen Fragmenten zugeordneten Kommentarbereiche ein spannendes Forum zu Studium und Diskussion bietet� Die digitale Bibliothek, die über die Fotografien hinaus ausführliche Informationen zu Fundort, Datierung, Publikationen etc� bietet, erlaubt prinzipiell intensives Arbeiten an den Fragmenten� Die fehlenden Transkriptionen und/ oder Übersetzungen sowie die etwas komplizierte Suchfunktion trüben den insgesamt sehr positiven Gesamteindruck etwas und könnten Ungeübte frustrieren� Im Unterricht erlauben die guten Zoom-Funktionen, die hervorragende Qualität der Bilder sowie die Kommentarfunktion eine lebendige Arbeit an den Fragmenten� Die Kommentarspalte wird erfreulicherweise von Experten und der IAA selbst gepflegt, wobei bisher leider nur selten Transkriptionsvorschläge eingestellt werden� Hier bietet sich für Seminare eine spannende Option, die Fragmente selbst zu transkribieren und mit bestehenden Publikationen zu vergleichen� 5 Codex Sinaiticus (http: / / www.codex-sinaiticus.net/ ) Das Codex-Sinaiticus-Projekt ist eine gemeinschaftliche Plattform der British Library, der Universitätsbibliothek Leipzig, der Russischen Nationalbibliothek und des Katharinenklosters, das den Zugang zu einer der wichtigsten Bibelhandschriften, deren Originale bekanntlich an vier Orten verteilt aufbewahrt werden, ermöglicht� Seit 2009 ist der gesamte Codex online einsehbar und stellt hochauflösende Fotografien des für die textkritische Arbeit an der LXX und dem Neuen Testament so wichtigen Codex zur Verfügung. Der übersichtlich gestaltete Auftritt der Seite bietet ausführliche und allgemeinverständliche Hintergrundinformationen über den Codex sowie ein gut strukturiertes Interface zur Arbeit an der Unzialschrift� Das Arbeitsfenster erlaubt - in deutscher, englischer, griechischer oder russischer Sprache - den Zugang zu der gesuchten Bibelstelle (Buch, Kapitel, Vers). Es erscheint die digitalisierte Handschrift in einem Seitenfenster, daneben findet sich ein Fenster mit der Transkription und einer Übersetzung sowie genaue Angaben zur physischen Beschreibung der Seite� Besondere Würdigung verdient die Transkriptions-Ansicht: Prinzipiell kann zwischen einer Versansicht und ei- Rezensionen 99 ner Seitenansicht gewählt werden� Letztere folgt den Kolumnen und Zeilen der danebenstehenden Handschrift, was das parallele Lesen erheblich vereinfacht� Sehr gelungen ist die Einarbeitung der Anmerkungen und Randglossen der Handschrift in die Transkription: Blau unterlegt zeigt das Interface die jeweiligen Änderungen schnell und nachvollziehbar an. Jedes Wort der Transkription ist dabei mit der entsprechenden Stelle im Codex verlinkt, sodass ein Klick im Transkriptions-Fenster gleichzeitig das Wort in der Handschrift anzeigt� Leider fehlt zu manchen Büchern noch eine deutsche Übersetzung, eine englische gibt es durchgehend� Durch die benutzerfreundliche Handhabung bietet sich die Seite für Studierende an, insbesondere ntl� Textkritik an einer der wichtigsten Bibelhandschriften selbst nachzuvollziehen� Dass eine deutsche Übersetzung bisher nur bis Tobit vorliegt, ist aufgrund der übersichtlichen Gestaltung der Seite zu vernachlässigen. Die gute Orientierung im Codex durch die Verlinkung jedes einzelnen Wortes und die sehr gute Qualität der Fotografien erlaubt einfaches Arbeiten am Text� Leider fehlt der Seite eine Kommentarfunktion� 6 INTF: New Testament Virtual Manuscript Room (http: / / ntvmr.uni-muenster.de) Der New Testament Virtual Manuscript Room des INTF (Institut für neutestamentliche Textforschung) ist vermutlich das umfangreichste und ambitionierteste neutestamentliche Digitalisierungsprojekt� Der Funktionsumfang kann hier nur in Auszügen vorgestellt werden� Das Portal bietet wissenschaftliche Werkzeuge zur Arbeit an neutestamentlichen Handschriften und richtet sich besonders an registrierte ExpertInnen� Hauptziel ist die digitale Transkription der ntl� Papyri, Majuskeln, Minuskeln und Lektionare� Für Gäste der Seite sind die Funktionen zur Sicherung der Qualität sinnvollerweise beschränkt� Bereits auf der Startseite zeigt sich die Dynamik des Portals: Neben Blog-Einträgen zu neuesten Beiträgen werden aktuelle Modifikationen aufgeführt. Eine Graphik verdeutlicht prozentual, welche Handschriftenarten bisher katalogisiert, bebildert, indiziert und transkribiert wurden� Das Auffinden einzelner Textzeugen und das Nachvollziehen von Transkriptionen gelingt schnell, wobei solide Grundkenntnisse der ntl� Textzeugen bei der Recherche nötig sind� Die Kernfunktion der Seite ist der „Manuscript Workspace“ und der „Transcription Editor“, die die Arbeit an den Transkriptionen ermöglicht. Grundlegend stehen dabei Fotografie und Transkription nebeneinander� Die digitalen Werkzeuge zur Arbeit an den Manuskripten sind dabei äußerst vielfältig und für Einsteigerinnen und Einsteiger zunächst vermutlich 100 Rezensionen unübersichtlich� Um den hohen wissenschaftlichen Ansprüchen zu entsprechen, sind gute Kenntnisse des umfangreichen Programms nötig� Durch die Hände von Experten kann der Editor beweisen, wie globales interdisziplinäres Arbeiten im digitalen Zeitalter funktionieren kann� Geschulte Dozierende können mit ihren Studierenden mit der Arbeit am Editor wichtige Beiträge zum Gelingen des groß angelegten Projektes leisten� Das Arbeitsfenster ermöglicht es, an einem Basistext eigene textkritische Beobachtungen einzutragen� Die intensiven Diskussionen, tägliche Updates und nicht zuletzt der große Funktionsumfang der Werkzeuge bedürfen allerdings einer intensiven Einführung� Glücklicherweise bietet das Portal auch für Gastbenutzer umfassende Angaben zu einzelnen Handschriften und deren Transkription, die z� B� die textkritische Arbeit mit dem NTG intensiviert und leicht nachvollziehbar macht� Leider unterliegen manche Handschriften den Restriktionen des INTF, sodass einige (wichtige) Textzeugen nicht fotografisch für die Allgemeinheit zugänglich sind� 7 Fazit Die hier exemplarisch vorgestellten Online-Ressourcen spiegeln die Vielfalt der technischen Möglichkeiten virtueller Arbeit an für die Bibelwissenschaften grundlegendem Material wieder. Die Plattformen schaffen weltweiten Zugang zu über Jahrhunderte verstreutem und bis heute nicht endgültig aufgearbeitetem Material� Grundsätzlich ist die Arbeit mit den Online-Plattformen in der exegetischen Ausbildung deshalb eine wichtige Kompetenz neben der Arbeit mit entsprechender Bibelsoftware� Aus didaktischer Sicht ist festzuhalten, dass die Portale allerdings meist auf eine interaktive Funktion (z� B� der aktiven Transkription eines Manuskripts) verzichten und sich auf Präsentation und Information beschränken� Die Implementierung dieser Möglichkeit wäre in vielen Fällen eine zusätzliche Chance für Blended Learning� Die weitgehend einfachen Suchfunktionen und digital aufbereiteten Bilder sind dennoch wichtige Ressourcen für das Selbststudium sowie für die Lehre, insbesondere für Recherchezwecke, zur beispielhaften textkritischen oder zur ikonographischen bzw� religionsgeschichtlichen Arbeit� In der Gesamtschau wird deutlich, dass eine sorgfältige Einarbeitung in den jeweiligen Funktionsumfang der Programme unerlässlich ist� Da die Plattformen eigene Systematiken verfolgen, oft unüberschaubare Datenmengen präsentieren und einen völlig unterschiedlichen Funktionsumfang bieten, muss die Einbindung in den Unterricht sorgfältig vorbereitet und kompetent begleitet werden� Forum Exegese und Hochschuldidaktik Verstehen von Anfang an (VvAa) Jahrgang 2 - 2017, Heft 2 Claire Clivaz/ Paul Dilley/ David Hamidović (Hg.) in Verbindung mit Apolline Thromas: Ancient Worlds in Digital Culture, Digital Biblical Studies 1, Leiden/ Boston. MA 2016, Brill, X+255 Seiten, ISBN 978-90-04-32247-9 (Hardback), 978-90-04-32523-4 (e-Book), Hardcover, € 114,00, € 104,00 (e-Book) rezensiert von Johannes F. Diehl Das von Claire Clivaz, Paul Dilley und David Hamidović publizierte Buch Ancient Worlds in Digital Culture eröffnet die neue, von Claire Clivaz und David Hamidović herausgegebene und bei Brill verlegte Reihe Digital Biblical Studies � Gegenstand der Reihe und des Bandes ist das Verhältnis von Textarbeit (innerhalb der Bibelwissenschaften) und digitalen Medien, Tools und Methoden� Gerade diese vage Definition ist Gegenstand des als Einleitung zur Reihe und zum Buch gestalteten Beitrags Hamidovićs An Introduction to Emerging Digital Culture , der deshalb im Folgenden breiter dargestellt wird� Hamidović zeigt auf, wie schwierig es zum einen ist, die Digital Humanities innerhalb der Geisteswissenschaften zu verankern� Zum anderen ist eine genaue Definition dessen, was Digital Humanities ( DH ) sind, (auch und gerade bei einer historischen Betrachtung des Gegenstandes und des Begriffs) schwer zu erfassen (vgl� hierzu 1� A critical Assessment of DH Definitions ): „It seems to me that many scholars understand it as applying new tools to old problems� I do as well, but practice is not enough to define DH . […] The human aspect remains central in DH , and thus ‚humanities‘ it seems to me, should be more important than ‚digital‘ in the definition of DH ” (4)� Nicht das Nutzen neuer Tools macht einen Wissenschaftler zum „ DH ’er”, sondern: „the heart of DH ’s 102 Rezensionen definition seems to be the use of computational analysis to find additional value in research ” (4f�, Hervorhebung von J� F� Diehl)� Es stelle sich die Frage, ob es sich bei DH um eine Sammlung von Methoden oder nicht eher um ein (Arbeits-)Feld handelt. Hamidović zeigt verschiedene Richtungen auf, in die sich DH -Projekte entwickeln (8-10): 1� Forschungskommunikation und -kooperation in Netzwerken (z� B� Academia u� a�); 2� Evaluation der Implikationen digitaler Plattformen (bewusste und unbewusste Ziele der Entwicklerinnen und Entwickler der Plattformen); 3� Aneignung medizinischer und forensischer Methoden und Tools durch die Geisteswissenschaften (hier z� B� bei der Analyse von Handschriften etc.); 4. neue pädagogische und didaktische Strategien (das veränderte Verhalten von Studierenden bzgl� des Einsatzes neuer Medien, Computer, Tablets etc� im Unterricht); 5� Aufbau von virtuellen Welten (z� B� zur Rekonstruktion schlecht erhaltener Artefakte)� Gerade diese unterschiedlichen Richtungen machen eine wissenschaftstheoretische Betrachtung und genaue Definition des Begriffs DH schwierig: „From the perspective of Cultural Studies, the progressive and massive institutionalization of DH around the world […] can be described as a meeting place of social practices which produce knowledge and participate in human efforts to understand the world. Such a definition corresponds to one of definition of culture. […] As culture, DH is not a fixed conglomeration of methods, approaches, and practices, but all these components are fluid and changing according to their context(s). […] However, it is still too early, to my mind, to locate DH precisely within the usual critical paradigms of culture�“ (11)� Diese von Hamidović aufgezeigten Richtungen werden dann in dem Band weiter verfolgt� So beschäftigt sich Paul Dilley, Digital Philology between Alexandria and Babel (17-34), mit der Digitalisierung von Bibliotheken und vergleicht die Massendigitalisierung von Büchern mit der Bibliothek von Alexandria („Vollständigkeit der Bibliothek“ - „Zerstörung von Büchern/ Bibliotheken“) bzw� dem Turm/ der Bibliothek von Babel („Unüberschaubarkeit der Bibliothek“)� Die Stärke einer solchen Massendigitalisierung liege dabei im User-Interface, das durch bestimmte Algorithmen diese digitale Bibliothek verarbeitbar macht� Claire Clivaz, Categories of Ancient Christian Texts and Writing Materials: ‚Taking once again a fresh starting point‘ (35-55), zeigt - ausgehend von den Begriffen ‚kanonisch‘, ‚apokryph‘ und ‚usefull for the soul (ψυχωφελῆς)‘ (François Bovon) - wie sich die Kategorisierung von Texten durch die Digital Humanities (Wandel der ‚Schreibmaterialien‘) ändert: „As a final remark, I wish to emphasize that the rapid reconfiguration of groups of Ancient (Christian) texts through digital tools should help us to revisit the history of the categories of Ancient Christian texts through considering the development of writing materials“ (S� 53)� Rezensionen 103 Neben diesen von den Herausgebenden grundlegenden Artikeln, werden des Weiteren verschiedene Projekte vorgestellt und die Fragen beantwortet, inwiefern die Digital Humanities 1� Forschung und Lehre verändern (oder gerade nicht verändern), 2� Tools und Datenbanken Forschung und Lehre beschleunigen oder sogar Methoden und Ergebnisse verändern, und 3� neue Lösungen für alte Probleme des Edierens und Publizierens bieten� So sieht David A� Michelson, Syriaca.org as a Test Case for Digitally Re-Sorting the Ancient World (59-85), die erste Frage eher für noch nicht zu beantworten, die beiden anderen Fragen werden hier mit ‚ja‘ beantwortet: zum einen konzeptualisieren Forschende ihre Arbeitsfelder anders, ferner seien bestimmte Publikationsorte nur als Online- Publikationen möglich und/ oder realisierbar (so z� B� The Syriac Gazetter )� David Bouvier, Surfing on Penelope’s Web (86-109), vergleicht die Reflektion der Wissens(verarbeitung) zwischen Homers Ilias und Odyssee auf der einen Seite und der heutigen Informationsverarbeitung im Internet auf der anderen Seite, dies allerdings erst im 5� Teil seines Beitrags� Im ersten Teil zeigt er auf, inwiefern man bei der frühgriechischen Dichtung von einem Buch reden kann: einem Buch, das nie ein Buch war� Dabei steht hier die Frage nach Oralität und Schriftlichkeit eines Textes in Vordergrund. Dazwischen geht er an drei Beispielen der Frage der Wissensverarbeitung innerhalb der Odyssee nach� Der Frage von digitalen (Text-)Editionen gehen die Beiträge von Hugh A� G� Houghton und Catherine J� Smith, Digital Editing and the Greek New Testament (110-127), und David Hamidović, Editing a Cluster of Texts: The Digital Solution (196-213), nach� Im ersten Beitrag wird die Entstehung des Novum Textamentum Graecum Editio Critica Maior ( ECM ) von der Texttranskription, der Kollationierung bis zum Text mit Apparat und die dabei eingesetzten digitalen Tools und deren Vorzüge beschrieben. David Hamidović geht der Frage nach, wie eine digitale Publikation von Texten aussehen müsste, die in einem Cluster vorliegen� Als Beispiel dient ihm die Sektenregel (1QS bzw� 1Q28) aus Qumran mit ihrer Verbindung zur Gemeinderegel (1QSa bzw. 1Q28a) und den Benediktionen (1QSb bzw� 1Q28b)� Neben diesen Handschriften gibt es weitere Manuskripte dieser (oder sehr nahe verwandter) Texte und es ist nicht klar, inwiefern hier von Varianten oder Versionen gesprochen werden muss. Lillian Larsen und Steve Benzek, Min(d)ing the Gaps: Digital Refractions of Ancient Texts (128-147), zeigen, wie im Unterricht anhand verschiedener Kartographietypen Fragen und neue Einsichten bei Schülern und Studierenden evoziert werden� Beispielhaft stellen Sie dies am Corpus Paulinicum dar, insofern sie die Studierenden Karten erstellen lassen, die die in den echten und pseudepigraphen Paulusbriefen genannten Ortslagen nach Häufigkeit der Erwähnung enthalten und diese den klassischen Darstellungen der Reisen des Paulus gegenüberstellen� 104 Rezensionen Martin Kaiser und Georg Wais, The ‚Thesaurus Gregorianus‘: An Internet Datebase of Gregorian Office Antiphons (148-179), beschreiben die im Internet zugängliche Datenbank antiphonale synopticum (http: / / gregorianik�uni-regensburg�de), die ein Repertoire von 6�000 Stücken umfasst� Diese werden kritisch ediert (Varianten von Text und Melodie). Verschiedene Suchfunktionen unterstützen die Userin/ den User: eine Wortkonkordanz, ein Bibelstellenindex u� a� Todd R� Hanneken, New Technology for Imaging Unreadable Manuscripts and Other Artefacts: Integrated Spectral Reflectance Transformation Imaging (Spectral RTI) (181-195) beschreibt Verfahren moderner Photographie, die es ermöglichen, Inschriften und Manuskripte (insbesondere Palimpseste) lesbar zu machen� Dabei werden die besten Ergebnisse durch die Kombination der Spektral-Photographie mit dem Verfahren des Reflectance Transformation Imaging (RTI) erzielt� Bei letzterem werden mehrere Aufnahmen eines Objektes mit verschiedenen Einfallwinkeln des Lichts gemacht. Damit wird die Oberflächenstruktur (bis hin zur Stärke von Tinte) sichtbar� Sara Schulthess, Taḥrīf in the Digital Age (214-230), zeigt zunächst die Entwicklung des Taḥrīf -Konzepts innerhalb der islamischen Theologie und dessen Fokus auf die neutestamentliche Textkritik bzw� die neutestamentlichen Handschriften� Die Untersuchung von Webseiten macht nun deutlich, welche Bedeutung das Taḥrīf -Konzept besitzt und inwiefern es unerwartete Interaktionen zwischen den Vertretern des Konzepts und der westlichen Wissenschaft gibt. Apolline Thromas, Digital Resources of the Rabbinic Literature: Radical Change with a Click of the Mouse (231-247) zeichnet die Edition rabbinischer Literatur von Print-Ausgaben bis zu Editionen im Internet nach� Dabei beschreibt die Verfasserin ausführlich die Stärken und Schwächen der einzelnen Online-Publikationen� „The humanities arrived some time ago at the digital age […]“ - mit diesem Satz wird nicht der Band, sondern die Zusammenfassung des letzten Beitrags von Apolline Thromas (S. 243) eröffnet. Diesen Sachverhalt macht der Band Ancient Worlds in Digital Culture deutlich� Dabei zeigt sich zum einen, wie sehr die Digital Humanities die Wissenschaftslandschaft innerhalb der Geisteswissenschaften verändern werden und in den letzten ca� 10 Jahren schon veränderten� Zum anderen wird an diesem Band deutlich, wie disparat die Digital Humanities sind� Beides zu zeigen, ist Sinn und Zweck des Bandes, und beides ist den Herausgeberinnen und Herausgebern gelungen� Interview mit … Heike Behlmer Steckbrief: Heike Behlmer Alter: 59 Jahre Studium der: Ägyptologie, Koptologie und Assyriologie an der Universität Göttingen Promotion in der Ägyptologie und Koptologie an der Universität Göttingen; Habilitation in der Ägyptologie und Koptologie an der Universität Göttingen Von 1995 bis 2004 Wissenschaftliche Assistentin / Oberassistentin an der Universität Göttingen; 2003-2004 Lehrstuhlvertretung an der LMU München; 2004-2006 Lecturer in Coptic Studies an der Macquarie University, Sydney; 2006 Visiting Professor an der Columbia University New York; 2007-2009 Senior Lecturer an der Macquarie University, Sydney; seit 2009 Professorin für Ägyptologie und Koptologie an der Universität Göttingen� Von 2012 bis 2016 gehörte sie dem Board des ‚Göttingen Centre for Digital Humanities‘ an; seit 2015 ist sie für die Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptisch-sahidischen Alten Testaments verantwortlich; seit 2016 gehört sie zum Editorial Board der Reihe Digital Biblical Studies und ist Mitherausgeberin der Texte und Studien zur koptischen Bibel Vorneweg - Blitzlicht - Lehre - Frust oder Lust? - Lehre oder Forschung? - Lieber Erstsemester oder lieber Integrationsphase (früher Examensphase)? - Neues oder Bewährtes? - Referate oder Gruppenarbeit? „Sowohl … als auch“, bei allen Fragen … Welche Erfahrungen und/ oder Menschen haben Ihre Lehre nachhaltig geprägt bzw. beeinflusst? Über die Jahre bin ich vielen engagierten akademischen Lehrern begegnet, angefangen von meinem Doktorvater Wolfhart Westendorf, emeritierter Professor für Ägyptologie in Göttingen, der die besondere Gabe hatte, kom- 106 Interview plexe Sachverhalte logisch aufzubauen und für Studierende interessant darzustellen� Ich habe auch sehr viel von den Studierenden gelernt, die sich irgendwann entschlossen haben, ein mit nur 200-300 Wissenschaftlern auf der ganzen Welt wirklich kleines geisteswissenschaftliches Fach wie die Koptologie zu belegen� Besonders geprägt haben mich aber meine Jahre an der Macquarie University in Sydney, an der ich einen über das Internet belegbaren Masterstudiengang Coptic Studies entwickelt habe� Dazu mußte ich in wenigen Jahren zehn Module für eine eLearning-Umgebung bereitstellen, einschließlich neuer Prüfungsformen� Obwohl es in Australien eine lange Erfahrung im Fernunterricht gibt - so gab es eine eigene Abteilung, die allen Studierenden wöchentlich per Post Audio-CDs von meinen Vorlesungen zuschickte - war dies eine wirkliche Herausforderung, weil es in unserem kleinen Fach fast überhaupt keine geeigneten Unterrichtsmaterialien für die digitale Lehre gab� Es war beinahe eine creatio ex nihilo, und ich bin allen Studierenden sehr dankbar, die sich auf dieses Experiment eingelassen haben - um ausgerechnet Koptologie über das Internet zu studieren, muß man eine wirkliche Begeisterung für das Fach aufbringen� Das hat mich bei allen technischen Schwierigkeiten (die Anfänge liegen ja auch schon wieder 10 Jahre zurück) immer wieder ermutigt, ebenso wie die Hilfe der Kolleginnen und Kollegen und der koptisch-orthodoxen Gemeinde in Sydney, die den Studiengang auch finanziell unterstützt hat. Frau Behlmer, wie kam es zu der Idee, das koptische Alte Testament digital zu edieren und zu übersetzen? In der alttestamentlichen Textkritik wird diese Übersetzung als Textzeuge ja kaum wahrgenommen. Ich würde nicht sagen, dass die koptische Bibelübersetzung in der Bibelwissenschaft kaum wahrgenommen wird� Schließlich ist sie die älteste und umfangreichste Tochterübersetzung der griechischen Septuaginta und somit für die Textgeschichte von besonderer Bedeutung� Sie ist darüber hinaus die Grundlage für die gesamte koptisch-sprachige christliche Literatur Ägyptens und das umfangreichste Textkorpus der letzten Stufe der altägyptischen Sprache, dem Koptischen� Nicht zuletzt ist sie auch das kulturelle Erbe der heute unter großem Druck stehenden ägyptischen Christen und hat damit auch einen wichtigen Gegenwartsbezug� Sie ist also nicht nur für die biblische Textkritik wichtig, sondern ein ganz eigenständiges Zeugnis menschlicher Geistes- und Literaturgeschichte� Aber einer besseren Wahrnehmung und Auswertung steht das Fehlen einer modernen kritischen Edition der gesamten koptischen Bibel im Wege� Durch die extreme Fragmentierung und Zerstreuung der koptischen Manuskriptüberlieferung ab dem ausgehenden Mittelalter müssen vor jeder Interview 107 Edition intensive Vorarbeiten des Sammelns und Edierens von einzelnen Fragmenten, Seiten und Textblöcken stehen� Z� B� sind allein die Handschriften des sahidisch-koptischen Alten Testaments, die den Schwerpunkt unserer Arbeit darstellen, heute über mehr als 100 Museen und Sammlungen weltweit verstreut - viele Handschriften und manchmal sogar einzelne Seiten jeweils über mehrere Institutionen - und nicht immer vollständig katalogisiert� Hier gibt es seit den 30er Jahren des 20� Jh�s Bestrebungen von Forschern, den Bestand an Handschriften zu erheben, wie etwa Louis Théophile Lefort, Tito Orlandi und speziell für die koptische Bibel zuletzt Karlheinz Schüssler� Aber erst jetzt mit dem virtuellen Handschriftenlesesaal (Coptic Old Testament Virtual Manuscript Room, coptot.manuscriptroom. com) des Vorhabens „Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptischsahidischen Alten Testaments“ an der Göttinger Akademie der Wissenschaften können meine Kolleginnen und Kollegen das, was von den Kodizes erhalten ist, im Internet wieder zusammenführen, edieren, kollationieren, mit einem kritischen Apparat versehen und übersetzen� Zusammen mit dem Institut für Neutestamentliche Textforschung in Münster, das sich dem Text des koptischen NT widmet, wollen wir eine gemeinsame Plattform für die koptische Bibel insgesamt schaffen, und das endgültige Ziel aller digitalen koptologischen Projekte weltweit - die alle extrem gut zusammenarbeiten - ist eine virtuelle Rekonstruktion der gesamten fragmentierten Textüberlieferung in koptischer Sprache� Welchen Vorteil sehen Sie in einer digitalen Edition gegenüber einer Printversion, wie sie z. B. mit der deutschen Übersetzung der LXX vorliegt. Eine digitale Edition steht ja nicht im Gegensatz zu einer Printversion: die Nutzer werden sich im virtuellen Handschriftenlesesaal die Kollationen, Übersetzungen, diplomatische und kritische Editionen jederzeit zum aktuellen Stand selbst ausdrucken können� Und wir werden zum Abschluß auch eine gedruckte Handausgabe sowie eine deutsche, englische und - für die Christen in Ägypten - auch eine arabische Übersetzung publizieren. Aber davon abgesehen hat eine digitale Edition und eine virtuelle Forschungsumgebung alle Vorteile digitalen Arbeitens: z. B. die einfachere dezentrale Kooperation über Länder- und Fachgrenzen hinweg und die Austauschbarkeit, Reproduzierbarkeit und Nachnutzbarkeit (auch gerade für andere Projekte) aller gewonnenen Forschungsdaten� 108 Interview Wie binden Sie Ihren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Digital Humanities in Ihre Lehre ein? Welche didaktischen Leitlinien und welche Zielsetzungen verfolgen Sie dabei? Ich muß vorausschicken, dass ich keine Digital Humanities-Expertin bin, sondern sie für die Forschungsfragen nutze, die mich interessieren, z� B� die Rezeption der Bibel in der christlichägyptischen Literatur� Wir versuchen, die Studierenden durch Workshops und Seminare von internen und externen DH-Fachleuten für die neuen Möglichkeiten in unseren Fächern zu interessieren und sie so vorzubilden, dass sie weitere universitäre Angebote im DH-Bereich wahrnehmen können� Es ist eine echte Chance für Absolventen kleiner geisteswissenschaftlicher Fächer, sowohl mit neuen Methoden zu forschen, als auch nachgefragte Qualifikationen zu erwerben. Dabei freuen wir uns auch schon über einen gewissen Erfolg: Einige Absolventen wenden digitale Methoden in ihren Forschungen an oder haben sich sogar für Tätigkeiten in digitalen Projekten qualifiziert. Im Rahmen der Digitalisierung der Lehre an der Universität Göttingen entwickelt unser Seminar seit kurzem eine Reihe von eLearning-Modulen für den Unterricht in den beiden Fächern Ägyptologie und Koptologie. Dabei sind u. a. auch ein Koptisch-Sprachkurs und ein Modul zur koptischen Literatur, Bibel und Handschriftenkunde, die das Seminar gemeinsam mit dem Akademievorhaben entwerfen wird� Wir haben dabei mehrere Ziele: den akademischen Unterricht zu verbessern und Studierende in DH-Methoden und für die Mitarbeit in DH-Projekten (z� B� am koptischen Alten Testament) zu qualifizieren, aber parallel dazu auch eine Modulversion zu entwickeln, die ein breiteres Publikum anspricht, auch gerade unter den ägyptischen Christen� Welche Entwicklungen/ Veränderungen in Lehre und Forschung erwarten Sie durch die Digitalisierung? Gerade was Editionen betrifft, so liegen die Veränderungen auf der Hand - und sie machen genauso den immensen Vorteil des digitalen Arbeitens aus, wie sie gewöhnungsbedürftig sind, gerade wenn man traditionell philologisch sozialisiert ist� Es gibt keine zu einem bestimmten Zeitpunkt und auch physisch (durch die Buchform) abgeschlossene Version eines Textes, obwohl die Nutzer unserer digitalen Edition diese, wie schon angemerkt, jederzeit generieren können. Alle Informationen und alle Versionen einer Transkription oder Übersetzung liegen immer auch gleichzeitig vor, so dass man immer wieder in die Editionsgeschichte zurückreisen kann� Es können im Gegensatz zu früher viel mehr Informationen bewahrt werden: z� B� wurden vor 100 Jahren Ostraka oder Papyrusschnipsel mit nur wenig zusammenhanglosem Text einfach entsorgt� An die Agonie noch vor 20 Jahren, als die Interview 109 Kostenkalkulation maßgeblich entschied, welche Photos einem Buch oder Artikel beigegeben werden konnten, erinnern sich sicherlich noch viele� Heute sind Digitalisate verschiedenster Art so kostengünstig, dass wir einen ganz anderen Zugang zum historischen Objekt ‚Handschrift‘ oder ‚Ostrakon‘ bekommen können� Nicht zuletzt sind viele der Originalgegenstände unserer Wissenschaft ständigen Gefährdungen durch die Zeitläufte ausgesetzt, so dass große Katalogisierungs- und Digitalisierungsprojekte zumindest einen Teil der auf ihnen enthaltenen Informationen für die Nachwelt sichern können, auch wenn das Original zerstört werden sollte� Schließlich können alle Informationen aus digitalen Editionen oder digitalen Objektsammlungen fast unbegrenzt für andere Projekte nachgenutzt werden, in unserer Edition des koptischen Alten Testaments im Moment z� B� für korpuslinguistische Untersuchungen oder digitale Text Re-Use-Forschung, in Zukunft auch für digitale Paläographie, Stilometrie und vieles andere mehr� Dies bringt aber auch die schon länger bekannten Herausforderungen mit sich: wie gehen wir mit der Fluidität und Unabgeschlossenheit der Texte um, wie gestaltet sich die Interaktion von Text und anderen Medien, wie kennzeichnen wir den intellektuellen Beitrag der einzelnen Mitarbeiter, wie stellen wir sicher, daß die digitale Information dauerhaft weitergenutzt werden können, und was machen wir, wenn unsere Arbeit z� B� verfremdet irgendwo wieder auftaucht, und anderes mehr� Was die Lehre angeht, so sind die eLearning-Vorteile ebenfalls gut bekannt: man kann Lehrmaterialien inklusive Audio- und Videoaufzeichnungen in einem virtuellen Klassenzimmer zur Verfügung stellen, die jederzeit abgerufen werden können, inzwischen auch über das Handy, man kann neue Kommunikationsformen und Lernzielüberprüfungen anbieten und Lerninhalte importieren - auch international und in einer großen Vielfalt von Medien -, und insgesamt ist das Ziel, Interaktivität und selbstbestimmtes Lernen zu fördern� Das hat aber auch einen Preis, wie ich gerade am Anfang meines Fernunterrichtens in Australien herausgefunden habe� E-Learning erfordert einen höheren Zeiteinsatz seitens der Lehrenden, die Aufbereitung der Materialien ist komplex, die Entwicklung von Prüfungsformen und die Kommunikation zeitraubend, die Erwartungen an die zeitliche Verfügbarkeit der Kursleiter sehr hoch� Es wurde aber dem Lehrpersonal nicht mehr Zeit dafür zur Verfügung gestellt, so dass während des Semesters schon Nachtschichten vorkamen� Eine andere Sache, über die vermutlich alle Internetnutzer schon einmal nachgedacht haben, war ebenfalls gewöhnungsbedürftig: dass nicht nur das, was man schriftlich in Handouts, Skripten, Folien und anderen Kursmaterialien bereitstellt, sondern jedes Wort und jede Geste (durch Au- 110 Interview dio-/ Videoaufzeichnungen), jeder nicht ganz zu Ende gedachte Gedanke und jede Tafelkritzelei für die Ewigkeit festgehalten wird� Auch Chats und Social Media sind ja ihrer Natur nach zwar spontan und ephemer, aber gleichzeitig in Stein gemeißelt und immer wieder abrufbar� Man muß daher in der eigenen Lehre genauso wie in der Forschung mit Unabgeschlossenheit, Fluidität, Entgrenzung und Kontrollverlust leben können� Hier ist allerdings nicht nur bei den Lehrenden selbst, sondern auch bei Studierenden, Verwaltungen und der Öffentlichkeit eine höhere Unvollkommenheitstoleranz erforderlich. Diese Toleranz finde ich vor allem gegenüber Lehranfängern wichtig. Zum Schluss: Was würden Sie den Kollegen und Kolleginnen mit Blick auf die eigene Lehre gerne mitgeben? Dazu fühle ich mich wahrlich nicht berufen - ich würde mich im Gegenteil gern mehr von den vielen Beispielen für gute und kreative Lehre inspirieren lassen, die ich über die Jahre miterlebt habe� Ich wünschte daher manchmal, dass bei der zunehmenden Flut von Berichten, Anträgen, Umstrukturierungen etc� mehr Zeit für Experimente in der Lehre bliebe� Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 2 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 2 Digital Humanities Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 2 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an ISBN 978-3-7720-8644-1 Editorial Hauptbeiträge Patrick Sahle Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Juan Garcés / Jan Heilmann Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Tobias Flemming Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen Lehr-/ Lernbeispiele Anja Swidsinski Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Matt Munson Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis Rezensionen Interview mit … Heike Behlmer Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Jg. 2 - 2017 | Heft 2 www.francke.de VvAa - 2017 | Heft 2 Digital Humanities Herausgegeben von Stefan Fischer und Thomas Wagner in Zusammenarbeit mit Melanie Köhlmoos Jg. 2 - 2017 | Heft 2 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an Editorial Hauptbeiträge Patrick Sahle Digital Humanities und die Fächer Eine schwierige Beziehung? Juan Garcés / Jan Heilmann Digital Humanities und Exegese Erträge, Potentiale, Grenzen und hochschuldidaktische Perspektiven Kevin Künzl / Fridolin Wegscheider Faszination Digital Humanities Was benötigen Studierende in ihrer bibelwissenschaftlichen Ausbildung? Tobias Flemming Lernen an Handschriften Studierende als Experten gewinnen Lehr-/ Lernbeispiele Anja Swidsinski Blogs im akademischen Unterricht der Geisteswissenschaften Matt Munson Natural Language Processing (NLP) unterrichten Ein Bericht aus der akademischen Praxis Rezensionen Interview mit … Heike Behlmer
