Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
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2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
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2020
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Fischer Heilmann Wagner KöhlmoosMaterielle Kultur Material Culture Edited by: Stefan Fischer, Jan Heilmann und Thomas Wagner In cooperation with: Melanie Köhlmoos Vol. 5 - 2020 | Issue 2 Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an Editors Stefan Fischer, Wien Jan Heilmann, Dresden Thomas Wagner, Wuppertal In cooperation with Melanie Köhlmoos, Frankfurt am Main In association with Norbert Brieden, Wuppertal Johannes Diehl, Frankfurt am Main Christina Hoegen-Rohls, Münster Matthias Hopf, Neuendettelsau Reettakaisa Sofia Salo, Münster Melanie Stein, Frankfurt am Main Christian Stein, Frankfurt am Main Editorial Thomas Wagner Bergische Universität Wuppertal Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften Seminar für Evangelische Theologie Gaußstr. 20 42119 Wuppertal info@forumexegese.de Notice to Contributors All articles for submissions and review copies should be sent to the editor, Thomas Wagner. There is no obligation to discuss unsolicited books or publish unsolicited manuscripts. Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) is a bilingual, double-blind peer-reviewed journal for methodology and practice in academic didactics of biblical exegesis. VvAa Vol. 5 - 2020 | Issue 2 Imprint Conditions The VvAa is published twice a year ( June and December) Single issue: € 38,- (plus postage) Annual subscription (print): € 54,- (plus postage) subscription (print & online): € 67,- (plus postage) subscription (e-only): € 58,- Orders will be accepted by your bookstore or the publisher: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Postfach 25 60 D-72015 Tübingen Phone: +49 (0)70 71 97 97 0 Fax: +49 (0)70 71 97 97 11 eMail: info@narr.de Internet: www.narr.de Advertisment Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Phone: +49 (0)7071 97 97 10 © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG ISSN 2366-0597 ISBN 978-3-7720-8733-2 The published contributions are protected by copyright. All rights are reserved, especially those of translations into foreign languages. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or in another machine usable language particular for any kind of data processing systems, without the prior written permission from the publisher. Content Contributions Florian Lippke Material Matters. Materialfragen als Schlüssel zu Überlieferung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren. Segmente erschließen - Sujets erkennen - Kultur entdecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Anna Krauß Texte zum Anfassen? Materielle Kultur in den Bibelwissenschaften . . . 44 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Kevin Künzl Mehr als nur ein Text. Erwägungen zu Lehr-/ Lernpotentialen neutestamentlicher Handschriften am Beispiel des Codex Boernerianus . . . . . . . . 66 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Teaching Examples Izaak J. de Hulster Looking in Classrooms. Teaching ancient iconography and interpretation - the basics, with stamp seals as a case study . . . . . . . . . 100 übersetzt von Stefan Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Stefan Fischer Museumsbesuch zum Abschluss eines Ikonographieseminars. Didaktische Herausforderungen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Frontend Jan Heilmann https: / / www.trismegistos.org/ . Ein interdisziplinäres Portal der Antiken Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Book Reviews Silvia Schroer: Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern (IPIAO), Band 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Band 2: Die Mittelbronzezeit, Band 3: Die Spätbronzezeit, Band 4: Die Eisenzeit bis zum Beginn der achämenidischen Herrschaft, Basel 2018, 2156 Seiten, ISBN 978-3-7965-3880-3 rezensiert von Thomas Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 translated by Thomas Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Friedrich Johannsen / Nils Neumann: Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule (Kohlhammer), Stuttgart 5 2019, 290 Seiten, ISBN: 978-3-17-035828-7, ISBN E-Book-Format: 978-3-17-035829-4 rezensiert von Rebecca Ludwig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 translated by David O’Neill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Interview mit … Wolfgang Zwickel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 translated by Thomas Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 Contributions Material Matters Materialfragen als Schlüssel zu Überlieferung und Interpretation Florian Lippke (orcid.org/ 0000-0002-9150-7346) 1 Aspekte einer Materialitätsgeschichte ‚Material matters‘ oder besser ‚materiality matters‘ - so könnte in der Tat die vorliegende Sammlung von Studien in dieser Ausgabe von VvAa treffend betitelt werden. 1 Dabei ist die Materialiätsdiskussion im ‚Methodenkanon‘ der biblischen Fächer oder der Altertumswissenschaften keinesfalls selbstverständlich. 2 Immer noch gelten vielzu häufig die ‚Manuskriptforscher‘ (z. B. an der mittelalterlichen Bibelausgabe des Codex Aleppo ) und ‚Autopsie-Verfechter‘ (z. B. an den spätbronzezeitlichen Tontafeln von Ugarit) als skurrile Exoten oder als ungewöhnliche Puristen gleichermaßen. 3 Eine solche vorschnelle Separierung ge- 1 S. zur Anwendung und Definition des Begriffes Materialität u. a. Morgan, Materiality, 271-289; Schmidt, Materiality; Giselbrecht/ Kunz, Sacrality, und Boschung/ Bremer, Materiality, vor allem aber auch die materiellen Aspekte bei Fischer u. a., Zugänge. 2 Ablesen lässt sich dies nach wie vor an der Frage, wie häufig bei literarischen und archäologischen Befunden taphonomisch-taphologische Fragen systematisch in die Analyse einfließen. Der thematische Bereich der Taphonomie - als bestes Beispiel für die Berücksichtigung von Materialität und Nicht-Materialität - spielt aber gleichermassen bei archäologischen Fehlinterpretationen (‚absence of evidence is evidence of absence‘) wie bei redaktionsgeschichtlichen Beurteilungen (vgl. Ziemer, Fortschreibung) eine entscheidende Rolle. Zur Taphonomie selbst auch Lippke, Verbindungslinien, 14-18, und Lippke, Bildsprache, 41. 3 Leider ist hiervon auch der Bereich der digitalen Editionen betroffen. Nur wenn umfassende (mindestens! ) fotografische Dokumentationen zu digitalen Inschriftencorpora hinzugefügt werden, ist die Möglichkeit, eine Inschrift in ihrer Objekthaftigkeit ernst zu nehmen, gegeben. Eine Zeile mit einem Standard-Zeichensatz in einem EDV-Programm vermag - aufgrund des extremen Informationsverlustes - bezüglich einer historischen Aufarbeitung nicht im Geringsten zu überzeugen. 4 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) schieht aber zu Unrecht. Denn eine solide Quellenanalyse hat ihrem Weg nach vom ‚Sicheren‘ zum ‚Unsicheren‘, vom ‚materiell Nachgewiesenen‘ zum ‚hypothetisch Spekulativen‘ zu führen. 4 Der einzig redliche Startpunkt der historischen Analyse ist somit die materiell vorliegende Quelle. Damit kommt aber im gleichen Atemzug der Materialitätsfrage eine entscheidende Rolle zu. 5 Es ist also in gewisser Weise von einem Primat der Materialität auszugehen. Denn nicht nur die Tatsache, ob eine Quelle überliefert/ erhalten ist, spielt in diesem Rahmen eine Rolle, sondern auch, wie das Material, auf welchem und mit welchem überliefert wurde, die Überlieferung selbst beeinflusste. Dieser Fragenkomplex wurde bis zum heutigen Zeitpunkt nie in systemisch-struktureller Form für die religiöse Traditionsliteratur des 1. Jt. v. Chr. analysiert. Abb. 1: Umzeichnungen einer phönizischen Inschrift mit kantigen Ayin-Formen nach Lehmann, Littera © Reinhard G. Lehmann. Abb. 2: Tekke-Schale nach Lehmann, Littera © Reinhard G. Lehmann. 4 Vgl. hierzu sämtliche Methodenentwürfe (Steck, Exegese; Utzschneider/ Nitzsche, Arbeitsbuch; Kreuzer/ Vieweger, Proseminar I; Becker, Exegese, aber auch schon Richter, Exegese) sowie die grundlegende Skizze im exegetischen Prozess bei Lippke, Schritte, 10f. 5 S. für den engen Konnex von Material- und Religionsgeschichte Lippke, Priester, aber inzwischen auch Dietrich, Materialität. Material Matters 5 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 Ein einfaches und klares Beispiel für Chancen und Grenzen der Materialität kann mit Hilfe der beschrifteten Metallgegenstände (wie z. B. der kanaanäischen Pfeilspitzen, Abb. 1 oder der Tekke-Schale, Abb. 2) vor Augen geführt werden. 6 Reinhard G. Lehmann weist in seiner Studie zur Schriftgestaltung und zum paläographischen Horizont der Schalen von Tekke und Kfar Veradim darauf hin, dass Materialiät auch immer mit der Interpretation der materiellen Form einherzugehen hat. 7 Die Erhaltung der diversen nicht-biblischen Inschriften aus biblischer Zeit stellt eine Faktenlage dar, die sich materialitätsgeschichtlich nur als Glücksfall klassifizieren lässt (Chance der Kontextualisierung). 8 Die sachgerechte Interpretation des Befundes ist aber immer auch mit dem Verständnis der Grenzen dieser Materialität verbunden. So verweist Lehmann auf zahlreiche forschungsgeschichtliche Fehleinschätzungen, die aufgrund der Vernachlässigung der Materialitätsfrage entstanden sind. Genauerhin wurden die besonderen, kantigen Schriftformen der phönizischen Konsonanten (unter anderem Beth, Ayin, Kaph und Mem) auf Pfeilspitzen und Schalen als ‚archaische Typenformen‘ identifiziert und somit der gesamte Befund frühdatiert. 9 Denn eine (scheinbar) frühe Konsonantenform würde immer auch ein hohes Alter des Objekts bedingen, so die klassische Einschätzung. Dass aber die Schriftformen (kantiges Ayin, offenes Beth) zunächst einmal primär mit dem Material (Metall) und vor allem aber mit der Beschriftungstechnik in Verbindung stehen (Punzierung mittels Hammerschlag), blieb viel zu oft außen vor. 10 Eine in der Materialitätsdiskussion verwurzelte Argumentation hätte diesen historischen Lapsus schnell zurechtrücken können: Bei dem betrachteten Phänomen handelt es sich nämlich in Wirklichkeit nicht um ein streng paläographisches, sondern ein entscheidend materialbedingtes. Entsprechend kann es nicht verwundern, 6 Ganz grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass mit den beschrifteten Pfeilspitzen archäologisch ein heikles und unsicheres Terrain beschritten wird. Als verlässliches, authentisches und datierbares Objekt ist die Schale von Tekke in jedem Fall vorzuziehen. Ich danke R.G. Lehmann für diesen mündlichen Hinweis. 7 S. Lehmann, Littera, 81-92, bes. 82. 8 In der Vielzahl sind eigentlich nur Steininschriften erhalten geblieben - organische Materialien und die auf ihnen enthaltenen Schrift- und Bildinformationen sind uns durch die klimatischen Widrigkeiten nicht mehr zugänglich (s. unten). 9 „The archaic forms of ayin and bet require a date no later than the end of the eleventh century“ (Cross, Notebook, 227). 10 So auch Lehmann: „Bei den phönizischen Pfeilspitzen und dem ʿAzorbaʿal-Spatel (KAI 3) handelt es sich um eine in das Metall vertikal geschlagene, d. h. gepunzte Schrift, die ihren eigenen schreibtechnischen Gesetzen zu folgen hatte. Wenn auch (die entsprechenden Konsonanten) in ihrer Form noch relativ archaisch anmuten, so muß doch auch bedacht werden, daß die Beschriftungstechnik gewisse, vielleicht alternativ erwartete Formengebungen kaum zuließ.“ (Lehmann, Littera, 82 f.); s. in diesem Zusammenhang auch Puesch, Présence, und Kreimer, Impact. 6 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) wenn alle paläographischen Versuche in diesem speziellen Fall in die Irre führten. Eine Geringschätzung der Materialitätsfrage und ihrer Implikationen muss zwangsläufig zu Unbalancen in der Interpretation führen. 11 Nimmt man diese Sachlage ernst, so hat sich geradezu jede exegetische Beschäftigung, die notwendigerweise vom Text ausgehen muss (s. o.), der Wirklichkeit der Materialität zu stellen. Jeder Text und jedes Bild ist seiner Machart nach materiell verfasst. Methodisch hat auf diese triviale Festellung aber die doppelte Frage der ‚Produktionsgegebenheiten‘ zu folgen: 1. Auf/ aus welchen Materialien wurden Texte und Bilder erschaffen, und 2. mit welchen Instrumenten/ Hilfsmitteln wurden sie sichtbar gemacht? Für einschlägige Antworten auf die erste Frage lässt sich eine Liste der materiae artisanales ins Feld führen: unter ihnen Stein, Metall, Lehm, Ton, Putz, Knochen, Elfenbein, Papyrus, Holz, Textilien, Leder, Pergament und selten überliefert menschliche Haut. 12 Die zweite Frage gibt Antwort auf die Praktiken und lässt sich mit mehr als zwanzig Bearbeitungskategorien umreißen. 13 Die Fülle der Realisierungsoptionen tritt unübersehbar vor Augen, wenn erkannt wird, dass ein materieller Träger durch mehrere Praktiken gestaltet werden konnte. In jeder Kombination von Trägerstoff und bearbeitendem Material liegt aber eine Ausführungsgrundlage, die ein zentrales Kennzeichen in der Kunstgeschichte - auch schon prähellenistisch - entscheidend beeinflusst hat: den charakteristischen Stil eines Werkes bzw. die Stilistik. 14 Auch Stilkennzeichen sind in zahlreichen Fällen nicht ein schlichter Ausdruck einer Präsentationsweise, sondern mannigfach an Material und Praktik zurückgebunden. Jedes Text- und Bildzeugnis zuerst auch als Objekt in seiner materiellen Produktionsgeschichte wahrzunehmen, ist nicht nur ein Wagnis, sondern stellt geradezu die Rückbindung des interpretativen Prozesses an die Entstehungswirklichkeit des Gegenstandes dar. 15 11 Nach Lehmann ist vielmehr davon auszugehen, dass spezifische Eigenheiten in den „(Schrift-)Typ(en) auch ein Diktat der Technik“ darstellen können (Lehmann, Littera, 83). 12 S. hierzu exemplarisch die Studien bei Meier u. a., Textkulturen, 247-455. 13 Meier u. a., Textkulturen, 471-610. 14 Vgl. hierzu Lippke, Emotions, 160 f., sowie die Thematisierung bei Keel, Recht, 272 f., und auch Keel, Ikonographie (unpubliziert), 34-43. 15 In dieser Hinsicht ist ein materialbetonter Zugang immer auch als ‚historisch‘ im engeren Sinne zu sehen, da er Entstehungszeit, -material und -situation reflektiert. Entsprechend wäre eine Disziplin der ‚historischen Materialgeschichte‘ (vgl. hierzu vor allem auch die Ausführungen von Krauß in diesem Heft) einzuführen. Material Matters 7 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 Abb. 3: Detailliert ausgestaltete Szenen auf einem Mitani-Rollsiegel (Acco 2), aus Lippke, Bildsprache, 53 © SACR. Abb. 4: Drachenkampf-Szene auf einem assyrischen Rollsiegel (8./ 7. Jh. v. Chr.), aus Keel/ Uehlinger, Miniaturkunst, 43 Abb. 46 © Stiftung BIBEL+ORIENT, Fribourg. 8 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Abb. 5: Chaoskampf-Szene mit einem Helden (Pfeil und Bogen), der gegen ein Anzu- Vogel-ähnliches Wesen kämpft, assyrisch (1. Jt. v. Chr.), © Stiftung BIBEL+ORI- ENT, Fribourg. Abrufbar unter http: / / www.bible-orient-museum.ch/ bodo/ details. php? bomid=515. Letzter Aufruf am 20.02.2021. Neben den verwendeten Materialien (1.) und den angewandten Techniken (2.) lassen sich hier nur kurz die weiteren Implikationen der Materialitätsgeschichte skizzieren. Vor allem sind die Konsequenzen der ausführlicheren oder weniger auführlichen Darstellungsart zu beleuchten. Es existieren nämlich ganz offensichtlich Bearbeitungsinstrumente, die mit einem unterschiedlichen Grad an Feinheit die Ausarbeitung der Details zu realisieren vermögen. Als Extrempunkte wären für die Stempel- und Rollsiegel, die feinen Grabstichel einerseits (Detailzeichnung des Mitani-Elaborate Style, Abb. 3), die sehr krude eintiefenden Schleifräder (Abb. 4) oder die breiten Kugelbohrer (Abb. 5) andererseits zu nennen. Während bei ersterem eine feinornamentierte Linie entsteht, kann bei letzterem nur ein simpler Einschnitt im Material mit unterschiedlicher Schleiftiefe gefertigt werden. 16 Die Ergebnisse könnten diverser kaum sein. Dennoch ist mit solchen stilistisch-ästhetischen Erklärungen noch kein Urteil über den Sinngehalt abgegeben. Es existieren also Bearbeitungstechniken, die im engsten Sinne des Wortes elementarisieren . 16 Mit feinen Grabsticheln wurden beispielsweise die Mitani-Siegel geschnitten, mit groben Schleifrädern und Kugelbohrern die Bildinhalte auf assyrischen und babylonischen Rollsiegeln des 1. Jt. v. Chr. zur Abbildung gebracht. Material Matters 9 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 Des Weiteren spielen die Mechanismen der Wiederverwendung von Text- und Bildquellen geradezu in Integrations-, Rezeptions- und Redaktionsphänomenen eine entscheidende Rolle. Alle drei Aspekte des literarisch-ikonogaphischen reuse sind zutiefst mit Fragen der Materialität und der Wiedernutzbarmachung eines zuvor existenten materiellen Gehaltes verbunden. 17 Entsprechend sollten für jedes interpretatorische Unterfangen immer zunächst die entsprechenden Vorfragen erörtert werden: • Welchen Bedingungen ist der Erhalt der Quelle unterworfen und welche Dauerhaftigkeit bezüglich der taphonomisch-taphologischen Einordnung ist ihr zuzuweisen? • Weche klimatischen Parameter sind seit der Produktion als Rahmenbedingung der Objektgeschichte anzunehmen und wie haben eben diese die Chancen einer Rezeption beeinflusst? • Welche Aussagen können über den Lebenszyklus des betrachteten Objektes insgesamt angestellt werden? Da aber nach wie vor noch kein abschließender Katalog der erhaltenen und nicht erhaltenen Materialien in Bezug auf das literarisch-ikonographische Erbe systematisch für die prähellenistischen Epochen untersucht wurde, bleiben die Materialitätsstudien in Form von Fallstudien der entscheidende Zugang zu einem rekurrent unterschätzten Datenfeld, das aber zugleich als Basis einer jeden Interpretation zu gelten hat. 2 Thesen zu Materialität Aus diesen Überlegungen abgeleitete Thesen, die in breiterem Rahmen diskutiert werden könnten, lauten: 1. Keine Analyse ohne grundlegende Einschätzung und qualitative/ quantitative Evaluation der Materialbelege. 2. Das Material entscheidet über die Erhaltung, denn es stellt im Transmissionsprozess die ‚Bedingung der Möglichkeit‘ dar. Dies legt sich schon aus der Tatsache nahe, dass dem Material entscheidende Bedeutung bezüglich der Dauerhaftigkeit des Schrift- oder Bildträgers zukommt. Ein unbeständiges Material wird auch den auf ihm vorhandenen Schriftträger nicht besonders lange dokumentieren können. 3. Materialität und Umfang einer Quelle sind aufs Engste aufeinander bezogen. Denn auch ganz praktisch kann der zur Verfügung stehende Platz auf einem 17 Exemplarisch Lippke, Editing, und mit einer Grundlage für die Exegese Blum, Exegetik. 10 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Schriftträger über die Ausführlichkeit einer Quelle entscheiden. In den seltensten Fällen ist es denkbar, dass eine ‚Erweiterung‘ an einen Gegenstand angebracht wird, sodass einer schriftlichen oder bildlichen Aufbringung mehr Raum zugestanden wird als auf dem Primärobjekt selbst Fläche zur Verfügung stand. 4. Materialität und Schriftform beeinflussen sich gegenseitig. Diese Einsicht führt zu einer Hebelwirkung ungeahnten Ausmaßes: Die klassische Einteilung der paläographischen Tabellen ist an vielen Stellen zu revidieren, weil viel zu wenig auf den Materialcharakter eingegangen wurde. 18 Eine vermischende vulgär-synoptische Nebeneinanderstellung, wie sie gemeinhin immer noch akzeptiert wird, dürfte vom Erkenntnisgewinn, bei Berücksichtigung der Materialität, diplomatisch gesprochen „bescheiden“ ausfallen. 5. Materialität und Stilistik beeinflussen sich; sie sind sogar voneinander abhängig. Somit können beide Größen eigentlich nie unabhängig voneinander betrachtet werden. Vor allem ist die Stilistik immer nur so gelungen und ausführlich, wie es das Material zuließ. 6. Materialität fungiert als Grundlage für einen antiken Wirkzusammenhang sowie auch für eine nachgeordnete erhebbare Pragmatik. In diesem Sinne ist sie als vorgeordneter Methodenschritt, gewissermaßen als ‚Pre-Screening‘ verstehbar. 19 3 Über dieses Heft Den Überlegungen zur Signifikanz folgend, nehmen zunächst Daniel Schmitz und Thomas Wagner im Rahmen ihrer Untersuchung zur Sequenzierung von Rollsiegeln Stellung. Die Komplexität der Materialität wird dabei eindrücklich durch die Objekte selbst bestimmt: Die Frage des Umfangs, der im Rollsiegel unendlich abrollbaren Bildsequenz fordert geradezu das methodische Nachdenken über Strukturierung, Abgrenzung und Iteration auf einer materiell endlosen Mantelfläche. Ihre Bestandsaufnahme und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse bieten nichts weniger als ein Fundament der Sequenzanalyse, die in einem zweiten materialgeschichtlichen Methodenschritt nach der Qualitätskritik zu erfolgen hat. Anna Krauß stellt in ihrem Beitrag die Frage nach ‚anfassbaren Texten‘ und der New/ Material Philology. Ihr gelingt im Rekurs auf die Grundbegriffe Ma- 18 Illustrativ ist in dieser Hinsicht auch der bei Lehmann, Ado, 80-84, diskutierte Befund, bei dem unterschiedliche lokale Ausprägungen von Schrift keinesfalls für ihr Alter herangezogen werden können. Technik und Stil sind erneut entscheidende Kategorien, welche frühere, forschungsgeschichtliche Vereinfachungen offen zu Tage fördern. 19 Aus diesem Grund ist die Prüfung der Materialität auch im Sinne einer Qualitätskritik eng zu den primären analytischen Zugängen zu zählen. Material Matters 11 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 terial, Kultur und Text eine neue Perspektive auf die materialorientierten(! ) Bibelwissenschaften und deren Implikationen für Redaktionen, Rezeptionen und literarkritische Vorgänge. Mit diesem Beitrag gelingt dezidiert eine Brücke zwischen den objektbetonten Materialaufarbeitungen und der textlichen Überlieferung Heiliger Schriften wie beispielsweise der Hebräischen Bibel. Kevin Künzels Ausführungen zu markant (materiell) angereicherten Texten - Mehr als nur ein Text. Erwägungen zu Lehr-/ Lernpotentialen neutestamentlicher Handschriften am Beispiel des Codex Boernerianus - zeigen an einem verblüffendem Beispiel die Mehrstufigkeit materieller Quellen auf. Dabei bleibt er aber nicht bei einer rein wissenschaftlichen Deskription. Vielmehr zeigt er das didaktische Potential auf, dass in der Beschäftigung mit solchen fast kurios polychromen Befunden wie dem Codex Boernerianus liegen dürfte. Künzel gelingt es, die Handschriftenforschung auch für forschungsinteressierte Beginner mit Reizen zu füllen, die den Forschungsgegenstand in ein neues Licht zu rücken vermag. Izaak de Hulster hat es sich in seinem Diskussionsbeitrag zur Aufgabe gemacht, den materialgeschichtlichen Ansatz konsequent als Gegenstand der akademischen Lehre zu präsentieren. Mit zahlreichen Beispielen aus unterschiedlichsten Epochen gelingt es ihm, eine exemplarische Materialitätsgeschichte zu skizzieren, die vor allem die Betrachtenden, die Studierenden, die Sehenden und die Rezipierenden als eigene Grösse berücksichtigt. Das didaktische Potential und die Chancen der Übernahme in eigene Lehr- und Forschungskonzepte ist somit ein materialgeschichtlicher Weg gebahnt. Mit Stefan Fischers Überlegungen zu einem Museumsbesuch zum Ende eines Ikonographieseminars wird die Bedeutung des direkten Kontakts zur materiellen Kultur reflektiert. 20 Dabei zeigt er Wege auf, wie der Besuch einer Sammlung gewinnbringend vorbereitet werden kann. Wie aus früheren Ausgaben gewohnt, wird die hier vorliegende thematische Sammlung erneut durch wichtige Seitenblicke ergänzt: So bietet Thomas Wagner eine pointierte Rezension des mehrbändigen Projekts IPIAO ( Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient ), Rebekka Ludwig rezensiert die fünfte Auflage von Friedrich Johannsen (jetzt mit Nils Neumann) Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule sachkundig und kritisch würdigend, Jan Heilmann evaluiert - inkl. der wichtigsten technischen Features - die Datenbank trismegistos . Ein aussagekräftiges Interview mit dem Biblischen Archäologen Wolfgang Zwickel gibt Einblicke in seine eigene Lern-, Lehr- und Forschungsbiographie. In dieser persönlichen Art haben die Herausgeber also wieder einmal ein spannendes Florilegium zusammengestellt, dass den Leserinnen und Lesern sehr zur Lektüre empfohlen werden kann. 20 Vgl. hierzu auch schon Hartenstein, Ikonographie. 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Material Matters Material Issues as Key to Transmission and Interpretation translated by David O’Neill 1 Aspects of a History of Materiality ‘Material matters’ or rather ‘materiality matters’ - this could indeed be a suitable title of the present collection of studies in this issue of VvAa. 1 The discussion of materiality is by no means a matter of course in the ‘canon of methods’ of Biblical subjects or ancient studies. 2 All too often, ‘manuscript researchers’ (e. g., on the medieval Bible edition of Codex Aleppo ) and ‘autopsy advocates’ (e. g., on the Late Bronze Age clay tablets of Ugarit) are still considered bizarre exotics or unusual purists in equal measure. 3 Such a hasty separation, however, happens wrongly as a solid source analysis has to lead from the ‘certain’ to the ‘uncertain’, from the ‘materially proven’ to the ‘hypothetically speculative’. 4 The only honest starting point of historical analysis is therefore the materially available source. In the same breath, however, the question of materiality plays a decisive 1 On the application and definition of the term materiality, see, among others, Morgan, Materiality, 271-289; Schmidt, Materiality; Giselbrecht/ Kunz, Sacrality, and Boschung/ Bremer, Materiality, but especially the material aspects in Fischer et al., Zugänge. 2 This can still be seen in the question of how often taphonomic-taphological questions are systematically included in the analysis of literary and archaeological findings. The thematic area of taphonomy - as the best example for the consideration of materiality and non-materiality - plays a decisive role, however, equally in archaeological misinterpretations (‘absence of evidence is evidence of absence’) as in editorial-historical assessments (cf. Ziemer, Fortschreibung). On taphonomy itself also Lippke, Verbindungslinien, 14-18, and Lippke, Bildsprache, 41. 3 Unfortunately, this also affects the field of digital editions. Only if comprehensive (at least! ) photographic documentations are added to digital inscription corpora, the possibility of taking an inscription seriously in its objectivity is given. A code-line with a standard character set in a computer program is not in the least convincing - due to the extreme loss of information - with regard to a historical reappraisal. 4 Cf. all methodological drafts (Steck, Exegese; Utzschneider/ Nitzsche, Arbeitsbuch; Kreuzer/ Vieweger, Proseminar I; Becker, Exegese, but also already Richter, Exegese) as well as the basic sketch in the exegetical process in Lippke, Schritte, 10 f. Material Matters 13 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 role. 5 Thus, in a certain way, a primacy of materiality is to be assumed for not only the fact whether a source has been handed down/ preserved plays a role in this framework, but also how the material, on which and with which it was handed down, influenced the handing down itself. This complex of questions has never been analyzed in a systemic-structural form for the religious tradition literature of the 1st millennium BC. Fig. 1: Redrawing of a Phoenician inscription with angular ayin forms after Lehmann, Littera © Reinhard G. Lehmann. Fig. 2: Tekke-Bowl after Lehmann, Littera © Reinhard G. Lehmann. A simple and clear example of the chances and limits of materiality can be demonstrated with the help of inscribed metal objects (such as the Canaanite arrowheads, fig. 1 or the Tekke bowl, fig. 2). 6 Reinhard G. Lehmann points out in his study on the writing design and the paleographic horizon of the Tekke and Kfar Veradim bowls that materiality always has to go hand in hand with the 5 For the close connection between material history and religious history, see Lippke, Priester, but meanwhile also Dietrich, Materialität. 6 In general, it should be noted that the inscribed arrowheads represent a delicate and uncertain archaeological territory. As a reliable, authentic and datable object, the bowl from Tekke is in any case preferable. I thank R.G. Lehmann for this oral reference. 14 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) interpretation of the material form. 7 The preservation of the various non-Biblical inscriptions from Biblical times represents a factual situation that can only be classified as a stroke of luck in terms of materiality history (chance of contextualization). 8 The proper interpretation of the findings, however, is always connected with the understanding of the limits of this materiality. Thus, Lehmann points to numerous research-historical misconceptions that have arisen due to the neglect of the materiality question. More specifically, the particular angular written forms of Phoenician consonants (including Beth, Ayin, Kaph, and Mem) on arrowheads and bowls were identified as ‘archaic type forms’ and thus the entire finding was early dated, 9 which is due to the fact that an (apparently) early consonant form would, according to the classical assessment, always imply a high age of the object. However, the fact that the written forms (angular ayin, open beth) are primarily connected with the material (metal) first and above all with the inscription technique (hallmarking by means of hammer blow), was too often left out. 10 An argumentation rooted in the discussion of materiality could have quickly corrected this historical lapse: The phenomenon under consideration is in fact not a strictly paleographic but a decisively material one. Accordingly, it would not be surprising if all paleographic attempts in this particular case led astray. A disregard for the question of materiality and its implications must inevitably lead to imbalances in interpretation. 11 If this situation is taken seriously, then every exegetical study, which must necessarily start from the text (see above), has to face the reality of materiality. Every text and every image is materially composed in its way of making. Methodologically, however, this trivial statement has to be followed by the double question of the ‘conditions of production’: 1. on/ of which materials were texts and images created, and 2. with which instruments/ aids were they made visible? For relevant answers to the first question, a list of materiae artisanales can be brought into the field: among them stone, metal, clay, plaster, bone, ivory, 7 Cf. Lehmann, Littera, 81-92, esp. 82. 8 Actually, only stone inscriptions have been preserved in the multitude - organic materials and the writing and pictorial information contained on them are no longer accessible to us due to climatic adversities (see below). 9 “The archaic forms of ayin and bet require a date no later than the end of the eleventh century” (Cross, Notebook, 227). 10 According to Lehmann: “The Phoenician arrowheads and the ʿAzorbaʿal spatula (KAI 3) are a script that was struck vertically into the metal, i.e., punched, and had to follow its own laws of writing technique. Even if (the corresponding consonants) still seem relatively archaic in their form, it must also be considered that the inscription technique hardly allowed for certain, perhaps alternatively expected forms” (Lehmann, Littera, 82 f.); see in this context also Puesch, Présence, and Kreimer, Impact. 11 According to Lehmann, it is rather to be assumed that specific peculiarities in the “(writing)type(s) may also represent a dictation of technology” (Lehmann, Littera, 83). Material Matters 15 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 papyrus, wood, textiles, leather, parchment and rarely surviving human skin. 12 The second question answers the practices and can be outlined with more than twenty processing categories. 13 The abundance of realization options becomes obvious when it is recognized that a material carrier could be shaped by several practices. In every combination of carrier and working material, however, lies a basis of execution that has decisively influenced a central characteristic in the history of art - even pre-Hellenistic: the characteristic style, or stylistics, of a work. 14 Also, style characteristics are in numerous cases not a simple expression of a presentation method, but tied back manifold to material and practice. Perceiving every textual and pictorial testimony first of all as an object in its material history of production is not only a risk, but also represents the very reconnection of the interpretative process to the object’s reality of creation. 15 Fig. 3: Detailed scenes on a Mitani scroll seal (Acco 2), from Lippke, Bildsprache, 53 © SACR. 12 Cf., for example, the studies in Meier et al., Textkulturen, 247-455. 13 Meier et al., Textkulturen, 471-610. 14 Cf. Lippke, Emotions, 160 f., as well as the thematization in Keel, Recht, 272 f., and also Keel, Ikonographie (unpublished), 34-43. 15 In this respect, a material approach should always be seen as ‘historical’ in the narrower sense, since it reflects the time, material, and situation of its creation. Accordingly, a discipline of ‘historical material history’ would have to be introduced (cf. above all the remarks by Krauß in this issue). 16 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 4: Dragon fight scene on an Assyrian scroll seal (8th/ 7th century BC), from Keel/ Uehlinger, Miniaturkunst, 43 fig. 46 © Stiftung BIBEL+ORIENT, Fribourg. Fig. 5: Chaos battle scene with a hero (bow and arrow) fighting an Anzu bird-like creature, Assyrian (1st mill. BC), © Stiftung BIBEL+ORIENT, Fribourg. Available at http: / / www.bible-orient-museum.ch/ bodo/ details.php? bomid=515. Last access 20 Feb 2021. In addition to the materials used (1.) and the techniques employed (2.), the further implications of the history of materiality can only be outlined here briefly. First of all, the consequences of the more detailed or less detailed mode of rep- Material Matters 17 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 resentation are to be illuminated. Obviously, there are processing instruments that are able to realize the elaboration of details with a varying degree of subtlety. Extreme points for the stamp and cylinder seals would be the ‘fine graver’ on the one hand (detail drawing of the Mitani-Elaborate Style, fig. 3) and use of the very crude grinding wheel (fig. 4) or the wide ball drills (fig. 5) on the other hand. While the former produces a finely ornamented line, the latter can only produce a simple incision in the material with varying grinding depths. 16 The results could hardly be more different. Nevertheless, such stylistic-aesthetic explanations do not imply a judgment on the meaning. Thus, there are processing techniques that elementarize in the first sense of the word. Furthermore, the mechanisms of reusing textual and pictorial sources straight into integration, reception and redaction phenomena play a decisive role in this context. All three aspects of literary-iconogaphic re-use are profoundly connected to questions of materiality and the re-utilization of a previously existing material content. 17 Accordingly, any interpretive endeavor should always begin by discussing the relevant preliminary questions: • What conditions is the preservation of the source subject to and what duration in terms of taphonomic-taphological classification is to be assigned to it? • Which climatic conditions are to be assumed as framework conditions of the object history since the production and how have just these influenced the chances of a reception? • What statements can be made about the life cycle of the considered object as a whole? However, since there is still no conclusive catalog of preserved and non-preserved materials in relation to the literary-iconographic heritage that has been systematically investigated for the pre-Hellenistic epochs, the materiality studies in the form of case studies remain the decisive access to a recurrently underestimated field of data, which, however, must at the same time be considered as the basis of any interpretation. 2 Theses on Materiality Derived from these considerations, the following theses could be discussed in a broader context: 16 For example, fine gravers were used to cut the Mitani seals, while coarse grinding wheels and ball drills were used to reproduce the image content on Assyrian and Babylonian scroll seals of the 1st millennium BC. 17 Exemplified by Lippke, Editing, and with a foundation for exegesis Blum, Exegetik. 18 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 1. No analysis without basic assessment and qualitative/ quantitative evaluation of the material evidence. 2. The material decides about the preservation, because it represents the ‘condition of possibility’ in the transmission process. This is already suggested by the fact that the material is of decisive importance with regard to the durability of the written or pictorial medium. An unstable material will also not be able to document the writing medium on it for a particularly long time. 3. Materiality and extent of a source are closely related to each other. The space available on a carrier can also determine the comprehensiveness of a source in a very practical way. In the rarest of cases, it is conceivable that an ‘extension’ is attached to an object so that a written or pictorial application is given more space than was available on the primary object itself. 4. Materiality and written form influence each other. This insight leads to a leverage effect of unimagined extent: The traditional classification of paleographic tables has to be revised in many places, because far too little attention was paid to the material character. 18 A mixing vulgar-synoptic juxtaposition, as is still commonly accepted, is, diplomatically speaking, likely to be ‘modest’ in terms of the gain of knowledge, when materiality is taken into account. 5. Materiality and stylistics influence each other; they are even dependent on each other. Thus, both quantities can never be considered independently of each other. Above all, stylistics is always only as successful and detailed as the material allowed it. 6. Materiality lays the foundation for an ancient context of effect as well as for a subordinate pragmatics that can be raised. In this sense, it can be understood as a preceding methodological step, as ‘pre-screening’, so to speak. 19 3 About this Issue Following the considerations of signification, Daniel Schmitz and Thomas Wagner first comment on the sequencing of cylinder seals as part of their investigation. The complexity of materiality is impressively determined by the objects themselves: The question of scope, of the image sequence that can be infinitely unrolled in the cylinder seal, virtually demands methodical reflection on struc- 18 Illustrative in this respect is also the finding discussed in Lehmann, Ado, 80-84, where different local selections of script can by no means be used to determine its age. Technique and style are again decisive categories, which openly bring to light earlier simplifications in the history of research. 19 For this reason, the examination of materiality, also in the sense of a quality critique, is closely to be counted among the primary analytical approaches. Material Matters 19 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0011 turing, demarcation and iteration on a materially endless mantle surface. Its inventory and the insights derived from it offer nothing less than a foundation for sequential analysis, which must take place in a second material-historical methodological step after quality criticism. In her contribution, Anna Krauß raises the question of ‘tangible texts’ and the New/ Material Philology. In her recourse to the basic concepts of material, culture, and text, she succeeds in providing a new perspective on materialoriented(! ) Biblical studies and their implications for redactions, receptions, and literary-critical processes. With this contribution, a bridge between the object-emphasized material studies and the textual transmission of sacred texts, such as the Hebrew Bible, has been successfully established. Kevin Künzel’s remarks on strikingly (materially) enriched texts - More than just a text. Considerations on Teaching/ Learning Potentials of New Testament Manuscripts Using the Example of the Codex Boernerianus - show the multilevel nature of material sources by means of an astonishing example. However, he does not remain with a purely scientific description. Rather, he shows the didactic potential that may lie in the study of such almost curiously polychromatic findings as the Codex Boernerianus . Künzel succeeds in filling manuscript research, even for beginners interested in research, with stimuli that are able to put the object of research in a new light. In his contribution to the discussion, Izaak de Hulster has made it his task to consistently present the material-historical approach as a subject of academic teaching. With numerous examples from a wide variety of epochs, he succeeds in outlining an exemplary history of materiality, which above all takes into account the viewers, the students, the seeing ones and the recipients as variables in their own right. The didactic potential and the chances of adopting it in one’s own teaching and research concepts thus pave the way for a material-historical approach. Stefan Fischer’s reflections on a museum visit at the end of an iconography seminar reflect on the importance of direct contact with material culture. 20 In doing so, he shows ways in which a visit to a collection can be profitably prepared. As usual from previous issues, the thematic collection presented here is again complemented by important side views: Thus Thomas Wagner offers a trenchant review of the multi-volume project IPIAO ( Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient ), Rebekka Ludwig reviews the fifth edition of Friedrich Johannsen’s (now with Nils Neumann) Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule in an informed and critically appreciative manner, Jan Heilmann evaluates - incl. the most important technical features - the database trismeg- 20 Cf. also Hartenstein, Ikonographie. 20 Florian Lippke 10.24053/ VvAa-2020-0011 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) istos . An informative interview with Biblical archaeologist Wolfgang Zwickel provides insights into his own learning, teaching and research biography. In this personal way, the editors have thus once again compiled an exciting florilegium that can be highly recommended to readers. Keywords Introduction to material culture, Materiality, History of materiality Bibliography Becker, Uwe: Exgese des Alten Testaments. Ein Methoden- und Arbeitsbuch (UTB 2664), Tübingen 4 2015. Blum, Erhard: Nowendigkeit und Grenzen historischer Exegese. Plädoyer für eine Alttestamentliche Exegetik, in: Janowski, Bernd (Hg.): Theologie und Exegese des Alten Testaments, der Hebräischen Bibel. Zwischenbilanz und Zukunftsperspektiven (SBS 200), Stuttgart 2005, 87-124. Boschung, Dietrich/ Bremer, Jan N. (Hg.): The Materiality of Magic (Morphomata 20), Paderborn 2015. Cross, Frank Moore: Leaves from an Epigrapher’s Notebook. Collected Papers in Hebrew and West Semitic Palaeography and Epigraphy (HSS 51), Leiden / Boston 2003. Dietrich, Jan: Materialität und Spiritualität im altisraelitischen Opferkult: Religionsgeschichtliche Abstraktionsprozesse, in: VT 71/ 1 (2020) 27-47. Hartenstein, Friedhelm: Altorientalische Ikonographie und Exegese des Alten Testament, in: Kreuzer, Siegfried/ Vieweger, Dieter (Hg.): Proseminar I Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2 2005, 173-186. Fischer, Stefan u. a.: Materiale, textliche und metaphorische Zugänge zur Bildwelt der Bibel, VvAa 2/ 1 (2017), 7-44. Kreimer, Kyle H.: Impact of Ductus on Script Form and Development in Monumental Northwest Semitic Inscriptions, UF 46 (2015), 189-212. Kreuzer, Siegfried/ Vieweger, Dieter (Hg.): Proseminar I Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2 2005. Lehmann, Reinhard G.: Much ado about an implement! The Phoenicianising of Early Alphabetic. in: Boyes, Philip J./ Steele, Philippa M. (Hg.): Understanding Relations Between Scripts. II. Early Alphabets, Oxford 2020, 69-90. Lehmann, Reinhard G.: Littera loquuntur. Beobachtungen zur Schriftgestaltung und zum paläographischen Horizont der Schalen von Tekke und Kfar Veradim, in: Kerr, Robert M. u. a. 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Letzter Aufruf am 20.02.2021. Lippke, Florian: Analyzing ‘Emotions’ in Ancient Media. Between Skepticism and Conceptual Autonomy (‘Eigenbegrifflichkeit’), in: Kipfer, Sarah (Hg.): Visualizing Emotions in the Ancient Near East (OBO 285), Freiburg 2018, 159-184. Lippke, Florian: Stratifizierte Bildsprache. Beobachtungen zu den Zylindersiegeln aus offiziellen und wissenschaftlich kontrollierten Grabungen in Palästina / Israel, in: Lau, Markus u. a. (Hg.), Sprachbilder und Bildsprache. Studien zur Kontextualisierung biblischer Texte (FS Küchler) (NTOA 121), Göttingen 2019, 37-124. Lippke, Florian: «Erhebe deine Schritte…» (Ps 74,3) Studien zur Motiv-, Religions- und Theologiegeschichte von Psalm 74, Dissertationsschrift Tübingen 2020 (436 S.). Giselbrecht, Rebecca/ Kunz, Ralph: Sacrality and Materiality. Locating Instersections, Göttingen 2015. Keel, Othmar: Das Recht der Bilder gesehen zu werden. Drei Fallbeispiele zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder (OBO 122), Fribourg/ Göttingen 1992. Keel, Die Ikonographische und ikonologische Interpretation altorientalischer Kunst. Das Methodenschema Panofskys und eine paar Schritte darüber hinaus (unpubliziert). Meier, Thomas u. a.: Materielle Textkulturen. Konzepte - Materialien - Praktiken (Materiale Textkulturen 1), Berlin / New York 2015. Morgan, David: Materiality, in: Stausberg, Michael/ Engler, Steven (Hg.): The Oxford Handbook of the Study of Religion, Oxford u. a. 2016, 271-289. Puesch, Émile: Présence phénicienne dans les îles à la fin du IIe millénaire. À propos de deux coupes inscrites, RB 90 (1983), 365-395. Richter, Wolfgang: Exegese als Literaturwissenschaft. Entwurf einer alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie, Göttingen 1971. Schmidt, Brian B.: The Materiality of Power (FAT 105), Tübingen 2016. Steck, Odil Hannes: Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik, Ein Arbeitsbuch für Proseminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 14 1999. Utzschneider, Helmut/ Nitsche, Stefan A.: Arbeitsbuch literaturwissenschaftliche Bibelauslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 4 2014. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Rollsiegel sequenzieren Segmente erschließen - Sujets erkennen - Kultur entdecken Daniel Schmitz (orcid.org/ 0000-0002-7194-1698) / Thomas Wagner (orcid.org/ 0000-0002-4076-5134) Die Festlegung von Sujets durch die Sequenzierung von Rollsiegelabrollungen ist für die Interpretation des jeweiligen ikonographischen Zeugnisses ein grundlegender Schritt. Die Wahrnehmung der Abbildungen wird maßgeblich durch ihre Anordnung bestimmt. Diese erfolgt vielfach intuitiv, indem die Abrollende/ der Abrollende die Abrollung so zuschneidet, wie sie/ er die Motivanordnung auf den ersten Blick wahrnimmt. Dieser Beitrag beschreibt mit kata- und anaphorischen Elementen sowie der sich am Zentrum ausrichtenden Anordnung der Symbole wesentliche Kompositionsmerkmale, die es bei einer Sequenzierung wahrzunehmen und zu bedenken gilt. 1 Einleitung Die vorderasiatischen Völker bildeten im Laufe ihrer Kulturgeschichte unterschiedliche Artefakte und Objekte aus. Von Reliefs über Stelen bis hin zu Kleinkunstgegenständen entstanden Formen, von denen frühe Zeugnisse in der biblischen Welt seit dem Natufium nachgewiesen sind. 1 Waren es anfänglich hauptsächlich Figurinen, die aus Knochen, Zähnen, Perlen und Muscheln gebildet wurden, sind ab dem Chalkolithikum (4500-3600 v. Chr.) auch Siegel belegt. Zunächst waren es Stempelsiegel, die verwendet wurden. In Steine oder Knochen wurden Motive graviert, die vor allem in Ton abgedrückt wurden. Der Abdruck bildete ein Flachrelief. Diese Technik wurde vor allem in Südmesopotamien in den anschließenden Jahrhunderten so weiterentwickelt, dass zylinderförmige Steine rundherum graviert wurden und das Bild - anders als beim Stempelsiegel - erst beim Abdruck vollends sichtbar wurde. „Die Kunst, Rollsiegel zu schneiden, nimmt im südlichen Zweistromland, soweit unsere Kenntnisse heute reichen, ihren Anfang in der Periode, die wir nach den betreffenden Grabungsschichten in Warka mit dem Namen Uruk IV/ VI bezeichnen. […] Das Siegelhandwerk der beiden Jahrhunderte etwas zwischen 3300 und 3100 v. Chr. steht als eine fertig ausgebildete Kunst da, im Gegensatz zur Schrift, bei der wir 1 Vgl. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 37-45. Kritisch betrachtet von Hershman/ Misch-Brandl, Dawn, 12. Rollsiegel sequenzieren 23 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 in dieser Zeit eine Anfangsstufe erkennen können.“ 2 Mit den Rollsiegeln schufen die Künstler des ausgehenden 4. Jt.s v. Chr. eine Kunstform, die für den den Vorderen Orient bis in die Epoche achämenidischer Herrschaft typisch wurde. Erst unter persischer Vorherrschaft verlor sie derart an Bedeutung, dass sie auf späteren Kulturstufen auch der vorderasiatischen Welt nicht mehr verwendet wurde. Rollsiegel haben ihren ‚Sitz in der Kultur‘ zunächst im Wirtschaftsleben. Dies wird an einem Text aus dem 21. Jh. v. Chr. deutlich: „Das Siegel (mit) der Inschrift des Kaufmanns Ur-DUN ist verloren gegangen. Auf das Wort der Versammlung hin blies der Herold auf den Straßen das Horn, (damit) niemand irgendeinen Anspruch gegen ihn (=den Kaufmann) habe(n kann). Lu-Su´ena, der General, Lugalmelam, der Statthalte (und) Tempelverwalter, Zuzu, der Meister, Sidu, der Schreiber, Allu, der Hausverwalter, Bansagen, der Kultsänger, Ullia, der Bürgermeister (und) der Herold sind Zeugen.“ 3 Der im Text beschriebene Verlust des Siegels wurde öffentlich bekannt gemacht, damit das Siegel nicht missbraucht werden konnte. Rollsiegel wurden im Wirtschaftsleben dazu gebraucht, den Wert oder die Menge einer Ware zu bestätigen. Wurde ein Siegel in Ton gedrückt, mit dem ein Tonkrug verschlossen wurde, bezeugte der Siegelgeber, dass die versprochene Ware in gehandelter Menge im Krug war. Die individualisierten Siegel dienten also der Bestätigung und waren in Verbindung mit dem guten Ruf des Handelnden ein Qualitätsmerkmal für die Ware. Rollsiegel besaßen jedoch nicht nur eine wirtschaftliche Funktion, sondern dienten auch als Schutzmittel gegen den Einfluss dämonischer Mächte auf das menschliche Leben. Derartige apotropäische Wirkungen 4 gingen sowohl von den Steinen, aus denen sie geschnitten wurden, 5 als auch von den eingravierten Bildern aus. Die eingravierten Bilder sind anders als bei Stempelsiegeln nicht ein einzelnes Motiv, dessen Charakter durch den Symbolgehalt dieses Motives erkennbar ist. Stattdessen bieten Rollsiegel Bildsequenzen, in denen verschiedene Motive miteinander kombiniert sind. Rollsiegel bieten also ein Sujet, das vom Betrachter gedeutet werden muss. Dabei ist wesentlich auf die Kombination der einzelnen Motive zu achten, die mehr als die Summe der Einzelmotive ist: „Gerade darin unterscheidet sich die Ikonik von der Interpretationsmethode Panofskys, daß sie nämlich den eigentlichen Gehalt des Bildes nicht im ‚symbolischen Wert‘ eines 2 Moortgat, Rollsiegel, 3. 3 Text aus Neumann, TUAT.NF 1, 17f. 4 Zu den Rollsiegeln als Amulette vgl. Salje, Siegelverwendungen. 5 Vgl. Schuster-Brandis, Steine, 17-47. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 24 Daniel Schmitz / Thomas Wagner zugrundeliegenden allgemeinen und auch sonst in anderen Medien formulierbaren Prinzips erblickt, sondern vielmehr - gegebenenfalls - im Bild als einem Sehangebot, das alle mitgebrachten Seherwartungen oder auch alle sprachlich mitzuteilenden Ereignisvorstellungen im Ausdruck einer anschaulichen und nur der Anschauung möglichen Evidenz übersteigt.“ 6 Eine solche spezifische Kombination wird erst duch eine Analyse der im Bild vorfindlichen Segmente (Teilfelder eines Bildes), ihrer Ausgestaltung und wechselseitigen Bezüge sichtbar. Wesentlich für die Deutung der Teilfelder ist ihre Anordnung. Während dies bei Bildern, die auf eine Fläche aufgebracht werden, eindeutig ist, ist sie bei Rollsiegeln zunächst zu bestimmen. Die Abrollung der Siegel bestimmt demnach darüber, welche Sujet der Betrachter zu sehen bekommt. Oder aus einer anderen Perspektive betrachtet: Der Betrachter wird zum Komponisten, da er das Ergebnis durch das Abrollen je nach Ausgangspunkt beeinflusst. Dies wird in der heutigen wissenschaftlichen Praxis jedoch kaum sichtbar, da die in die Rollsiegel eingravierten Bilder zumeist über geschnittene Abrollungen oder über Umzeichnungen der Abrollungen wahrgenommen werden. Das Sujet wird vorab bestimmt, so dass ein wesentlicher Schritt in der Interpretation dieser Bilder bei der Deutung ausfällt. Im Folgenden werden Merkmale benannt, nach denen eine Sequenzierung von Rollsiegeln und damit eine Festlegung des Sujets möglich wird. 2 Sequenzierung Die Grundlage altorientalischer Bilder ist eine Zentrum-Peripherie-Raumformation, die sich durch die Vermischung von Orthogonalität und Sphärik ergibt. 7 Im Zentrum des Bildes wird das Wesentliche abgebildet. Um dieses zu erwirken, werden zwei unterschiedliche Segmentanordnungsprinzipien verfolgt. Zum einen können sich innerhalb des Sujets anaphorische Elemente finden, die auf das Bildzentrum verweisen, zum anderen kataphorische Elemente, die das Bildzentrum zur Peripherie hin abgrenzen. Die Bestimmung der Funktion der im Sujet verbundenen Motive ist Aufgabe der Sequenzierung von Rollsiegelabrollungen. 2.1 Kataphorische Elemente Als kataphorische Elemente können zwei grundsätzlich verschiedene Elemente von Rollsiegelabbildungen erkannt werden. Zum einen weisen Bilder Aspekte auf, die vom Bildzentrum wegweisen, zum anderen sind auf vielen Rollsiegeln Szenentrenner eingraviert, durch die eine Festlegung des Bildzentrums erfolgt. 6 Imdahl, Schriften 3, 432. 7 Vgl. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 25-38. Rollsiegel sequenzieren 25 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Im folgenden ersten Beispiel sind zunächst kataphorische Elemente zu beobachten, mit denen das Bildzentrum nach außen abgegrenzt wird. Das Rollsiegel VR 1993.6 stammt aus der Sammlung des Museums BIBEL + ORIENT, Fribourg. Datiert wird es in die neuassyrische Zeit, genauer in die Zeit zwischen 900 und 700 v. Chr. In den Publikationen des Siegels ist die Sequenz so geschnitten wird, dass das Bildzentrum vordefiniert wird. 8 Dabei werden in der Umzeichnung des Siegels überlappende Elemente ausgespart, so dass die Sequenz zumindest nach hinten klar abgegrenzt erscheint: Abb. 1: Umzeichnung des Siegels VR 1993.6. © Sammlung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Abb. 2: Abrollung des Siegels VR 1993.6. © Sammlung BIBEL + ORIENT, Fribourg. 8 Zum Siegel siehe https: / / bit.ly/ 3i8TjHS sowie Keel-Leu/ Teissier, Rollsiegel, 179.441. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Das Sujet wird durch den Schlangenkörper bestimmt. Dabei ragen der Kopf der Schlange sowie ihre beiden Extremitäten soweit aus der Szene hinaus, dass sie oberhalb und unterhalb des Schwanzendes abgebildet werden. Auf diese Weise entsteht beim Abrollen der Eindruck des Zyklischen, da die Sequenz nicht durch einen vertikalen Schnitt abgrenzbar ist. Dies wird an einer Mehrfachabrollung sichtbar: Abb. 3: Mehrfachabrollung des Siegels VR 1993.6. Der Szenenbeginn bzw. das Ende kann mittels kataphorischer Elemente abgegrenzt werden. Als solche dienen der nach links weisende Schlangenkopf, die ausgestreckten Extremitäten sowie der achstrahlige Stern und die Mondsichel im oberen und das Auge und einzelne Keile im unteren Bildfeld. Während der Schlangenkopf und die Extremitäten vor der Frontseite der auf der Schlange stehenden Person platziert sind, sind Stern, Mondsichel, Auge und Keile in seinem Rücken zu sehen. Die kataphorischen Elemente grenzen das Bildzentrum nach außen hin ab. Im Zentrum der Darstellung ist ein in einen Fransenschlitzrock gekleideter Gott zu sehen, der in seiner Rechten ein Doppelblitzbündel hält, mit dem er den Schlangendrachen bekämpft. Das Rollsiegel stellt also eine Chaoskampfszene dar, in der das Handeln der abgebildeten Gottheit im Zentrum der Darstellung steht. Die Szene, die auf VR 1993.6 zu sehen ist, enthält durch die eingravierten Überschnitte Aspekte, die auch Rollsiegel aufweisen, die keine szenische Trennung zulassen. Das Sujet ist bei solchen Siegeln so komponiert, dass an den Stellen, an denen eine Trennung möglich wäre, verbindende Elemente eingefügt sind. Solche Sujets finden sich vor allem bei Tierdarstellungen, deren Symbole nicht auf mythische Erzählungen verweisen, die ihrerseits szenisch gestaltet sind. Ein Beispiel für ein solches Rollsiegel ist das Siegel MNB 1167. Es wurde wohl zum Versiegeln von Handelsware geschaffen, da es für eine fortlaufende Abrollung angelegt ist. Das Siegel weist zudem eine weitere Besonderheit auf. Die unten abgebildete Abrollung scheint auf den ersten Blick eine Mehrfachabrollung zu sein. Auf den zweiten Blick sieht man jedoch, betrachtet man die beiden in der Abbildung zu sehenden Greife oder die horizontale Ausrichtung der Hälse der größeren Tiere, dass es sich keineswegs um eine doppelte Abrollung von einfach eingravierten Tieren handelt. Die Gravur zeigt zwei ähnliche Sze- 26 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 27 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 nen, die direkt nebeneinander stehen und durch die verschlungene Haltung von Hälsen und Schwänzen den iterativen Charakter des Siegels verstärken. Abb. 4: MNB 1167, Musee du Louvre, Paris. Abbildung aus Delaporte, Catalogue II, 64. Eine Trennung der Szene ist nicht möglich, da die Schwänze der beiden Tiere miteinander verschlungen sind. In dem zwischen ihnen entstehenden Raum ist ein Greif eingraviert, der das Zentrum dieses Teilfeldes darstellt. Ein zweites Teilfeld entsteht durch die verschlungenen Hälse der beiden Tiere, die im Sujet gleichwertig nebeneinander stehen. Diese Komposition besitzt keine Zentrum- Peripherie-Relation, so dass keine eindeutig bestimmbare Szene entsteht. Als kataphorisches Element können auch Szenentrenner gedeutet werden. Diese sind i. d. R. so in das Rollsiegel eingraviert, dass sie, um die Szene abgrenzen zu können, zweimal abgerollt werden müssen. Dies bedeutet, dass die gesamte Szene erst durch eine Abrollung von mehr als 360° vollständig sichtbar wird. 9 Als Szenentrenner werden häufig Bäume verwendet, da diese die gesamte Vertikale ausfüllen können. Ein Beispiel für eine Eingrenzung einer Szene durch eine Dattelpalme bietet das Siegel VR 1981.137. 10 9 Die Notwendigkeit einer Mehrfachabrollung wird auch bei https: / / bit.ly/ 35PkJzU deutlich. Es wird jedoch keine Möglichkeit einer eigenständigen Sequenzierung geboten, da der festgelegte Rahmen von einer 360°-Sequenz ausgeht. 10 Vgl. https: / / bit.ly/ 3cBOuFQ. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Abb. 5: Abrollung des Siegels VR 1981.137. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. In dem aus achämenidischer Zeit stammenden Siegel ist eine Dattelpalme zwischen die Rücken der beiden geflügelten Löwengreifen mit Pferdeohren eingraviert. Erst durch ein zweifaches Abrollen der Palme wird die zentrale Szene abgeschlossen. 2.2 Anaphorische Elemente Neben den Elementen, die die zentrale Szene nach Außen abgrenzen, finden sich auf Rollsiegeln nach innen weisende Aspekte, die den Betrachter zum szenischen Zentrum hinführen. Als Beispiel für ein Rollsiegel, das vermehrt anaphorische Elemente aufweist, ist ein prominentes Stück zu betrachten, das bei einer Grabung auf dem Mamilla-Areal in Jerusalem, westlich des Jaffa-Tores auf dem Boden eines Grabes gefunden wurde. Das Grab stammt 11 aus der späten Königszeit. Stilkritisch wird das Siegel der Akkad-Zeit (24.-22. Jh. v. Chr.) zugewiesen und gilt damit als das einzige Rollsiegel dieser Epoche, das bisher in Palästina/ Israel gefunden wurde. 11 Vgl. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348 f. mit Abb. 251. 28 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 29 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Abb. 6: Rollsiegel aus der Akkad-Zeit, von der Grabungsleitung aufbewahrt. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Das Siegel zeigt in seinem Zentrum die thronende Sonnengottheit Šamaš, die durch die aus ihrem Schulter-/ Oberarmbereich hervorgehenden Sonnenstrahlen als solche gekennzeichnet ist. Šamaš trägt eine Hörnerkrone, die ihn ebenfalls als Gottheit ausweist. Eingegrenzt wird die Szene zunächst durch den aus Stab, horizontaler Doppellinie und Mondsichel bestehenden Szenentrenner, der zwischen den Rücken der beiden Šamaš umgebenden Gottheiten eingraviert ist. Die beiden weiteren Gottheiten halten jeweils einen Torflügel in Händen, was darauf hindeutet, dass es sich hierbei um die Tore zur Unterwelt handelt, durch die Šamaš Tag für Tag am Horizont erscheint. Ist diese Beobachtung richtig, dann sind diese beiden Gottheiten Šalim und Mešarru, die Söhne der Sonnengottheit. Die anaphorischen Elemente sind nun an den Šalim und Mešarru zu beobachten. Ihre Blickrichtung zielt auf das szenische Zentrum. Zudem weisen ihre Schrittstellung und die Haltung ihrer Arme auf Šamaš hin. Die offen gehaltenen Torflügel verweisen ebenfalls darauf, dass zwischen ihnen das Teilfeld sichtbar wird, das im Zentrum der Darstellung steht: die thronende Sonnengottheit. „Das Thronen des Sonnengottes betont seine souveräne Herrschaft, die sich wiederum vor allem in seiner Richterrolle äußert, die er immer thronend ausübt.“ 12 Zeichen dieser Herrschaft ist der Herrscherring, den Šamaš in der rechten Hand hält. Die Ermittlung des szenischen Zentrums und damit der Komposition des Sujets ist durch die kata- und anaphorischen Elemente geleitet, auf Basis einfacher Beobachtungen möglich. Der Bezug von einer rein materiellen auf über diese 12 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) hinausgehende, allgemeine Kultur wird dann möglich, wenn der Symbolgehalt des im Zentrum des Bildes stehenden Elements erschlossen, d. h. kontextualisiert wird. 3 Interpretation Zur Erschließung der Ikonographie des Vorderen Orients wird vielfach auf den methodischen Ansatz von Ernst Panofsky zurückgegriffen. 13 Auf Stufe II seiner Analyse, die er die Ikonographische Analyse nennt, kommt die Kenntnis literarischer Quellen zum Tragen, um das konventionale Sujet, „das die Welt von Bildern , Anekdoten und Allegorien bildet“ 14 , zu deuten. Panofsky bezieht sich bei der Ausbildung seiner Analysemethode auf Sujets unterschiedlicher Kompositionsschemata, so dass er kein Teilfeld benennt, dessen Symbolgehalt einer derartigen ikonographischen Deutung unterzogen werden soll. Die im Alten Orient vorherrschende Zentrum-Peripherie-Formation weist jedoch ein solches Teilfeld aus, auf das der Blick des Betrachter gelenkt wird. Durch das Zentrum wird auf bestimmte Themen und Vorstellungen zumeist literarischer Quellen verwiesen, die durch den Symbolwert der das Zentrum umgebenden Elemente durch den Künstler gedeutet wird. So verbinden sie häufig Bild und Text so miteinander, dass der Text, wie er im Gedächtnis des Betrachter existiert, in eine bildliche Vorstellung übersetzt wird. Durch das Bild wird jedoch eine Fokussierung des Textes vorgenommen: „Dies setzt voraus, daß jede auch nur vorstellbare Sichtbarkeitsalternative des im Bild zu Sehenden jenen vermittelten Sinn vernichtet, daß also das zu Sehende in seiner fixierten Einansichtigkeit sich erfüllt. Darin steckt ein prinzipieller Unterschied zu aller natürlichen Wahrnehmungsvielfalt der visuellen Welt, was wiederum bedeutet, daß das im Bilde zu Sehende - wie immer es auf die außerbildliche visuelle Welt hinweist oder auch nicht - außerhalb des Bildes keine Existenz hat und insofern mit dem Bilde selbst identisch ist.“ 15 Die Ausdeutung des zentralen Elementes durch die um dieses platzierten Symbole führt zur Ausbildung einer Symbolsprache, so dass neben dem Text ein weiterer Deutungshorizont entsteht. Im Folgenden wird dieses an dem aus dem 9./ 8. Jh. v. Chr. aus Babylon stammdenden Rollsiegel VR 1981.113 verdeutlicht. 13 Zur kritischen Reflexion der Methode siehe Keel, Recht, 267-271. 14 Panofsky, Ikonographie, 223. 15 Imdahl, Ikonologie, 319. 30 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Rollsiegel sequenzieren 31 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Abb. 7: Rollsiegel VR 1981.113. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg. Die Siegelabrollung zeigt zwei bärtige Figuren mit lockigem Haar, die eine Schürze und Armbänder tragen. Über ihren Köpfen ist jeweils ein Stern zu sehen. Ihre Arme weisen auf einen Schrein zwischen ihnen hin, der das Zentrum der Darstellung bildet. Innerhalb des Schreins wird ein Hybridwesen sichtbar, das einem Leser von Enūma Eliš als Mušḫuššu , Betrachtern monumentaler Bauwerke wie etwa dem Ištar-Tor in Bablyon als mythisches Wesen bekannt ist. Dieser Schlagendrache wird von Marduk besiegt und wird zu seinem Träger/ Podest. Auf den Hörnern des Schlangendrachens ist ein Beter abgebildet, der vor dem Spaten Marduks und dem Griffel des Nabûs steht. Ikonographisch ungewöhnlich an der Darstellung sind die Löwentatzen des Schlangendrachens. In dieser Form entspricht er seiner Darstellung in einem Hymnus auf Ninurta . 16 Mond- und Sternsymbol oberhalb des Schreins sowie die als Szenentrenner dienenden Plejaden, die zwischen den Rücken der beiden bärtigen Figuren eingraviert sind, weisen direkt auf die Ausgestaltung des unteren Himmels in Ee V: 1-46 hin. Für Enūma Eliš ungewöhnlich ist jedoch die Gleichstellung Marduks und Nabûs im zentralen Schrein. Diese ist im Text nicht belegt; vielmehr wird 16 Vgl. Lambert, Myths, 235. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) das zentrale Heiligtum als ein dreigeschossiges dargestellt, dessen untere Etage Eas Schrein in Apsû und dessen obere Etage Enlils himmlischem Heiligtum entspricht. Die Gleichstellung Nabûs mit Marduk verweist in die weitere Religionsgeschichte Babylons. In ihr tritt Nabû immer weiter in die Rolle Marduks ein. Ursprünglich wurde Nabû in Borsippa verehrt, tritt aber in neubabylonischer Zeit als Mitherrscher neben Marduk auf und wird dementsprechend als gleichwertig abgebildet. 17 Die auf diesem Rollsiegel dargestellte Fokussierung auf einen von zwei Gottheiten bewohnten Schrein ist nicht nur ein Zeugnis der späteren babylonischen Religionsgeschichte, sondern führt zugleich zu einer veränderten Wahrnehmung des Referenztextes. Enūma Eliš wird als Gründungslegende des babylonischen Heiligtums verstanden. Nabû tritt ursprünglich als Wesir des Himmelsgottes Anu auf, indem er in Zeiten der ersten babylonischen Dynastie mit dem diese Funktion wahrnehmenden Muduggasa’a identifiziert wird. In späterer Zeit, d. h. zwischen 1000 und 800 v. Chr., wird er dann als Sohn Marduks gleichwertig angesehen. 18 Das Rollsiegel zeugt davon, dass der in Enūma Eliš nach der Schaffung des Heiligtums erreichte Zustand nicht als dauerhaft, sondern als Beginn eines sich fortentwickelnden Kultes gelesen wurde, zu dessen Errungenschaften auch die Integration des Sohnes Marduks in das religiöse System Babylons gehörte. Die Konzentration auf das zentrale Teilfeld des Bildes ermöglicht es, die Deutung eines für die jeweilige Kultur wesentlichen Textes durch ein Bild als materielles Zeugnis dieser Kultur zu erschließen. Während schriftliche Texte aufgrund ihrer Verbreitung, ihrer proto-kanonischen Formen und der langwierigen Redaktionsprozesse nur unter größerem Aufwand fortgeschrieben werden konnten und auf diese Weise mit einer höheren Zeitverschiebung auf sich verändernde kulturelle Bedingungen reagierten, 19 sind derartige Prozesse bei der Schaffung von Bildern in kürzeren Zeitabständen möglich. Die Stärke bildlichen Ausdrucks, die Konzentration auf eine statische Konstellation, führt dazu, dass wesentliche kulturelle Prozesse und die von ihnen abhängigen Neudeutungen überkommener Vorstellungen kurzfristig abgebildet werden können. 17 Pomponio, Nabû, 100. 18 Vgl. Lambert, Myth, 275-277. 19 Zur Textgeschichte von Enūma Eliš vgl. Lambert, Recension. 32 Daniel Schmitz / Thomas Wagner Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 The Sequencing of Cylinder Seals Deducing Segments - Recognizing Subjects - Discovering-Culture translated by David O’Neill The definition of subjects through the sequencing of cylinder seal rollings is a fundamental step for the interpretation of a iconographic evidence. The perception of the images is largely determined by the arrangement of their symbols. In many cases, this is done intuitively, in that the unroller cuts the rolling in such a way as he perceives the motif arrangement at first glance. With cataand anaphoric elements as well as the arrangement of the symbols aligned with the centre, this article describes essential compositional features that need to be perceived and considered when sequencing. 1 Introduction In the course of their cultural history, the peoples of the Near East formed various artifacts and objects. From reliefs to stelae to small art objects, forms were created of which early evidence has been found in the Biblical world since Natufium. 1 While initially they were mainly figurines formed from bones, teeth, pearls and shells, seals have also been documented since the Chalcolithic (4500- 3600 BC). Initially, stamp seals were used. Motifs were engraved into stones or bones, which were mainly imprinted in clay. The imprint formed a bas-relief. This technique was further developed in the following centuries, especially in southern Mesopotamia, in such a way that cylindrical stones were engraved all around and the image - in contrast to the stamp seal - only became fully visible when the offprint was made. “The art of cutting cylinder seals, as far as our knowledge is today, begins in southern Mesopotamia in the period which we, according to the relevant excavation layers in Warka, call Uruk IV/ VI. The sealing craft of the two centuries between 3300 and 3100 BC stands as a fully developed art, in contrast to the writing, in which we can recognize an initial stage in this time.” 2 With the cylinder seals, the artists of the late 4th millennium BC created an art form that became typical for the Near East up to the epoch of 1 Cf. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 37-45. Critically evaluated by Hershman/ Misch-Brandl, Dawn, 12. 2 Moortgat, Rollsiegel, 3. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) the rule of Achaemenid. Only under Persian rule did it lose such importance that it was no longer used at later cultural levels, even in the Near East. Cylinder seals primarily have their ‘cultural seat’ in the economy. This becomes clear in a text from the 21st century BC: The seal (with) the inscription of the merchant Ur-DUN has been lost. Following the word of assembly, the herald blew the horn in the streets, (so that) no one could have any claim against him (=the merchant). Lu-Su’ena, the general, Lugalmelam, the governor (and) temple steward, Zuzu, the master, Sidu, the scribe, Allu, the steward, Bansagen, the cult singer, Ullia, the mayor (and) the herald are witnesses. 3 The loss of the seal described in the text was made public so that the seal could not be misused. Cylinder seals were used in the economy to confirm the value or the quantity of a good. If a seal was pressed in clay, with which a clay jug was closed, the seal giver testified that the promised goods were in the jug in agreed quantity. The individualized seals thus served as a confirmation and, in connection with the good reputation of the trader, were a sign of the quality of the goods. Cylinder seals did not only have an economic function, however, but also served as a means of protection against the influence of demonic powers on human life. Such apotropaic effects 4 emanated both from the stones from which they were cut 5 and from the engraved images. Unlike stamp seals, the engraved images are not a single motif, the character of which can be recognized by its symbolic content. Instead, cylinder seals offer image sequences in which different motifs are combined with each other. Cylinder seals thus offer a subject that must be interpreted by the viewer. Here it is essential to pay attention to the combination of the motifs, which is more than the sum of the individual motifs: “It is precisely in this respect that the iconography differs from Panofsky’s method of interpretation, namely that it does not see the actual content of the picture in the ‘symbolic value’ of an underlying general principle that can also be formulated in other media, but rather - where appropriate - in the picture as a seeing offer that exceeds all expectations the viewer brought along and even all the ideas of events to be communicated in language, being eidetic evidence that can only apply through visualization.” 6 Such a specific combination only becomes visible through an analysis of the segments (subfields) of the image, their design and mutual references. 3 Extracted from Neumann, TUAT.NF 1, 17f. 4 About cylinder seals and amulets cf. Salje, Siegelverwendungen. 5 Cf. Schuster-Brandis, Steine, 17-47. 6 Imdahl, Schriften 3, 432. 34 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 35 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Essential for the interpretation of the subfields is their arrangement. While this is unambiguous in the case of images applied to a surface, it must first be determined in the case of cylinder seals. The unrolling of the seals thus determines which subject the viewer will see. Or, viewed from a different perspective: The viewer becomes a composer, since he or she influences the result by unrolling the seal differently, depending on the starting point. However, this is hardly visible in today’s scientific practice, since the images engraved into the cylinder seals are mostly perceived after having been cut or drawn. The subject is determined in advance, so that an essential step in the interpretation of these pictures is missing in the interpretation. In the following, features are named according to which a sequencing of cylinder seals and thus a definition of the subject is possible. 2 Sequencing The basis of ancient oriental paintings is a center-periphery space formation, which results from the mixing of orthogonality and sphericity. 7 In the center of the picture, the essential is represented. In order to achieve this, two different segment arrangement principles are followed. On the one hand, anaphoric elements can be found within the subject that refer to the center of the picture, on the other hand, cataphoric elements occur that delimit the center of the picture towards the periphery. The determination of the function of the motifs connected within the subject is the task of the sequencing of unrolled cylinder seals. 2.1 Cataphoric Elements Two fundamentally different elements of cylinder seal images can be recognized as cataphoric elements. On the one hand, images have aspects that point away from the center of the image, on the other hand, many cylinder seals have scene separators engraved in them which determine the center of the image. In the following example, the first observation is dedicated to cataphoric elements outwardly delineating the image center. The cylinder seal VR 1993.6 comes from the collection of the Museum BIBLE + ORIENT, Fribourg. It is dated to the Neo-Assyrian period, more precisely to the period between 900 and 700 BC. In the publications of the seal, the sequence is cut in such a way that the center of the image is predefined. 8 Overlapping elements are left out in the drawing of the seal, so that the sequence appears clearly delineated at least at the back: 7 Cf. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 25-38. 8 About the seal cf. https: / / bit.ly/ 3i8TjHS as well as Keel-Leu/ Teissier, Rollsiegel, 179-441. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 1: Drawing of the seal VR 1993.6.© Collection BIBEL + ORIENT, Fribourg. Fig. 2: Unrolled seal VR 1993.6. © Collection BIBEL + ORIENT, Fribourg. The subject is determined by the snake body. The head of the snake and its two extremities protrude beyond the scene so that they are depicted above and below the end of the tail. By this, the impression of cyclicity is created when rolling, since the sequence cannot be delimited by a vertical cut. This becomes visible in a multiple unrolling: Fig. 3: Multiple unrolling VR 1993.6. 36 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 37 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 The beginning and the end of the scene can be defined by cataphoric elements. Such elements are the snake’s head pointing to the left, the outstretched limbs as well as the eight-pointed star and the crescent moon in the upper and the eye and individual wedges in the lower field of the picture. While the snake head and the extremities are placed in front of the person standing on the snake, the star, the crescent moon, the eye and wedges in his back can be seen. The cataphoric elements outwardly delimit the center of the picture. In the center of the depiction, a god dressed in a fringed skirt can be seen, holding a double lightning bolt in his right hand, with which he fights the serpent dragon. The cylinder seal thus represents a chaos battle scene in which the action of the depicted deity is at the center of the depiction. Through the engraved overcuts, the scene visible on VR 1993.6 contains aspects that also occur on cylinder seals that do not allow scenic separation. In the case of such seals, the subject is composed in such a way that connecting elements are inserted at the points where separation would also be possible. These kinds of subjects are found primarily in depictions of animals whose symbols do not refer to mythical narratives, which in turn are scenically designed. An example of such a cylinder seal is the seal MNB 1167, which was probably created to seal trading goods, as it is designed for continuous unrolling. The seal also has another special feature. The unrolled seal shown below seems to be a multiple unrolling at first sight. At second glance, however, if you look at the two griffins in the picture or the horizontal alignment of the necks of the larger animals, you will see that it is by no means a double unrolling of single engraved animals. The engraving shows two similar scenes, standing directly next to each other, and the intertwined position of necks and tails reinforces the iterative character of the seal. Fig. 4: MNB 1167, Musee du Louvre, Paris. Depiction from Delaporte, Catalogue II, 64. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) A separation of the scene is not possible because the tails of the two animals are intertwined. A griffin is engraved in the space created between them, which represents the center of this subfield. A second subfield is created by the intertwined necks of the two animals, which stand side by side as equals in the subject. This composition has no center-periphery relation, so that the scene created is not unambiguously determinable. Scene separators can also be interpreted as a cataphoric element. These are usually engraved in the cylinder seal in such a way that they have to be unrolled twice to delimit the scene. This means that the entire scene only becomes fully visible when unrolled more than 360°. 9 Trees are often used as scene separators because they can fill the entire vertical. An example of a scene delimited by a date palm is provided by the seal VR 1981.137. 10 Fig. 5: Unrolled seal VR 1981.137. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. In the seal, which dates from the Achaemenid period, a date palm is engraved between the backs of the two winged lion griffins with horse ears. The central scene is only completed by unrolling the palm a second time. 2.2 Anaphoric Elements In addition to the elements that outwardly delimit the central scene, there are also inward-pointing aspects on cylinder seals that lead the viewer to the scenic 9 The necessity of a multiple unrolling is also shown to be evident at https: / / bit.ly/ 35PkJzU. It does not, however, offer the possibility of independent sequencing, since the defined frame assumes a 360° sequence. 10 Cf. https: / / bit.ly/ 3cBOuFQ. 38 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 39 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 center. As an example of a cylinder seal that has more anaphoric elements, a prominent piece is to be considered, which was found in an excavation on the Mamilla site in Jerusalem, west of the Jaffa Gate on the ground of a grave. The grave dates from the late royal era. 11 In terms of style, the seal is attributed to the Akkadian period (24th-22nd century BC) and is thus considered the only cylinder seal of this epoch that has been found in Palestine/ Israel to date. Fig. 6: Cylinder seal from the Akkadian period, kept by the site director. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. In its center, the seal shows the enthroned sun deity Šamaš, who is characterized as such by the sunrays emerging from her shoulder/ upper arm area. Šamaš wears a crown of horns, which also identifies him as a deity. The scene is initially delimited by the scene divider consisting of a staff, a horizontal double line and the crescent moon, which is engraved between the backs of the two deities surrounding Šamaš. The other two deities each hold a gate wing in their hands, suggesting that these are the gates to the underworld through which Šamaš appears on the horizon day after day. If this observation is correct, then these two deities are Šalim and Mešarru, the sons of the sun god. The anaphoric elements can now be observed on Šalim and Mešarru. Their direction of view points towards the scenic center. In addition, their foot position and the position of their arms point to Šamaš. The open wings of the gate also refer to the fact that between them the central subfield becomes visible: the enthroned sun god. “The throne of the sun god emphasizes his sovereign rule, which in turn is expressed above all in his role as judge, which he always 11 Cf. Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348 f., Img. 251. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) exercises in an enthroned manner.” 12 The sign of this dominion is the ring of rulers that Šamaš holds in his right hand. The determination of the scenic center and thus the composition of the subject is based on simple observations, guided by the cataphoric and anaphoric elements. The reference from a purely material culture to a general culture that goes beyond it becomes possible when the symbolic content of the element at the center of the picture is made accessible, meaning it is contextualized. 3 Interpretation The methodological approach of Ernst Panofsky is often used to explore the iconography of the Near East. 13 At stage II of his analysis, which he calls the Iconographic Analysis , knowledge of literary sources comes into play in order to understand and interpret the conventional subject “which forms the world of images , anecdotes and allegories ”. 14 In the development of his method of analysis, Panofsky refers to subjects of different compositional schemes, so he does not name any subfield whose symbolic content is to be subjected to such an iconographic interpretation. The center-periphery formation predominating in the Ancient Near East, however, reveals such a subfield and directs the observer’s view to it. Through the center, reference is made to certain themes and ideas, mostly from literary sources, which are interpreted by the artist through the symbolic value of the elements surrounding the center. Thus, they often combine image and text in such a way that the text, as it exists in the observer’s memory, is translated into a pictorial idea. The image, however, sharpens the text: “This presupposes that every conceivable alternative of what is to be seen in the picture destroys the meaning conveyed by the picture, in other words that what is to be seen fulfills itself in its own revelation. There is a fundamental difference between this and all natural perceptual diversity of the visual world, which in turn means that what is to be seen in the picture - however it may or may not point to the extra-pictorial visual world - has no existence outside the picture and is thus identical with the picture itself.” 15 The interpretation of the central element by the symbols placed around it leads to the formation of a symbolic language, so that a further interpretation horizon is created in addition to the text. In the following, this is illustrated by the cylinder seal VR 1981.113, which originates from Babylon in the 9th/ 8th century BC. 12 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 348. 13 For a critical reflection of the method cf. Keel, Recht, 267-71. 14 Panofsky, Ikonographie, 223. 15 Imdahl, Ikonologie, 319. 40 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 41 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Fig. 7: Cylinder seal VR 1981.113. © Foundation BIBEL + ORIENT, Fribourg. Unrolled, the seal shows two bearded figures with curly hair wearing an apron and bracelets. A star can be seen above their heads. Their arms point to a shrine between them, which forms the center of the representation. Within the shrine a hybrid creature becomes visible, known to a reader of Enūma Eliš as Mušḫuššu , to viewers of monumental buildings such as the Ištar Gate in Babylon as a mythical creature. This serpent dragon is defeated by Marduk and becomes his carrier/ pedestal. On top of the horns of the serpent dragon, there is a praying figure who stands in front of Marduk’s spade and the stylus of Nabû. The lion paws of the serpent dragon are iconographically unusual. In this form, it corresponds to its representation in a Hymn on Ninurta . 16 The moon and star symbol above the shrine as well as the Pleiades, which serve as scene separators and are engraved between the backs of the two bearded figures, point directly to the decoration of the lower sky in Ee V: 1-46. What is unusual for Enūma Eliš , however, is the equality of Marduk and Nabû in the central shrine. This is not documented in the text; rather, the central shrine is depicted as a three-story building, the lower floor of which corresponds to Eas Shrine in Apsû and the upper floor to Enlil’s heavenly shrine. The equation of 16 Cf. Lambert, Myths, 235. 10.24053/ VvAa-2020-0012 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Nabû with Marduk refers to the further religious history of Babylon. In this history, Nabû continues to assume the role of Marduk. Nabû was originally worshipped in Borsippa, but in the Neo-Babylonian period he appeared as a co-ruler alongside Marduk and is thus portrayed as having equal status. 17 The focus on a shrine inhabited by two deities depicted on this cylinder seal is not only a testimony to the later Babylonian history of religion, but also leads to a changed perception of the reference text. Enūma Eliš is understood to be the founding legend of the Babylonian shrine. Nabû originally appears as a vizier of the heavenly god Anu, being identified with the Muduggasa’a who performed this function during the first Babylonian dynasty. In later times, between 1000 and 800 BC, he is considered to be the son of Marduk. 18 The cylinder seal testifies that the state reached in Enūma Eliš after the creation of the sanctuary was not read as being permanent, but as the beginning of an evolving cult whose achievements included the integration of the son of Marduk into the religious system of Babylon. Concentrating on the central subfield of the image enables the observer to deduce the interpretation of a text essential to the respective culture from an image serving as a material testimony to that culture. While written texts could only be updated with greater effort due to their spread, their proto-canonical forms and the lengthy editorial processes involved, and thus reacted to changing cultural conditions with a greater time lag, 19 such processes are quicker to implement through the creation of images. The strength of pictorial expression, being the concentration on a static constellation, ensures that essential cultural processes and the reinterpretations of outdated ideas that depend on them can be depicted at short notice. Keywords Anaphoric elements, cataphoric elements, sequencing, sujet, center-periphery space formation Bibliography Bachmann, Manuel: Die strukturalistische Artefakt- und Kunstanalyse. Exposition der Grundlagen anhand der vorderorientalischen, ägyptischen und griechischen Kunst (OBO 148), Fribourg/ Göttingen 1996. 17 Pomponio, Nabû, 100. 18 Cf. Lambert, Myth, 275-7. 19 For the textual history of Enūma Eliš cf. Lambert, Recension. 42 Daniel Schmitz / Thomas Wagner The Sequencing of Cylinder Seals 43 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0012 Delaporte, Louis Joseph: Catalogue des cylindres sceaux et pierres gravées de style oriental, Vol. 2: Acquisitions, Paris 1923. Hershman, Debby/ Misch-Brandl, Osnat: The Dawn of Civilization. 1.5 million - 5,500 years ago, in: Dayagi-Mendels, Michal/ Rozenberg, Silvia (Hg.): Chronicles of the Land. Archaeology in The Israel Museum Jerusalem, Jerusalem 3 2013, 10-35. Imdahl, Max: Ikonik, in: Boehm, Gottfried (Hg.): Was ist ein Bild (Bild und Text), München 2 1995, 300-324. Imdahl, Max: Giotto. Zur Frage der ikonischen Sinnstruktur, in: Imdahl, Max: Gesammelte Schriften. 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Schliesslich wird auf die Analyse der im Material angelegten Rezeptionsvorgänge eingegangen und mögliche Anwendungsbereiche für den bibelwissenschaftlichen Unterricht aufgezeigt. Materielle Kultur gewinnt in den Geistes- und Sozialwissenschaften zunehmend an Bedeutung. Das gestiegene Interesse am Zusammenhang von Text, Material, menschlichen Akteuren und sozialen Kontexten zeigt sich nicht zuletzt in der Förderung entsprechender Projekte. Alleine in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche forschungsstarke Graduiertenschulen und Sonderforschungsbereiche in den Geisteswissenschaften mit Fokus auf die materialen und kulturellen Grundlagen des Geschriebenen oder auf damit eng verwandte Fragestellungen gefördert, an denen sich auch die Bibelwissenschaften beteiligt haben oder noch immer beteiligen. 1 Die Ursprünge eines (in unterschiedlich starken Ausprägungen) materialorientierten Denkens in den vorwiegend textorientierten Bibelwissenschaften gehen auf verschiedene im 20. Jahrhundert formulierte Theorien und poststrukturalistische Bewegungen zurück, welche die gegenseitige Beeinflussung und Abhängigkeit von menschlicher, natürlicher und dinglicher Welt und die daraus resultierenden Konsequenzen für Handlungen, Praktiken und Prozesse hervor- 1 Zu nennen sind hier unter anderem der Sonderforschungsbereich 933 Materiale Textkulturen (Heidelberg), der Sonderforschungsbereich 950 Manuskriptkulturen in Afrika, Asien und Europa (Hamburg), das Graduiertenkolleg 2196 Dokument - Text - Edition (Wuppertal) sowie weitere Forschungscluster, die sich im weiteren Sinne mit den in der Material Philology relevanten Themen auseinandersetzen, wie beispielsweise der Sonderforschungsbereich 980 Episteme in Bewegung (Berlin) und der Sonderforschungsbereich 1136 Bildung und Religion (Göttingen). Texte zum Anfassen? 45 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 heben. 2 In den Bibelwissenschaften besonders einflussreich und viel diskutiert ist die sogenannte New bzw. Material Philology , die im Verlauf kurz vorgestellt werden wird. Die für die Bibelwissenschaften daraus resultierenden Entwicklungen werden skizziert und es wird nach den theoretischen und methodischen Grundlagen einer materialorientierten bibelwissenschaftlichen Arbeit gefragt, bevor Aspekte der Bedeutung der materiellen Kultur für den bibelwissenschaftlichen Unterricht aufgezeigt werden. Zunächst werden aber einige für den Kontext wichtige Begriffe kurz erläutert. 1 Begriffe: Material, Kultur, Text Um die möglichen Anknüpfungspunkte für bibelwissenschaftliches Arbeiten an die materielle Kultur identifizieren zu können, muss zunächst geklärt werden, was die Rede von Material und Kultur beinhaltet bzw. beinhalten kann, und wie dies im Zusammenhang mit dem Begriff Text steht, da dieser in der Regel einen Fix- und häufig Ausgangspunkt für das bibelwissenschaftliche Arbeiten darstellt. 1.1 Material Wie für alle hier diskutierten Begriffe hängen an dem Begriff Material nicht nur eine lange Serie unterschiedlicher Definitionen, sondern auch einige weitere Begriffe, die eng verwandt und doch von Material unterschieden sind. Hierzu gehören die Begriffe Materialität , Materie und materiell . Wir folgen hier der von Meier u. a. formulierten Unterscheidung von Materialität als dem Konzept des „materiellen Ding-Sein[s] der Dinge“ 3 , während Material sich auf das materielle Ding bezieht, mit dem sich in physischen Kontakt treten lässt. 4 In der Abgrenzung zu ‚Materie‘ wird deutlich, dass sich der Begriff ‚Material‘ insbesondere auf die kulturelle und anthropologische Dimension des Dinglichen bezieht: Materie kann als der dem Material zugrundeliegende physikalische Stoff verstanden werden - oder anders gesagt: Material wird aus Materie gemacht, daher steht Material im Zusammenhang mit Gestalten, mit Praktiken und Handeln. 5 Der Begriff ‚materiell‘ ist bereits gefallen und nimmt 2 Vgl. z. B. die Soziale Netzwerktheorie (vgl. einführend Lugovaya, Netzwerkanalyse, 147- 156), die Akteur-Netzwerk-Theorie (vgl. einführend Kneer, Akteur-Netzwerk-Theorie, 19-39) oder das Konzept der Affordanz (vgl. einführend Fox u. a., Affordanz, 63-70). 3 Meier u. a., Material, 19. 4 Vgl. Meier u. a., Material, 19. 5 Vgl. Meier u. a., Material, 21f. 46 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Bezug auf die Existenz des Materials (während sich das Adjektiv ‚material‘ speziell als auf das Material bezogen verstehen lässt). 6 1.2 Kultur Der Begriff ‚Kultur‘ ist ungleich schwerer zu fassen, da eine einheitliche Definition kaum möglich scheint. In den Kulturtheorien der Sozialwissenschaft kann Kultur als eine „Dimension kollektiver Sinnsysteme, die in Form von Wissensordnungen handlungsanleitend wirken“ 7 bezeichnet werden. Wissensordnungen und Verhaltensmuster hängen also zusammen, allerdings nicht in einem kausalen Sinn, sondern als eine Ausdrucksrelation, in der sich das Wissen nur so erschließen lässt, wie es sich im Verhalten ausdrückt. 8 So können Ott/ Ast das Sprechen über den (modernen) Kulturbegriff als die Beobachtung und den Vergleich von „Praktiken, Denkweisen, Gesellschaften usw.“ 9 verstehen. Für die Bibelwissenschaften beinhaltet ein derartig verstandener Kulturbegriff ein offensichtliches Problem, da sie sich häufig mit vergangenen, nicht mehr beobachtbaren Kulturen, d. h. Verhaltensmustern, Praktiken etc. auseinandersetzt. Hier rückt das Material, in Form der erhaltenen Artefakte, als Träger und Zeuge menschlicher Verhaltensweisen und Wissensordnungen in den Blick. Wie dieser Zusammenhang methodisch aufgefangen und für das bibelwissenschaftliche Arbeiten fruchtbar gemacht werden kann, wird unten zu besprechen sein. 10 Deutlich geworden ist aber durch dieses Verständnis des Kulturbegriffes, dass, wer sich in den Bibelwissenschaften für die Entstehung der Texte und deren Umwelt interessiert, nicht an den materiellen Hinterlassenschaften der entsprechenden vergangenen Kulturen vorbeikommt. 1.3 Text Das Sprechen in den Bibelwissenschaften von materieller Kultur muss mit dem Nachdenken über den Zusammenhang ebenjener Begriffe und dem für die Bibelwissenschaften zentralen Element ‚Text‘ einhergehen. Häufig wird Text als eine Wortserie bzw. Reihe von Äußerungen in einer bestimmten Abfolge definiert, 11 allerdings gehören zu Textualität neben der rein abstrakten Definition auch weitere wichtige Dimensionen wie z. B. Text als Geschriebenes, in seiner materiellen Erscheinungsform (darin einbegriffen 6 Vgl. Krauß, Literatur, 3 A3. 7 Reckwitz, Transformation, 90. 8 Vgl. Krauß, Literatur, 7. 9 Ott/ Ast, Textkulturen, 192. 10 S. u. 3. Zentrale Anwendungsbereiche und Methoden. 11 Vgl. z. B. die Bemerkung bei Driscoll, Words, www.driscoll.dk/ docs/ words.html. Texte zum Anfassen? 47 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 etwa das Textlayout), aber auch der ‚immaterielle‘ Text in der Oralität. 12 Beides ist für die Frage nach der materiellen Kultur in den Bibelwissenschaften von Bedeutung: Nicht nur die tatsächliche Erscheinungsform des Textes auf seinem Beschreibstoff enthält Hinweise auf den kulturellen Kontext des Geschriebenen, sondern auch die Überlegungen bezüglich des Zusammenhangs zwischen mündlicher und schriftlicher Kultur - schon die Frage, ob den Schreibern die Texte diktiert wurden, ist hier von Relevanz, aber weiterführend auch, ob und inwiefern Oralität und Schriftlichkeit sich gegenseitig beeinflussen können. 13 Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Das Aufgreifen der materiellen Kultur in den Bibelwissenschaften eröffnet neue hermeneutische Räume, um die Kontexte und damit die Bedeutung schaffenden Dimensionen der untersuchten Texte zu verstehen und damit ein umfassenderes Bild des Untersuchungsgegenstandes zu erlangen. Das Textverständnis gewinnt an Tiefe, wenn der Zusammenhang von menschlichen Akteuren, Material und Text als ein sich untereinander beeinflussendes Netzwerk verstanden wird. Nach diesen Grundlegungen wird nun auf konkrete Konzepte und Methoden eingegangen, die für die Integration der materiellen Kultur in das bibelwissenschaftliche Arbeiten einen Ausgangspunkt bieten können. 2 Von der New Philology zur materialorientierten Bibelwissenschaft Das Ende der 1980er Jahre brachte eine Rückbesinnung der editionsorientierten Textwissenschaften, zunächst der englischsprachigen Mediävistik, auf ihre materialen Textgrundlagen mit sich. In der bis heute breit zitierten Sonderausgabe der Zeitschrift Speculum wurde der Effekt des von Bernard Cerquiglini verfassten Büchleins Éloge de la variante: histoire critique de la philologie 14 und dessen Werbung für eine New Philology auf die in der Mediävistik praktizierte Textkritik und den darauf basierenden Editionen diskutiert. 15 Cerquiglini richtet sich polemisch gegen eine im Positivismus des 19. Jahrhunderts verharrende Philologie, welche das Manuskript „to the margins of legitimate reflection“ 16 getrieben oder gar ganz ausgelöscht habe. 17 Gegen die Praxis, die mittelalterlichen Texte auf einen Urtext zu reduzieren, schreibt er pointiert: „Now, medieval wri- 12 Vgl. Ott/ Ast, Textkulturen, 191. 13 Vgl. hierzu beispielsweise Miller, Oral-Written, 162-188. 14 Vgl. Cerquiglini, Éloge, sowie die englische Übersetzung: Cerquiglini/ Wing, Praise. 15 Vgl. Nichols (Hg.), Speculum 65/ 1 (1990). 16 Cerquiglini, Praise, xi. 17 Vgl. Cerquiglini, Praise, xi. 48 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) ting does not produce variants; it is variance.“ 18 Dieser Angriff auf die vermeindlich alten Methoden ließ die Wogen in der akademischen Diskussion zunächst emotional hoch schlagen, führte aber in der Folge auch zu einer Schärfung der Terminologie mit der Unterscheidung des durch Cerquiglini polemisch aufgeladenen Begriffs der New Philology von der neutraleren Bezeichnung Material Philology , die sich auf den Kern des Anliegens richtet, die Materialität und das soziale Umfeld des Geschriebenen. 19 Ein etwas längeres, aber durchaus aussagekräftiges Zitat von Nichols fasst Anliegen und Ziel der Material Philology folgendermaßen zusammen: „Material philology takes as its point of departure the premise that one should study or theorize medieval literature by reinserting it directly into the vif of its historical context by privileging the material artefact(s) that convey this literature to us: the manuscript. This view sees the manuscript not as a passive record, but as an historical document thrusting itself into history and whose very materiality makes it a medieval event, a cultural drama. After all, manuscripts are so often the only surviving witnesses - or the most reliable guides - to the historical moments that produced and then reproduced the literary text often in bewildering forms.“ 20 Die neue Betonung des Materialen, des Zusammenhangs von sozialem Umfeld und Texten und des verstärkten Fokus auf den Leser (wo zuvor primär nach dem Autor gefragt wurde) griff unweigerlich auf weitere Fächer in den Sozial- und Geisteswissenschaften, nicht zuletzt auf die Bibelwissenschaften, über. Das gesteigerte Interesse an den materialen Grundlagen und sozialen Kontexten des Geschriebenen in den Bibelwissenschaften mag unter anderem damit zusammenhängen, dass die Publikationen der Discoveries in the Judean Desert -Serie in etwa zeitgleich mit dem Aufkommen der New Philology nach jahrzehntelanger Pause wieder an Fahrt gewannen. Es waren zwar vor allem die Texte auf den gefundenen Rollen, die zunächst das wissenschaftliche Interesse weckten, doch die Textrekonstruktion war (und bleibt bis heute) unlöslich mit der Rekonstruktion der Manuskripte verbunden. Dementsprechend bestand bereits seit der Entdeckung der Rollen eine Verbindung zu materiellen Fragestellungen, die allerdings durch die oben genannten Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten verstärkt und in neue Bahnen gelenkt wurde. Der Band Snapshots of Evolving Traditions. Jewish and Christian Manuscript Culture, Textual Fluidity, and New Philology 21 fasst den Einfluss der Entwicklungen in den letzten drei Jahrzehnten auf die Bibelwissenschaften in seiner 18 Cerquiglini, Praise, 77 f. (Hervorhebung im Original). 19 Vgl. Westra, Name, 13f.18f. 20 Nichols, Material Philology, 10 f. (Hervorhebung im Original). 21 Lied/ Lundhaug, Snapshots. Texte zum Anfassen? 49 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 Einleitung umfassend zusammen. Ausgehend von der durch die New Philology formulierten Prämisse, dass Texte nicht als eine abstrakte Größe unabhängig von ihrer physikalischen Gestalt verstanden werden sollten, werden Konsequenzen für Textstudien aus dem Bereich der jüdischen und christlichen Antike und des Mittelalters in folgenden Bereichen genannt: 22 1. Eine Abkehr von der Suche nach dem Original eines Textes hin zu einem Fokus auf Produktion, Nutzung und Kontext jedes einzelnen Manuskripts (Metatexte eingeschlossen), 23 um die Personen und Kontexte hinter den jeweiligen Manuskripten sichtbar zu machen. 2. Eine Wendung von Autorschaft und Autor hin zu Rezeption und Lesern, da antike und mittelalterliche Manuskripte als Produkt einer Reihe von Lesern verstanden werden können. Damit verbunden ist der verstärkte Fokus auf die Transmission von Texten im Unterschied zu einem Fokus auf den Ursprung eines Textes. 3. Die Erkenntnis, dass Textproduktion und Texttransmission nicht als linear und chronologisch aufeinander abfolgende Prozesse zu verstehen sind, sondern als parallele und sich in Teilen gegenseitig beeinflussende Phänomene. Die absichtlichen und unabsichtlichen Varianten innerhalb eines Textes im Verlauf der Rezeptionsgeschichte sind nicht als Korruption des Originals zu verstehen, sondern als Ausdruck der textuellen ‚fluidity‘ der jeweiligen Manuskriptkulturen. Das Ziel der an der materiellen Kultur interessierten bibelwissenschaftlichen Fragestellungen ist nicht als Abkehr von den Texten, sondern vielmehr als eine Zuwendung zu neuen Verstehenshorizonten zu bewerten. Es dürfte aber auch deutlich geworden sein, dass es sich bei der Material Philology nicht um eine Methode per se handelt, sondern um - in Ermangelung eines besseren Begriffs - eine Perspektive, die keineswegs eine Vorgabe macht, auf welche Weise das Ziel der Einbindung der materiellen Kultur erreicht werden kann. Daher werden im Folgenden einige für die Bibelwissenschaften relevante Bereiche aufgegriffen und nach anwendbaren Methoden gefragt, die ein Erfassen der materiellen Kultur ermöglichen. Dies ist nicht als eine extensive Liste aller Möglichkeiten zu verstehen, da ein Methodenkanon, wie beispielsweise die historisch-kritische Exegese, nicht existiert und die Methode in der Regel von dem jeweiligen Anwendungsbereich und der jeweiligen Fragestellung abhängt. 24 In diesem Sinne 22 Zum Folgenden vgl. Lied/ Lundhaug, Studying, 7-10. 23 Im Anschluss and Focken/ Ott, Metatexte, 1, werden Metatexte als Geschriebenes über Geschriebenes verstanden. 24 In diesem Sinne sprechen auch die Herausgeber/ Herausgeberinnen des Bandes Snapshots of Evolving Traditions von „New-Philology inspired studies“ (Lied/ Lundhaug, Studying, 16; Hervorhebung AK ). 50 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) ermöglicht die Perspektive der Material Philology sowohl ein enorm weites Feld an potentiellen Fragestellungen als auch eine gewisse Freiheit in der Wahl der Methode, die allerdings kritisch gewendet auch zu unterschiedlichen Standards in wissenschaftlichen Arbeiten führt. 3 Zentrale Anwendungsbereiche und Methoden 3.1 Kritische Editionen, Textkritik Wie oben erwähnt, richtet sich Cerquiglinis Kritik gegen eine starre, auf das Original fixierte Philologie mit dem Ergebnis spekulativer Texteditionen, welche dem erhaltenen Manuskriptbestand und den tatsächlichen Lebensumständen zur jeweiligen Zeit der Verschriftlichung der Texte vollkommen enthoben sind. Der gedankliche Schritt zur altbzw. neutestamentliche Textkritik liegt nahe. Der Urtext rückt mit Blick auf die materielle Kultur zum einen in den Bereich eines spekulativen, unerreichbaren Ideals, zum anderen verliert er durch den Fokus auf Schreiber und Schriftpraktiken schlicht an Relevanz in der Forschung. 25 George Brooke mit Bezug auf die Textzeugen aus Qumran: „Faced with textual diversity in the earliest strata of the textual tell, the search for a pristine Ur-text has to be abandoned.“ 26 Ebenso zeigt die heiß geführte Debatte um eine eklektische Edition der Hebräischen Bibel, wie sie zur Zeit durch das Editionsprojekt The Hebrew Bible. A Critical Edition 27 unternommen wird, das zunehmende Unbehagen, welches mit der Frage nach dem Original oder einer dem Original nahekommenden Version des biblischen Textes einhergeht. 28 Die Aufgabe des Urtext-Ideals führt allerdings nicht zwangsläufig zur Aufgabe der Textkritik. Anstelle der Rekonstruktion des Urtextes tritt die Rekonstruktion der Textgeschichte und anstelle der Prämissen lectio brevior potior und lectio difficilior potior tritt die Frage: „Wer hat wann wo wie den Text rezipiert? “ 29 , ins Zentrum der Untersuchung. Tov fasst die Aufgabe der textkritischen Arbeit an biblischen Texten im Lichte der pluriformen Textzeugen zusammen als „an investigation of its [d. h. des biblischen Textes] development, its copying and transmission, and of the processes which created readings and texts over the 25 Vgl. Lied/ Lundhaug, Studying, 10f. 26 Brooke, Demise, 9. 27 S. www.sbl-site.org/ HBCE/ HBCE_About.html. 28 Vgl. beispielhaft die kritischen Äußerungen bei Prinsloo, Hebrew Bible, 27-55, bes. 48f. 29 Unter dem Begriff Rezeption sind alle möglichen Formen des Umgangs mit dem Geschriebenen eingeschlossen. Texte zum Anfassen? 51 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 centuries“ 30 . Abgesehen von der Fragwürdigkeit der beiden oben genannten Prämissen 31 ändert sich die Methode der Textkritik mit Blick auf die materielle Kultur nicht selbst, sie hat aber ein neues Ziel. 3.2 Literarkritik und Redaktionsgeschichte Die antiken Textzeugen, insbesondere die Rollen vom Toten Meer, haben gezeigt, dass die Grenzen zwischen einer Phase der Textproduktion und der darauf folgenden Phase der Texttransmission verschwimmen oder gar kaum existieren. Dies hängt mit der aus den materiellen Zeugnissen gewonnenen Erkenntnis zusammen, dass Schreiber in der Zeit des zweiten Temples nicht reine Kopisten, sondern aktive Gestalter der Texte waren. 32 Das heißt: Die Trennlinie zwischen der Textkritik als Untersuchung der Textüberlieferung und der Literarkritik/ Redaktionsgeschichte als Untersuchungen der Textkomposition droht zu verschwinden, da Texte noch wuchsen, während sie bereits überliefert wurden. In diesem Zusammenhang muss im Bereich der alttestamentlichen Exegese auch der Annahme einer Vorrangstellung des Masoretischen Textes mit Vorsicht begegnet werden, denn „what has become normative in the MT is [in many instances] actually not the most original form of a text. Naive assumptions about the value of the MT for establishing what was taking place at the earliest stages of the production of any text must be abandoned“ 33 . Es wurde bisher noch nicht reflektiert, wie diese aus der materiellen Evidenz gewonnenen Einsichten methodisch aufgefangen werden können - welche Konsequenzen hat die Erkenntnis, dass Textproduktion und -transmission in der ‚biblischen‘ Zeit in gewissem Maße ein und denselben Vorgang beschreiben? 3.3 Metatexte Die Bibel selbst bietet an vielen Stellen einen Einblick in die (nicht nur materielle) Umwelt der Texte. Wenn biblische Texte als „Geschriebenes über Geschriebenes“ 34 metatextuell über die Produktion und Rezeption von Texten berichten, kann dies ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Untersuchung der materiellen Kultur sein. Derartige Metatexte eröffnen aber nicht nur Einblicke in die materielle Umwelt der Texte an sich, sondern haben auch das Potenzial, (ob explizit 30 Tov, Criticism, 289f. 31 Vgl. auch Berlejung, Quellen, 42. 32 Vgl. Brooke, Demise, 12: „The scribe was an actively interested transmitter of the text. It seems reasonable to suggest that that was also the case in earlier generations.“ 33 Brooke, Demise, 9. 34 S. o. A23. 52 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) oder implizit) Transmissions- und Rezeptionsvorgänge von biblischen Texten zu beschreiben. 35 3.4 Analyse der im Material verankerten Rezeptionsvorgänge Für diesen wie für den vorhergehenden Punkt muss festgehalten werden, dass der Blick auf die materielle Kultur hinter den biblischen Texten einen ausgesprochen fruchtbaren Boden für interdisziplinäre Zusammenarbeit bildet. 36 Das Verstehen von Lese- und anderen Rezeptionsprozessen ist fundamental verbunden mit der Frage, weshalb die biblischen Texte so sind, wie sie sind, bzw. so gewachsen sind, wie sie gewachsen sind - oder anders gewendet: Wer nach der Motivation hinter einer bestimmten Komposition fragt, kann an der Art, wie die Texte gelesen wurden, Hinweise finden. Dabei ist die materielle Verankerung der geschriebenen Texte nicht zu unterschätzen, denn wie der Text gelesen wurde, ist auch davon abhängig, wie er aussieht (Layout), welche Größe der Schriftträger hat etc. 37 Hier gilt, dass die Methode von der genauen Fragestellung der Untersuchung abhängt. Der Fokus kann ebenso gut auf der materiellen Rekonstruktion der Manuskripte liegen, um den genauen Umfang einer Komposition zu ermitteln, wie auf einer Untersuchung der mit biblischen Manuskripten verbundenen Leseprozesse unter Zuhilfenahme neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. 38 Eine weitere Methode, die sogenannte praxeologisch orientierte Artefaktanalyse , wurde speziell mit Blick auf die Vernetzung von menschlichen Akteuren, Texten und Artefakten entwickelt und nimmt die materiellen, situativen und räumlichen Kontexte eines Artefaktes in den Blick, um die im Material verankerten Hinweise auf Praktiken und Verhaltensroutinen zu erforschen. Wie oben erwähnt ist diese Art der Analyse ein notwendiger Schritt, um die Welt vergangener Kulturen zu erreichen. 39 35 Siehe beispielsweise die Rezeptionsanweisungen in den Psalmen, die als implizite, selbstreferentielle Metatexte verstanden werden können, Krauß, Literatur, 125-133. Zur Metatextanalyse in biblischen und mediävistischen Texten vgl. Focken/ Ott, Metatexte, 1-9. 36 Vgl. schon die oben genannten Forschungsverbunde (s. o. A1) sowie zahlreiche interdisziplinäre Sammelbände zu unterschiedlichen Aspekten der materiellen Kultur (bereits gennant wurden u. a. Focken/ Ott, Metatexte; Lied/ Lundhaug, Snapshots; s. auch Krauß u. a., Reading). 37 Vgl. Krauß u. a., Material Aspects, 2. 38 Vgl. z. B. Stegemann, Methods, 189-220; Heilmann, Reading, 178-183. 39 Vgl. Hilgert, Text-Anthropologie. Texte zum Anfassen? 53 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 3.5 Konsequenzen für den bibelwissenschaftlichen Unterricht Während die Gründe für den Einbezug der materiellen Kultur in die bibelwissenschaftliche Forschung und deren mannigfaltigen Anknüpfungspunkte für zentrale Fragestellungen in den Bibelwissenschaften hinreichend deutlich sind und zunehmend in die Praxis der Forschung integriert werden, spielt die materielle Kultur im bibelwissenschaftlichen Unterricht häufig eine marginale Rolle. Dabei gibt es unterschiedliche Gründe, weshalb die Einbindung der materiellen Kultur auch außerhalb einschlägiger Bereiche wie Qumranforschung und christliche Archäologie didaktische Vorzüge hat, die alle im Grunde auf der Annahme beruhen, dass die Verbindung von Lerngegenstand und Lebensrealität der Studentinnen und Studenten durch das Medium der materiellen Kultur in Form von Manuskripten und anderen archäologischen Hinterlassenschaften greifbarer wird, als sie es beispielsweise in den textkritischen Apparaten der Ursprachenausgaben oder modernen Bibelübersetzungen ist. 1. Die materielle Kultur ist insbesondere für visuelles und zu einem gewissen Grad auch haptisches Lernen geeignet, um sonst abstrakt erscheinende Konzepte, wie z. B. textkritische Sigla, zugänglicher zu machen. Viele der wichtigsten antiken und mittelalterlichen biblischen Textzeugen sind online zugänglich und können nicht nur im Bereich der Textkritik eine Hilfestellung sein, beispielsweise bei psalterredaktionellen bzw. kompositorischen Fragestellungen. Wo vor Ort Zugang zu Sammlungen antiker oder mittelalterlicher Manuskripte möglich ist, bieten sich Seminarexkursionen an, da die Vertrautheit mit dem materiellen Umfeld der Texte erfahrungsgemäß eine fremde Welt real erfahrbar macht. 2. Es kann sich in bestimmten Fällen anbieten, die Metatextanalyse in die exegetische Arbeit an den Texten mit einzubinden, da hier die Verankerung der Texte in einem bestimmten historischen Kontext deutlich zutage tritt und die Umwelt des jeweiligen Textes beleuchtet wird. Dies gilt für alle biblischen Texte, in denen Schriftproduktion und -rezeption explizit oder implizit thematisiert wird. 3. Übersetzungsübungen können auf geeignete zugängliche Quellen mit hinreichend klarer Schrift zurückgreifen. Das Entziffern zuerst unleserlich scheinender Manuskripte übt sowohl das Erkennen der Buchstaben und so den Lesefluss als auch der Festigung der Grammatik, wenn beispielsweise kleine Abschnitte aus den unpunktierten Qumranrollen durchgenommen werden. Dies sind nur drei mögliche Bereiche, in denen die materielle Kultur in den bibelwissenschaftlichen Unterricht integriert werden kann und der Kreativität sind (nicht zuletzt wegen der noch fehlenden Diskussion um deren methodische 54 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Einbindung in den bibelwissenschaftlichen Kanon) kaum Grenzen gesetzt. Ein erster notwendiger Schritt ist aber vor allem, das Bewusstsein um die materielle Kultur unter Lehrenden und Lernenden zu stärken und die Diskussion um die Lösung methodischer Fragen zu verstärken. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 Hands-on Texts? Material Culture in Biblical Sciences translated by David O’Neill The article explores the relevance of material culture in Biblical studies, introduces the New or Material Philology and shows the theoretical and methodological foundations of material oriented Biblical studies. Material Philology focuses on materiality and the social environment. New Philology makes visible the persons and contexts behind the manuscripts and is interested in the reception and the readers. It perceives text production and text transmission as mutually influencing phenomena. Areas of application of these methods are textual criticism, literary criticism, editorial history, and metatexts. New Philology makes visible the persons and contexts behind the manuscripts and is interested in the reception and the readers. It perceives text production and text transmission as mutually influencing phenomena. Areas of application of these methods are textual criticism, literary criticism, editorial history, and metatexts. Finally, the analysis of the reception processes inherent in the material is discussed and possible areas of application for teaching Biblical Studies are pointed out. Material culture is becoming increasingly important in the humanities and social sciences. The increased interest in the connection between text, material, human actors and social contexts is reflected not only in the funding of according projects. In Germany alone, numerous graduate schools and CRCs doing strong research in the humanities have been funded in recent years, focusing on the material and cultural fundamentals of writing or on closely related questions. The Biblical studies have also participated or are still participating. 1 The origins of material-oriented thinking (in varying degrees) in the predominantly text-oriented Biblical studies can be traced back to various theories and post-structuralist movements formulated in the 20th century, which emphasize the mutual influence and dependence of the human, natural and material world and the resulting consequences for actions, practices and processes. 2 Particu- 1 These include CRC 933 Materiale Textkulturen (Heidelberg), CRC 950 Manuskriptkulturen in Afrika, Asien und Europa (Hamburg), the Graduate School 2196 Dokument-- Text-- Edition (Wuppertal), and other research clusters that deal with topics relevant to material philology in a broader sense, such as CRC 980 Episteme in Bewegung (Berlin) and CRC 1136 Bildung und Religion (Göttingen). 2 Cf. e. g. social network theory (see introductory Lugovaya, Netzwerkanalyse, 147-156), the actor network theory (see introductory Kneer, Akteur-Netzwerk-Theorie" 19-39) or the concept of affordance (see introductory Fox et al., Affordanz, 63-70). 56 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) larly influential and much discussed in Biblical studies is the so-called New or Material Philology , which will be briefly introduced in the course of this article. The resulting developments for Biblical studies are outlined and the theoretical and methodological foundations of material-oriented Biblical studies are inquired before pointing out the significance of material culture for Biblical studies teaching. First of all, however, some contextually important terms are briefly explained. 1 Terms: Material, Culture, Text In order to be able to identify possible points of contact between Bible studies work and material culture , it is essential to clarify what the talk of material and culture contains or can contain and how this is connected to the term text , which usually constitutes a benchmark and often gateway for Bible studies work. 1.1 Material As for all the terms discussed here, the term material is not only linked to a long series of different definitions, but also to a number of other terms that are closely related and yet distinct from material . These include the terms materiality , matter and material . Here we follow the distinction made by Meier and others, which defines materiality as the concept of the “material tangibility of things” 3 , while material refers to the material thing with which physical contact can be made. 4 In the differentiation from ‘matter’ it becomes clear that the term ‘material’ refers in particular to the cultural and anthropological dimension of the material thing : Matter can be understood as the underlying physical substance of the material - or in other words: material is made of matter, therefore material is related to forms, to practices and to actions. 5 The term ‘material’ has already been mentioned and refers to the existence of the material (while the adjective ‘material’ can be understood as referring specifically to the material). 6 1.2 Culture The term ‘culture’ is far more difficult to grasp as a uniform definition hardly seems possible. In the cultural theories of the social sciences, culture can be de- 3 Meier et al., Material, 19. 4 Cf. Meier et al., Material, 19. 5 Cf. Meier et al., Material, 21f. 6 Cf. Krauß, Literatur, 3 A3. Hands-on Texts? 57 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 scribed as a “dimension of collective systems of meaning that guide action in the form of orders of knowledge” 7 . Orders of knowledge and patterns of behavior are thus interrelated, though not in a causal sense, but rather as an expressive relation in which knowledge can only be accessed in the way it is expressed in behavior. 8 Thus, Ott/ Ast understand speaking about the (modern) concept of culture as the observation and comparison of “practices, ways of thinking, societies, etc.” 9 . For the Biblical studies, such a concept of culture poses an obvious problem, since they often deal with past cultures, i. e. patterns of behavior, practices etc. that are no longer observable. Here, the material, in the form of the preserved artifacts, comes into focus as a carrier and witness of human behavior and orders of knowledge. How this connection can be methodically absorbed and made fruitful for the work in Biblical studies will be discussed below. 10 However, this understanding of the concept of culture has made it clear that anyone interested in the origin of the texts and their environment in Biblical studies cannot ignore the material legacies of the corresponding past cultures. 1.3 Text The speaking of material culture in the Biblical studies must go hand in hand with the reflection on the connection between these terms and the element ‘text’, which is central to Biblical studies. Often text is defined as a series of words or a series of utterances in a certain sequence, 11 but textuality includes not only the purely abstract definition but also other important dimensions, e. g. text as something written down, text in its material manifestation (including, for example, the text layout), but also the ‘immaterial’ text in its orality. 12 Both are important for the question of material culture in Biblical studies: it is not only the actual appearance of the text on its descriptive material that contains indications of the cultural context of what is written, but also the considerations regarding the connection between oral and written culture - the question of whether the texts were dictated to the writers is already relevant here, but further on also whether and to what extent orality and writing can influence each other. 13 7 Reckwitz, Transformation, 90. 8 Cf. Krauß, Literatur, 7. 9 Ott/ Ast, Textkulturen, 192. 10 Cf. 3. Central Application Areas and Methods. 11 Cf. e. g. Driscoll, Words, http: / / www.driscoll.dk/ docs/ words.html. 12 Cf. Ott/ Ast, Textkulturen, 191. 13 Cf. e. g. Miller, Oral-Written, 162-188. 58 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) In summary, the following can be said: The taking up of material culture in Biblical studies opens up new hermeneutical spaces for understanding the contexts and thus the meaning-creating dimensions of the studied texts, which results in gaining a more comprehensive picture of the object of investigation. The understanding of texts gains depth when the connection between human actors, material and text is understood as a network of mutual influence. Following these basic principles, we will now look at concrete concepts and methods that can offer a starting point for the integration of material culture into Biblical studies. 2 From New Philology to Material-Oriented Biblical Studies The end of the 1980s brought about a return of the edition-oriented text sciences, initially English Medieval Studies, to their material textual foundations. In the special edition of the journal Speculum , which is still widely cited today, the effect of the booklet Éloge de la variante: histoire critique de la philologie 14 written by Bernard Cerquiglini, and its promotion of a New Philology on text criticism practiced in medieval studies and the editions based on it is discussed. 15 Cerquiglini is polemically directed against a philology that remained in the positivism of the 19th century, which had driven the manuscript “to the margins of legitimate reflection” 16 or even wiped it out altogether. 17 Against the practice of reducing medieval texts to an original text, he writes polemically: “Now, medieval writing does not produce variants; it is variance.” 18 This attack on the supposedly old methods initially caused the waves of academic discussion to roar emotionally, but subsequently also led to a sharpening of terminology with the distinction between the term New Philology , polemically charged by Cerquiglini, and the more neutral term Material Philology , which focuses on the core of the issue, the materiality and social environment of the written word. 19 A somewhat longer, but certainly meaningful quotation from Nichols summarizes the concern and goal of Material Philology as follows: „Material philology takes as its point of departure the premise that one should study or theorize medieval literature by reinserting it directly into the vif of its historical context by privileging the material artefact(s) that convey this literature to us: the 14 Cf. Cerquiglini, Éloge, as well as the English translation: Cerquiglini/ Wing, Praise. 15 Cf. Nichols, Speculum 65/ 1 (1990). 16 Cerquiglini, Praise, xi. 17 Cf. Cerquiglini, Praise, xi. 18 Cerquiglini, Praise, 77 f. (original accentuation). 19 Cf. Westra, Name, 13f.18f. Hands-on Texts? 59 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 manuscript. This view sees the manuscript not as a passive record, but as an historical document thrusting itself into history and whose very materiality makes it a medieval event, a cultural drama. After all, manuscripts are so often the only surviving witnesses - or the most reliable guides - to the historical moments that produced and then reproduced the literary text often in bewildering forms.” 20 The new emphasis on materials, the connection between social environment and text, and the increased focus on the reader (where the author was primarily asked about) inevitably spread to other subjects in the social sciences and humanities, not least the Biblical studies. The increased interest in the material foundations and social contexts of what is written in Biblical studies may be related, among other things, to the fact that the publications of the Discoveries in the Judean Desert series regained momentum at about the same time as the emergence of New Philology after a decade-long hiatus. Although it was primarily the texts on the found scrolls that initially aroused scholarly interest, the reconstruction of the texts was (and still is) inextricably linked to the reconstruction of the manuscripts. Accordingly, a connection to material questions had already existed since the discovery of the scrolls, but this connection has been strengthened and steered in new directions by the above-mentioned developments in recent decades. In its introduction, the volume Snapshots of Evolving Traditions. Jewish and Christian Manuscript Culture, Textual Fluidity, and New Philology 21 comprehensively summarizes the influence the last three decades had on Biblical studies. Based on the premise formulated by New Philology , that texts should not be understood as an abstract quantity independent of their physical form, consequences for textual studies from the field of Jewish and Christian antiquity and the Middle Ages are mentioned to prevail in the following areas: 22 1. A move away from the search for the original of a text towards a focus on the production, use and context of each manuscript (including metatexts) 23 in order to make the persons and contexts behind the respective manuscripts visible. 2. A shift from authorship and author towards perception and readers, since ancient and medieval manuscripts can be understood as the product of a series of readers. Linked to this is an increased focus on the transmission of texts as opposed to a focus on the origin of a text. 20 Nichols, Material Philology, 10 f. (original accentuation). 21 Lied/ Lundhaug, Snapshots. 22 About this cf. Lied/ Lundhaug, Studying, 7-10. 23 Subsequent to Focken/ Ott, Metatexte 1, metatexts are understood as written words about the written word . 60 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 3. The realization that text production and text transmission are not to be understood as linear and chronologically sequential processes but as parallel phenomena that influence each other in parts. The intentional and unintentional variations within a text in the course of its reception history are not to be understood as corruption of the original, but as an expression of the textual ‘fluidity’ of the respective manuscript cultures. The goal of the Biblical studies’ questions interested in material culture is not to be evaluated as a turning away from the texts, but rather as a turning towards new horizons of understanding. However, it has probably also become clear that Material Philology is not a method per se, but rather - for lack of a better term - a perspective that in no way provides a guideline as to how the goal of integrating material culture can be achieved. For this reason, some areas relevant to Biblical studies will be taken up in the following. Also, questions of applicable methods that make it possible to grasp the material culture will be touched upon. This is not to be understood as an extensive list of all possibilities, since a canon of methods, such as historical-critical exegesis, does not exist and the method usually depends on the respective area of application and the respective question. 24 In this sense, the perspective of Material Philology allows both an enormously wide range of potential questions and a certain freedom in the choice of method, which, when critically applied, however, also leads to different standards in academic work. 3 Central Application Areas and Methods 3.1 Critical Editions, Textual Criticism As mentioned above, Cerquiglini’s criticism is directed against a rigid philology fixed on the original, resulting in speculative text editions that are completely removed from the preserved manuscript stock and the actual circumstances of life at the time the texts were written. The intellectual step towards Old and New Testament text criticism is obvious. With regard to material culture, the original text moves on the one hand into the realm of a speculative, unattainable ideal, and on the other hand simply loses relevance in research due to the focus on writers and writing practices. 25 George Brooke with reference to the textual witnesses from Qumran: “Faced with textual diversity in the earliest strata of the textual tell, the search for a pristine Ur-text has 24 In this sense, the editors of the volume Snapshots of Evolving Traditions speak of “New- Philology inspired studies” (Lied/ Lundhaug, Studying, 16; emphasis AK). 25 Cf. Lied/ Lundhaug, Studying, 10f. Hands-on Texts? 61 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 to be abandoned.” 26 Likewise, the heated debate about an eclectic edition of the Hebrew Bible, as currently being conducted by the edition project The Hebrew Bible. A Critical Edition , 27 shows the increasing unease that goes along with the question of the original or a version of the Biblical text that comes close to the original . 28 However, the abandonment of the original text ideal does not necessarily lead to the abandonment of textual criticism. The reconstruction of the original text is replaced by the reconstruction of the history of the text and the premises lectio brevior potior and lectio difficilior potior are replaced by the question: “Who adopted the text, when, where and how? ”. 29 Tov summarizes the task of text-critical work on Biblical texts in the light of the pluriform text witnesses as “an investigation of its [i. e. the Biblical text] development, its copying and transmission, and of the processes which created readings and texts over the centuries” 30 . Apart from the questionability of the two premises mentioned above, 31 the method of textual criticism does not change itself with regard to material culture, but it has a new goal. 3.2 Literary Criticism and the History of Editing The ancient text witnesses, especially the Dead Sea Scrolls, have shown that the boundaries between one phase of text production and the subsequent phase of text transmission are blurred or even non-existent. This is related to the insight gained from the material evidence that writers in the Second Temple period were not pure copyists, but active creators of the texts. 32 In other words, the dividing line between textual criticism as an investigation of text transmission and literary criticism/ editorial history as an investigation of text composition threatens to disappear, since texts still grew while they were already transmitted. In this context, the assumption that the Masoretic text takes precedence in the field of Old Testament exegesis must also be treated with caution, for “what has become normative in the MT is [in many instances] actually not the most original form of a text. Naive assumptions about the value of the MT for establishing what was taking place at the earliest stages of the production of any text must be abandoned” 33 . 26 Brooke, Demise, 9. 27 S. https: / / www.sbl-site.org/ HBCE/ HBCE_About.html. 28 Cf. e. g. the critical statements in Prinsloo, Hebrew Bible, 27-55, esp. 48f. 29 The term adoption here includes all possible forms of dealing with the written word. 30 Tov, Criticism, 289f. 31 Cf. also Berlejung, Quellen, 42. 32 Cf. Brooke, Demise, 12: “The scribe was an actively interested transmitter of the text. It seems reasonable to suggest that that was also the case in earlier generations.” 33 Brooke, Demise, 9. 62 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) It has not yet been excogitated how these insights gained from the material evidence can be methodically absorbed - what are the consequences of realizing that text production and transmission in the ‘Biblical’ period describe to some extent one and the same process? 3.3 Metatexts In many places, the Bible itself offers an insight into the (not only material) environment of the texts. If Biblical texts as “written words about the written word” 34 report metatextually on the production and reception of texts, this can be a further starting point for the investigation of material culture. However, such metatexts not only provide insights into the material environment of the texts themselves, but also have the potential to (explicitly or implicitly) describe transmission and reception processes of Biblical texts. 35 3.4 Analysis of the Reception Processes Anchored in the Material For this point as well as for the previous one, it must be noted that the view of the material culture behind the Biblical texts provides an extremely fertile ground for interdisciplinary cooperation. 36 The understanding of reading and other processes of reception is fundamentally connected with the question of why the Biblical texts are as they are, or have grown as they have grown - or in other words, turned around: Whoever asks about the motivation behind a particular composition can find clues in the way the texts were read. The material anchoring of the written texts should not be underestimated, because the way the text was read also depends on what it looks like (layout), what size the writing medium is, etc. 37 In this case, the method depends on the exact question of the investigation. The focus can just as well be on the material reconstruction of the manuscripts in order to determine the exact scope of a composition as on an examination of the reading processes associated with Biblical manuscripts with the help of neuroscientific findings. 38 Another method, the so-called praxeologically oriented artifact analysis , was developed specifically with a view to the interconnected- 34 See fn. 23. 35 See e. g. the reception instructions in the psalms, which can be understood as implicit, self-referential metatexts, Krauß, Literatur, 125-133. On metatext analysis in biblical and medieval texts see Focken/ Ott, Metatexte, 1-9. 36 Cf. the research networks mentioned above (see A1) as well as numerous interdisciplinary anthologies on different aspects of material culture (already mentioned are Focken/ Ott, Metatexte; Lied/ Lundhaug, Snapshots; see also Krauß et al., Reading). 37 Cf. Krauß et al., Material Aspects, 2. 38 Cf. e. g. Stegemann, Methods, 189-220; Heilmann, Reading, 178-183. Hands-on Texts? 63 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0013 ness of human actors, texts and artifacts. It takes into account the material, situational and spatial contexts of an artifact in order to explore the references to practices and behavioral routines anchored in the material. As mentioned above, this kind of analysis is a necessary step to reach the world of past cultures. 39 3.5 Consequences for Lessons in Biblical Studies While the reasons for the inclusion of material culture in Biblical studies research and its manifold points of reference for central questions in the field are sufficiently clear and are increasingly integrated into the practice of research, material culture often plays a marginal role in Biblical studies teaching. There are various reasons why the integration of material culture also has didactic advantages outside relevant areas such as Qumran research and Christian archaeology, all of which are basically based on the assumption that the connection between the subject matter and the reality of students’ lives becomes more tangible through the medium of material culture in the form of manuscripts and other archaeological legacies than it is, for example, in the text-critical apparatuses of the original language editions or modern Bible translations. 1. The material culture is particularly suitable for visual and to a certain extent haptic learning in order to make concepts that otherwise appear abstract, such as text-critical sigla, more accessible. Many of the most important ancient and medieval Biblical text witnesses are accessible online and can be of help not only in the area of text criticism, for example in psaltery editorial or compositional questions. Wherever on-site access to collections of ancient or medieval manuscripts is possible, seminar excursions are a good idea, since familiarity with the material environment of the texts makes it possible to experience a foreign world in real life. 2. In certain cases, it may be advisable to integrate metatext analysis into the exegetical work on the texts, since here the anchoring of the texts in a specific historical context is clearly evident and the environment of the respective text is illuminated. This applies to all Biblical texts in which the production and reception of writing is explicitly or implicitly addressed. 3. Translation exercises can draw on suitable accessible sources with sufficiently clear writing. Deciphering manuscripts that at first seem illegible will practice both the recognition of the letters and thus the flow of reading as well as the consolidation of grammar, for example when small sections from the unpunctuated Qumran scrolls are taken through. 39 Cf. Hilgert, Text-Anthropologie. 64 Anna Krauß 10.24053/ VvAa-2020-0013 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) These are only three possible areas in which material culture can be integrated into the teaching of Biblical studies and in which there are hardly any limits to creativity (not least because of the still missing discussion about their methodological integration into the Biblical studies’ canon). A first necessary step, however, is above all to strengthen the awareness of material culture among teachers and students and to intensify the discussion about the answers to methodological questions. Keywords Material culture, new philology, material philology, critical editions, textual criticism Bibliography Berlejung, Angelika: Quellen und Methoden, in: Gertz, Jan Christian (Hg.): Grundinformation Altes Testament. Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments (UTB 2745), Göttingen 4 2010, 21-58. 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Stattdessen wird im vorliegenden Aufsatz ein ganzheitlicher Blick auf Handschriften als komplexe historische Artefakte eingenommen, der neben ihrem Einsatz zur Illustration textkritischer und überliefungsgeschichtlicher Phänomene auch den Blick auf physische und optische Eigenschaften, sowie Paratexte und Nebeninhalte ausweitet, die alle jeweils spezifische Lehr-/ Lernpotentiale bieten. 1 Einleitung 1.1 Problemanzeige Welches Bild haben Theologiestudierende vor Augen, wenn sie den Ausdruck ‚neutestamentliche Handschriften‘ hören? Auch wenn mir hierzu keine repräsentativen statistischen Erhebungen vorliegen, sondern lediglich individuelle, fragmentarische Erfahrungen, sei eine Hypothese geäußert: Das mentale Bild, das die Rede von ‚neutestamentlichen Handschriften‘ in den Köpfen etlicher Studierender entstehen lassen dürfte, ist ein fremdartiges Gewirr von Buchstaben und Zahlen, das unter einer gleichfalls fremdartig anmutenden Menge griechischen Textes steht: der textkritische Apparat des Nestle-Aland. Der Grund für diese Assoziation ist m. E. die Studienbiographie etlicher Studierender gerade in den Lehramtsstudiengängen, aber auch darüber hinaus. Denn häufig kommen Studierende genau einmal mit neutestamentlichen Handschriften in Berührung: im neutestamentlichen Proseminar. 1 Dort steht 1 Die folgenden Erwägungen beziehen sich i. W. auf das NT. Etliches ist aber auf das AT übertragbar. Dies gilt insbesondere insofern, als neben dem Masoretischen Text auch andere Texttraditionen (Qumran; LXX) und die weitere antike jüdische Literatur herangezogen werden, was die potentielle Handschriftenbasis signifikant erweitert. Mehr als nur ein Text 67 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 die Beschäftigung mit Handschriften in aller Regel im Dienste der Textkritik. Textkritik wiederum erschöpft sich im Proseminar häufig im Memorieren von ‚Grundregeln‘ ( lectio difficilior potior etc.) und v. a. im Entschlüsseln des apparatus criticus , wie sich anhand eines Blickes in die verbreiteten Lehrbücher leicht zeigen lässt. 2 Die Handschriften, welche die Basis der textkritischen Arbeit darstellen, werden zwar meist knapp systematisiert (Papyri, Majuskeln, Minuskeln, Lektionare etc.) und einige ‚bekannte‘ Exemplare benannt ( P 66, Codex Vaticanus , Sinaiticus u. a.); selten bekommen Lernende einen etwas konkreteren Eindruck der abstrakt beschriebenen Phänomene, etwa durch Abbildungen. 3 Insgesamt - so die Annahme - treten Handschriften aber weniger als komplexe historische Artefakte in den Blick denn als vermeintlich neutrale Trägermedien eines idealisierten ‚Text als Werk‘. 4 Diese Fokussierung ist per se nicht problematisch, sondern in vielerlei Hinsicht eine verständliche Reduktion, die den Anforderungen des Curriculums entspricht: Die für die Textkonstitution im Rahmen einer Exegese grundlegenden Informationen bietet der Nestle-Aland, dessen Handhabung vorrangig einzuüben ist. Eine starke Ausrichtung auf die handschriftlichen Grundlagen der Handausgabe ist für diesen Zweck weder notwendig noch praktikabel. Dennoch droht durch den Rückzug auf die Handausgabe m. E. die zugrundeliegende materielle Basis aus dem Blick zu geraten: Von einem komplexen Artefakt bleibt eine Nummer, die eine Variante bezeugt. 5 Diese Sichtweise ist eine Verengung, die häufig im exegetischen Proseminar ihren Anfang nimmt und nur in seltenen Fällen im Laufe des Studiums aufgebrochen wird. Die eigentliche Breite an Themen und Fragestellungen, die sich anhand von (neutestamentlichen) Handschriften verhandeln lassen, bleibt didaktisch ungenutztes Potential. 2 Vgl. Ebner/ Heininger, Exegese, 25-56; Egger/ Wick, Methodenlehre, 68-79; Erlemann/ Wagner, Leitfaden, 20-28; Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 12-40; Schnelle, Einführung, 36-56. 3 Von den konsultierten Methodenbüchern (s. o. A2) bieten nur Finnern/ Rüggemeier, Methoden, jeweils eine Abbildung eines Papyrusfragments (13), einer Majuskelseite (19) und einer Minuskelseite (20). Trotz der geringen Rolle, die Handschriften als Artefakte in den meisten Methodenbüchern spielen, existiert indes eine Wertschätzung für deren Ästhetik, die zumindest oberflächlich auch mit exegetischem Arbeiten in Verbindung gebracht wird. Das zeigt die Beliebtheit von Handschriftenabbildungen als Covermotiv (z. B. bei Ebner/ Heininger, Exegese; Schnelle, Einführung). Finnern/ Rüggemeier, Methoden, spiegeln das Programm ihres Werkes durch die Wahl des Coverdesigns angemessener wider: Der Text löst sich von seiner Bindung an das Trägermedium ‚Buch‘ zugunsten einer ideellen Existenz als abstrakte Entität. 4 Vgl. Sahle, Textbegriffe, 14-20. 5 Für eine ähnliche Analyse vgl. auch Flemming, Handschriften, 71. 68 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 1.2 Theoretische Erwägungen Das Programm des vorliegenden Beitrages besteht darin, auf dieses Potential aufmerksam zu machen. Vor dem Hintergrund neuerer Arbeiten, die zeigen, dass der material turn auch in den Bibelwissenschaften und angrenzenden Fächern Einzug gehalten hat und dort u. a. eine ganzheitlichere Wahrnehmung (biblischer) Handschriftentraditionen angeregt hat, ist dieses Anliegen durchaus aktuell. 6 In der Museumsdidaktik und der Didaktik des Geschichtsunterrichts werden die Vorzüge historischer Sachquellen indes bereits länger diskutiert. 7 Besonders betont wird dort die Erfahrung von Haptik, Ästhetik, Authentizität und Emotionalität historischer Artefakte, die grundlegend für deren didaktisches Potential sind. 8 Während Haptik und Ästhetik auf die Vorteile der sinnlich wahrnehmbaren Konkretheit von physischen Objekten abzielen, ist mit Authentizität und Emotionalität ein Aspekt thematisiert, der sich vor dem Hintergrund von W. Benjamins Konzept der ‚Aura‘ verstehen lässt. Die ‚Aura‘ des Kunstwerkes ist für Benjamin wesentlich durch dessen historische Einzigartigkeit verbürgt. 9 Gegenständliche Quellen zeichnen sich daher durch die Besonderheit aus, „längst vergangenes menschliches Dasein [zu bezeugen]; mit ihnen haben Menschen agiert, gehandelt, sie haben sie benutzt, und sie wurden […] bis in unsere Zeit weitergegeben. Sie ragen konkret bis in unsere Gegenwart hinein, sind real zu sehen, zu begreifen“ 10 . Didaktisch gewendet erlauben Sachquellen die Erfahrung des Fremden im Nahen - ‚Geschichte aus erster Hand‘ -, die ein besonderes Faszinosum darstellt und so hohes motivationales Potential freisetzen kann. Für (ntl.) Handschriften gilt das in besonderem Maße. Das liegt zunächst am historisierenden Grundcharakter des Christentums und der gerade im Protestantismus tief verwurzelten Wertschätzung für das ‚Ursprüngliche‘. Biblische Handschriften können wie Fenster wirken, die einen genaueren Blick auf die ‚Anfänge‘ ermöglichen. Als komplexe Artefakte enthalten sie neben ihrem Kerninhalt (dem biblischen Text), aber auch eine Vielfalt weiterer Elemente, die den Weg durch die Jahrhunderte erfahrbar werden lassen: Anmerkungen und Korrekturen unterschiedlicher Benutzer, Hinzufügungen weiterer Texte, 6 Vgl. etwa den Sammelband Kalthoff u. a., Materialität, sowie die zahlreichen Publikationen des Heidelberger SFB 933 Materiale Textkulturen (grundlegend: Meier u. a., Textkulturen). Beispiele aus Bibelwissenschaften sind das ERC-Projekt Paratexts of the Bible (vgl. Wallraff/ Andrist, Paratexts) und das Teilprojekt B04 Der Masoretische Text der Hebräischen Bibel in seinen unterschiedlichen materialen Gestaltungen in Westeuropa im 12. und 13. Jh. des genannten SFB 933. 7 Vgl. stellvertretend für viele: Korff, Eigenart; Heese, Vergangenheit. 8 Vgl. Heese, Vergangenheit, 12-26. 9 Vgl. Benjamin, Kunstwerk, 480. 10 Heese, Vergangenheit, 21. Mehr als nur ein Text 69 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 Streichungen, Schäden, Reparaturen u. v. m. So wie jede historische Sachquelle ist die Handschrift Zeugin einer Vielzahl von Ereignissen, die sich an ihr und durch sie nachvollziehen lassen. 11 Didaktisch gehen damit insbesondere Chancen für selbstreguliertes und forschendes Lernen einher. Das fremde, zugleich konkrete Objekt weckt unmittelbar die Neugier seiner Betrachter. Es handelt sich um eine ‚rohe Quelle‘, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten lässt: Die initiale Aufmerksamkeit kann von ungewöhnlichen Charakteristika des Skripts genauso gebunden werden wie von Illuminationen oder kuriosen Randglossen. Hier bestehen Entfaltungsmöglichkeiten für Lernende sowie Lehrende. 12 Gleich jeder authentischen Quelle ist eine Handschrift nämlich nicht auf eine Fragestellung hin determiniert, sondern erlaubt eine Vielzahl von Entdeckungs- und Verstehenserfahrungen. Wie aber soll das didaktische Potential von Handschriften, das doch wesentlich mit ihrer historischen ‚Aura‘ zusammenhängt, nutzbar gemacht werden, wenn die Originale dieser Handschriften in der Regel nicht für die Nutzung durch Seminargruppen etc. verfügbar sein dürften? Hier ist wichtig, dass die auratische Wirkung von Artefakten graduell gedacht werden muss: Reproduktionen können an der Aura des Originals partizipieren - freilich in Abhängigkeit ihrer Qualität. 13 Gerade hier waren die Voraussetzungen niemals besser: Von tausenden Handschriften stehen heute online Digitalisate zur Verfügung. 14 Deren Qualität und Funktionsumfang haben flächendeckend ein Niveau erreicht, das die Möglichkeiten der Arbeit mit den Originalen in mancher Hinsicht sogar übertrifft: detaillierte Indizierungen, die die Navigation erleichtern, parallel anzeigbare Transkripte, Zoomfunktionen und verschiedene Beleuchtungsarten machen die Arbeit mit Handschriften in ungeahntem Maße komfortabel. Obgleich keine Reproduktion das Original ersetzen kann, eröffnet die Digitalisierung auch Möglichkeiten, die das analoge Objekt nicht bieten kann. Vor allem aber löst sie das Problem der Verfügbarkeit vollständig. 15 11 Vgl. Heese, Vergangenheit, 23. 12 Vgl. Heese, Vergangenheit, 66-69; mit Blick speziell auf Handschriftenarbeit vgl. Flemming, Handschriften, 74f. 13 Heese, Vergangenheit, 35-39. 14 An dieser Stelle sei auf die digitale Edition des Codex Sinaiticus als ein im Funktionsumfang herausragendes Beispiel verwiesen (https: / / codexsinaiticus.org/ de/ manuscript.aspx). Weitere Anlaufstellen sind die Websites der großen Bibliotheken (Bibliothèque nationale, Vatikanische Bibliothek u. v. a.), der Virtual Manuscript Room des INTF (http: / / ntvmr.unimuenster.de) oder große Digitalisierungsprojekte wie ‚e-codices‘ (www.e-codices.unifr. ch). Für einen Einblick in die Potentiale weiterer Entwicklungen auf dem Gebiet digitaler Handschriftenpräsentationen durch die Einbindung unterschiedlicher Beleuchtungsarten vgl. Künzl, Viewer (dort auch ein Beispielvideo). 15 Dazu weiterführend und aus Studierendensicht: Künzl/ Wegscheider, Faszination, 62-64. Für weitere Chancen der Digital Humanities vgl. Garcés/ Heilmann, Humanities, 39-43. 70 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 2 Ein praktisches Beispiel: Der Codex Boernerianus Im Folgenden dient der Dresdner Codex Boernerianus ( Boern. ), eine griechischlateinische Bilingue 16 des Corpus Paulinum , geschrieben im 9. Jh. in St. Gallen, als praktisches Beispiel. 17 Entlang der von P. Andrist 18 in Anknüpfung an Genette vorgeschlagenen Taxonomie werden die physischen und optischen Eigenschaften des Boern. (2.1), seine Paratexte und Nebeninhalte (2.2) sowie sein Hauptinhalt (2.3) mit dem Ziel beleuchtet, die Breite an Lernpotentialen, die eine ntl. Handschrift bergen kann, systematisch sichtbar zu machen. 19 Es geht dabei nicht um die Präsentation von Unterrichtskonzepten, sondern um eine Auswahl von Anregungen zu der Frage, in welchen Bereichen und mit welchen Fragestellungen sich (ntl.) Handschriften hochschuldidaktisch einsetzen lassen. 2.1 Physische und optische Eigenschaften: Der erste Eindruck des Codex Öffnen Studierende das Digitalisat des Boern. , kann sich zunächst Ernüchterung einstellen. Die hochaufgelösten Bilder zeigen schwere Schäden an der Handschrift: Das Pergament ist wellig, die Tinte zahlreicher beschriebener Seiten hat auf die jeweils gegenüberliegenden Seiten abgefärbt, die Schrift ist an vielen Stellen verwaschen oder sogar ganz vom Pergament abgelöst. Auch kodikologisch wenig versierte Studierende dürften schnell an Wasserschäden denken. Es drängt sich die Frage auf, woher diese Schäden kommen. Eine Spur zur Beantwortung dieser Frage ergibt sich, zieht man Reichardts Faksimile von 1909 hinzu: Dort werden weder Schäden beschrieben noch sind solche in der Reproduktion erkennbar. Der Codex kann also erst nach 1909 beschädigt worden sein. Eine Verbindung zu den Luftangriffen auf Dresden 1945 bestätigt sich: 16 Bei Bilinguen handelt es sich um zweisprachige Handschriften, üblicherweise um einen Text mit einer Übersetzung. 17 Vgl. Reichardt, Boernerianus, 9 f. In der Dresdner SLUB hat die Handschrift die Inventarnummer Mscr.Dresd.A.145.b. Als Zeugin des griechischen Texts hat sie das Siglum G 012, der lateinische Text entsprechend g. Im System des Beuroner Vetus-Latina-Projekts ist sie als VL 77 geführt, vgl. Gryson, Handschriften, 124-126. Ein Digitalisat der Handschrift findet sich unter http: / / digital.slub-dresden.de/ id274591448. Das 1909er Faksimile Reichardt, Boernerianus, ist ebenfalls online verfügbar: http: / / digital.slub-dresden.de/ id435395769. 18 Vgl. Andrist, Definition, passim, insb. 146f. 19 Zu erweitern ist diese Kategorisierung noch durch Metatexte (vgl. Genette, Palimpsestes, 11), d. h. Texte über Handschriften (Bibliothekskataloge, Handschriftenbeschreibungen usw.). Diese stellen gerade beim hochschulddidaktischen Einsatz eine unverzichtbare Ressource dar, da sie Zusatzinformationen liefern, die sich (gerade für Laien) nicht ohne weiteres aus der Handschrift selbst ergeben (Provenienz, Datierung etc.), und den Umgang mit ihr erleichtern (z. B. paläographische Hilfsmittel). Die in Kap. 2 verwendete Literatur gibt einen Überblick über die wichtigsten Metatexte zum Boern. und zeigt, welche Informationen sie enthalten. Mehr als nur ein Text 71 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 Tatsächlich war das Manuskript während des Zweiten Weltkrieges zusammen mit etlichen anderen in den bombensicheren Tiefkeller des Japanischen Palais ausgelagert worden. Als das Palais brannte, drang jedoch Löschwasser ein, wodurch die meisten dort vermeintlich sicher gelagerten Kunstschätze beschädigt wurden - unter ihnen auch der Boern. 20 Das erste Lernpotential, das sich aus dem optischen Ersteindruck der Handschrift ergibt, ist damit nicht theologisch, sondern vielmehr lokalgeschichtlich. Beim Blick in Reichardts Faksimile wird aber auch erfahrbar, dass jede Reproduktion technologiespezifische Grenzen hat, die häufig erst dann als Defizite sichtbar werden, wenn neue Technologien verfügbar geworden sind. So war es Reichardt aufgrund der technischen Limitierungen der (Schwarz-Weiß-)Photographie seiner Zeit nicht möglich, die zahlreichen verschiedenfarbig illuminierten Kapitälchen des Codex durchgängig zu reproduzieren. Lediglich die ersten Seiten seines Faksimiles sind per Hand koloriert. Da die Bilder für das aktuelle Digitalisat nach den Wasserschäden angefertigt wurden, ist die farbige Illumination etlicher Seiten des Codex heute nicht mehr nachvollziehbar. Seitenlayout und optischer Eindruck des Skripts bzw. der Skripte liefern Stoff für weitere Beobachtungen: Zwischen den Zeilen deutlich geschriebener griechischer Majuskelschrift findet sich eine eher gedrängte lateinische Minuskel. Die lateinische Übersetzung gibt Wort für Wort Entsprechungen zum Griechischen. Vergleiche mit anderen Bilinguen wie etwa dem eng mit dem Boern. verwandten Codex Augiensis (F 010), 21 der den lateinischen Text in einer nebenstehenden Spalte bietet, deuten darauf hin, dass es sich beim Interlinearlayout um eine signifikante Besonderheit handelt. 22 Das Layout mag Studierende (und u. U. auch Lehrende) an die eigene Zeit im Griechischkurs erinnern, als man Übersetzungen und Erläuterungen zwischen den Zeilen von Übungstexten notiert hat. Es ergibt sich die Frage, aus welchem Umfeld eine so gestaltete Handschrift kommen könnte und welche Verwendung sie gehabt haben mag. Handelt es sich möglicherweise um eine Studienhandschrift für Lateinkundige zum Erlernen des Griechischen? Wenn ja, dann wäre sie wohl nicht im griechisch-sprachigen Osten, sondern eher im lateinischen Westen zu verorten. Die Frage nach den Tradenten von Bildung im Mittelalter führt unweigerlich zur Geschichte des westlichen Mönchtums. Hier entsteht eine Brücke zur interdisziplinären Zusammenarbeit bspw. mit der Kirchengeschichte. 20 Vgl. Bürger, Wandel, 35; Klinghardt, Handschrift, 134. Die einzige detaillierte Beschreibung der Handschrift in ihrem Nachkriegszustand (die auch auf die Notrestaurierung im Jahr 1954 eingeht) bietet gegenwärtig die Dresdner Magisterarbeit Mütze, Kommentar, 3-7. 21 Zum Verhältnis von Boernerianus und Augiensis s. u. 2.3. 22 Das spaltenbzw. seitenweise Layout ist deutlich typischer. Es findet sich in Codex Bezae (D 05), Codex Claromontanus (D 06) und Codex Augiensis (F 010). 72 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 2.2 Paratexte und Nebeninhalte: Der Codex und seine Geschichte(n) Abb. 1: f. 22r (Reichardts Faksimile). Paratextuelle Elemente des Skripts. Bei näherer Betrachtung des Skripts zeigt sich, dass es sich beim Boern. nicht um eine Handschrift in scriptio continua 23 handelt, sondern um eine der ersten Majuskelhandschriften mit konsequenter Worttrennung. Seine Vorlage ist wohl deutlich älter als er selbst und war noch in scriptio continua verfasst, wie u. a. gelegentlich falsche Worttrennungen belegen. 24 Mit älteren Handschriften teilt der Boern. (anders als spätere Minuskeln) noch etliche Gemeinsamkeiten. Das betrifft etwa den Gebrauch von Mittelpunkten in Wortzwischenräumen und ‚anorganischen‘ Tremagebrauch 25 (Abb. 1). Diese Phänomene sind alt und dienten als ‚Lesehilfen‘ ursprünglich wohl vor allem der semantischen Disambiguierung. Ihr Gebrauch hat sich über die Jahrhunderte konventionalisiert. 26 Im Rahmen des bilingualen Buchprojektes, das der Boern. darstellt, sind die Eigenheiten seines Schriftbildes signifikant: Gerade die konsequente Worttrennung ist ein wichtiges Element, welches die Eignung des Manuskripts zum griechischen Fremdsprachenstudium ausmacht. Die Methode der Interlinearübersetzung, bei der jedes griechische Wort mit einem lateinischen Äquivalent versehen wird, ist überhaupt erst wegen der konsequenten Worttrennung praktikabel. 27 Wer sich mit dem Boern. befasst, lernt so etwas über das Ineinandergreifen der Gestaltung und Funktion einer Handschrift, und wie sich aus ersterer Rückschlüsse über letztere ziehen lassen. 23 Der Begriff scriptio continua bezeichnet Skripte weitgehend ohne Wortzwischenräume. In antiken griechischen Handschriften ist scriptio continua die Regel. 24 Vgl. etwa Reichardt, Boernerianus, 14f. 25 Anders als ‚organisch‘ verwendete Tremata dienen ‚anorganische‘ nicht zum Anzeigen einer Diärese, sondern kennzeichnen lediglich den initialen oder finalen Vokal eines Wortes. Für diese Unterscheidung vgl. Turner, Manuscripts, 12f. 26 Vgl. Heilmann, Reading, 183-190. 27 Es verwundert daher nicht, dass die Worttrennung in anderen Bilinguen (s. o. A22), die den lateinischen Text nicht interlinear sondern in einer nebenstehenden Spalte bieten, deutlich inkonsequenter ist. Mehr als nur ein Text 73 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 Abb. 2: f. 21r. Generell lassen sich am Boern. zahlreiche paratextuelle Elemente ntl. (und anderer) Handschriften prototypisch aufzeigen und problematisieren. Dazu zählen etwa incipit / explicit 28 (Abb. 2), Lauftitel, die typischen Diplen 29 zur Zitatmarkierung (und zuweilen zum Auffüllen von Zeilen: s. Abb. 2) und spezifisch christliche Gestaltungselemente wie nomina sacra 30 (Abb. 1). Abb. 3: f.4v (Reichardts Faksimile). Paratexte. Eine Besonderheit des Boern. liegt allerdings in seinen zahlreichen Paratexten, die weitere Hinweise auf seinen Ursprung und seine Verwendung geben können. Grammatische Glossen 31 und lateinische Übersetzungsalternati- 28 In mittelalterlichen Handschriften finden sich incipit bzw. explicit -Formeln häufig anstelle von Über- und Unterschriften („Der Römerbrief endet [explicit] , der erste Korintherbrief beginnt [incipit] “). 29 Als ‚Diplen‘ bezeichnet man die in Abb. 2 (erste Zeile) erkennbaren kleinen, nach links offenen Dreiecke. 30 Nomina sacra sind eine Schreibkonvention in christlichen Handschriften, bei der bestimmte ‚heilige Namen‘ (Herr, Gott, Himmel etc.) durch Kontraktion abgekürzt und mit einem Überstrich gekennzeichnet werden. 31 Z. B. die Erklärung i. e. participium neben ὄντων in Röm 5,6 (f. 7r). 74 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) ven 32 erhärten den Verdacht, dass es sich um eine Handschrift handelt, die für das griechische Sprachstudium konzipiert war. 33 Andere Glossen legen zeitgeschichtliche Spuren: An mehreren Stellen finden sich am Textrand Hinweise auf einen gewissen Goddiscalcos - bspw. neben Röm 3,5, wo Paulus über die Gerechtigkeit des göttlichen Gerichts schreibt (Abb. 3). 34 Diese Anmerkungen beziehen sich höchstwahrscheinlich auf Gottschalk den Sachsen, der im Jahr 848 von einer Synode in Mainz verurteilt wurde, weil er unter Betonung der Unveränderlichkeit Gottes für eine strenge doppelte Prädestination stritt. 35 Eine solche Beobachtung kann nicht nur Ausgangspunkt für kirchengeschichtliche Studien sein, sondern auch für zentrale Themen der Dogmatik. Gerade historisch interessant ist wiederum der wohl außergewöhnlichste Paratext des Boern. : ein Gedicht in altirischer Sprache am unteren Textrand von f. 23r: Nach Rom Gehen / viel Mühe, wenig Nutzen! / Der König, den Du hienieden suchst, / wenn Du ihn nicht mitbringst, findest du [ihn] nicht! / Groß ist die Torheit, groß der Wahnsinn, / groß die Verderbnis des Sinns, groß der Irrsinn! / weil in den Tod Gehen sicher bevorsteht, / soll es sein unter … von Marias Sohn! 36 Allein schon, dass dieses Gedicht, anders als alle anderen Glossen, nicht auf Griechisch oder Lateinisch verfasst ist, regt die Phantasie an: Wollte der Schreiber wegen des Inhalts möglicherweise sicherstellen, dass es nicht von jedem, der das Manuskript zur Hand nimmt, unmittelbar verstanden wird? Was waren seine Erfahrungen mit Rom? Das Gedicht steht am unteren Rand der Seite, die 1Kor 2,10 bis 3,3 enthält. 37 Möglicherweise hat sein Schreiber in Rom nur den „Geist der Welt“ vorgefunden, wo er doch auf den „Geist aus Gottes“ (vgl. 1Kor 2,12) gehofft hatte. Auch die Frage nach dem Trägerkreis des Codex engt das Gedicht weiter ein: Romkritik und Bestrebungen um griechische Bildung verdichten Vermutungen, dass die Handschrift aus dem Kreis iro-schottischer Mönche stammen könnte. In den diversen Metatexten zum Boern. wird meist auf eine bei dem St. Galler Chronisten Ekkehard IV. belegte Romreise einer Pilgergruppe um den irischen Bischof Marcus und seinen Neffen Moengal/ Marcellus 32 Z. B. gratia vel donum über χάρισμα in Röm 1,11 (f. 1v). 33 Diese Phänomene sind systematisch aufgearbeitet bei Rönsch, Doppelübersetzungen. Vereinzelt finden sich liturgische Glossen, die Aufschluss über die Verwendung einzelner Bibeltexte im Gottesdienst geben, vgl. dazu Frede, Paulushandschriften, 64f. 34 Weitere Stellen bei Frede, Paulushandschriften, 65. 35 Vgl. Schäferdiek, Art. Gottschalk. 36 Übersetzung von Windisch, Gedicht, 99 [Orthographie modernisiert d. Verf.]. 37 Reichardt, Boernerianus, 13, schreibt fälschlich, das Gedicht stehe bei 2Kor (nicht 1Kor); dieser Irrtum auch bei Trobisch, Boernerianus, 7; richtig dagegen Klinghardt, Handschrift, 137. Mehr als nur ein Text 75 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 in der Mitte des 8. Jh.s Bezug genommen. 38 Die Gruppe machte laut Ekkehard auf der Rückreise in St. Gallen Station; der Bischof und seine Neffe blieben dort. 39 Die Daten passen zusammen und Ekkehard betont sogar explizit, dass die Ankömmlinge Bücher mitgebracht hätten. Nebeninhalte des Codex. Weiteres bieten die beiden Nebeninhalte des Boern. Einer davon ist ein Exzerpt aus dem Werk Περὶ νόμου πνευματικοῦ („Über das geistige Gesetz“) des Marcus Eremita, 40 der wohl um das 4./ 5. Jh. in der ägyptischen Wüste wirkte. 41 Das 18 griechische Zeilen umfassende Fragment befindet sich im linken oberen Viertel der letzten Seite des Codex und bezeugt die Einleitung des Werkes einschließlich seiner ersten beiden Abschnitte. 42 Es stammt von derselben Hand wie der Paulustext der Handschrift und ist im gleichen griechisch-lateinischen Interlinearlayout gehalten. Das Fragment ist nicht nur der früheste Beleg für die Rezeption des Marcus Eremita im Westen, sondern auch das älteste handschriftliche Zeugnis eines seiner Werke überhaupt. 43 An dieser Stelle öffnet der Boern. unerwartet ein Fenster zu den Anfängen christlich-monastischer Theologie und bezeugt die Bezugnahme auf diese Ursprünge im westlichen Mönchtum des Mittelalters. Wie ein Werk, das sonst v. a. auf Syrisch überliefert ist, seinen Weg in eine Paulusbilingue von iro-schottischer Hand gefunden hat, darüber ließe sich zusammen mit den Lernenden hingegen nur spekulieren. Möglicherweise lernten die Pilger den Text während ihres Aufenthalts in Rom durch griechische Mönche kennen. 44 Offen ist auch, warum das Fragment überhaupt Teil des Boern. ist: Handelt es sich möglicherweise um eine Übung des Schreibers? Das Fragment selbst zeigt nämlich die gleichen ‚Schwächen‘ wie der Paulustext - nur noch prägnanter. Ein Beispiel ist der 38 Vgl. Frede, Paulushandschriften, 69.73-75. Möglicherweise steht mit dieser Gruppe sogar noch ein größeres bilinguales Handschriftenprojekt in Verbindung, das neben den Paulusbriefen des Boern. auch die Evangelien (St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 48 [= Δ 037]), die Psalmen (Basel, Universitätsbibliothek, A VII 3) und möglicherweise auch die katholischen Briefe (vgl. Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, Kap. 46 [FSGA 10, 102-105; ed. Haefele]) umfasste. Die drei erhaltenen Handschriften haben weitgehend die gleichen Charakteristika (z. B. lateinische Interlinearübersetzung) und sind wohl von selber Hand geschrieben. Evangeliar und Psalter sind online verfügbar: www.e-codices.unifr.ch/ de. 39 Vgl. Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, Kap. 2 (FSGA 10, 18-21; ed. Haefele). 40 Diese Identifizierung ist eindeutig. Dass Frede, Paulushandschriften, 76 (und im Anschluss auch Trobisch, Boernerianus, 8), den Text als Produkt des iro-schottischen Bischofs Marcus bezeichnen, der möglicherweise als Initiator des Boern. gelten kann, ist ein wahrscheinlich durch die zufällige Namensgleichheit motivierter Irrtum. 41 Hesse, Markus, 106f. 42 Περὶ νόμου πνευματικοῦ (= Opusculum I ) ediert bei Migne, PG 65, 905A-930B. Eine deutsche Übersetzung bietet O. Hesse (BGL 19, 155-170). Für eine Edition des Fragments im Boern. (mit Kommentar und engl. Übersetzung) vgl. Kaczynski, Translation, 383-385. 43 Vgl. Kaczynski, Translation, 381f. 44 Diese Vermutung bei Kaczynski, Translation, 386. 76 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) grobe Worttrennungsfehler bei ἀμήχανον („unmöglich“) in der zwölften griechischen Zeile: Aufgeteilt in α - μη - χανον wird es im Lateinischen mit non nisi regula („nicht wenn keine Richtschnur“) wiedergegeben. 45 Auch hier war die Vorlage offenkundig noch in scriptio continua geschrieben. Da dem Übersetzer ein lateinischer Referenztext fehlte, sind solche groben Fehler in den 18 kurzen Zeilen des Fragments deutlich häufiger als im Paulustext. Während er das lateinische NT kannte, konnte er sich bei der Übersetzung von Marcus Eremita nur auf seine begrenzten Griechischkenntnisse verlassen. Noch mehr als im Bibeltext ist das Fragment deshalb ein Zeugnis für die philologische Gelehrsamkeit und das methodische Vorgehen eines mittelalterlichen Mönchs. Abb. 4: f. 99v (links ‚Original‘, rechts Reichardts Faksimile). Der zweite Nebeninhalt ist ein lateinischer Matthäus-Kommentar, der den biblischen Text quasi rahmt: Er beginnt auf einem vom ursprünglichen Schreiber leergelassenen Blatt vor Beginn des Römerbriefs und wird ab der letzten Seite der Paulusbriefe noch weitere 11 Blätter fortgesetzt. 46 Es ist deutlich, dass der Kommentar von anderer Hand als der Paulustext und das Marcus-Eremita-Frag- 45 Das α wurde offenbar als eine Art einzelnstehendes alpha privativum aufgefasst; χανον wurde mit κανών in Verbindung gebracht. Vgl. Kaczynski, Translation, 385. 46 Für eine Edition des Mt-Kommentars im Boern. und eine literarische und historische Einordnung vgl. Mütze, Kommentar. Mehr als nur ein Text 77 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 ment stammt und dem Codex zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt wurde: wahrscheinlich im frühen 10. Jh. 47 Dies deutet an, dass das ursprüngliche Sprachlernprojekt mit der Absicht, die Paulinen im griechischen Original zu lesen, zu diesem Zeitpunkt wohl aufgegeben worden war. Sonst hätte man den am Ende des Codex für fehlenden Paulustext freigelassenen Platz nicht unbedarft für einen anderen (nur lateinischen! ) Text verwertet (Abb. 4). Der Blick in Reichardts Faksimile erlaubt hier aber noch eine weitere Lernerfahrung: Jede technische Reproduktion spiegelt die Interessen ihrer Urheber wider. Da Reichardts Interesse nur dem biblischen Text galt und er den Kommentar als „Verunstaltung“ der Handschrift empfand, 48 tilgte er diesen - und im Zuge dessen auch das Marcus-Eremita-Fragment - aus seiner photographischen Reproduktion. 2.3 Der Hauptinhalt des Codex: Überlieferungsgeschichte und Textkritik konkret Dass der Text der Paulinen im Boern. Lücken aufweist, wurde bereits erwähnt. So fehlt direkt am Anfang bspw. Text zwischen Röm 1,1 und 1,5; am Ende des Codex (Abb. 4) bricht Phlm nach V. 20 ab. Diese Lücken müssen schon in der Vorlage des Boern. - evtl. aufgrund von Beschädigungen - bestanden haben. Aufgrund seiner Kenntnis der lateinischen Paulusbriefe wusste der Schreiber bzw. Herausgeber des Codex allerdings stets, wo Lücken für noch nachzutragenden Text freizulassen waren, und konnte auch deren Größe abschätzen. Dass diese Lücken aber niemals geschlossen wurden, deutet ähnlich wie die Präsenz des Mt-Kommentars darauf hin, dass man das Interesse am Projekt einer zweisprachigen Studienausgabe der Paulinen recht schnell verlor. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es nicht gelang, eine griechische Handschrift zu beschaffen, welche die fehlenden Passagen bot. Mit Blick auf den vermissten Laodicenerbrief, dessen incipit im Anschluss an den für Phlm 21-25 freigelassenen Raum bereits voller Eifer eingetragen wurde (Abb. 4), wäre die Suche nach einem griechischen Original wohl ohnehin besonders schwierig gewesen. Zahlreiche bis heute erhaltene Altlateiner und Vulgata-Handschriften bieten diesen apokryphen Brief unter den Paulinen und auch die iro-schottischen Urheber des Boern. dürften ihn aus ihrer lateinischen Bibel gekannt haben. 49 Eine griechische Fassung ist allerdings nicht erhalten. Inhaltlich ist der lateinische Laodicenerbrief i. W. ein Sammelsurium von Paraphrasen der kanonischen Paulusbriefe. Harnack galt er als „die wertloseste urkunde, die aus dem kirchlichen 47 Vgl. Mütze, Kommentar, 16. 48 So Reichardt, Boernerianus, 7. 49 Unter den Altlateinern: 6, 51, 58, 61, 62, 91, 109; Vulgata: C, F, M, P, T (vgl. den Hss-Katalog bei Houghton, Latin, 209-281). 78 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) altertum auf uns gekommen ist.“ 50 Trotz solch negativer Einschätzungen birgt die Präsenz seines incipit im Boern. jedoch erneut Lernchancen: Beim Studium antiker Pseudepigraphie lässt sich an diesem Beispiel nachvollziehen, dass Texte wie der lateinische Laodicenerbrief häufig dann entstanden, wenn auffällige Leerstellen in einem vorgegebenen Textcorpus den Anlass dazu lieferten. So war der Anlass für den Autor des lateinischen Laodicenerbriefs wohl die offene Referenz in Kol 4,16. Ferner lässt sich von diesem Ansatzpunkt her die frühe Überlieferungsgeschichte des Corpus Paulinum thematisieren. Schließlich gab es bereits um die Mitte des 2. Jh.s einen Laodicenerbrief, der Teil einer frühen Zehn-Briefe-Sammlung des Corpus Paulinum war, aber wohl nicht mit dem lateinischen Apokryphon gleichzusetzen ist. 51 Stattdessen entsprach er laut Tertullians Zeugnis dem kanonischen Epheserbrief. An diesem Punkt ist man über das incipit im Boern. bei einer der schwierigsten Fragen der ntl. Forschung angelangt: dem Verhältnis dieser frühen 10-Briefe-Sammlung zur 14-Briefe-Sammlung des NT. 52 Der Boern. eignet sich aber auch besonders dazu, um klassische Probleme der ntl. Textkritik konkret werden zu lassen. 53 Eines davon betrifft die Stellung der Doxologie im Römerbrief und damit die Frage der ‚Ursprünglichkeit‘ von Röm 15f. 54 Neben ihrer ‚gewohnten‘ Stellung nach Röm 16,23 ist die Doxologie bekanntlich auch am Ende von Kap. 14 bzw. 15 handschriftlich bezeugt. Daneben gibt es noch Handschriften, in denen sie mehrfach vorkommt, und solche, in denen sie komplett fehlt. 55 Zu letztgenannten zählt auch Boern. - allerdings mit einer Besonderheit: Der Schreiber hat zwischen Röm 14 und 15 eine Lücke gelassen, deren Umfang in etwa der Doxologie entspricht. Ähnlich wie beim vermissten Laodicenerbrief ist also auch hier eine Diskrepanz zwischen dem Text, den der Schreiber bzw. Herausgeber des Boern. erwartete, und dem Text 50 Harnack, Briefe, 3. Für eine Behandlung des lateinischen Laodicenerbriefs als eigenständiges literarisches Werk vgl. dagegen Tite, Epistle. 51 Weiterführend vgl. Schmid, Apostolos, 286-289. Die 10-Briefe-Sammlung wurde von Marcion und seinen Anhänger verwendet, lässt sich aber auch außerhalb dieses Trägerkreises nachweisen. Im Vergleich zur kanonischen 14-Briefe-Sammlung fehlen die Pastoralbriefe sowie der Hebräerbrief. 52 Vgl. dazu jetzt Goldmann, Textgeschichte. 53 Zusätzlich zu den hier folgenden Anregungen sei noch auf das Beispiel von Flemming, Handschriften, 76 f., hingewiesen, der ein Seminarbeispiel beschreibt, bei dem Studierende (ebenfalls am Boern. ) kollaborativ ein digitales Handschriftentranskript erarbeiten. 54 Andere signifikante Lesarten, die sich didaktisch nutzbar machen ließen, sind die sog. allgemeine Adresse des Römerbriefs (Röm 1,7.15) und die Transposition von 1Kor 14,34f. ( mulier taceat…) hinter V. 40. Aus Platzgründen kann auf diese Beispiele nicht näher eingegangen werden. 55 Dies ist eine Vereinfachung des tatsächlichen textlichen Befundes, die an dieser Stelle ausreichend ist. Für eine gründliche Darstellung vgl. Metzger, Commentary, 533-536. Mehr als nur ein Text 79 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 der griechischen Vorlage erkennbar. Der Boern. ist somit ein komplexer Zeuge in der Debatte um den Schluss des Römerbriefs, indem er nicht nur eine Textfassung bezeugt, sondern zwei: eine ohne Doxologie (gr. Vorlage) und eine mit Doxologie nach Röm 14 (lat. Vorlage). H. Fredes Bezeichnung „Museum der Textgeschichte“ für Boern. könnte nicht passender sein. 56 Nochmals deutlicher werden die Potentiale dieses ‚Museums‘, wenn Boern. als Teil der Handschriftengruppe D F G in den Blick rückt: Denn diese Gruppe kann die Grundlagen der Lachmann’scher Textkritik veranschaulichen, die in der ntl. Textkritik sonst (wegen der großen Zeugenzahl, kontaminierten Überlieferung und der für Außenstehende schwer verständlichen kohärenzbasierten genealogischen Methode) kaum noch greifbar werden: die Aufstellung von Handschriftenstemmata anhand von Leitvarianten und die Rekonstruktion des Archetyps einer Texttradition (Abb. 5). Abb. 5: Stemma der Handschriftengruppe ‚D F G‘. Es besteht weitgehend Konsens darin, dass Boern. (G) im Codex Augiensis 57 (F) eine ‚Schwesterhandschrift‘ hat, mit der er auf eine gemeinsame Vorlage ‚X‘ zurückgeht. Anhand gemeinsamer Lesarten von Boern. und Augiensis ist es daher möglich, ‚X‘ weitgehend zu rekonstruieren. Hinzukommt, dass Codex Claromontanus 58 (D) ebenfalls einen Zweig dieser ‚Familie‘ darstellt: Er ist höchstwahrscheinlich die ‚Tante‘ von Boern. und Augiensis . Damit liegen Claromontanus 56 Frede, Paulushandschriften, 91. 57 Cambridge, Trinity College, B.17.1. 58 Paris, Bibliothèque nationale de France, grec 107, 107A, 107B. 80 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) und ‚X‘ auf einer Ebene, wodurch es möglich wird, ‚Z‘ als den Archetypen der Tradition zu wiederherzustellen: Sicher hat man den Text von ‚Z‘ dort vor sich, wo Claromontanus , Augiensis und Boern. übereinstimmen. 59 Neben der grundsätzlichen Veranschaulichung textkritischen Arbeitens, die dieses Beispiel ermöglicht, wird hier insbesondere der textkritische Grundsatz recentiores non deteriores praktisch greifbar, da konkret nachvollziehbar wird, wie Boern. - eine mittelalterliche Handschrift - alten Text überliefern kann. 60 3 Fazit: Das hochschuldidaktische Potential der Arbeit an neutestamentlichen Handschriften Die vorangegangene tour de force durch den Boern. hat den Blick auf zahlreiche Aspekte gelenkt, die sich in der Hochschullehre nutzbar machen lassen. Entlang der Kategorisierung in physische/ optische Eigenschaften, Paratexte/ Nebeninhalte und Hauptinhalt ist deutlich geworden, dass sich hochschuldidaktisch mit dem Boern. eine Breite an Themen und Fragestellungen bearbeiten lässt, die weit über seine Funktion als Textzeuge im Nestle-Aland hinausweist. Neben der anschaulichen Vermittlung paläographischer und handschriftenkundlicher Themen bietet der Codex einen Fundus von Anknüpfungspunkten für text- und kanongeschichtliche Erwägungen, (kirchen-)historisches Arbeiten und sogar dogmatische Themen. Der Reiz des Mediums ‚Handschrift‘ liegt in all diesen Fällen in seiner Konkretheit: Es ist ein Unterschied, ob in einem Hauptseminar zum Römerbrief in das Problem des Briefschlusses anhand der Lektüre eines Forschungstextes eingeführt wird oder ob die Studierenden sich dem Problem nähern, indem sie die ungewöhnliche Lücke nach Kap. 14 im Boern. untersuchen. Genauso wird die Brisanz der Prädestinationslehre greifbarer, wenn anhand von Glossen in einer Handschrift begreiflich wird, wie dieses Thema bereits vor über 1000 Jahren Menschen konkret bewegt hat. Der kreative hochschuldidaktische Einsatz von Handschriften bietet vielfältige Möglichkeiten, trockene Gegenstände lebendig werden zu lassen, indem von ihrer historischen Signifikanz nicht nur abstrakt gesprochen wird, sondern sie durch ein konkretes Artefakt authentisch erfahr- 59 Für die Beschreibung der Handschriftenrelationen vgl. Frede, Paulushandschriften, 89-97. Die Pionierarbeit in der Bestimmung des Verhältnisses von D F G geht zurück auf Corssen, Epistularum. Speziell für das Lateinische stellt die D-Zeile in den Vetus-Latina-Ausgaben des Corpus Paulinum eine Hypothese über den Text des Archetyps ‚Z‘ dar. 60 Frede, Paulushandschriften, 52.101, geht davon aus, dass der Archetyp ‚Z‘ in das 4. Jh. gehört, aber einen bereits in dieser Zeit altertümlichen Text konservierte. Mehr als nur ein Text 81 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 bar wird. Handschriften können endlose Geschichten erzählen, und ihre historische Aura ist ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor. Für den praktischen hochschuldidaktischen Einsatz von Handschriften lassen sich grob zwei Szenarien differenzieren, die selbstverständlich nicht als strenge Alternativen zu verstehen sind, sondern sich kombinieren lassen. 1. Die Handschrift kann im Dienste eines definierten Unterrichtsziels eingesetzt werden. Sie steht dann nicht selbst im Zentrum der Lehre, sondern ist als Ausgangspunkt eines Themas oder zu dessen Illustration ‚Mittel zum Zweck‘. Der Einsatz von Medien auf diese Art und Weise ist grundsätzlich traditionell. Wichtig ist in Bezug auf das Arbeiten mit Handschriften aber, dass deren didaktische Verwendbarkeit sich eben nicht in ihrer Funktion als abstrakter Textzeuge erschöpft, sondern weit darüber hinausgeht. Der in diesem Aufsatz gegebene Einblick hat das gezeigt. 2. Zudem ist ein ‚freier‘ Ansatz denkbar, bei dem das entdeckende und forschende Lernen an der Handschrift als komplexem Artefakt im Vordergrund steht: Die Handschrift gibt also die Richtung vor. Zur Umsetzung eignet sich bspw. ein interdisziplinär angelegtes Hauptseminar mit Forschungscharakter. Methodisch können Studierende zunächst in einer Explorationsphase frei mit einer Handschrift arbeiten (unterstützt von Metatexten, die den Zugang erleichtern). Das Ziel dieser Phase besteht darin, einen Aspekt der Handschrift (besondere Lesarten, auffällige Paratexte, Spezifika der optischen Erscheinung etc.) zu entdecken, der dann in einer zweiten Phase einzeln oder in Gruppen vertieft wird. Zur Ergebnissicherung bieten sich Präsentationen, Thesenpapiere oder Belegarbeiten an. Freilich ist nicht jede Handschrift in gleichem Maße didaktisch ergiebig. Der Boern. - wie auch die anderen Handschriften der Familie D F G - bietet eine Breite an Möglichkeiten, die sich nicht ohne weiteres auf jede (ntl.) Handschrift übertragen lässt. Dennoch könnte es sich an den meisten Universitätsstandorten lohnen, sich näher mit der Handschriftensammlung der jeweiligen Universitätsbibliothek zu beschäftigen: In einigen Fällen lassen sich vielleicht wenig beachtete oder gar unentdeckte Schätze heben. Und falls nicht, steht online ein enormer Fundus qualitativ hochwertiger Digitalisate zur Verfügung, der noch immer stetig wächst. Es gibt also keinen Grund, das didaktische Potential von Handschriften für die eigene Hochschullehre nicht auszuloten. Im Gegenteil: Alles spricht dafür. 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) More Than Just a Text Considerations on Teaching/ Learning Potentials of New Testament Manuscripts Using the Example of the Codex Boernerianus translated by David O’Neill Using the Dresden manuscript Codex Boernerianus as an example, the paper discusses a range of didactic possibilities to incorporate (New Testament) manuscripts into higher education in Biblical studies. It focuses on overcoming the association of manuscripts with a barren form of textual criticism that very much limits itself to reading the apparatus criticus . Instead the present article exemplifies a holistic view on manuscripts as complex historical artifacts. This view does not only encompass using manuscripts to illustrate text critical and tradition historical phenomena, but also recognizes their physical and optical features as well as their paratexts and side contents, all of which offer their own specific teaching and learning potentials. 1 Introduction 1.1 Indicating the Problem What image do theology students have in mind when they hear the term ‘New Testament manuscripts’? Even though I cannot offer representative statistical surveys on this but only individual, fragmentary experiences, a hypothesis may be formulated: The mental image that the phrase ‘New Testament manuscripts’ might evoke in the minds of students is a strange tangle of letters and numbers, which stands beneath an equally strange-looking quantity of Greek text: the text-critical apparatus of Nestle-Aland. In my opinion, the reason for this association is the study biographies of many students, especially in the teacher training courses, but also beyond these. Often, there is only one occasion in which students come into contact with New Testament manuscripts: in the New Testament beginners’ courses. 1 There, the study of manuscripts is usually in the service of textual criticism. In this context, though, 1 The following considerations draw on the NT. However, some can be applied to the OT as well. This is especially true if other text traditions (Qumran; LXX) and the wider field of ancient Jewish literature are used in addition to the Masoretic Text as this significantly expands the potential manuscript base. More Than Just a Text 83 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 textual criticism is often limited to memorizing some ‘basic rules’ ( lectio difficilior potior etc.) and, above all, to deciphering the apparatus criticus , as can be easily shown by taking a look at some popular textbooks. 2 The manuscripts, which form the basis of text-critical work, are usually briefly systematized (papyri, majuscules, minuscules, lectionaries, etc.) and some ‘known’ examples are named ( P 66, Codex Vaticanus , Sinaiticus , etc.); but rarely do learners get a more concrete impression of the abstractly described phenomena, for example through illustrations. 3 Overall, manuscripts seem to be regarded less as complex historical artifacts than as suppossedly ‘neutral media’ of an idealized ‘text as work’. 4 This focus is not per se problematic. In many cases it is an understandable reduction that meets the requirements of the curriculum: The Nestle-Aland provides the basic information necessary for the constitution of a text within the framework of writing an exegesis. So, its handling is to be practiced with priority. A strong focus on the manuscripts underlying this edition is neither necessary nor practicable for this purpose. Nevertheless, in my opinion, the retreat to what is given by the Nestle-Aland threatens to cause the underlying material basis to be lost sight of: Merely a number that testifies a variant remains of a complex artifact. 5 This view is a stricture that usually begins in exegetical beginners’ courses and is only rarely cracked open over the course of studies. The actual breadth of topics and questions that can be dealt with using (New Testament) manuscripts remains didactically unused. 1.2 Theoretical Considerations The present paper aims to draw attention to this unused potential. Against the backdrop of recent research showing that the material turn has now also found its way into Biblical studies and related subjects this concern is quite topical. In Biblical studies, the material turn has led, among other things, to a more holistic perception of (Biblical) manuscript traditions. 6 In the didactics of 2 Cf. Ebner/ Heininger, Exegese, 25-56; Egger/ Wick, Methodenlehre, 68-79; Erlemann/ Wagner, Leitfaden, 20-28; Finnern/ Rüggemeier, Methoden, 12-40; Schnelle, Einführung, 36-56. 3 Of the textbooks consulted (see fn. 2 above), only Finnern/ Rüggemeier, Methoden, offer images of a papyrus fragment (13), a majuscule page (19) and a minuscule page (20). Despite the minor role that manuscripts play as artifacts in most method books, there is an appreciation for their aesthetics, which is at least superficially associated with exegetical work. This shows the popularity of manuscript illustrations as cover motifs (e. g. Ebner/ Heininger, Exegese; Schnelle, Einführung). Finnern/ Rüggemeier, Methoden, reflect the approach of their book more appropriately through the choice of their cover design: The text breaks away from its carrier medium ‘book’ in favor of its ideal existence as an abstract entity. 4 Cf. Sahle, Textbegriffe, 14-20. 5 For a similar analysis cf. Flemming, Handschriften, 71. 6 Cf. for example Kalthoff et al., Materialität, as well as the numerous publications of the Heidelberg SFB 933 Materiale Textkulturen- (Meier et al., Textkulturen). The ERC pro- 84 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) museums and history teaching, however, the specific advantages of material sources have already been discussed for quite some time. 7 Particular emphasis is usually placed on the experiences of haptics, aesthetics, authenticity and of the emotionality of historical artifacts as they are fundamental to their didactic potential. 8 While haptics and aesthetics aim at the advantages of the sensually perceptible concreteness of physical objects, authenticity and emotionality are aspects that can be understood against the backdrop of W. Benjamin’s concept of the ‘aura’. For Benjamin, the ‘aura’ of a piece of art is guaranteed by its historical uniqueness. 9 Material sources are characterized by “testifying to human existence long gone; people have acted, traded, used them, and they have been passed on […] to our time. They extend concretely into our present, are real to see, to understand” 10 . In didactic terms, material sources allow for a close, ‘hands-on’ experience of the foreign - ‘first-hand history’ so to speak - which can facilitate a special fascination and thus lead to high motivational potential. This is especially true for (New Testament) manuscripts. First of all this is due to the fundamentally historicizing character of Christianity and its appreciation for the ‘original’, which is deeply rooted especially in Protestantism. Biblical manuscripts can act as windows that allow for a closer look at the ‘beginnings’. As complex artifacts, they contain not only their core content (the Biblical text), but also a variety of other elements that make it possible to experience their way through the centuries: notes and corrections by different users, additions of further texts, deletions, damages, repairs and much more. Just like any historical material source, a manuscript bears witness to a multitude of events that can be traced in and through it. 11 Didactically, this is especially associated with opportunities for self-regulated and research-based learning. The foreign, yet concrete object immediately arouses the curiosity of its viewers. It is a ‘raw source’ that begs to be viewed from different angles: The initial attention can be bound by unusual characteristics of the script as easily as by illuminations or curious marginal notes. This is where both students and teachers have opportunites to unfold. 12 Like any authentic source, a manuscript is not determined by a single question, but allows for a multitude of experiences of discovering and understanding. ject Paratexts of the Bible (see Wallraff/ Andrist, Paratexts) and the subproject B04 The Masoretic Text of the Hebrew Bible in its different material forms in Western Europe in the 12th and 13th century of the mentioned SFB 933 are examples from Biblical studies specifically. 7 Cf. for example Korff, Eigenart; Heese, Vergangenheit. 8 Cf. Heese, Vergangenheit, 12-26. 9 Cf. Benjamin, Kunstwerk, 480. 10 Heese, Vergangenheit, 21. 11 Cf. Heese, Vergangenheit, 23. 12 Cf. Heese, Vergangenheit, 66-69; on manuscripts specifically see Flemming, Handschriften, 74f. More Than Just a Text 85 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 But how can the didactic potential of manuscripts, which is essentially connected to their historical ‘aura’, be made use of if the originals of these manuscripts are generally not readily available? First, it is important to note that the auratic effect of artifacts should be conceptualized as gradual: Reproductions can participate in the aura of the original - of course depending on their quality. 13 Fortunately, the conditions for this have never been better: Nowadays, digitized versions of thousands of manuscripts are available online. 14 The quality and range of functions of certain digital manuscript editions have reached such a high level that they may surpass the possibilities of the originals in some respects: Detailed indexing that makes navigation easier, transcripts that can be displayed in parallel, zoom functionalities and different types of illumination make working with manuscripts more convenient than ever. Although no reproduction can replace the original, digitization opens up possibilities that the analog object cannot offer. But above all, it completely solves the problem of availability. 15 2 A Practical Example: Codex Boernerianus In the following, the Dresden Codex Boernerianus ( Boern .), a Greek-Latin bilingue 16 of the Corpus Paulinum , written in the 9th century in St. Gall, serves as a practical example. 17 Drawing on the taxonomy proposed by P. Andrist 18 (who draws on Genette), the physical and optical features of Boern . (2.1), its paratexts 13 Heese, Vergangenheit, 35-39. 14 The digital edition of the Codex Sinaiticus is one outstanding example for the functional scope of digital manuscript editions (https: / / codexsinaiticus.org/ de/ manuscript.aspx). More digitized manuscripts are available at the websites of most major libraries (Bibliothèque nationale, Vatican Library, etc.), at the Virtual Manuscript Room of the INTF (http: / / ntvmr.uni-muenster.de) or at major digitization projects such as ‘e-codices’ (www.e-codices.unifr.ch). For an insight into the potentials of further developments in the field of digital manuscript editions through the integration of different types of illumination cf. Künzl, Viewer (including a video example). 15 For further information and the perspective of students see Künzl/ Wegscheider, Faszination, 62-64. For further opportunities of digital humanities, see Garcés/ Heilmann, Humanities, 39-43. 16 Bilingues are bilingual manuscripts, usually a text with a translation. 17 Cf. Reichardt, Boernerianus, 9 f. In the Dresden SLUB , the manuscript has the inventory number Mscr.Dresd.A.145.b. As a Greek textual witness it has been given the siglum G 012. The Latin text is referred to as g respectively. The Beuron Vetus Latina project notes Boern. as VL 77, cf. Gryson, Handschriften, 124-126. A digitized of the manuscript is available under: http: / / digital.slub-dresden.de/ id274591448. The facsimile from 1909 (Reichardt, Boernerianus) can be found online as well: http: / / digital.slub-dresden.de/ id435395769. 18 Cf. Andrist, Definition, passim, esp. 146f. 86 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) and secondary contents (2.2) as well as its main content (2.3) are discussed. The aim of each discussion is to reveal the wide range of learning potentials that each of these aspects may offer for higher education environments. 19 What is given are not fully-fletched teaching concepts, but rather to suggestions as to how (New Testament) manuscripts could be didactically used in Biblical studies courses. 2.1 Physical and Optical Features: First Impressions of the Codex When students open the digitized version of the Boern ., they may initially feel disillusioned. The high-resolution images show severe damage to the manuscript: The parchment is wavy, the ink of many of the pages has rubbed off on the opposite pages, the writing is washed out in many places or even completely detached from the parchment. It does not take much codicological knowledge to think of water damage. The question arises where this damage may come from. A trace for answering this question arises when Reichardt’s facsimile of 1909 is consulted: There, no damage is described nor is any recognizable in the reproduction. Thus, the codex must have been damaged after 1909. A connection to the air raids on Dresden in 1945 may seem plausbile and is confirme. In fact, the manuscript had, together with several others, been stored in the bomb-proof basement of the Japanese Palais during the Second World War. When the Palais burned down, however, water from attempts to extinguish the fire penetrated, damaging most of the art treasures stored there, including the Boern . 20 The first learning potential that arises from the initial visual impression of the manuscript is thus not theological, but rather local historical. However, a glance at Reichardt’s facsimile further reveals that every reproduction has technology-specific limitations, which often only become apparent as deficits when new technologies have become available: Due to the technical limitations of (black-and-white) photography in his time, Reichardt was not able to reproduce the numerous colored capitals of the codex consistently. Only the first pages of his facsimile have been colored by hand. Since the pictures for the current 19 This categorization can be extended to include metatexts (see Genette, Palimpsestes, 11), i. e. texts about manuscripts (library catalogs, descriptions of manuscripts, etc.). Such metatexts are indispensable resources, especially when in higher education didactics, since they provide additional information which (especially for laypersons) cannot be easily deduced from the manuscript itself (provenance, dating, etc.), and make the manuscript easier to use (e. g. paleographic aids). The various literature used in chapter 2 gives an overview of the most important metatexts on Boern . and shows what information they contain. 20 Cf. Bürger, Wandel, 35; Klinghardt, Handschrift, 134. The only detailed description of the manuscript in its post-war state (which also deals with the emergency restoration in 1954) is currently available in the Dresden master’s thesis Mütze, Kommentar, 3-7. More Than Just a Text 87 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 digital edition were taken after the water damage, the colored illumination of most pages of the codex is no longer traceable today. Page layout and visual impression of the script(s) provide material for further observations: Between the lines of clearly written Greek majuscule script there is a rather compressed Latin minuscule. The Latin translation gives word for word correspondences to the Greek. Comparisons with other bilinguals, such as Codex Augiensis (F 010), 21 which is closely related to Boern . and offers the Latin text in an adjacent column, indicate that the interlinear layout is a peculiarity. 22 It may remind students (and perhaps teachers, too) of their own time in Greek classes, when scribbled translations and explanations between the lines of exercise texts. The question arises as to what environment a manuscript designed in this way could have come from and what use it might have had. Could it possibly be a study manuscript for Latin scholars to learn Greek? If so, then it should probably not be placed in the Greek-speaking East, but rather in the Latin West. Question of the tradition of education in the European Middle Ages inevitably lead to the history of Western monasticism. Here, a bridge to interdisciplinary cooperation, for example with church history, is evident. 2.2 Paratexts and Secondary Contents: The Codex and its Histor(ies) Fig. 1: f. 22r (Reichardt’s Faksimile). Paratextual elements of the script . A closer look at the script reveals that Boern . is not a manuscript in scriptio continua , 23 but one of the first majuscule manuscripts with consistent word separation. Its Vorlage is probably much older than Boern. itself and was still written in scriptio continua , as certain incorrect word 21 On the relationship between Boernerianus and Augiensis see below 2.3. 22 Greek and Latin texts in facing columns or pages is much more common. This design is found in Codex Bezae (D 05), Codex Claromontanus (D 06) and Codex Augiensis (F 010). 23 The term scriptio continua describes scripts largely without spaces. In ancient Greek manuscripts, scriptio continua is the rule. 88 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) separations suggest. 24 Boern . shares quite a few similarities with older manuscripts, which sets it apart from later minuscules. This includes, for instance, the use of middle dots and ‘inorganic’ tremata 25 (Fig. 1). These phenomena are old and originally served as ‘reading aids’, probably mainly for semantic disambiguation. Their use has become more conventional over the centuries. 26 In the context of the bilingual book project that the Boern . represents, the peculiarities of its typeface are significant: It is precisely the consistent word division that makes the manuscript suitable for the study of Greek. The method of interlinear translation, in which each Greek word is given a Latin equivalent, is only practical because of the consistent word separation. 27 Those who study the Boern ., thus, learn something about the interrelation of the design and function of a manuscript, and how conclusions about the latter can be drawn from the former. Fig. 2: f. 21r. In general, numerous paratextual elements of New Testament (and other) manuscripts can be prototypically demonstrated and problematized by using the Boern . These include incipit/ explicit 28 (Fig. 2), running titles, the typical diples 29 24 Cf. e. g. Reichardt, Boernerianus, 14f. 25 Unlike ‘organic’ tremata, ‘inorganic’ tremata are not used to indicate a diaeresis, but only to indicate the initial or final vowel of a word. For this distinction see Turner, Manuscripts, 12f. 26 Cf. Heilmann, Reading, 183-190. 27 Hence, it is not surprising that the word division is much more inconsistent in other bilingual manuscripts (see fn. 22 above), which offer the Latin text not interlinear but in an adjacent column. 28 In medieval manuscripts, incipit or explicit formulas are often found instead of superscriptions and subscriptions (“The Epistle to the Romans ends [ explicit ], the First Epistle to the Corinthians [ incipit ]”). 29 The small triangles opening to the left in Fig. 2 (first line) are called ‘diples’. More Than Just a Text 89 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 for marking citations (and sometimes for filling in lines: see Fig. 2) and specifically Christian design elements such as nomina sacra 30 (Fig. 1). Fig. 3: f.4v (Reichardt’s Faksimile). Paratexts . A specialty of the Boern ., however, lies in its numerous paratexts, which can give further references to the manuscripts’s origin and its use. Grammatical glosses 31 and Latin translation alternatives 32 support the suspicion that the manuscript was designed for studying Greek. 33 Other glosses leave traces of contemporary history: In several places, we find marginal notes referring to a certain Goddiscalcos - for example, next to Rom 3: 5, where Paul writes about the justice of the divine judgment (Fig. 3). 34 These remarks probably refer to Gottschalk the Saxon, who was condemned by a synod in Mainz in the year 848 because he argued for a strict double predestination emphasizing the immutability of God. 35 Such an observation can be the starting point not only for studies of church history, but also for central themes of dogmatics. Of particular historical interest is the most extraordinary paratext of the Boern . - a poem in Old Irish language at the bottom margin of f. 23r: Going to Rome / much effort, little use! / The king you are looking for here below, / if you do not bring him with you, you will not find him! / Great is folly, great is madness, / great is the corruption of the mind, great is madness! / because going to death is surely imminent, / it shall be under … of Mary’s son! 36 30 Nomina sacra are a writing convention in Christian manuscripts in which certain ‘holy names’ (Lord, God, Heaven etc.) are abbreviated by contraction and marked with an overline. 31 E. g. the explanation i.e. participium next to ὄντων in Rom 5: 6 (f. 7r). 32 E. g. gratia vel donum over χάρισμα in Rom 1: 11 (f. 1v). 33 These phenomena are systematically worked out in Rönsch, Doppelübersetzungen. Occasionally, liturgical glosses are found that provide information about the use of Biblical passages in worship, cf. Frede, Paulushandschriften, 64f. 34 For further references to Gottschalk see Frede, Paulushandschriften, 65. 35 Cf. Schäferdiek, Art. Gottschalk. 36 Based on the German translation by Windisch, Gedicht, 99. 90 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) The mere fact that this poem, unlike all other glosses, is not written in Greek or Latin, stimulates the imagination: Did the writer perhaps want to ensure that it could not be immediately understood by everyone because of its critical contents? What were the writer’s experiences with Rome? The poem is written on the same page as 1Cor 2: 10 to 3,3. 37 Is it possible that its writer only found the “spirit of the world” in Rome, when he had indeed hoped for the “spirit from God” (cf. 1Cor 2: 12)? The poem, thus, also contributes to our search for the people behind Boern. : Criticism of Rome and efforts to achieve a Greek education condense our suspicions that the manuscript be placed in the proximity of Hiberno-Scottish monks. In the various metatexts to the Boern ., scholars usually mention the Rome journey of a group of pilgrims centered round the Irish bishop Marcus and his nephew Moengal/ Marcellus in the middle of the 8th century, which is documented in the chronic of Ekkehard IV of St. Gall. 38 According to Ekkehard, the group stopped in St. Gall on their way back home; the bishop and his nephew stayed there. 39 The dates fit and Ekkehard interestingly highlights that the pilgrims brought books with them. Secondary contents of the Codex . More is offered by the two secondary contents of the Boern . One of them is an excerpt from the work Περὶ νόμου πνευματικοῦ (“On the spiritual law”) of Marcus Eremita, 40 who probably lived in the Egyptian desert around the 4th/ 5th century. 41 The fragment, comprising 18 Greek lines, is located in the upper left quarter of the last page of the Codex and features the introduction of the work alongside its first two sections. 42 It is written by 37 Reichardt, Boernerianus, 13, falsely claims that the poem stands with 2Cor (not 1Cor). This error is replicated by Trobisch, Boernerianus, 7; correctly however Klinghardt, Handschrift, 137. 38 Cf. Frede, Paulushandschriften, 69.73-75. Possibly an even larger bilingual manuscript project is connected with this group of pilgrims, which besides the Pauline letters of Boern . also includes the Gospels (St. Gall, Monastery Library, Cod. Sang. 48 [= Δ 037]), the Psalms (Basel, University Library, A VII 3) and possibly also the Catholic letters (cf. Ekkehard IV, Casus Sancti Galli, ch. 46 [FSGA 10, 102-105; ed. Haefele]). The three surviving manuscripts have largely the same characteristics (e. g. Latin interlinear translation) and are probably written by the same hand. The Gospels and Psalter are available online: www.e-codices.unifr.ch/ de. 39 Cf. Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, Ch. 2 (FSGA 10, 18-21; ed. Haefele). 40 This identification is certain. The fact that Frede, Paulushandschriften, 76 (and subsequently also Trobisch, Boernerianus, 8), describes the text as the product of the Hiberno- Scottish bishop Marcus, who may possibly be considered the initiator of Boern . is probably an error motivated by the coincidental equality of names. 41 Hesse, Markus, 106f. 42 Περὶ νόμου πνευματικοῦ (= Opusculum I) edited in Migne, PG 65, 905A-930B. A German translation is provided by O. Hesse (BGL 19, 155-170). For an edition of the fragment in Boern . specifically (with commentary and English translation) see Kaczynski, Translation, 383-385. More Than Just a Text 91 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 the same hand as the text of St. Paul in the manuscript and it has the same Greco-Latin interlinear layout. The fragment is not only the earliest evidence for the reception of Marcus Eremita in the West, but also the oldest manuscript evidence for one of his works at all. 43 At this point, the Boern . unexpectedly opens a window to the beginnings of Christian monastic theology and testifies to the reception of these origins in Western monasticism in the Middle Ages. From here on, teachers and students may only speculate about why and how a text that is otherwise handed down mainly in Syriac found its way into a bilingual manuscript of the Pauline letters produced by Hiberno-Scottish monks. It is possible that the pilgrims learned about Marcus Eremita from Greek monks during their stay in Rome. 44 But it is also unclear why the fragment was written into Boern . at all. Could it simply be a writing exercise? The fragment itself shows the same ‘weaknesses’ as the Pauline text - only more condensed. An example is the sever word separation error at ἀμήχανον (“impossible”) in the twelfth Greek line: Divided into α - μη - χανον, it is rendered in Latin with non nisi regula (“not if no rule”). 45 Again, the Vorlage clearly must have been still written in scriptio continua . Since the translator lacked a Latin reference text for Marcus Eremita, such sever errors are much more frequent in the 18 short lines of the fragment than in the whole text of St. Paul. Whereas the scribe knew his Latin NT, he had to rely on nothing but his own limited knowledge of Greek for the translation of Marcus Eremita. Even more than in the Biblical text, the fragment is therefore a testimony to the philological erudition and methodical approach of a medieval monk. 43 Cf. Kaczynski, Translation, 381f. 44 For this assumption see Kaczynski, Translation, 386. 45 The α was obviously understood as a kind of standalone alpha privativum ; χανον was brought in connection with κανών. Cf. Kaczynski, Translation, 385. 92 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 4: f. 99v (left ‚Original‘, right Reichardt’s Faksimile). Our last secondary content is a Latin commentary on Matthew which basically frames the Biblical text: It begins on a sheet left blank by the original scribe before the beginning of the Epistle to the Romans and continues on another 11 sheets from the last page of Paul’s Epistles onwards. 46 It is clear that the commentary was written by a different hand than the text of St. Paul and the Marcus Eremita fragment and was added to the codex at a later date: probably in the early 10th century. 47 This suggests that the original language-learning project with the intention of reading the Pauline letters in the Greek original had probably been abandoned at that time. Otherwise, the space left free at the end of the Codex for the missing Pauline text would not have been used for another (Latin only! ) text (Fig. 4). A glance at Reichardt’s facsimile, however, allows for yet another learning chance here: namely that every technical reproduction mirrors the interests of its authors. Since Reichardt’s interest was only in the Biblical text and he felt the commentary to be a “defacement” of the manuscript, 48 he erased it - and the Marcus Eremita fragment alongside of it - from his photographic reproduction. 46 For an edition of the Mt commentary in Boern . and a literary and historical classification cf. Mütze, Kommentar. 47 Cf. Mütze, Kommentar, 16. 48 According to Reichardt, Boernerianus, 7. More Than Just a Text 93 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 2.3 The Main Content of the Codex: History of Tradition and Textual Criticism Concrete It has already been mentioned that the text of the Pauline letters in the Boern . has a number of gaps. For example, right at the beginning, there is no text between Rom 1: 1 and 1: 5; at the end of the codex (Fig. 4), Phlm breaks off after v. 20. These gaps must have already been present in Boern. ’s Vorlage - possibly as a result of mechanical damage. Due to his knowledge of the Epistles of St. Paul in Latin, the writer or editor of Boern. , however, always knew where gaps for additional text had to be left and was also able to estimate their size. The fact that these gaps have never been filled, however, indicates, similarly to the addition of the Mt Commentary, that the interest in the project of a bilingual study edition of the Pauline letters had faded rather quickly. One reason for this might be that it had not been possible to obtain another Greek manuscript to fill in the missing passages. In case of the missing letter to the Laodiceans, whose incipit had already been prepared after the room left free for Phlm 21-25 (Fig. 4), the search for a Greek original would have been proven to be particularly difficult anyway. Numerous Old Latin and Vulgate manuscripts preserved to this day feature this apocryphal letter among the Pauline letters. The Hiberno-Scottish authors of the Boern . probably knew it from their Latin Bibles as well. 49 The existence of a Greek version of this text is unlikely, however. The Latin letter to the Laodiceans is merely a collection of paraphrases from the canonical letters of Paul. Harnack considered it to be “the most worthless document that has come down to us from ecclesiastical antiquity”. 50 But despite such negative assessments, the presence of this letter’s incipit in Boern . once again provides learning opportunities: When studying ancient pseudepigraphy, it is a great example that shows how apocryphal texts (such as the Latin letter to the Laodiceans) often serve to fill narrative blanks in a given text corpus: The creation of the Latin letter to the Laodiceans was probably prompted by the open reference to a letter to Laodicea in Col 4: 16. Furthermore, the early history of the tradition of the Corpus Paulinum could be discussed from this starting point as there is indeed evidence for the existence of an older letter to the Laodiceans in the middle of the 2nd century. This letter to the Laodiceans was part of an early ten-letter-collection of the Corpus Paulinum , but probably cannot be equated with the much 49 Among the Old Latin: 6, 51, 58, 61, 62, 91, 109; Vulgate: C, F, M, P, T (cf. the Hss Catalogue in Houghton, Latin, 209-281). 50 Harnack, Briefe, 3rd ed. For a treatment of the Latin Epistle to the Laodiceans as an independent literary work, cf. Tite, Epistle. 94 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) later Latin letter that the creators of Boern. had in mind. 51 Instead, according to Tertullian’s testimony, this early letter to the Laodiceans was almost identical with the canonical letter to the Ephesians. At this point, the incipit in Boern . brings us to one of the most difficult questions of New Testament research: the relationship of this early collection of 10 Pauline letters to the 14-letter-collection of the New Testament. 52 The Boern . is also particularly suitable for making classical problems of textual criticism concrete. 53 One of these concerns the position of the doxology in the Letter to the Romans and thus the question of the ‘originality’ of Rom 15f. 54 In addition to its ‘usual’ position after Rom 16: 23, the doxology is also attested at the end of chapters 14 and 15 in certain manuscripts. In some it appears more than once and in some it is missing completely. 55 Formally, Boern . belongs to those manuscripts that do not read the doxology, but with a peculiarity: The scribe left a gap between Rom 14 and 15, the extent of which roughly corresponds to the doxology’s length. Similar to the space left for the missing letter to the Laodiceans, a discrepancy between the text that the writer or editor of Boern . expected and the text that his Greek Vorlage actually provided him with is traceable here. Boern . is thus a complex witness in the debate about the end of the Epistle to the Romans, in that it testifies not only one version of the text, but in fact two: one without the doxology (Greek Vorlage ) and one with the doxology after chapter 14 (Latin Vorlage ). H. Frede’s designation “museum of text history” for the Boern . could hardly be more appropriate. 56 The potentials of this ‘museum’ become even clearer when the Boern . comes into view as part of the manuscript group D F G: This group can illustrate the foundations of Lachmannian textual criticism, which are otherwise hardly tangible in the New Testament textual criticism (largely due to the large number of witnesses, contaminated textual traditions, and the coherence-based genealogical method, which is difficult to understand for non-experts): the establishment 51 For further details cf. Schmid, Apostolos, 286-289. The 10-letter-collection is commonly associated with Marcion and his followers but was seemingly also used outside Marcionite circles. Compared to the canonical 14-letter-collection, the Pastoral Letters as well as the Letter to the Hebrews were not part of this 10-letter-collection. 52 Cf. on that topic Goldmann, Textgeschichte. 53 In addition to the suggestions that follow here, the example given by Flemming, Handschriften, 76 f., should be mentioned. Flemming describes a teaching scenario in which students collaboratively work on a digital transcript of Boern. 54 Other significant readings that could be used didactically are the so-called general address in the Epistle to the Romans (Rom 1: 7.15) and the transposition of 1Cor 14: 34f. ( mulier taceat …) after v. 40. For reasons of brevity these examples cannot further be discussed here. 55 This is of course a simplification of the actual textual data. For a thorough account see Metzger, Commentary, 533-536. 56 Frede, Paulushandschriften, 91. More Than Just a Text 95 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 of manuscript stemmata on the basis of leading variants and the reconstruction of the archetype of a text tradition (Fig. 5). Fig. 5: Stemma of the manuscript group ‚D F G‘. There is a broad consensus that the Boern . (G) has a ‘sister manuscript’ in Codex Augiensis 57 (F), with which it goes back to a common Vorlage ‘X’. Based on common readings of both, Boern . and Augiensis , it is therefore possible to reconstruct ‘X’ to a large extent. In addition, the Codex Claromontanus 58 (D) represents a different branch of this ‘family’: It is most likely the ‘aunt’ of Boern . and Augiensis . Thus, Claromontanus and ‘X’ are on the same level, which makes it possible to reconstruct ‘Z’ as the archetype of the whole tradition: We read the text of ‘Z’ at the least where Claromontanus , Augiensis and Boern . agree. 59 In addition to the fundamental illustration of text-critical work that this example makes possible, the important text-critical principle recentiores non deteriores becomes practically tangible here. The stemma of D F G shows how it is possible that Boern . - a medieval manuscript - can pass on quite ancient text. 60 57 Cambridge, Trinity College, B.17.1. 58 Paris, Bibliothèque nationale de France, grec 107, 107A, 107B. 59 For a description of the manuscript relations see Frede, Paulushandschriften, 89-97. The pioneering work in determining the relation of D F G goes back to Corssen, Epistularum. Specifically for the Latin strand, the D line in the Vetus-Latina editions of the Corpus Paulinum provides a hypothesis about the text of the archetype ‘Z’. 60 Frede, Paulushandschriften, 52.101, assumes that the archetype ‘Z’ belongs into the 4th century, but that its text must have already been ancient at that time. 96 Kevin Künzl 10.24053/ VvAa-2020-0014 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 3 Conclusion: The Didactic Potential of Working on New Testament Manuscripts The preceding tour de force through the Boern . has drawn attention to numerous aspects that can be used in higher education in Biblical studies. Alongside the categorization into physical/ optical characteristics, paratexts/ secondary contents and main contents, it became clear that with the Boern ., a width of topics and questions can be worked on that goes far beyond its function as a simple textual witness in the critical apparatus of the Nestle-Aland. In addition to the vivid presentation of palaeographic and manuscript-related issues in a narrow sense, the Codex offers a wealth of starting points for wider textual and canon historical considerations, as well as (church) historical and even dogmatic topics. In all these cases, the appeal of the medium ‘manuscript’ lies in its concreteness: It makes a large difference whether a student is introdcued to the text critical problems connected with the end of the Epistles to the Romans via reading a scholarly research paper or by hands-on investigating the unusual gap after Rom 14 in the Boern. Similarly, the relevance of something like the theological doctrine of predestination becomes much more tangible if we have glosses in a manuscript that shows us how it has already moved people 1000 years ago in a concrete historical situation. The creative didactic use of manuscripts offers a wide range of possibilities to bring otherwise barren and abstract subjects to life by not only speaking of their historical significance in abstract terms, but by making them concrete through an actual artifact. Manuscripts can tell endless stories, and their historical aura is a motivating factor that should not be underestimated. For the practical didactic use of manuscripts in higher education in Biblical studies, a rough differentiation can be made between two scenarios, which of course are not to be understood as strict alternatives but can be combined. 1. The manuscript can serve a pre-defined teaching goal. In this case, the manuscript is not itself the focus of the teaching scenario, but a ‘means to an end’ as a starting point or an illustration. The didactic use of media in this way is largely common. It is important to recognize, however, that the didactic applicability of manuscripts is never limited to their function as abstract textual witnesses but goes far beyond that. The insights and examples provided in this essay have shown this. 2. In addition, a ‘free’ approach is possible. Its focus lies on learning by discovering and researching. The manuscript as a complex, multi-facetted artifact, thus, gives the direction. For example, an interdisciplinary seminar focussed on research could be a possible scenario for trying this approach to manu- More Than Just a Text 97 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0014 scripts. Methodologically, students could freely explore a manuscript (supported by metatexts which facilitate access) in a first phase. The goal of this would be to discover one (or more) specific aspect of the manuscript (a special reading, a striking paratexts, specifics of the optical appearance, etc.), which is then deepened individually or in groups in a second phase. Presentations, short theses or papers could be used to secure learning results. Of course, not every manuscript is didactically productive for such a project to the same extent. The Boern . - as well as the other manuscripts of the D F G family - offers a wide range of possibilities that cannot be expected from every New Testament manuscript. Nonetheless, at most university locations it might be worthwhile to take a closer look at the manuscript collection of the respective university library: In some cases, it may be possible to find little-noticed or even undiscovered treasures. And if not, there is an enormous pool of high-quality digitized material available online that is still growing steadily. So, there is no reason to neglect the didactic potential of manuscripts for your own university teaching. On the contrary: Everything speaks for using it. Keywords Interdisciplinary learning, New Testament manuscripts, paratexts, Research- Based learning, textual criticism Bibliography Andrist, Patrick: Toward a Definition of Paratexts and Paratextuality. The Case of Ancient Greek Manuscripts, in: Lied, Liv I./ Maniaci, Marilena (Hg.): Bible as Notepad (Manuscripta Biblica 3), Berlin/ Boston 2018, 131-149. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Zweite Fassung, in: Tiedemann, Rolf/ Schweppenhäuser, Hermann. (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. 7 Bde., Frankfurt a. M. 3 1990, 471-508. Bürger, Thomas: Wandel und Kontinuität in 450 Jahren. Von der kurfürstlichen Liberey zur Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 55 (2006), 29-36. 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The kind of teaching model presented in this article draws on the class as a ‘learning community’ and prefers physical presence because of its emphasis on a haptic experience of the teaching material 2 and the fact that physical presence facilitates working in pairs (and groups) with the material at hand. The choice for stamp seals as a case study has a two-fold reason: first, the occasion for this paper was an invitation to a workshop where Daniel Schmitz and Thomas Wagner presented their insights on cylinder seals; and second, 1 The first ten editions (1973 till 2008) co-authored with Jere E. Brophy, the eleventh (2017) with Alyson L. Lavigne. 2 This is related to the materiality of ancient objects as image carriers in the first place, and therefore, the possible haptic experiences of these objects in Antiquity (by ‘our fellow human beings’), the aspect of miniaturization and the color of the artefacts. Elaborated on the example of figurines, cf. de Hulster, Figurines, 79 f. (with references, cf. now also Nunn/ Piening, Colour); for seals, the issue of miniaturization also plays a role in relation to larger compositions and the issue of color is related to the material of the image carrier as well. In favour of reflections on (higher education) pedagogy, I restrict my hermeneutical observations to these remarks. Further hermeneutical background should be forthcoming in the publication of de Hulster, Studying. Looking in Classrooms 101 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 stamp seals are an important iconographic source - quantitatively, the corpus of stamp seals from controlled excavations only in Palestine-Israel already comprises around 10,000 seals and seal impressions, 3 and qualitatively, it might be the most important iconographic source from Israel-Palestine for Hebrew Bible exegesis (historical iconographic exegesis). 4 2 Setting 2.1 Background This paper is based on my experiences in teaching at Utrecht University (Netherlands), Georg-August University Göttingen (Germany) and especially the University of Helsinki (Finland) - and the 2019 Warsaw workshop on ancient seals organized by the EABS research unit on Exegesis and Higher Education Didactics ‘Verstehen von Anfang an’ . Next to these settings in EABS and theological faculties, I thank Corinne Bonnet and Fabio Porzia for the opportunity to teach in their ERC Centre of Excellence ‘Mapping Ancient Polytheisms’ in Toulouse (France), where I was able to use some of the material presented here for teaching purposes and could also reflect on it in a different context (officially within the Patrimoine Littérature Histoire of the Jean Jaurès University, although their group or researchers and interested attendants is much more diverse). Based on these experiences and the courses that I have completed on academic didactics, not only in the Netherlands and Germany but especially in Finland (in particular those of the University of Helsinki’s Centre for University Teaching and Learning ), I reflect in this article on practice and give only minimal reference to basic literature on teaching (in an academic context). 5 2.2 Teaching principles My aim in teaching a class is that we as a group grow into a learning community. This usually works out in small groups. For teaching the basics of iconography, it is mainly important to have a good atmosphere, where everyone feels at ease and is able to pay full attention. 6 My second principle is plainness and common sense , comprising clarity of expression, avoidance of unnecessary com- 3 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 18. 4 See de Hulster, Illuminating Images; cf. de Hulster, Iconographic exegesis, and de Hulster et al., Iconographic Exegesis. 5 For general background, cf., e. g., Biggs/ Tang, Teaching. 6 In other classes, such as those on hermeneutics, where the students (and teacher) are much more involved as persons, this is even more important. 102 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) plications and a kind of second naiveté in heuristically searching for answers (besides thinking out of the box ); this is especially important when introducing a new subject and when teaching methodology. This principle relates to my interest in human agency - when studying Antiquity, I think, one should always ask in how far our questions and answers in research are pragmatically and humanly feasible. 7 2.3 Intended learning outcomes This paper presents one aspect of teaching ancient art, the basic step in engaging with ancient visual art: looking . For me, this is usually a part of a course on iconographic exegesis 8 - as stated above: in theological faculties. Therefore, in such a course, further steps are made in categorizing the material (typology) and exploring ways to relate the visual material to Hebrew Bible texts. The main aim can be formulated as experimenting with ways of looking (individual and collective) in order to reach a more objective observation. From the perspective of the teacher, the aim can be further specified: • Create an awareness of how preunderstandings influence looking. • Create a familiarity with ancient (Near Eastern) images and their carriers (in particular stamp seals). • Consider ways of how to overcome the drawbacks of preconceptions. As intended learning outcomes for the student: • The student recognizes factors of preconception that might influence looking and subsequently interpretation - both in interpretations of others and while engaging in the individual act of looking. • The student is able to look at images in an objective way, i. e. the student is able to identify the steps made while perceiving an image. • The student is able to implement ways that overcome the negative influence of biases and presuppositions in interpretations - those by others and in critical reflection on the student’s own processes of looking and interpretation. I communicate the learning outcomes in the syllabus and in class. 7 Cf. fn. 2 above. 8 Iconographic exegesis studies pictorial material from the Ancient Near East with the question of how these images as cultural background shape our historical understanding of the Hebrew Bible. Looking in Classrooms 103 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 3 Steps taken towards reaching the intended learning outcomes 3.1 Preliminaries The whole process of looking is replete with giving meaning. In the end, looking needs to lead to recognition (if not to the conclusions that nothing can be identified or subtracted as meaning, either as authorial intention or reader response - as a rather theoretical possibility). This step between seeing and recognizing is illustrated in a slide with a few Biblical verses: 9 Fig. 1: Slide from presentation. In a second step, I try to create an awareness of how captions only make sense when one also has the image itself. As an example, I present a painting by Lajos Déak-Ébner showing two women pulling a boat, but the translation of the caption in the Hungarian National Gallery reads - apparently influenced by Ilja Repin’s Бурлаки на Волге ( Wolga bargehaulers ), 1870-73? - Men pulling a Boat . Repin’s painting shows indeed men pulling a boat and is known in Hungarian by the same title as Déak-Ébner’s: hajóvontatók (as is common in the Hungarian language, this is a communis generis expression). 9 In presenting my slides of the Warsaw workshop (unless otherwise mentioned), I also show how they are built up. I do not show these images themselves but as an application in my teaching context. This way, there is a double way in which they fall under the academic quotation of images. 104 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 2: Slide from presentation. Painting by Lajos Déak-Ébner: © Magyar Nemzeti Galéria (Hungarian National Gallery), inventory number 63.131T (used with permission in teaching). Most recent reference: https: / / en.mng.hu/ artworks/ barge-haulers/ (accessed 31st of October 2020). Crediting that theologians or also students of theology are often text-focused, I present an image by Sieger Köder, in which he plays with the font of the letters and the direction of writing. He presents Y hwh ‘s words to Moses in a way that resembles Hebrew Square but is in fact German written in mirror image. Here the typology of the script provides the letters the quality of ‘images ’ ; they express something visual. Fig. 3: Slide from presentation - with an added mirror image of the text in the drawing by Sieger Köder. Drawing © Sieger Köder. Looking in Classrooms 105 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 After these introductory examples, addressing the relation between text and image, I proceed with an exercise to create an awareness of (further) elements that play a role in an image (to some extent both in authorial intention and reader response but mostly as a structural approach to the image itself). As we will turn to ancient stamps, I take the familiar postal stamp as an example and present several of them with the task to consider these stamps and list the differences. 10 Fig. 4: Slide from presentation. Stamps from the collection of the author (see also fn. 10). I show these stamps on the slide, so that everyone can see them at the same time. Meanwhile I pass the same set of stamps to show them the originals as well. Actually, at all the occasions that I have shown these sets to theological students, their first answer was, based on reading (instead of looking): “One stamp is from Mauritius.” In the setting in Toulouse (mentioned above), there was a much broader response - that also followed repeating the question in the first mentioned groups: differences in size, color, perforation, design, composition etc. Beyond perforation, as something particular for stamps, one might point to a variety in stamping (next to the one mint example) and showing the originals might also lead to observations on quality of the paper and differences in watermarks. One could show a later sample, including items with different background colors, different orientation and text and further elements (such as the red cross below) written over an earlier edition of the stamp. As an aside here: the history of a stamp motif (here exemplified with postal stamps in mass 10 Identified by catalogue numbers and years: Mauritius 15: 1858; Barbados stamps: 25 (13): 1870-1873; 35: 1882-1884; 47: 1892-1903; 57: 1897; 86: 1912; 99: 1916; 125: 1921; 137: 1925- 1935; 168a: 1938-1947. 106 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) production) also holds for singular seals in Antiquity (both stamp and cylinder seals). Fig. 5: Slide from the presentation in Toulouse. Stamps from the collection of the author. These observations on stamps can be linked with enumerations from art history known as the elements of art or the like. One such guideline for approaching art could be to draw attention to lines, shapes, 3D forms, space, colors, value (brightness and saturation of a color). 11 The topic of stamps can be linked with another exercise about stamps. One could be to challenge the students to think outside the box and ask them to list the materials stamps are made of: usually paper and ink - and then show them examples of stamps made of, e. g. silver, gold, cloth, leather, wood, glass and chocolate. 12 11 Cf. for an overview, e. g., Meyer, Sprache der Bilder. 12 For references: de Hulster, Postage stamps, 96 - most examples are from Western Europe. 2015 Irish Post even issued a series of stamps to celebrate the five traditionally recognised human senses - each of the five stamps allows for an experience of sight, hearing, taste, smell, and touch. Looking in Classrooms 107 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Next to creating an awareness of elements playing a role in making and perceiving an image, looking is also culture-related, for instance in reference to certain conventions of expression. Here we turn to images from Antiquity, where images can have the character of a pictogram today. With two slides I try to convey this. Fig. 6: Slide from presentation. In the first slide (fig. 6), I show images that express the movement ‘up’. However, in several cases this ‘up’ does express a different movement or not a movement at all. This step helps to ‘read’ the aspectivity of e. g. Ancient Egyptian images, here exemplified with a painting on plaster from Thebes, showing a garden with a pool surrounded by trees 13 - in an attempt to draw as much as possible, these drawings show various aspective views at the same time (and likewise, other Ancient Egyptian images may represent both night and day in the same image). Trusting that the students develop an awareness of how they perceive images and their carriers and that new perspectives on looking and perceiving are possible, we turn to the basics of shape with the fundamental question: What is a dot? As even when studying a dot, we can asks questions about size, relation to canvas (taking painting as an example here), relation to other dots and concentration. Art history would exemplify this with paintings in the tradition of pointillism, such as several works by George Seurat but also by Paul Signac and others - but looking at any drawing, one has to recognize how essential this is. 13 Painting on plaster from the tomb of Nebamun (British Museum, EA37983; https: / / commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Le_Jardin_de_N%C3%A9bamoun.jpg). 108 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) This leads to the observation that dots can make a line. One next step, before discussing shape, space and perspective, addresses materiality and tools used to make the line, color and relations between the lines (or curves). For further development of such a basic approach, I refer to Meyer, Sprache der Bilder and to the work of Philip Yenawine. His booklet Lines 14 inspired the above example of dot and line. After teaching cautiousness in looking and interpreting art, three examples from Antiquity show how the reception history of an object conveys subjective factors and can lead to misinterpretation. The first example is the famous but tiny 15 coin TC242.5 (also known as BMC Palestine XIX 29). The object, on which the anthropomorphic is seated, has been described during all of its history in modern research as a ‘winged wheel’ and thus piloted its interpretation 16 - the image indeed shows lines and curves that may well represent a wheel and a wing but one should not take this automatically as a winged wheel, often leading to an unreflected assumption that this is a solar symbol. Fig. 7: Slide from presentation. The slide contains a photo, made by the museum for the author, of the well-known coin TC242.5 (BMC Palestine XIX 29); © Trustees of the British Museum (www.britishmuseum.org/ collection/ object/ C_TC-p242-5- Pop, accessed 31st of October 2020). 14 Yenawine, Lines. He wrote similar books about shapes, colors, places, people, and histories. 15 To point out the size of the coin, a comparison has been made with the one Euro cent coin. 16 Cf. de Hulster, Iconographic Exegesis, 194-205; de Hulster, Yehud coin; de Hulster, (Ohn) Macht. Looking in Classrooms 109 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 The second example provides two drawings of Ḫaqata’s seal (A914 in Delaporte’s 1923 Catalogue des cylindres). When asked for the differences between the drawings, the student gives account of the different styles and the different cut 17 and in particular the rendering of two half ovals (the mountains flanking the mongoose in the lower left corner - and likewise the feet of the right figure, the tail of the scorpion etc.), respectively the lack of these. Fig. 8: Slide from presentation. The left drawing is from Ward, Cylinders, fig. 991; the right drawing is from El-Safadi, Entstehung, Plate VII, fig. 61. In an additional slide, we show a photo and could even refer to the two ‘elevations’ mentioned in Delaporte’s description of the item. It should teach the student cautiousness in working with drawings and even photographs (as well as - with the previous example - with descriptions), especially when the original object cannot be studied. 17 Cf. the article by Schmitz/ Wagner, Sequencing. 110 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Fig. 9: Slide from presentation. The photographs can be found in Delaporte, Catalogue, Plate 96, number A914 (items 12a-b). For the line drawings, see caption of the previous slide. But, third, even when the alleged original is available, one needs to be cautious. Here, I share my experience in studying the so-called Hecht lion (H171), an object that Reuben Hecht had bought from Moshe Dayan who had ‘excavated’ it in Beit Aula (near Hebron). The tail is often taken as an indicative for the identification as a lion. 18 Study of the original made me doubt the originality of this tail. And further research indeed pointed out that the tail is secondary. 19 The Hecht lion is probably a dog. 20 Thus, we have shown how agency in excavation and conservation can influence the perception of an image: • Agency of description (coin TC 242.5), thoughts and interpretation are directed into one specific direction. • Agency of drawing (Ḫaqata’s seal), parts are missing in one drawing. • Agency of conservation (Hecht ’lion’), consequences of (good) intentions of reconstruction. As a final step before turning to authentic material, I stimulate the students again to LOOK! I usually tell the anecdote of Samuel Scudder’s (1837-1911) experience of studying a fish under the legendary Louis Agassiz (1807-1873), professor of natural history at Harvard from 1848-1873. Again and again the 18 E. g. Keel/ Uehlinger, GGG, 191. 19 Evidence is published in Saari, Lions, 38. 20 See Schmitt, Magie, 190. Looking in Classrooms 111 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 professor asked the student to draw the fish. In copying and drawing, the student had to look again and again. Drawing is one way of intensifying the act of looking. The anecdote closes with: “Pencil, your best eyes! ” First of all but also second and third: look, look, look! The importance of this first step is underlined in allusion to Meyer’s approach in Sprache der Bilder : The image itself is at the heart of the analysis (for theologians: as much as the text itself is at the heart of exegesis). 3.2 Working with authentic images Authentic archaeological material (here: stamp seals) can stem from controlled archaeological excavations; antiquity authorities, museums and private collections may host authentic material, both from official excavations and beyond it. 21 For this part of the class or workshop I have collected impressions of authentic seals and multiplied these so that students in pairs each have a set of impressions. This enables them not only to engage with authentic images but also to discuss them together. It is an exercise in looking but also stimulating to look further. The exercise with the pencil mentioned above can also be useful - depending on the time constraints, I include this as compulsory or facultative. 22 The students are asked to discuss together because this increases concentration and perception of the objects - partly against the background of so-called VTS ( Visual Thinking Strategies , again also linked to the name of Philip Yenawine). 23 After time given for working in pairs (or small groups of three or four, depending on the size of the group and the group dynamics), I have reserved time for class discussion, for which the work in pairs provides a basis. Sometimes, I assign a specific seal to a pair so that they share their experiences (what they see and sometimes more beyond it, e. g., when they can study the original or at least a replica). 21 Unprovenanced material from public and private collections are not without ethical issues but for didactic reasons with regard to iconography, ‘authentic’ material is to be preferred because it trains the students in dealing with ancient material more than with fakes (of course, at some point beyond the present aims, distinguishing authentic material from fakes is a learning outcome as well). 22 Such an option also gives account to the different ways in which individual students perceive (and learn) best. 23 See Hailey et al., Understanding; Yenawine, Visual thinking strategies. This method was initially developed for pre-school development of skills but finds application in all kinds of areas, such as the team study of medical images in hospitals (e. g., Moorman, Nursing Education). 112 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Of course, it enhances the enthusiasm if the students can work with authentic material (not only looking but also touching) - if your school has a museum itself or nearby, this could be an option. If you have access to other collections, ranging from antiquity authorities to private collections, this might be an alternative (even if it takes a day trip). Next to discussing what the students see, they are also invited to list questions that they would like to have answered for further studying, interpreting, contextualizing and understanding the image with its image carrier in its different (historical) contexts. This is inspired by Oskar Bätschmann’s work on art history hermeneutics who basically wants to turn every stone because collecting every piece of possible evidence (from material of the image carrier to the wider historical context) leads to an increasingly holistic take on interpretation. 24 An example of such an impression used is provided here as a sketch (line drawing). Note that in the impression and the line drawing, elements of the image might be much clearer than in the original (which is carved in dark stone). Often students go too quickly - even when in the end, they may be right. They would say, they see a human on an animal. It is important here to go stepby-step and repeatedly ask why they identify certain elements as such. Beyond a mathematical description, they could identify the composition of horns, head, body, legs and tail in their mutual relationships and conclude that this image may well present a horned quadruped. With a similar procedure, one could conclude a human being for the other figure. However, here it is better to speak of an anthropomorphic figure because the owner of the seal (maybe also the one who ordered it, possibly someone who inherited it) and the seal carver (possibly the same person as the designer) may have had their own thoughts in ordering, making and carrying this image and for them, the anthropomorphic figure may have represented a divine being. In light of the common typologies - a further step that cannot be addressed here - the seal impression might be understood (reflecting on the probable understanding in Antiquity) as a representation of Resheph. 24 Bätschmann, Hermeneutik. Looking in Classrooms 113 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Fig. 10: Scaraboid stamp seal, probably 10 th or 9 th century BCE - unprovenanced (private collection in Germany, acquired in Jerusalem). Size: length 17.7mm; width: 13.6mm. Fig. 11: Modern impression (fimo) of a stamp seal’s impression, probably 10 th or 9 th century BCE - unprovenanced (German private collection, acquired in Jerusalem). This is an example of the impressions which the students work with in class. 114 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 4 Reflections Focusing on the educational aspects of teaching how to approach ancient stamp seals, I now present some final reflections. In my experience, students are inclined to ask for meaning rather than to look and investigate what they are actually looking at and seeing. Because of this experience (especially in theological faculties), I have developed my teaching as a ‘slow approach’ 25 to turn to looking at images . In the perception of ancient art, the act of looking is essential. The impressions already convey a sense of size; 26 if the original can be studied as well, this gives an additional experience of the material and thus the haptic aspects of the image carrier. When it is possible to work with authentic material, one usually needs to provide a magnifier. In the present days of technology, this can lead to an interestingly paradoxal situation. At one occasion, my co-teacher Sanna Saari told our students to use the magnifier app on their smart phones (by lack of traditional magnifiers in the classroom)… and thus, having the original at hand, they were basically staring at a photo (a camera-made image of the object) - of course, the students could still check against the original. On the one hand, this anecdote shows the importance of various approaches to an object with its image(s): looking remains the basic and indispensable task but beyond that, the students are invited to discuss (like in VTS ), to draw (pencil as your best eyes) and to work with impressions, descriptions (if available) and with photos, especially if the students can take these photos themselves and adjust them. 27 From the perspective of constructive alignment, 28 one recognizes the intended learning outcomes (2.3) and the teaching/ learning activities (3), though the assessment tasks seem to be missing. Usually, at least a part of my assessment relates to the participation in class. Again, one sees the importance of the classroom. In my assessment criteria (mentioned in the syllabus), the best grade requires the following: “the student respectfully participates in the discussions, shows a growing understanding of the subject matter, while stimulating other students in their thoughts and advancing the subjects discussed in class.” This is one more reason to schedule time for not only working in pairs but also class discussion (esp. 3.2), next to giving the possibility to ask questions and stimu- 25 See Mikics, Slow reading. 26 Certain other aspects might be made palpable through impressions as well, e. g., how wide and deep the lines of the image have been cut into the seal. 27 Here I refer to the technology of Reflectance Transformation Imaging (RTI) as used, e. g., in the database of the Franco-German Figurines Project (continued in Figurine 21); see: Hunziker-Rodewald et al., The Franco-German Figurines Project. 28 See e. g., Biggs, Constructive alignment, esp. 8, and Biggs, Enhancing. Looking in Classrooms 115 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 late interaction while learning the ‘preliminaries’ (3.1). Beyond this exercise, in the context of a course, I use more instruments for assessment, such as a presentation in class, a written paper and a learning diary. Such a learning diary is written either parallel to the classes or as an evaluation by the students at the end of the course. In the latter case, the students summarize the main themes of the course and reflect - sometimes in light of a pre-course paper expressing expectations - on what they have learned. In sum: while teaching the basics of ancient iconography and interpretation, there is the fundamental task to stimulate LOOKING (in classrooms). 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Hinschauen im Unterricht Das Lehren antiker Ikonographie und ihrer Interpretation: Die Grundlagen am Beispiel von Stempelsiegeln übersetzt von Stefan Fischer 1 Einleitung Der Haupttitel dieses Beitrags ist nicht nur eine Anspielung an den Bestseller Looking in Classroms von Thomas L. Good, 1 sondern zunächst der Notwendigkeit geschuldet, den grundlegendsten Teil der Interpretation antiker Objekte zu lehren: Hinschauen! Während Good nicht auf die Hochschuldidaktik eingeht, teilt der vorliegende Ansatz seinen Fokus auf den Unterrichtsraum als Lernumgebung. Das in diesem Artikel vorgestellte Unterrichtsmodell stützt sich auf den Kurs als „Lerngemeinschaft“ und gibt der körperlichen Anwesenheit den Vorzug, weil es den Schwerpunkt auf eine haptische Erfahrung des Lehrmaterials und die Art und Weise legt, wie die körperliche Anwesenheit die Arbeit in Tandems (und Gruppen) mit dem vorliegenden Material 2 erleichtert. Die Wahl von Stempelsiegeln für eine Fallstudie hat einen doppelten Grund: Erstens war der Anlass für diese Arbeit eine Einladung zu einem Workshop, in welchem Daniel Schmitz und Thomas Wagner ihre Erkenntnisse zu Rollsiegeln vorstellten; und zweitens sind Stempelsiegel eine wichtige ikonographische Quelle - quantitativ umfasst das Korpus an Stempelsiegeln aus kontrollierten 1 In den ersten zehn Auflagen (1973 bis 2008) war Jere E. Brophy der Co-Autor, seit der elften Auflage (2017) ist dieses Alyson L. Lavigne. 2 Dies hängt in erster Linie mit der Materialität der antiken Objekte als Bildträger und damit mit den möglichen haptischen Erfahrungen dieser Objekte in der Antike (durch ‚unsere Mitmenschen‘), dem Aspekt der Miniaturisierung und der Farbe der Artefakte zusammen. Für ein ausführliches Beispiel anhand von Figurinen vgl. de Hulster, Figurines, 79 f. (mit Verweisen, vgl. jetzt auch Nunn/ Piening, Colour): Bei Siegeln spielt der Aspekt der Miniaturisierung auch in Bezug auf größere Kompositionen eine Rolle und die Frage nach der Farbe bezieht sich auch auf das Material des Bildträgers. Zugunsten von Überlegungen zur (Hochschul-)Didaktik beschränke ich meine hermeneutischen Betrachtungen auf diese Ausführungen. Weitere hermeneutische Hintergründe sollen in der herauskommenden Veröffentlichung von de Hulster, Studying, geboten werden. Hinschauen im Unterricht 117 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Ausgrabungen allein in Palästina-Israel bereits rund 10.000 Siegel und Siegelabdrücke 3 und qualitativ dürfte es die wichtigste ikonographische Quelle aus Israel-Palästina für die hebräische Bibelexegese sein (historisch-ikonographische Exegese). 4 2 Situation 2.1 Hintergrund Dieser Beitrag geht auf meine Lehrerfahrungen zurück, die ich an der Universität Utrecht (Niederlande), der Georg-August-Universität Göttingen (Deutschland) und vor allem der Universität Helsinki (Finnland) gemacht habe, sowie dem Warschauer Workshop 2019 über antike Siegel, der von der EABS-Forschungseinheit Exegese und Hochschuldidaktik „Verstehen von Anfang an“ organisiert wurde. Neben diesen Möglichkeiten bei der EABS und den theologischen Fakultäten danke ich Corinne Bonnet und Fabio Porzia für die Möglichkeit, in ihrem ERC-Exzellenzzentrum Mapping Ancient Polytheisms in Toulouse (Frankreich) zu lehren. Dort konnte ich einige der hier vorgestellten Materialien verwenden, um sie in einem anderen Kontext zu lehren und zu reflektieren (offiziell innerhalb des Patrimoine Littérature Histoire der Universität Jean Jaurès, obwohl ihre Gruppe von Forschern und interessierten Teilnehmenden viel umfassender ist). Auf diesen Erfahrungen und den Kursen, die ich zur Hochschuldidaktik nicht nur in den Niederlanden und Deutschland, sondern vor allem in Finnland (insbesondere die des Centre for University Teaching and Learning der Universität Helsinki) absolviert habe, aufbauend, denke ich in diesem Artikel über die Praxis nach und gebe nur minimale Hinweise auf grundlegende Literatur zur Lehre (im akademischen Kontext). 5 2.2 Prinzipien des Lehrens Beim Unterrichten eines Kurses ziele ich darauf, dass wir als Gruppe zu einer Lerngemeinschaft zusammenwachsen. Das gelingt meist in kleinen Gruppen. Um die Grundlagen der Ikonographie zu vermitteln ist es vor allem wichtig, eine gute Atmosphäre zu schaffen, in der sich jede und jeder wohlfühlt und aufmerk- 3 Schroer/ Keel, IPIAO 1, 18. 4 Vgl. de Hulster, Illuminating Images; vgl. de Hulster, Iconographic exegesis, und de Hulster u. a., Iconographic Exegesis. 5 Für einen allgemeinen Hintergrund vgl. bspw. Biggs/ Tang, Teaching. 118 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) sam dabei ist. 6 Mein zweites Prinzip ist Einfachheit und gesunder Menschenverstand bestehend aus Klarheit im Ausdruck, Vermeidung unnötiger Komplikationen und einer Art zweiter Naivität bei der heuristischen Suche nach Antworten (neben scharfsinnigem Denken ); dies ist besonders wichtig bei der Einführung eines neuen Themas und bei der Vermittlung von Methodik. Dieses Prinzip bezieht sich auf mein Interesse an menschlichem Handeln - beim Studium der Antike, denke ich, sollte man immer danach fragen, wie unsere Fragen und Antworten in der Forschung pragmatisch und menschlich möglich sind. 7 2.3 Angestrebte Lernziele Dieser Beitrag stellt einen Aspekt der Lehre antiker Kunst vor, und zwar den grundlegenden Schritt in der Auseinandersetzung mit antiker Bildkunst: Hinschauen . Für mich ist dies in der Regel ein Teil eines Kurses zur ikonographischen Exegese 8 an theologischen Fakultäten. Daher werden in einem solchen Kurs weitere Schritte zur Kategorisierung des Materials (Typologie) und zur Erkundung von Wegen unternommen, wie man das Bildmaterial mit Texten der Hebräischen Bibel in Beziehung setzen kann. Das Hauptziel kann als Experimentieren mit dem Hinschauen (individuell und kollektiv) bezeichnet werden, um eine objektivere Betrachtungsweise zu erreichen. Aus der Perspektive der Lehrenden/ des Lehrenden kann das Ziel noch genauer bestimmt werden: • Das Schaffen von Bewusstsein dafür wie die Voreinstellung das Hinschauen beeinflusst. • Das Schaffen von Vertrautheit mit antiken Bildern (des Nahen Ostens) und deren Trägern (insbesondere Stempelsiegeln). • Überlegungen dazu, wie die Nachteile des Vorurteils überwunden werden können. Angestrebte Lernziele für die Studierenden: • Die Studierenden erkennen Faktoren ihres Vorurteils, die das Hinschauen und folglich ihre Interpretation beeinflussen, und zwar sowohl bei den Interpretationen anderer als auch beim eigenen Hinschauen. 6 In anderen Kursen, wie z. B. denen zur Hermeneutik, in denen die Studierenden (und der/ die Lehrende) als Personen viel stärker involviert sind, ist dies sogar noch wichtiger. 7 Vgl. A2. 8 Die ikonographische Exegese untersucht Bildmaterial aus dem Alten Orient unter der Fragestellung, wie diese Bilder als kultureller Hintergrund unser historisches Verständnis der Hebräischen Bibel prägen. Hinschauen im Unterricht 119 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 • Die Studiereden werden befähigt Bilder objektiv zu betrachten, d. h. die Studierenden sind in der Lage die Schritte zu identifizieren, die bei der Wahrnehmung eines Bildes gemacht werden. • Die Studierenden sind in der Lage, Wege einzuschlagen, die den negativen Einfluss von Voreingenommenheit und Vorannahmen in Interpretationen überwinden, und zwar sowohl die anderer als auch in kritischer Reflexion eigener Prozesse des Hinschauens und Interpretierens. Ich teile die Lernziele im Syllabus und im Kurs mit. 3 Schritte, um die angestrebten Lernziele zu erreichen 3.1 Präliminarien Der ganze Prozess des Schauens ist vielfältig mit Sinngebung verknüpft. Am Ende muss das Schauen zum Erkennen führen (falls nicht zu der Schlussfolgerung, dass nichts als Bedeutung identifiziert oder herausgezogen werden kann, weder als Absicht des Autors noch als Reaktion des Lesers - als eine eher theoretische Möglichkeit). Dieser Schritt zwischen Sehen und Erkennen wird in einer Folie mit einigen Bibelversen illustriert: 9 Abb. 1: Folie aus der Präsentation. 9 Bei der Präsentation meiner Folien aus dem Warschauer Workshop zeige ich (wenn nicht anders erwähnt) auch, wie sie aufgebaut sind. Ich zeige diese Bilder nicht allein, sondern als Anwendung in meinem Lehrkontext. Auf diese Weise fallen sie auf doppelte Weise unter das akademische Zitat von Bildern. 120 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) In einem zweiten Schritt versuche ich, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bildunterschriften nur dann Sinn machen, wenn man auch das Bild selbst hat. Als Beispiel präsentiere ich ein Gemälde von Lajos Déak-Ébner, welches zwei Frauen beim Ziehen eines Bootes zeigt, aber die Übersetzung der Bildunterschrift in der Ungarischen Nationalgalerie lautet - offenbar beeinflusst von Ilja Repins Бурлаки на Волге (Wolga-Kahnfahrer ), 1870-73? - Männer, die ein Boot ziehen . Repins Gemälde zeigt in der Tat Männer, die ein Boot ziehen und ist im Ungarischen unter demselben Titel bekannt wie dasjenige von Déak-Ébner: hajóvontatók (wie in der ungarischen Sprache üblich, ist dies ein communis generis -Ausdruck). Abb. 2: Folien aus der Präsentation. Gemälde von Lajos Déak-Ébner: © Magyar Nemzeti Galéria (Hungarian National Gallery), Inventarisationsnummer 63.131T (zum Gebrauch in der Lehre freigegeben). Häufigster Verweis https: / / en.mng.hu/ artworks/ barge-haulers/ (letzter Aufruf: 31.10.2020). In Anbetracht der Tatsache, dass Theologinnen und Theologen oder auch Theologiestudierende oft textorientiert sind, präsentiere ich ein Bild von Sieger Köder, in dem er mit der Schriftart der Buchstaben und der Schreibrichtung spielt. Er stellt die Worte JHWHs an Mose in einer Weise dar, die der hebräischen Quadratschrift ähneln, aber in Wirklichkeit spiegelbildlich auf Deutsch geschrieben sind. Hier verleiht die Typologie der Schrift den Buchstaben die Qualität von ‚Bildern‘, die etwas Visuelles ausdrücken. Hinschauen im Unterricht 121 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Abb. 3: Folie aus der Präsentation - mit einem zusätzlichen Spiegelbild des Textes in der Zeichnung durch Sieger Köder. Zeichnung © Sieger Köder. Nach diesen einleitenden Beispielen, in denen es um die Beziehung zwischen Text und Bild geht, mache ich mit einer Übung weiter, die ein Bewusstsein für (weitere) Elemente schaffen soll, die in einem Bild eine Rolle spielen (bis zu einem gewissen Grad sowohl in der Absicht des Autors als auch in der Reaktion des Lesers, aber vor allem als struktureller Zugang zum Bild selbst). Da wir uns antiken Stempeln zuwenden werden, nehme ich bekannte Briefmarken als Beispiel und stelle mehreren die Aufgabe, diese Briefmarken zu betrachten und die Unterschiede aufzulisten. 10 Abb. 4: Folie aus der Präsentation. Briefmarken aus der Sammlung des Autors (s. Anm. 10). 10 Die Identifikation erfolgt nach den Katalognummern und Jahresangaben: Mauritius 15: 1858; Barbados Briefmarken: 25 (13): 1870-1873; 35: 1882-1884; 47: 1892-1903; 57: 1897; 86: 1912; 99: 1916; 125: 1921; 137: 1925-1935; 168a: 1938-1947. 122 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Ich zeige diese Stempel auf der Folie, so dass alle sie gleichzeitig sehen können. Gleichzeitig reiche ich denselben Satz von Stempeln weiter, um ihnen auch die Originale zu zeigen Eigentlich bei allen Gelegenheiten, bei denen ich diese Sammlung Theologiestudierenden gezeigt habe, basierte ihre erste Antwort auf dem Lesen (statt dem Schauen) und war: „Eine Briefmarke ist aus Mauritius.“ In der (oben erwähnten) Unterrichtssituation in Toulouse gab es eine viel umfassendere Antwort - die auch auf die Wiederholung der Frage in der erstgenannten Gruppe folgte: Unterschiede in Größe, Farbe, Zähnung, Design, Komposition etc. Über die Zähnung hinaus, als etwas Besonderes für Briefmarken, könnte man auf eine Vielfalt in der Stempelung hinweisen (neben dem einen postfrischen Beispiel). Das Zeigen der Originale könnte darüber hinaus zu Beobachtungen über die Qualität des Papiers und Unterschiede beim Wasserzeichen führen. Man könnte ein späteres Exemplar zeigen, mit anderen Hintergrundfarben, anderer Ausrichtung und anderem Text sowie weiteren Elementen (wie das rote Kreuz unten), die über eine frühere Ausgabe der Marke geschrieben wurden. Nebenbei bemerkt: Die Geschichte eines Briefmarkenmotivs (hier am Beispiel von Postwertzeichen in Massenproduktion) gilt auch für Einzelsiegel in der Antike (sowohl für Stempelals auch Rollsiegel). Abb. 5: Folie aus der Präsentation in Toulouse. Briefmarken aus der Sammlung des Autors. Hinschauen im Unterricht 123 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Diese Beobachtungen anhand von Briefmarken lassen sich mit Aufzählungen aus der Kunstgeschichte und der Lehre der Kunstgeschichte verknüpfen, die als Elemente der Kunst oder ähnlich bekannt sind. Ein solcher Leitfaden für die Annäherung an Kunst könnte sein, die Aufmerksamkeit auf Linien, Formen, 3D- Formen, Raum, Farben, Wert (Helligkeit und Sättigung einer Farbe) zu lenken. 11 Das Thema Briefmarken kann mit einer weiteren Übung über Briefmarken verknüpft werden. Eine könnte darin bestehen, die Schüler zum Querdenken herauszufordern und sie aufzufordern, die Materialien aufzulisten, aus denen Briefmarken bestehen: in der Regel Papier und Tinte - und ihnen dann Beispiele für Briefmarken zu zeigen, die z. B. aus Silber, Gold, Stoff, Leder, Holz, Glas und Schokolade bestehen. 12 Neben dem Bewusstmachen von Elementen, die bei der Entstehung und Wahrnehmung eines Bildes eine Rolle spielen, ist das Hinschauen auch kulturbezogen, zum Beispiel in Bezug auf bestimmte Ausdruckskonventionen. Wenn wir uns Bildern der Antike zuwenden, so können dort Bilder die Merkmale eines modernen Piktogramms haben. Mit zwei Folien versuche ich, dies zu vermitteln: Abb. 6: Folie aus der Präsentation. In der ersten Folie (Abb. 6) zeige ich Bilder, die eine Bewegung nach „oben“ ausdrücken. In mehreren Fällen drückt dieses ‚oben‘ jedoch eine andere oder gar keine Bewegung aus. Dieser Schritt hilft, die Aspektivität von z. B. altägyp- 11 Vgl. für einen Überblick z. B. Meyer, Sprache der Bilder. 12 Für Beispiele siehe de Hulster, Postage stamps, 96, die meisten Beispiele sind aus Westeuropa. Im Jahr 2015 gab die Irish Post eine Serie von Briefmarken heraus, um die fünf traditionell anerkannten menschlichen Sinne zu feiern - jede der fünf Briefmarken ließ eine andere Erfahrung des Sehens, Hörens, Fühlens, Riechens und Berührens zu. 124 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) tischen Bildern zu ‚lesen‘, beispielsweise an einer Gipsmalerei aus Theben, die einen Garten mit einem von Bäumen umgebenen Teich zeigt 13 - in dem Versuch, so viel wie möglich zu zeichnen, zeigen diese Zeichnungen verschiedene aspektive Ansichten gleichzeitig (und ebenso können andere altägyptische Bilder sowohl Nacht als auch Tag im selben Bild darstellen). Abb. 7: Folien aus der Präsentation. Die Folie enthält ein vom Museum für den Autor angefertigtes Foto der bekannten Münze TC242.5 (BMC Palestine XIX 29); © Trustees of the British Museum (https: / / www.britishmuseum.org/ collection/ object/ C_TC-p242-5-Pop. Letzter Aufruf: 31.10.2020). Im Vertrauen darauf, dass die Studierenden ein Bewusstsein für die Wahrnehmung von Bildern und ihren Trägern entwickeln und dass neue Perspektiven auf das Hinschauen und Wahrnehmen möglich sind, wenden wir uns der Grundlagen der Form mit der fundamentalen Frage zu: Was ist ein Punkt? Denn auch bei der Betrachtung eines Punktes können wir Fragen nach Größe, Bezug zur Leinwand (hier am Beispiel der Malerei), Bezug zu anderen Punkten und zur Konzentrizität stellen. Die Kunstgeschichte würde dies an Gemälden in der Tradition des Pointillismus verdeutlichen, wie z. B. an einigen Werken von George Seurat, aber auch von Paul Signac und anderen - aber wenn man eine beliebige Zeichnung betrachtet, muss man erkennen, wie wesentlich dies ist. Dies führt zu der Beobachtung, dass Punkte eine Linie bilden können. In einem nächsten Schritt, bevor Form, Raum und Perspektive diskutiert werden, geht es um die Materialität und die Werkzeuge, die zur Herstellung der Linie, 13 Gipsmalerei aus dem Grab des Nebamun (British Museum, EA37983; https: / / commons. wikimedia.org/ wiki/ File: Le_Jardin_de_N%C3%A9bamoun.jpg). Hinschauen im Unterricht 125 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 der Farbe und den Beziehungen zwischen den Linien (oder Kurven), benötigt werden. Für die Weiterentwicklung eines solchen grundlegenden Ansatzes verweise ich auf Meyer, Sprache der Bilder und auf die Arbeit von Philip Yenawine. Sein Büchlein Lines 14 inspirierte das obige Beispiel von Punkt und Linie. Nach der Vermittlung von Behutsamkeit beim Hinschauen und Interpretieren von Kunst zeigen drei Beispiele aus der Antike, wie die Rezeptionsgeschichte eines Objekts subjektive Faktoren vermittelt und so zu vielfältigen Fehlinterpretationen führen kann. Erstes Beispiel ist die berühmte, aber winzige 15 Münze TC242.5 (auch bekannt als BMC Palestine XIX 29). Das Objekt, auf dem das anthropomorphe Wesen sitzt, wurde während seiner gesamten Geschichte in der modernen Forschung als „geflügeltes Rad“ beschrieben und lenkte damit die Interpretation. 16 Das Bild zeigt in der Tat Linien und Kurven, die durchaus ein Rad und einen Flügel darstellen können, aber man sollte dies nicht automatisch als geflügeltes Rad auffassen, welches des Weiteren häufig zu der unreflektierten Annahme führte, es handle sich um ein Sonnensymbol. Abb. 8: Folie aus der Präsentation. Die linke Zeichnung ist aus Ward, Cylinders, fig. 991; die rechte Zeichnung ist aus El-Safadi, Entstehung, Plate VII, fig. 61. Ein zweites Beispiel bieten zwei Zeichnungen des Siegels von Ḫaqata (A914 in Delaportes Catalogue des cylindres von 1923). Auf die Frage nach den Unter- 14 Yenawine, Lines. Er schrieb ähnliche Bücher über Formen, Farben, Orte, Leute und Geschichten. 15 Die Grösse ist mit der einer Ein-Cent-Euromünze vergleichbar. 16 Vgl. de Hulster, Iconographic Exegesis, 194-205; de Hulster, Yehud coin; de Hulster, (Ohn) Macht. 126 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) schieden zwischen den Zeichnungen nennen Studierende die unterschiedlichen Stile und den unterschiedlichen Schnitt 17 und insbesondere die Wiedergabe von zwei Halbovalen (die Berge, die den Mungo in der linken unteren Ecke flankieren - und ebenso die Füße der rechten Figur, den Schwanz des Skorpions usw.) bzw. das Fehlen dieser. Abb. 9: Folie aus der Präsentation. Die Fotos sind zu finden in Delaporte, Catalogue, Tafel 96, Nummer A914 (Objekte 12a-b). Die Strichzeichnungen finden Sie in der Beschriftung der vorherigen Folie. Mit einer zusätzlichen Folie zeigen wir ein Foto und könnten sogar auf die beiden ‚Erhebungen‘ verweisen, die in Delaportes Beschreibung des Gegenstands erwähnt werden. Es soll den Studierenden Vorsicht im Umgang mit Zeichnungen und sogar Fotos (sowie - mit dem vorherigen Beispiel - mit Beschreibungen) lehren, vor allem, wenn das Originalobjekt nicht studiert werden kann. 17 Vgl. den Beitrag von Schmitz/ Wagner, Sequenzierung. Hinschauen im Unterricht 127 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Abb. 10: Skaraboid Stempel Siegel, vermutlich 10. oder 9. Jh. v. Chr. - ohne Herkunftsnachweis (Privatsammlung Deutschland, erworben in Jerusalem). Größe: Höhe 17,7 mm; Breite: 13,6 mm. Abb. 11: Moderner Abdruck (fimo) des Abdrucks eines Stempelsiegels, wahrscheinlich 10. oder 9. Jh. v. Chr. - ohne Herkunftsnachweis (deutsche Privatsammlung, erworben in Jerusalem). Dies ist ein Beispiel für die Abdrücke, mit denen Studierende im Unterricht arbeiten. 128 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Aber, drittens, selbst wenn das angebliche Original verfügbar ist, muss man sorgfältig sein. Ich teile hier meine Erfahrung vom Studium des sogenannten Hecht-Löwen (H171), ein Objekt, das Reuben Hecht von Moshe Dayan gekauft hatte, der es in Beit Aula (bei Hebron) ‚ausgegraben‘ hatte. Der Schwanz wird oft als Indiz für die Identifizierung als Löwe genommen. 18 Das Studium des Originals ließ mich an der Originalität dieses Schwanzes zweifeln. Und weitere Forschungen zeigten tatsächlich, dass der Schwanz sekundär ist. 19 Der Hecht- Löwe ist wahrscheinlich ein Hund. 20 So ist offensichtlich, wie die Vermittlung durch Ausgrabung und Konservierung die Wahrnehmung eines Bildes beeinflussen kann. • Vermittlung der Beschreibung (Münze TC 242.5), Gedanken und Interpretation werden in eine bestimmte Richtung gelenkt. • Vermittlung der Zeichnung (Ḫaqatas Siegel), Teile fehlen in einer Zeichnung. • Vermittlung der Erhaltung (Hecht ‚Löwe‘), Folgen der (guten) Absichten einer Rekonstruktion. Als letzten Schritt, bevor ich mich authentischen Material zuwende, rege ich die Studierenden erneut an: SCHAUT HIN. Normalerweise erzähle ich die Anekdote der Erfahrung, die Samuel Scudder (1837-1911) machte, der unter dem legendären Louis Agassiz (1807-1873), Professor für Naturgeschichte in Harvard von 1848-1873, einen Fisch studierte. Immer wieder forderte der Professor den Studenten auf, den Fisch zu zeichnen. Beim Kopieren und Zeichnen musste der Student immer wieder hinschauen. Das Zeichnen ist eine Möglichkeit, den Akt des Schauens zu intensivieren. Die Anekdote schließt mit: „Bleistift, deine besten Augen! “ Erstens, aber auch zweitens und drittens: hinschauen, hinschauen, hinschauen! Die Bedeutung dieses ersten Schrittes wird in Anspielung auf Meyers Ansatz in Sprache der Bilder unterstrichen: Das Bild selbst steht im Zentrum der Analyse (so sehr wir für Theologen der Text selbst im Zentrum der Exegese steht). 3.2 Mit authentischen Abbildungen arbeiten Authentisches archäologisches Material (hier: Stempelsiegel) kann aus kontrollierten archäologischen Ausgrabungen stammen; Antikenbehörden, Museen und private Sammlungen können authentisches Material beherbergen. Es stammt sowohl aus offiziellen Ausgrabungen als auch darüber hinaus. 21 18 Z. B. Keel/ Uehlinger, GGG, 191. 19 Belege sind publiziert in Saari, Lions, 38. 20 Vgl. Schmitt, Magie, 190. 21 Ungeprüftes Material aus öffentlichen und privaten Sammlungen ist nicht ohne ethische Probleme, aber aus didaktischen Gründen im Hinblick auf die Ikonographie ist ‚authenti- Hinschauen im Unterricht 129 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Für diesen Teil des Kurses bzw. des Workshops habe ich Abdrücke von authentischen Siegeln gesammelt und diese vervielfältigt, so dass die Studierenden in Tandems jeweils einen Satz von Abdrücken erhalten. So können sie sich nicht nur mit authentischen Abbildern beschäftigen, sondern auch gemeinsam diskutieren. Es ist eine Übung im Hinschauen, die aber auch dazu anregt, weiter zu schauen. Auch die oben erwähnte Übung mit dem Bleistift kann sinn voll sein - je nach zeitlichen Möglichkeiten baue ich sie obligatorisch oder fakultativ ein. 22 Die Studierenden werden aufgefordert, gemeinsam zu diskutieren, weil dies die Konzentration und die Wahrnehmung der Objekte erhöht - auch vor dem Hintergrund der sogenannten VTS ( Visual Thinking Strategies , die wiederum mit dem Namen Philip Yenawine verbunden sind). 23 Nach der Zeit, die für die Arbeit zu zweit (oder in Kleingruppen von drei oder vier Personen, je nach Gruppengröße und Gruppendynamik) vorgesehen ist, habe ich Zeit für die Diskussion im Kurs reserviert. Dazu bildet die Arbeit zu zweit die Grundlage. Manchmal weise ich einem Tandem ein bestimmtes Siegel zu, damit sie ihre Erfahrungen darüber austauschen (was sie sehen und manchmal darüber hinaus, z. B. wenn sie das Original oder zumindest eine Replik studieren können). Natürlich steigert es die Motivation, wenn die Studierenden mit authentischem Material arbeiten können (nicht nur hinschauen, sondern auch anfassen) - falls eine Hochschule selbst eine Sammlung besitzt oder es in der Nähe ein Museum gibt. Eine Alternative, selbst wenn sie eine Tagesexkursion bedeutet, ist der Zugriff auf andere Sammlungen, sei es von Antikenbehörden oder privaten Sammlungen. Neben der Diskussion darüber, was die Studierenden sehen, werden sie dazu aufgefordert, Fragen aufzulisten, die sie für weitere Studien, die Interpretation, Kontextualisierung und das Bildverständnis mit seinem Bildträger, in seinen verschiedenen (historischen) Kontexten, beantwortet haben möchten. Dies ist inspiriert von Oskar Bätschmanns Arbeit zur kunsthistorischen Hermeneutik, der im Grunde jeden Stein umdrehen will, da das Sammeln aller möglichen Besches‘ Material zu bevorzugen, weil es die Studierenden im Umgang mit antikem Material mehr schult als mit Fälschungen. (Natürlich ist irgendwann auch die Unterscheidung von authentischem Material und Fälschungen ein Lernziel. Hier würde es jedoch zu weit führen). 22 Eine solche Option berücksichtigt auch die unterschiedlichen Wahrnehmungs- (und Lern-)wege der einzelnen Studierenden. 23 Siehe Hailey u. a., Understanding; Yenawine, Visual thinking strategies. Diese Methode wurde ursprünglich für die Entwicklung von Fähigkeiten im Vorschulalter entwickelt, wird aber in allen möglichen Bereichen angewandt, wie z. B. bei der gemeinsamen Untersuchung von medizinischen Bildern in Krankenhäusern (z. B. Moorman, Nursing Education). 130 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) lege (vom Material des Bildträgers bis zum weiteren historischen Kontext) zu einer immer holistischeren Interpretation der Sache führt. 24 Ein Beispiel für einen solchen Abdruck, der verwendet wurde, ist hier als eine Skizze (Strichzeichnung) dargestellt. Es ist zu beachten, dass im Abdruck und in der Strichzeichnung einzelne Elemente des Bildes viel deutlicher als im Original (das in dunklen Stein gehauen ist) hervortreten können. Oft gehen Studierende zu schnell vor, auch wenn sie am Ende vielleicht recht haben. Sie würden sagen, dass sie einen Menschen auf einem Tier sehen. Hier ist es wichtig, Schritt für Schritt vorzugehen und immer wieder zu fragen, warum sie bestimmte Elemente als solche identifizieren. Über eine mathematische Beschreibung hinaus könnten sie die Zusammensetzung von Hörnern, Kopf, Körper, Beinen und Schwanz in ihren gegenseitigen Beziehungen erkennen und zu dem Schluss kommen, dass dieses Bild durchaus einen gehörnten Vierbeiner darstellen könnte. Mit einer ähnlichen Vorgehensweise könnte man für die andere Figur auf einen Menschen schließen. Hier ist es jedoch besser, von einer anthropomorphen Figur zu sprechen, denn der Besitzer des Siegels (vielleicht auch derjenige, der es bestellt hat, möglicherweise auch jemand, der es geerbt hat) und der Siegelhersteller (möglicherweise dieselbe Person wie der Designer) können ihre eigenen Vorstellungen bei der Bestellung, Herstellung und dem Tragen dieses Bildes gehabt haben. Für sie könnte die anthropomorphe Figur ein göttliches Wesen dargestellt haben. Im Lichte der gängigen Typologien - ein weiterer Schritt, auf den hier nicht eingegangen werden kann - könnte der Siegelabdruck (in Anlehnung an das wahrscheinliche Verständnis in der Antike) als eine Darstellung von Reschef verstanden werden. 4 Reflexionen Um mich auf die didaktischen Aspekte des Unterrichtens, was den Zugang zu antiken Stempelsiegeln betrifft, zu fokussieren, stelle ich hier einige abschließende Überlegungen an. Nach meiner Erfahrung neigen Studierende dazu, eher nach einer Bedeutung zu fragen, als hinzuschauen und zu untersuchen, was sie eigentlich anschauen und sehen. Aufgrund dieser Erfahrung (vor allem an theologischen Fakultäten) habe ich meinen Unterricht als eine „langsame Annäherung“ 25 entwickelt, um sich dem Anschauen von Bildern zuzuwenden. Bei der Wahrnehmung von antiker Kunst ist der Akt des Hinschauens wesentlich. 24 Bätschmann, Hermeneutik. 25 Vgl. Mikics, Slow reading. Hinschauen im Unterricht 131 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0015 Die Abdrücke vermitteln bereits ein Gefühl für die Größe. 26 Wenn das Original mitbetrachtet werden kann, gibt dies eine zusätzliche Erfahrung des Materials und damit der haptischen Aspekte des Bildträgers. Wenn man die Möglichkeit hat, mit authentischem Material zu arbeiten, muss man normalerweise eine Lupe bereitstellen. Mit der heutigen Technik kann dies zu einer interessant paradoxen Situation führen. Bei einer Gelegenheit wies meine Co-Dozentin Sanna Saari unsere Studierenden an, die Lupen-App auf ihren Smartphones zu verwenden (in Ermangelung herkömmlicher Lupen im Kursraum) … und so starrten sie, wenn sie das Original zur Hand hatten, im Grunde auf ein Foto (ein von einer Kamera erstelltes Bild des Objekts) - natürlich konnten die Studierenden es trotzdem mit dem Original vergleichen. Einerseits zeigt diese Anekdote, wie wichtig verschiedene Herangehensweisen an ein Objekt mit seinem Bild/ seinen Bildern sind: Hinschauen bleibt die grundlegende und unverzichtbare Aufgabe. Andererseits sind die Studierenden eingeladen, zu diskutieren (wie bei den VTS ), zu zeichnen (Bleistifte als die besten Augen) und mit Eindrücken, Beschreibungen (falls vorhanden) und mit Fotos zu arbeiten, vor allem, wenn die Studierenden diese Fotos selbst machen und anpassen können. 27 Aus der Perspektive des Constructive Alignment 28 erkennt man die beabsichtigten Lernergebnisse (2.3) und die Lehr-/ Lernaktivitäten (3), allerdings scheinen die Bewertungsaufgaben zu fehlen. Normalerweise bezieht sich zumindest ein Teil meiner Bewertung auf die Beteiligung im Kurs. Auch hier sieht man, wie wichtig der Präsenzunterricht ist. In meinen Beurteilungskriterien (die im Lehrplan erwähnt werden) wird für die beste Note Folgendes gefordert: „Der/ Die Studierende beteiligt sich respektvoll an den Diskussionen, zeigt ein wachsendes Verständnis des Lehrstoffs, regt andere Studierende in ihren Gedanken an und bringt die im Kurs besprochenen Themen voran“. Dies ist ein Grund mehr, neben der Möglichkeit, Fragen zu stellen und die Interaktion anzuregen, während des Lernens der ‚Präliminarien‘ (3.1) auch Zeit für die Arbeit in Zweiergruppen und die Klassendiskussion einzuplanen (insb. 3.2). Über diese Übung hinaus verwende ich im Rahmen eines Kurses weitere Instrumente zur Beurteilung, wie z. B. eine Präsentation in der Klasse, eine schriftliche Arbeit und ein Lerntagebuch. Ein solches Lerntagebuch wird entweder parallel zum Kurs oder 26 Gewisse andere Aspekte können durch Abdrücke greifbar gemacht werden, z. B. wie breit und tief die Linien des Bildes in das Siegel eingraviert wurden. 27 Hier beziehe ich mich auf die Technologie des Reflectance Transformation Imaging (RTI), wie sie z. B. in der Datenbank des Deutsch-Französischen Figurinenprojekts (fortgeführt in Figurine 21) verwendet wird; siehe Hunziker-Rodewald u. a., The Franco-German Figurines Project. 28 Vgl. z. B. Biggs, Constructive alignment, bes. 8, und Biggs, Enhancing. 132 Izaak J. de Hulster 10.24053/ VvAa-2020-0015 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) als Evaluation von den Studierenden am Ende des Kurses geschrieben. Im letzteren Fall fassen die Studierenden die Hauptthemen des Kurses zusammen und reflektieren - manchmal auf dem Hintergrund eines Dokumentes vom Beginn des Kurses, in welchem sie ihre Erwartungen zum Ausdruck brachten - was sie gelernt haben. Kurz zusammengefasst: Neben der Vermittlung von Grundlagen der antiken Ikonographie und ihrer Interpretation besteht die grundsätzliche Aufgabe darin, das HINSCHAUEN (im Kurs) zu fördern. Keywords Didactics, looking, ancient iconography, stamp seals, classroom, Visual Thinking Strategies Bibliography Bätschman, Oskar: Kunstgeschichtliche Hermeneutik, Darmstadt 6 2009 (= 6 2016; 1984). Biggs, John: Constructive alignment in university teaching, HERDSA Review of Higher Education 1 (2014), 5-22. 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Das Seminar ist eine methodische Schulung insofern es darauf zielt die Fähigkeit zu erwerben, ikonographisches Quellenmaterial zu lesen, d. h. es in seinem Bildgehalt zu erfassen und kulturgeschichtlich einzuordnen. Nur am Rand kann auf eine Kritik von Qualität, Material und Stil eingegangen werden. Durch den Museumsbesuch soll ermöglicht werden, im Seminar erworbene Fähigkeiten am Objekt anzuwenden. 1 Einbettung in die Lehrveranstaltung Das Seminar setzte ein beim Begriff Ikonographie , den verschiedenen Arten von Bildern als Quellen (Miniaturen, Monumentale Kunst) und einem Überblick über die Literatur, welche digital zur Verfügung gestellt wurde oder in der Universitätsbibliothek vorhanden ist. Das genaue Hinsehen wurde mit einer Einführung in die „Geradvorstelligkeit“ (Heinrich Schäfer) bzw. „Aspektive“ (Emma Brunner-Traut) und ägyptischer Bilddarstellung geschult. Dazu wurden sowohl Überlegungen zum Mensch als Gliederpuppe als auch die Präsentation in Registern angestellt und dann auf Objekte anderer Kulturkreise erweitert. Dieses nach dem Prinzip: „Die Stärke des Bildes ist die simultane Darstellung mehrerer Aspekte, anders gesagt: die Darstellung der konstellativen Komplexität der Wirklichkeit“ (Keel/ Uehlinger, GGG, 455). Für die Arbeit am Objekt wurde vor allem auf GGG und IPIAO zurückgegriffen. Der Schritt zur Bibelwissenschaft erfolgte anhand der „Drei K der Komparation von Bild und Text“: Kongruenz, Korrelation und Kontiguität. Für die Theorie und Übungsbeispiele wurde teilweise auf das Textbuch Iconographic Museumsbesuch zum Abschluss eines Ikonographieseminars 135 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0016 Exegesis von Isaak de Hulster u. a. zurückgegriffen. Im Lauf des Seminars lernten die Studierenden verschiedene Aspekte der Ikonographie kennen und diese in Korrelation zu alttestamentlichen Texten zu setzen. Übungen erfolgten an verschiedenen Themen und Texten, dazu gehörten bspw. der König, nackte Göttin, Jahwes Aschera, Löwe, Stier, Theriomorphie. Eine Einführung in die Metapherntheorie des Conceptual Blending war ebenfalls Teil des Kurses, da die verwendete Bildsprache in Relation zu den Objekten gesetzt werden kann. So wurde beispielsweise anhand von Texten aus Canticum LIEBE IST KONTROLL- VERLUST (Cant 4,9.10) die konzeptuelle Metapher LIEBE IST GEBUNDENHEIT (Cant 7,6) erarbeitet. Auf letzteren Text wurde beim Museumsbesuch mit Verweis auf die herabfallenden Haare einer Frau Bezug genommen. Auch die Überlegungen zum König wurden am Objekt wieder entdeckt. 2 Methodische Umsetzung Für jede Lehrveranstaltung wurden Aufgaben gegeben. Diese bestanden aus Lesestoff zur Vor- und Nachbereitung sowie einer Übung, die an eigenständiger Arbeit an einem Objekt bestand, welches sekundär mit einem Bibeltext auf die drei K hin behandelt wurde. Für die Arbeit am Objekt wurde mit Wikis gearbeitet. Jede Studierende/ jeder Studierender trug dort ein zum jeweiligen Thema ausgewähltes Objekt mit einer Beschreibung ein, welches von den anderen ergänzt und kommentiert werden konnte. Für den Museumsbesuch wurde mit dem gleichen Aufbau gearbeitet. Das Kunsthistorische Museum Wien (www. kmh.at) hat eine umfangreiche Ägyptisch-Orientalische Sammlung. Eine Auswahl ist in der Objektdatenbank (www.khm.at/ objektdb/ ) digital abrufbar. Um in der Fülle der Objekte nicht verloren zu gehen, wurde zusätzlich ein spezifizierter Link angegeben (www.khm.at/ besuchen/ sammlungen/ aegyptisch-orientalische-sammlung/ ausgesuchte-meisterwerke/ ). Außerdem wurde auf den umfangreichen Katalog verwiesen: Corpus Antiquitatum Aegyptiacarum . Lose - Blattkatalog ägyptischer Altertümer (CAA), Kunsthistorisches Museum Wien , Ägyptisch-Orientalische Sammlung, welcher in den Universitätsbibliothek vorhanden ist. Zur Vorbereitung der Exkursion hat jede Studierende/ jeder Studierender zuvor ein Objekt aus dem Kunsthistorischen Museum Wien auszuwählen und dieses im WIKI zu beschreiben. Im Seminar vor dem Museumsbesuch wurden diese vorbesprochen, um sie bei der Exkursion gezielt anzuschauen. 136 Stefan Fischer 10.24053/ VvAa-2020-0016 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 3 Einige Beispiele aus den Wikis zeigen den Lernerfolg Der Museumsbesuch fand am Semesterende statt. Jede Studierende/ jeder Studierender machte eine kurze Führung am eigenen Objekt. Im Anschluss wurde gemeinsam durch die Sammlung gegangen und spontan erworbenes Wissen angewendet. Eine Studierende wählte ein Relieffragment mit dem Kopf einer Dame auf einer Kalksteinplatte (Ägyptische Sammlung, INV 73): 19. Dynastie, Anfang 13. Jh. v. Chr., derzeit ausgestellt: Kunsthistorisches Museum Wien, Ägyptisch- Orientalische Sammlung Raum VI (www.khm.at/ objektdb/ detail/ 324215/ ). Die Objektbeschreibung konnte von der Webseite übernommen werden. Dann schrieb die/ der Studierende/ r mit Rückgriff auf die „Drei K“: „Das Bild erinnerte mich an die 4. Hausübung zu Hohelied 7,6. Das Haupthaar, in dessen Locken ein König gefesselt ist. Wir hatten bemerkt, dass das Vokabel ‚Haupthaar‘ auch ‚Fäden‘ [ ה ָ לּ ַ דּ Gesenius: 1. Bedeutung: dünne Fäden; 2. Bedeutung: (herabwallendes) Haupthaar] bedeuten kann, was wiederum gut zu dem Bild von Seilen als Fesseln passt. Die dargestellte Haarpracht veranschaulicht die Vorstellung von dünnen Fäden, fast schon einem Netz gleichend ganz gut.“ Ein weiterer Studierender wählte eine Statue der Göttin Iris mit Harpokrates aus der Spätzeit (Ägyptische Sammlung, INV 6622), derzeit ausgestellt Kunsthistorisches Museum Wien, Raum IV (www.khm.at/ objektdb/ detail/ 32392). Obwohl wiederum eine Objektbeschreibung vorhanden war, wurde diese in eigene Worte gefasst, eine Deutung der Symbolik vorgenommen und eigene Überlegungen angestellt: „Aber das Kind selbst ist menschlich dargestellt; vielleicht stellt es auch einen angehenden menschlichen König/ Pharao dar, der infolge dessen die Legitimation zum König erhält (wie es im letzten Referat zum Thema war). Das ‚Kind‘ in kleinerer Darstellung, könnte also auch ein menschlicher, erwachsener König sein, der bei einer Göttin sitzt und somit Macht erhält.“ Beide Beispiele zeigen, wie sich Studierende befähigt fühlen, eigene Überlegungen und Deutungen anzustellen. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0016 Visiting a Museum at the End of an Iconography Seminar Didactic Challenges and Goals translated by David O’Neill This paper is based on a two-hour seminar on Ancient Near Eastern Iconography with a small group of students, conducted at the Institute for Old Testament Studies and Biblical Archaeology of the Faculty of Protestant Theology in Vienna. The students are familiar with Hebrew , History of Israel and Old Testament Exegesis contents, but have no special knowledge of Ancient Near Eastern Studies. The seminar is a methodological training insofar as it aims at acquiring the ability to read iconographic source material, i.e. to grasp it in its pictorial content and to classify it in terms of cultural history. Quality, material and style can only be criticized marginally. The museum visit should make it possible to apply the acquired skills to the object. 1 Integration into the Course The seminar started with the term iconography , the different types of images as sources (miniatures, monumental art) and an overview of the literature, which is either available in the university library or provided digitally. Close observation is trained with an introduction to the “Geradvorstelligkeit” (Heinrich Schäfer) or “Aspective” (Emma Brunner-Traut) and Egyptian pictorial representation. For this purpose, considerations of the human being as a manikin and the presentation in registers were made and then extended to objects of other cultural areas. This was carried out according to the principle: “The strength of the picture is the simultaneous representation of several aspects, in other words: the representation of the constellative complexity of reality” (Keel/ Uehlinger, GGG, 455). For the work on the object, GGG and IPIAO were primarily used. The step towards exegetics was made on the basis of the “Three Cs of comparing Image and Text”: congruence, correlation and contiguity. The textbook Iconographic Exegesis by Isaak de Hulster et al. was partly used for the theory and practice examples. During the seminar, students learned about various aspects of iconography and how to correlate them with Old Testament texts. Exercises were 138 Stefan Fischer 10.24053/ VvAa-2020-0016 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) done on various themes and texts, including the King, naked Goddess, Yahweh’s Asherah, lion, bull, theriomorphism. An introduction to the metaphor theory of Conceptual Blending was also part of the course, as the imagery used can be placed in relation to the objects. For example, on the basis of texts from the Song of Songs, LOVE IS CONTROL LOSS (Songs 4: 9, 10) was elaborated as the conceptual metaphor LOVE IS BONDAGE (Songs 7: 6). The latter text was referred to during the museum visit with reference to the falling hair of a woman. The reflections on the king were also rediscovered on the object. 2 Methodological Implementation Tasks were given for each session. These consisted of reading material for preparation and follow-up as well as an independent object work excercise, which was supplemented with a Bible text on the three Cs. Wikis were used for the work on the object. To each topic, students entered an object with a description, which could be supplemented and commented on by the others. The same structure was used for the museum visit. The Museum of Fine Arts (www.kmh. at) in Vienna has an extensive Egyptian-Oriental collection. A selection can be accessed digitally in the object database (www.khm.at/ objektdb/ ). In order to not get lost in the abundance of objects, an additional specified link was given (www.khm.at/ besuchen/ sammlungen/ aegyptisch-orientalische-sammlung/ ausgesuchte-meisterwerke/ ). Furthermore, reference was made to the extensive catalog: Corpus Antiquitatum Aegyptiacarum Catalog of Egyptian antiquities (CAA), Museum of Fine Arts , Egyptian-Oriental collection, available in the university library. In preparation for the excursion, each student had to choose an object from the Museum of Fine Arts beforehand and describe it in the WIKI. In the session before the museum visit, these were discussed in advance in order to look at them specifically during the excursion. 3 Some Examples from the Wikis Show the Learning Success The museum visit took place at the end of the semester. Each student gave a short guided tour of his or her own object. Afterwards, they walked through the collection together and spontaneously applied acquired knowledge. A student chose a limestone relief fragment with the head of a lady: 19th dynasty, beginning of the 13th century B.C (Egyptian Collection, INV 73). Currently on display: Museum of Fine Arts , Egyptian Oriental Collection, Room VI (www.khm.at/ objektdb/ detail/ 324215). The object description was taken from Visiting a Museum at the End of an Iconography Seminar 139 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0016 the website. Then the student wrote the following with recourse to the “Three Cs”: “The image reminded me of the 4th homework assignment on Song of Songs 7: 6. The head hair in whose curls a king is bound. We had noticed that the term ‘head hair’ can also mean ‘threads’ [ ה ָ לּ ַ דּ Gesenius: 1st meaning: thin threads; 2nd meaning: (flowing down) head hair], which again fits well with the image of ropes as fetters. The hair depicted nicely illustrates the idea of thin threads, almost resembling a net.” Another student chose a statue of the goddess Iris with Harpocrates from the late period (Egyptian Collection, INV 6622), currently on display at the Museum of Fine Arts , Room IV (www.khm.at/ objektdb/ detail/ 323926). Although an object description was available again, it was put into own words including an individual interpretation of the symbolism. “But the child itself is depicted as human; perhaps it also represents a budding human king/ Pharaoh who, as a result, receives legitimacy to be king (as was the theme in the last paper). The ‘child’ in smaller representation, then, could also be a human adult king sitting with a goddess and thus receiving power.” Both examples show how students feel empowered to make their own reflections and interpretations. Keywords Iconography, excursion, museum, Teaching example, Students’ participation, materiality Bibliography Bickel, Susanne. u. a. (Hg.): Bilder als Quellen = Images as Sources: Studies on Ancient Near Eastern Artefacts and the Bible inspired by the Work of Othmar Keel (OBO.S), Fribourg 2007. Brunner-Traut, Emma: ‘Der menschliche Körper - eine Gliederpuppe’, ZÄS 115 (1988), 8-14. Brunner-Traut, Emma: Frühformen des Erkennens. Am Beispiel Altägyptens, Darmstadt 3 1996. de Hulster, Izaak, J. u. a. (Hg.): Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible/ Old Testament: an Introduction to its Method and Practice, Göttingen 2015. Keel, Othmar: Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament: am Beispiel der Psalmen, Göttingen, 5 1996. 140 Stefan Fischer 10.24053/ VvAa-2020-0016 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Keel, Othmer / Bernett, Monika: Mond, Stier und Kult am Stadttor. Die Stele von Betsaida (et-Tell) (OBO 161), Fribourg 1998. Keel, Othmar/ Uehlinger, Christoph: Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (GGG), Fribourg 7 2012. Silvia Schroer: Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern (IPIAO). Band 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Band 2: Die Mittelbronzezeit, Band 3: Die Spätbronzezeit, Band 4: Die Eisenzeit bis zum Beginn der achämenidischen Herrschaft, Basel 2018. https: / / www.khm.at/ objektdb/ . Last access: 21.10.2020. http: / / www.khm.at/ objektdb/ detail/ 324215. Last access: 21.10.2020. https: / / www.khm.at/ objektdb/ detail/ 323926. Last access: 21.10.2020. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 Frontend https: / / www.trismegistos.org/ Ein interdisziplinäres Portal der Antiken Welt Jan Heilmann (orcid.org/ 0000-0003-2815-6827) 1 Das Projekt Trismegistos ist eine interdisziplinäre Metadatenbank der antiken Welt, die an der KU Leuven unter der Leitung von Mark Depauw koordiniert wird. Das Ziel der zugrundeliegenden Projekte besteht darin, disziplinäre Barrieren abzubauen. Dazu werden basale Metadaten zu den Quellen gesammelt und standardisiert sowie der Zugang zu anderen altertumswissenschaftlichen Datenbanken gebündelt. Das Herzstück von Trismegistos sind die universellen stable identifier (TM-Nr.), die Texte bzw. materiellen Objekte eindeutig zuordbar machen und für die Zukunft der Digitalen Forschung in den Altertumswissenschaften unerlässlich sind. 1 Wegen der Diversität der Zitationsstandards in den unterschiedlichen altertumswissenschaftlichen Disziplinen sind diese traditionellen Zitationsstandards für digitale Forschungsansätze allerdings unbrauchbar. Lediglich standardisierte und einheitliche IDs erlauben eine maschienenlesbare Gestaltung von Datenbanken, aber auch von Fachpublikationen. Stable identifier sollen traditionelle, fachspezifische Zitationsstandards, die im Übrigen auch in Trismegistos integriert sind, in Fachpublikationen nicht ersetzen. Sie können aber als zusätzlicher Zitationsstandard für antike schrifttragende Quellen die Forschungsarbeit und insbesondere die Nachvollziebarkeit von Zitationen interdisziplinär erleichtern sowie die Maschinenlesbarkeit der Forschungsliteratur bzw. automatisierte Suche der Zitation von Quellen in Fachpublikation fördern. Wegen der interdisziplinären Ausrichtung und dem großen Umfang von Trismegistos bieten sich 1 Vgl. Depauw/ Gehldof, Trismegistos, 40f. 142 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) die TM-Nummern als neuer Standard für (fast) alle altertumswissenschaftlichen Fächer und damit auch für die Bibelwissenschaften an. Den Ursprung des Projektes bildet ein 1937 von Willy Peremans etabliertes prosopographisches Projekt, das sprachübergreifend die in den Quellen bezeugten Menschen im ptolemäischen Ägypten erschließen sollte. Hierher rührt die Idee sprach- und disziplinenübergreifender Datensammlung. In den 1980er Jahren wurden die auf Karteikarten gesammelten Daten dann in ein digitales Umfeld migriert. Zwei weitere Kernelemente von Trismegistos waren die ursprünglich eigenständigen und von Willy Clarysse entwickelten Datenbanken Leuven Database of Ancient Books (LDAB) und Leuven Homepage of Papyrus Collections . Die Datenbank Trismegistos selbst ging aus Mark Depauws mit dem Sofja Kovalevskaja-Preis geförderten Projekt Multilingualism and Multiculturalism in Greco-Roman Egypt an der Universität Köln hervor. Seither sind zahlreiche weitere Datenbanken inkludiert und Projektpartnerschaften etabliert worden, z. B.: Demotic and Abnormal Hieratic Texts (DAHT), Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens (HGV), Brussels Coptic Database (BCD), Aramaic Texts form Egypt (ATE), Berliner Papyrusdatenbank , Duke Databank of Documentary Papyri (DDbDP), Epigraphische Datenbank Clauss-Slaby (EDCS), Epigraphische Datenbank Heidelberg (EDH) u. v. m. 2 2 Content Den Kern von Trismegistos bildet die Datenbank TM Texts mit z. Z. fast 850.000 Einträgen (papyrologisches und epigraphisches Material). Das Projekt strebt an, Informationen zu allen materiellen Textobjekten der antiken Welt (sprachübergreifend), von 800 v. Chr. bis 800 n. Chr. bereitzustellen. Ursprünglich wurden nur publizierte Texte inkludiert, mittlerweile werden auch unpublizierte Texte aufgenommen. Der aktuelle Stand der Abdeckung kann unter den folgenden Links abgerufen werden: Für Ägypten (nahezu vollständig erschlossen): www.trismegistos.org/ about_ coverage.php Für die antike Welt insgesamt: www.trismegistos.org/ about_coverage_ancientworld.php 2 Vgl. zur Geschichte von Trismegistos Depauw/ Gehldof, Trismegistos, 41-43. Eine Übersicht über die wachsende Zahl von Projektpartnerschaften findet sich hier: www.trismegistos.org/ partners. https: / / www.trismegistos.org/ 143 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 Darüber hinaus enthält Trismegistos aber auch noch weitere wichtige Datenbanken, die mit der Kerndatenbank vernetzt sind und automatisierte statistische Auswertungstools enthalten: 3 • Collections verzeichnet derzeit 4.148 private und institutionelle Sammlungen weltweit, auf die über eine Suchfunktion oder über eine Karte zugegriffen werden können. Die einzelnen Datensätze verzeichnen die in der Kerndatenbank enthaltenen Texte. Zukünftig sollen hier noch weitere Informationen zu den Sammlungen aufgenommen werden. 4 • Archives enthält Angaben zu 570 antiken privaten, offiziellen und institutionellen Archiven. 5 • Bei Peoples handelt es sich um eine prosopographische und onomastische Datenbank, die auf den Prosopographia Ptolemaica (erscheint in den Studia Hellenistica, Leuven 1950 ff.) basiert und derzeit 517.964 Belege enthält, die 368.780 Individuen und 34.052 Namen zugeordnet werden können. Die Datenbank enthält hilfreiche Analysetools, u. a. eine Visualisierungsfunktion onomastischer Netzwerke. 6 • Places verzeichnet als geographische Datenbank derzeit mehr als 57.000 Orte in Ägypten und darüber hinaus (die Datenbank wächst mit der Ausweitung von Trismegistos auf die gesamte antike Welt) sowie fast 230.000 Toponyme in den Texten aus Ägypten. 7 Trismegistos enthält außerdem einige weitere sehr hilfreiche Tools zur Auswertung des Datenbestandes. • Authors verzeichnet die im Datenbestand vorhandenen 6.370 antike Autorennamen, die nach Sprache und Geschlecht sowie nach chronologischen Kriterien sortiert werden können. • Mit dem Tool Time können die enthaltenen Texte nach verschiedenen Zeitmesssystemen gefiltert werden (z. B. Epochen, Dynastien, verschiedene Kalendersysteme). 3 Vgl. dazu die Angaben unter www.trismegistos.org/ about.php. Enthalten sind außerdem noch zwei weitere Datenbanken: Magic enthält als thematische Datenbank fast 2.500 Einträge zu rituellen, magischen und divinatorischen Texten. Seals enthält die Daten zu Siegeln und Stempeln auf Papyri aus Ägypten. Es ist nicht unmittelbar ersichtlich, ob diese Datenbank noch aktualisiert und fortgeführt wird. Hier ergäbe sich in jedem Fall ein großes Potential zur Ausweitung des Projektes in die Altorientalistik. 4 Vgl. weiterführend Clarysse, Collections. 5 Vgl. weiterführend Vandorpe/ Clarysse/ Verreth, Archives. 6 Vgl. weiterführend Broux/ Depauw, Developing. 7 Vgl. weiterführend Verreth, Survey. 144 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) • Words ist ein Werkzeug zur morphologischen und statistischen Untersuchung der Lemmata, die in den in der Datenbank enthaltenen Texte vorkommen. • Text Irregularities wertet linguistische (phonologische und morphologische) Variationen durch die Analyse von Fehlern, Auslassungen und moderne Korrekturen aus, die in Daten erfasst sind. 8 • Latin Abbreviations basiert auf der Epigraphischen Datenbank Clauss - Slaby und ist ein hilreiches Werkzeug zur Entschlüsselung und Analyse von Abkürzungen in lateinischen Inschriften. • Editors verzeichnet die in den Metadaten der Kerndatenbank gesammelten Herausgeber. 9 3 Suchfunktionen Die Datenbank enthält eine zentrale und intelligent gemachte Suchfunktion, die komplexe Suchen zulässt und intuitiv und leicht zu bedienen ist. Besonders hilfreich sind die weiterführenden Auswahlmöglichkeiten, die oben über der Trefferliste angezeigt werden. Damit sind Suchanfragen sehr einfach zu präzisieren. Die volle Funktionalität der Suchfunktion steht allerdings nur Subskribenten zur Verfügung. Man kommt aber schon mit der offenen einfachen Suchfunktion sehr weit, aber muss ggf. einen größeren Datensatz händisch durchgehen. 4 Hilfefunktionen Für die Suchfunktion gibt es seit 2019 ein gut 15-minütiges Einführungsvideo. Unter TM Info finden Nutzerinnen und Nutzer neben generellen Hinweisen, eine Anleitung zum Zitieren, eine Übersicht über den aktuellen Stand der Abdeckung, Hinweise zu Sprachen und Schriften, zur Strukturierung der Daten und zur Struktur der Datenbank. 5 Datenexport Trismegistos sieht grundsätzlich Datenexportfunktionen vor. Das neue Tool TM Words hat bereits eine solche Funktion. Bei den anderen Datenbanken und Tools soll dies noch implementiert werden. Als Hilfsmittel für den Übergang wird auf 8 Vgl. dazu Depauw/ Stolk, Linguistic Variation. 9 Vgl. dazu Depauw/ Broux, Editions. https: / / www.trismegistos.org/ 145 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 Google spreadsheets verwiesen, womit Tabellenansichten aus Trismegistos exportiert werden können. 10 6 User Exchange Ein Austausch der User untereinander ist nicht vorgesehen. Allerdings ermöglicht die Plattform Möglichkeiten der Mitarbeit. So enthält die Plattform eine Schnittstelle „Adding texts“ 11 , über die Nutzer noch nicht implementierte Texte in das System einpflegen können. Zudem freuen sich die Verantwortlichen der Seite über Korrekturhinweise, sollte ein Nutzer Fehler finden. Über eine Mailing-List können sich Nutzerinnen und Nutzer über Updates, die Implementation neuer Datensätze und neue Funktionalitäten informieren lassen. 7 Einsatzmöglichkeiten im akademischen Unterricht Die Einsatzmöglichkeiten für Trismegistos im akademischen Unterricht sind so vielseitig, dass sie im Rahmen dieses Beitrages nur exemplarisch veranschaulicht werden können. Aus der Sicht des Vf. wäre es sinnvoll, die TM-Nummern ( stable identifier ) im Rahmen der quellenkundlichen Propädeutik im Rahmen des Proseminars oder einer anderen Einführungsveranstaltung einzuführen. Zudem sollten die Lehrenden dann selbst die TM-Nr. z. B. auf Quellenblättern und in Präsentationen nutzen. Damit haben die Studierenden dann eine sichere und schnelle Möglichkeit, sich weiterführende Informationen über die jeweiligen materiellen Textzeugnisse einzuholen. Die Potentiale lassen sich am Beispiel von P 72 erläutern. Das Sigel bezeichnet im Rahmen der Gregory-Aland-Nummerierung bekanntlich die neutestamentlichen Schriften Jud und 1/ 2Petr, die im Rahmen des Papyrus Bodmer 7-8 überliefert sind. Der Kodex selbst enthält aber noch zahlreiche andere Schriften. Der Eintrag unter der TM-Nr. 61420 bündelt nun alle wichtigen Informationen zu dieser Handschrift. Er enthält nicht nur die Angaben über den sonstigen Inhalt der Handschrift, die Datierung, 12 die Herkunft, das Buchformat und die Schrift, sondern auch eine ausführliche Bibliographie sowie weiterführende Links zum Online-Auftritt der Bodmer-Papyri sowie direkt zum digitalen Objekt im Rahmen des Projektes Center for the Study of New Testament Manuscripts (CSNTM) und des Münsteraner New Testament Virtual Manuscript Room (NT.VMR). Über 10 Vgl. www.trismegistos.org/ how_to_export.php? address=http: / / www.trismegistos.org/ geo/ georef_list.php? tex_id=27500%26order=standard%26p=1 11 www.trismegistos.org/ tm/ add_text/ add_text_1.php. 12 Die Datierungen basieren auf: Orsini/ Clarysse, Manuscripts. 146 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) letzteres Portal können die Studierenden die Digitalisate und ein Transkript einsehen. Trismegistos lässt sich aber auch im Rahmen von Unterrichtssequenzen einsetzen, die nach dem Prinzip des Forschenden Lernens 13 gestaltet sind. So bietet die Metadatenbank große Potentiale für eigenständige statistische Untersuchungen am überlieferten Quellenmaterial. Insbesondere die zahlreichen Visualisierungsmöglichkeiten sind hervorzuheben. So können Studierende z. B. die Frage nach der Verteilung der Buchformate Rolle und Kodex von der Kaiserzeit bis in die Spätantike 14 statistisch durch wenige Suchanfragen selbst erheben und graphisch darstellen lassen. Die Daten können zusätzlich sogar in Relation zu den Sprachen, zum Material, zur regionalen Verteilung, aber auch im Hinblick auf andere Faktoren wie z. B. das Genre untersucht werden. Daneben können Studierende mit der prosopographischen Datenbank die in den biblischen Texten vorkommenden Namen untersuchen und damit z. B. in rezeptionsgeschichtlicher Perspektive die Prägekraft der biblischen Texte analysieren. Besondere Möglichkeiten bietet die Funktion TM Words . Damit können Studierende eigenständig semantisch-lexikologischen Fragestellungen nachgehen. Die Suchfunktion nach griechischen Wörtern in den enthaltenen Datensätzen kann die gängigen Hilfsmittel (z. B. das Wörterbuch von Moulton and Milligan) zur Erschließgung der Sprachverwendung in dokumentarischen Papyri (sowie in Texten auf Pergament, Ostraka und Holz) sinnvoll ergänzen. Die einzelnen Texte, in denen das gesuchte Lexem zu finden ist, lassen sich einsehen. Über die Metadaten bei Trismegistos oder verlinkten Datenbanken sind sodann auch schnell Übersetzungen zu recherchieren. Darüber hinaus können auch umfassende statistische Daten zur Sprachverwendung einzelner Lexeme erhoben werden, wobei nicht nur verschiedenste morphologische Kriterien, sondern z. B. auch das Material, das Genre, die regionale Herkunft und die zeitliche Verteilung berücksichtigt werden können. 8 Ausblick Trismegistos ist ein Beispiel, das aus der geschickten Bündelung vieler einzelner Projekte eine sich kontinuierlich fortentwickelnde digitale Forschungsinfrastruktur entstehen kann, die aber am Ende Opfer einer kompetitiv und auf Kurzzeitprojekte hin ausgerichteten Forschungsförderung durch Drittmittel zu werden droht. Da Trismegistos keine dauerhafte Finanzierung hat und derzeit keine Forschungsgelder mehr erhält, sahen sich die Verantwortlichen gezwun- 13 Vgl. dazu Heilmann, E-Learning; h eilmann / w ick , Exegese. 14 Vgl. zur Frage z. B. Wallraff, Kodex, 8-25. https: / / www.trismegistos.org/ 147 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 gen, die volle Nutzbarkeit nur gegen Bezahlung zu gewähren. (Die Nutzung der stable identifier und der Datenbankeinträge bleibt davon unberührt.) Die nachvollziehbare Wahl des Bezahlmodells für die Analysetools steht in einer Spannung zum politischen Willen zur freien Nutzbarkeit und Nachnutzbarkeit von digitalen Forschungsinfrastrukturen, die durch öffentliche Mittel entstanden sind. Es wäre aber auch eine Vergeudung der investierten Forschungsgelder und des Arbeitseinsatzes der beteiligten Forscher, wenn Trismegistos aus Kostengründen nicht fortgeführt werden könnte. Dies wäre umso tragischer, als hier eine sinnvolle und hilfreiche digitale Infrastruktur vorliegt, die jetzt schon von unschätzbarem Wert ist 15 und sich in den kommenden Jahren zu einem disziplinenübergreifenden altertumswissenschaftlichen Standard weiterentwickeln sollte. 15 Vgl. Bagnall/ Heath, Digital Resources, 177. 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) https: / / www.trismegistos.org/ An Interdisciplinary Portal of the Ancient World translated by David O’Neill 1 The Project Trismegistos is an interdisciplinary metadatabase of the ancient world coordinated at KU Leuven under the direction of Mark Depauw. The goal of the underlying projects is to break down disciplinary barriers. To this end, basal metadata on sources will be collected and standardized, and access to other ancient studies databases will be pooled. The heart of Trismegistos are the universal stable identifier (TM numbers), which make texts or material objects uniquely assignable and are essential for the future of digital research in ancient studies. 1 However, due to the diversity of citation standards in different disciplines within ancient studies, the traditional citation standards are useless for digital research approaches. Only standardized and uniform IDs allow for a machine-readable design of databases, but also of specialized publications. Stable identifiers are not intended to replace traditional, subject-specific citation standards, which are incidentally also integrated in Trismegistos, in academic publications. However, as an additional citation standard for ancient scripture-bearing sources, they can facilitate research and, in particular, the traceability of citations across disciplines, as well as promote the machine-readability of research literature or automated searches of cited source. Because of the interdisciplinary orientation and the large scope of Trismegistos, the TM numbers lend themselves as a new standard for (almost) all ancient studies subjects and thus also for Biblical studies. The origin of the project is a prosopographical project established in 1937 by Willy Peremans, which was intended to provide cross-linguistic information on the people of Ptolemaic Egypt as attested in the sources. This is where the idea of cross-linguistic and cross-disciplinary data collection comes from. In the 1980s, the data collected on index cards was then migrated to a digital envi- 1 Cf. Depauw/ Gehldof, Trismegistos, 40f. https: / / www.trismegistos.org/ 149 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 ronment. Two other core elements of Trismegistos were the Leuven Database of Ancient Books (LDAB) and Leuven Homepage of Papyrus Collections , originally independent databases developed by Willy Clarysse. The Trismegistos database itself grew out of Mark Depauw’s Sofja Kovalevskaja Award-funded project Multilingualism and Multiculturalism in Greco-Roman Egypt at the University of Cologne. Since then, numerous other databases have been included and project partnerships have been established, e. g.: Demotic and Abnormal Hieratic Texts (DAHT), Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens (HGV), Brussels Coptic Database (BCD), Aramaic Texts form Egypt (ATE), Berliner Papyrusdatenbank , Duke Databank of Documentary Papyri (DDbDP), Epigraphische Datenbank Clauss-Slaby (EDCS), Epigraphische Datenbank Heidelberg (EDH) and many more. 2 2 Content The core of Trismegistos is the TM Texts database, which currently contains nearly 850,000 entries (papyrological and epigraphic material). The project aims to provide information on all material text objects of the ancient world (cross-linguistically), from 800 BC to 800 AD. Originally, only published texts were included, but by now the same holds for unpublished texts. The current state of coverage can be found at the following links: For Egypt (nearly complete coverage): www.trismegistos.org/ about_coverage. php For the ancient world as a whole: www.trismegistos.org/ about_coverage_ ancientworld.php In addition, Trismegistos also contains other important databases that are connected with the core database and contain statistical analysis tools: 3 • Collections currently lists 4,148 private and institutional collections worldwide, which can be accessed via a search function or map. The individual records list the texts contained in the core database. In the future, more information about the collections will be added. 4 2 On the history of Trismegistos cf. Depauw/ Gehldorf, Trismegistos, 41-43. An overview of the growing number of project partnerships is to be found here: www.trismegistos.org/ partners. 3 Cf. the information at www.trismegistos.org/ about.php. Two other databases are also included: Magic is a thematic database containing almost 2,500 entries on ritual, magical and divinatory texts. Seals contains data on seals and stamps on papyri from Egypt. It is not immediately apparent whether this database is still being updated and continued. In any case, there would be a great potential for extending the project into Ancient Near Eastern Studies. 4 Cf. Further Clarysse, Collections. 150 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) • Archives contains information on 570 ancient private, official and institutional archives. 5 • Peoples is a prosopographic and onomastic database based on the Prosopographia Ptolemaica (published in Studia Hellenistica , Leuven 1950 ff.) and currently contains 517,964 records attributable to 368,780 individuals and 34,052 names. The database contains helpful analysis tools, including a visualization function of onomastic networks. 6 • Places , as a geographic database, currently lists more than 57,000 places in Egypt and beyond (the database is growing as Trismegistos expands to include the entire ancient world), as well as nearly 230,000 toponyms in texts from Egypt. 7 Trismegistos also includes some other very helpful dataset evaluation tools. • Authors lists the 6,370 ancient author names present in the dataset, which can be sorted by language and gender as well as chronological criteria. • The Time tool can be used to filter the texts according to various time measurement systems (e. g., eras, dynasties, various calendar systems). • Words is a tool for morphological and statistical analysis of lemmas occurring in the texts included in the database. • Text Irregularities evaluates linguistic (phonological and morphological) variations by analyzing errors, omissions and modern corrections recorded in data. 8 • Latin Abbreviations is based on the Epigraphic Database Clauss-Slaby and is a helpful tool for deciphering and analyzing abbreviations in Latin inscriptions. • Editors lists the editors collected in the metadata of the core database. 9 3 Search Functions The database contains a central and intelligently designed search function that allows complex searches and is intuitive and easy to use. Particularly helpful are the advanced selection options that are displayed at the top of the hit list. This makes it very easy to specify search queries. 5 Cf. Further Vandorpe/ Clarysse/ Verreth, Archives. 6 Cf. further Broux/ Depauw, Developing. 7 Cf. further Verreth, Survey. 8 Cf. Depauw/ Stolk, Linguistic Variation. 9 Cf. Depauw/ Broux, Editions. https: / / www.trismegistos.org/ 151 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 However, the full functionality of the search function is only available to subscribers. It is still possible to find quite a lot by use of the open simple search function, though one may have to go through a larger data set manually. 4 Help Functions For the search function, there has been a good 15-minute introductory video since 2019. Under TM Info , users will find general notes, instructions on citation, an overview of the current status of coverage, notes on languages and fonts, on structuring the data, and on the structure of the database. 5 Data Export Trismegistos basically provides for data export functions. The new tool TM Words already has such a function. For the other databases and tools, this is still to be implemented. As a transition aid, reference is made to Google spreadsheets , via which table views can be exported from Trismegistos. 10 6 User Exchange An exchange between the users is not planned. However, the platform does provide opportunities for collaboration. For example, the platform contains an interface “Adding texts” 11 , which allows users to add texts to the system that have not yet been implemented. In addition, those responsible for the site are happy to receive correction notes if a user finds errors. Via subscribing to the mailing list, users can stay informed about updates, the implementation of new data sets and new functionalities. 7 Possible Applications in Academic Teaching The possible applications for Trismegistos in academic teaching are so versatile that they can only be illustrated by way of example within the scope of this article. From the author’s point of view, it would make sense to introduce the TM numbers ( stable identifiers ) in the context of source studies propaedeutics 10 Cf. www.trismegistos.org/ how_to_export.php? address=http: / / www.trismegistos.org/ geo/ georef_list.php? tex_id=27500%26order=standard%26p=1. 11 www.trismegistos.org/ tm/ add_text/ add_text_1.php. 152 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) during the proseminar or any other introductory course. In addition, the teachers should then use the TM number. themselves, e. g. on source sheets and in presentations. This will then provide students with a safe and quick way to obtain further information about the material evidence in question. The potentials can be explained by the example of P 72. As is known, within the framework of the Gregory-Aland numbering, the Sigel designates the New Testament writings Jud and 1/ 2Petr, which have come down to us within the framework of the Papyrus Bodmer 7-8. However, the codex itself contains numerous other writings. The entry under TM 61420 now bundles all important information about this manuscript. Not only does it contain information about the other contents of the manuscript, the dating, 12 the provenance, the book format and the script, but also a detailed bibliography as well as further links to the online presence of the Bodmer Papyri as well as directly to the digital object within the Center for the Study of New Testament Manuscripts (CSNTM) project and the Münster New Testament Virtual Manuscript Room (NT.VMR). In the latter, students can view the digital copies and a transcript. However, Trismegistos can also be used in the context of teaching sequences designed according to the principle of inquiry-based learning. 13 As an example: The metadatabase offers great potential for independent statistical investigations of the surviving source material. In particular, the numerous visualization options should be emphasized. Students can thus statistically investigate the question of the distribution of the book formats scroll and codex from the imperial period to late antiquity 14 by means of a few search queries and will get them displayed graphically. In addition, the data can even be examined in relation to languages, material, regional distribution, but also with regard to other factors such as genre. Students can then use the prosopographical database to examine the names occurring in the Biblical texts and thus analyze, for example, the formative power of the Biblical texts in a reception-historical perspective. The TM Words function offers special opportunities. With it, students can independently investigate semantic-lexicological questions. The search function for Greek words in the contained datasets can usefully supplement the usual tools (e. g. the dictionary of Moulton and Milligan) for the indexing of language use in documentary papyri (as well as in texts on parchment, ostraca and wood). The individual texts containing the sought lexeme can be displayed. Using the metadata at Trismegistos or linked databases, translations can then also be researched quickly. In addition, comprehensive statistical data on the language 12 The dating is based on: Orsini/ Clarysse, Manuscripts. 13 Cf. Heilmann, E-Learning; Heilmann/ Wick, Exegese. 14 Cf. on the question e. g. Wallraff, Kodex, 8-25. https: / / www.trismegistos.org/ 153 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0017 use of individual lexemes can be collected, taking into account not only a wide variety of morphological criteria, but also, for example, the material, genre, regional origin and temporal distribution. 8 Prospects Trismegistos is an example of how the skillful bundling of many individual projects can result in a continuously developing digital research infrastructure, which yet ultimately is at risk of becoming the victim of competitive third-party research funding geared towards short-term projects. Since Trismegistos has no permanent financial aid and currently receives no more research funding, those responsible felt compelled to grant full usability only against payment. (This does not affect the use of the stable identifiers and database entries). The understandable choice of the payment model for the analysis tools is in tension with the political will for free (re-)usability of digital research infrastructures created by public funding. However, it would also be a waste of the research funds invested and the labor input of the researchers involved if Trismegistos could not be continued for cost reasons. This would be all the more tragic because a useful and helpful digital infrastructure is available here that is already priceless 15 and should continue to develop into a cross-disciplinary ancient history standard in the years to come. Keywords Digital Humanities, database, Greco-Roman culture, materiality, papyri Bibliography Bagnall, Roger S./ Heath, Sebastian: Roman Studies and Digital Resources, JRS 108 (2018), 171-189. Broux, Yanne/ Depauw, Mark: Developing Onomastic Gazetteers and Prosopographies for the Ancient World through Named Entity Recognition and Graph Visualization, in: Aiello, Luca M./ McFarland, Daniel (Hg.): Social Informatics. SocInfo 2014 International Workshops, Barcelona, Spain, November 10, 2014. Revised Selected Papers (Lecture Notes in Computer Science 8852), Cham 2015, 304-313. Clarysse, Willy: Papyrus Collections World Wide, Brussel 2000. 15 Cf. Bagnall/ Heath, Digital Resources, 177. 154 Jan Heilmann 10.24053/ VvAa-2020-0017 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Depauw, Mark/ Broux, Yanne: Editions and Editors of Greek Papyrological Texts 1708- 2015, ZPE 198 (2016), 202-210. Depauw, Mark/ Gheldof, Tom: Trismegistos: An Interdisciplinary Platform for Ancient World Texts and Related Information, in: Bolikowski, Łukasz u. a. (Hg.): Theory and Practice of Digital Libraries (Communications in Computer and Information Science 416), Cham 2014, 40-52.2. doi: 10.1007/ 978-3-319-08425-1_5. Depauw, Mark/ Stolk, Joanne V.: Linguistic Variation in Greek Papyri. Towards a New Tool for Quantitative Study, GRBS 55 (2015), 196-220. Heilmann, Jan: E-Learning und Forschendes Lernen mit Wikis in der Lehre der Bibelwissenschaften. Ein Weg zur Entwicklung guter Bibelauslegung im Studium? , Forum Exegese und Hochschuldidaktik. VvAa 1/ 1 (2016), 77-100. Heilmann, Jan/ Wick, Peter: Exegese des Neuen Testaments in einer Gelehrtenwerkstatt: Forschendes Lernen in den Bibelwissenschaften in einem Blended-Learning- Szenario, in: Giercke-Ungermann, Annett/ Hübenthal, Sandra (Hg.): Orks in der Gelehrtenwerkstatt? Neue und alternative Lehrkonzepte im Bereich der Bibelwissenschaften (Theologie und Hochschuldidaktik 6), Münster 2016, 105-119. Orsini, Pasquale/ Clarysse, Willy: Early New Testament Manuscripts and Their Dates. A Critique of Theological Palaeography, EThL 88 (2012), 443-474. Vandorpe, Katelijn u. a.: Graeco-Roman Archives from the Fayum (Collectanea Hellenistica 6), Leuven 2015. Verreth, Herbert: A Survey of Toponyms in Egypt in the Graeco-Roman Period (Trismegistos Online Publications 2), Leuven, Version 2.0, 2013. URL: https: / / limo.libis. be/ primo-explore/ fulldisplay? docid=LIRIAS1800799&context=L&vid=Lirias&search_ scope=Lirias&tab=default_tab&lang=en_US (letzter Zugriff: 30.09.2020). Wallraff, Martin: Kodex und Kanon. Das Buch im frühen Christentum, Berlin 2013. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0018 Book Reviews Silvia Schroer: Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient. Eine Religionsgeschichte in Bildern (IPIAO), Band-1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Band-2: Die-Mittelbronzezeit, Band-3: Die Spätbronzezeit, Band-4: Die Eisenzeit bis zum Beginn der achämenidischen Herrschaft, Basel 2018, 2156-Seiten, ISBN 978-3-7965-3880-3. rezensiert von Thomas Wagner (orcid.org/ 0000-0002-4076-5134) 1 Zum Buch Die vierbändige Sammlung der in Palästina/ Israel gefundenen Objekte und Artefakte wurde anfänglich von Silvia Schroer in Kooperation mit dem Fribourger Alttestamentler Othmar Keel herausgegeben und erschien bis einschließlich Band 3 in der Academic Press Fribourg. Der letzte und umfangreichste Band der Sammlung (965 Seiten) wurde im Schwabe Verlag (Basel) publiziert, in dem nun auch die Gesamtreihe erscheint. Auf den Buchrücken werden die Objektnummern des jeweiligen Bandes angegeben, die durch das Gesamtwerk gezählt werden. Auf diese Weise sind die einzelnen Motive neben ihrer Inventarisierungsnummer des aufbewahrenden Museums auch unter ihrer IPIAO-Nummer zitiertbar. Die Publikationsreihe bildet Objekte vom Natufium bis zum Beginn der achämenidischen Periode ab, wobei die einzelnen Epochen der Bronzezeit sowie die EZ I, IIa, IIb und IIc im Zentrum der Darstellung stehen. Ursprünglich und sowohl in der Einleitung in Band 1 als auch auf der Internetseite des Projekts (www.ipiao.unibe.ch) vermerkt, sollte sich die Sammlung auf die Zeit bis zum Beginn des Hellenismus erstrecken. Die Zeit achämenidischer Herrschaft bleibt jedoch ausgespart und wird in den kommenden Jahren im Projekt Die Bildwelt 156 Thomas Wagner 10.24053/ VvAa-2020-0018 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Palästinas/ Israels zwischen Ost und West (BIPOW) (www.bipow.unibe.ch) behandelt werden. Mit der vorliegenden Sammlung wird ein wesentlicher Aspekt zur Rekonstruktion einer Religionsgeschichte Palästinas/ Israels abgebildet. Die ikonographischen Zeugnisse werden von den Autorinnen/ Autoren anders als die biblischen Schriften als zuverlässige historische Zeugnisse gedeutet: „Die biblischen Quellen bilden nicht antike Wirklichkeit ab. Sie bieten oft Ausschnitte oder Wahrnehmungen des Lebens, manchmal verzerren sie aus mehr oder weniger erkennbaren Prämissen oder Absichten heraus einen Sachverhalt. Wertlos sind die biblischen Schriften für Geschichtsrekonstruktionen keineswegs, aber man muss sie relativieren und am richtigen Ort in das Puzzle der rekonstruierten Geschichte oder des rekonstruierten Symbolsystems einfügen“ (Bd. 1, 12). Zur Rekonstruktion der Literaturgeschichte besitzen die ikonographischen Zeugnisse eine wesentliche Bedeutung: „Die Kenntnis der Bilder ermöglicht es, die biblischen Texte […] besser zu situieren, sie als Zeugnisse einer in verschiedenen Medien geführten Auseinandersetzung zu verstehen und am richtigen Ort in das geschichtliche Puzzle […] einzuordnen“ (Bd. 1, 27). Die Rekonstruktion der Religionsgeschichte erfolgt in dieser Sammlung über Gegenstände der Miniaturkunst, wie sie vielfältig in Israel/ Palästina belegt ist und entweder als Handelsware ins Land kam oder dort produziert wurde. Die Lage des Landes, das in der Bronze- und Eisenzeit häufig als Transitregion zwischen den Großreichen diente, wird in der Konzeption der Sammlung widergespiegelt: Die in Palästina/ Israel gefundenen Stücke werden in der Bildwelt der Großreiche kontextualisiert, so dass der Einfluss dieser Reiche sichtbar wird. Auf Referenzen zu biblischen oder anderen altorientalischen Texten verzichten die Autoren. Diese Beschränkung hat einen zweifachen positiven Aspekt: Zum einen werden die Bildzeugnisse als eigenständige Quellen wahrnehmbar, zum anderen werden keine Vorentscheidungen über Textbezüge getroffen, die die Wahrnehmung von Bild und Text leiten. Es verbleibt bei der Betrachterin/ beim Betrachter und deren/ dessen Textkenntnis, diese Referenzen herzustellen. Ein Alleinstellungsmerkmal der Sammlung ist der kritische Apparat der dargestellten Katalogstücke. In diesem werden Fundort/ Fundkontext, Epochenzugehörigkeit/ Datierung, Bildträger (Material und Beschaffenheit), Objektmaße, Aufbewahrungsort, Veröffentlichungen und Parallelen notiert. 2 Zu Didaktik und Methode Dem Katalog der Objekte der einzelnen Epochen steht jeweils eine gleichartig strukturierte Einleitung voran. Diese besteht aus: I. Datierung; II. Hauptorte; Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0018 Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient 157 III. Kulturgeschichtliche Erträge des archäologischen Befundes; IV. Themen der Bildkunst; V. Biblische Bezüge. Der zweite Abschnitt Hauptorte beinhaltet jeweils eine Karte, so dass Lesende neben Wissen über die kulturelle Entwicklung zugleich einen Überblick über die Geographie Palästinas erwerben. Die Einleitungen bilden zusammen ein Kompendium der Religionsgeschichte Palästinas/ Israels, in dem die wesentlichen Aspekte (nicht nur) des religiösen Lebens beschrieben werden. So findet sich z. B. in der Einleitung zur Spätbronzezeit eine Kurzbeschreibung der Hauptgottheiten der Großreiche (Bd. 3, 44-74), in der Einleitung zur Eisenzeit eine Beschreibung der Geschichte der Reiche, mit denen Palästina/ Israel in dieser Epoche in kulturellem Kontakt lebte (Bd. 4, 25-60). Die im Katalog abgebildeten Objekte sind größtenteils Bildzeugnisse des religiösen Lebens, wobei Religiosität nahezu alle Lebensbereiche betraf. Profane Bilder oder Darstellungen von Ausgrabungen, wie sie sich sowohl in Pritchards ANEP als auch in Gressmanns Altorientalische Bilder zum Alten Testament finden, werden in IPIAO ausgespart. Der Katalog ist nach Motiven sortiert. Zu den einzelnen Objekten sind jeweils eine Umzeichnung, eine Bildbeschreibung sowie ein kritischer Apparat in den Katalog eingetragen. Für die Kontextualisierung der Bilder werden Parallelen (mit Publikation) angegeben. Der kritische Apparat von IPIAO stellt zugleich die Grundlage für die Bilderdatenbank BODO (www.bible-orient-museum.ch/ bodo/ ) dar, in der sich über die in IPIAO gesammelten Objekte weitere befinden. Auf der Innenseite des Deckels eines jeden Bandes sind eine Karte mit allen für die jeweiligen Epochen relevanten Fundorten sowie eine Tabelle aller Leitmotive beigefügt, über die die Lesenden einen schnellen Überblick über wesentliche Gehalte des Bandes erhalten. 3 Das Buch als Lehr-Lern-Buch IPIAO stellt eine Grundlage für eine methodische Erschließung der Bildwelt des antiken Vorderen Orients mit dem Schwerpunkt Palästina/ Israel dar und soll als solche zur Rekonstruktion der Religionsgeschichte dieses Kulturraums beitragen. Damit dient die Sammlung zunächst der Forschung, kann aber zugleich auch im Bereich der Lehre mit einem Fokus auf forschendem Lernen eingesetzt werden. Mit der kulturellen Kontextualisierung der Bilder sowie den einleitenden Beiträgen zur Kulturgeschichte sowie zur Motivauswahl in den jeweiligen Epochen bietet das Werk Studierenden die Möglichkeit, das in ihm gesammelte Wissen miteinander in Verbindung zu bringen und auf diese Weise kulturgeschichtliche Entwicklungen nachzeichnen zu können. 158 Thomas Wagner 10.24053/ VvAa-2020-0018 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Um die Sammlung gewinnbringend im akademischen Unterricht einsetzen zu können, bedarf es vorab jedoch einer methodischen Schulung zur Analyse der Bildwelt des Vorderen Orients. Wie die Autoren einleitend anmerken, ist die Ausbildung einer solchen Methodik noch nicht vollends abgeschlossen. In den 1990er und 2000er Jahren setzte vor allem durch die Fribourger Schule um Othmar Keel eine Abwendung von der Deutung der Objekte als kunstgeschichtliche Zeugnisse ein (Bd. 1, 20 f.). In der Folgezeit wurde der von Panofsky stammende Ansatz ikonologischer Deutung verstärkt verfolgt, der von Othmar Keel (Das Recht der Bilder gesehen zu werden. Drei Fallstudien zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder [OBO 122], Fribourg/ Göttingen 1992, 267-273) und Hartmut Kühne (Gedanken zur kunstgeschichtlichen Betrachtungsweise in der Vorderasiatischen Archäologie, in: Hartmut Kühne u. a. (Hg.): Fluchtpunkt Uruk. Achräologische Einheit aus methodischer Vielfalt (FS Nissen), Rahden 1999, 342-351) fortentwickelt und schließlich von Friedhelm Hartenstein (Altorientalische Ikonographie und Exegese des Alten Testaments, in: Siegfried Kreuzer u. a. (Hg.), Proseminar I Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2 2005, 173-186) sowie im Arbeitsbuch Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible/ Old Testament. An Introduction to Its Methods and Practice von Izaak J. de Hulster, Brent A. Strawn und Ryan P. Bonfiglio (Göttingen 2015) in reduzierter Form in Anwendung gebracht wurde. Gegen den Trend einer Reduktion der Bildanalyse auf das sog. Panofsky- Schema bietet IPIAO einen ausführlichen kritischen Apparat, durch den eine Erschließung der Objekte vor allem hinsichtlich einer Qualitäts-, Material- und Stilkritik möglich wird. Die Angaben entstammen allerdings größtenteils den (Erst-)Publikationen der Fundstücke, so dass bei einer vertieften wissenschaftlichen Arbeit an den Objekten eine Überprüfung am Original unumgänglich ist. Die Grundlagen zu einer umfassenden Methodik einer historisch-kritischen Erschließung der Bildzeugnisse des antiken Vorderen Orients, die in den kommenden Jahren ausgearbeitet und spezifiziert werden können, sind damit gelegt. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0018 translated by Thomas Wagner 1 About the Book The four-volume collection of objects and artefacts found in Palestine/ Israel was initially edited by Silvia Schroer in cooperation with the Fribourg Old Testament scholar Othmar Keel and appeared up to volume 3 in the Academic Press Fribourg. The last and most comprehensive volume of the collection (965 pages) was published by Schwabe Verlag (Basel), which now also publishes the complete series. The object numbers of each volume are indicated on the spines of the books, which are counted through the complete work. In this way, the individual motifs can be cited not only under their inventory number of the conserving museum but also under their IPIAO number. The publication series depicts objects from the Natufium to the beginning of the Achaemenid period, with the epochs of the Bronze Age and the Iron Age I, IIa, IIb and IIc at the centre of the presentation. Originally and as noted both in the introduction in volume 1 and on the project’s website (www.ipiao.unibe. ch), the collection was intended to cover the period up to the beginning of Hellenism. However, the period of Achaemenid rule is left out and will be dealt with in the project The Picture World of Palestine/ Israel between East and West (BIPOW) (www.bipow.unibe.ch). This collection represents an essential aspect of the reconstruction of a religious history of Palestine/ Israel. Unlike the Biblical writings, the iconographic testimonies are interpreted by the authors as reliable historical evidence: “The Biblical sources do not represent ancient reality. They often offer excerpts or perceptions of life, sometimes they distort a situation out of more or less recognisable premises or intentions. The Biblical writings are by no means worthless for historical reconstructions, but they must be put into perspective and inserted in the right place in the puzzle of the reconstructed history or the reconstructed symbol system” (vol. 1, 12). Iconographic testimonies are of essential importance for the reconstruction of literary history: “Knowledge of the images makes it possible to situate the Biblical texts […] better, to understand them as testimonies of a debate conducted in various media, and to place them in the right place in the historical puzzle […]” (vol. 1, 27). The reconstruction of the history of religion in this collection is done by means of objects of miniature art, as it is manifoldly documented in Israel/ Palestine and either came into the country as merchandise or was produced there. The location of the country, which in the Bronze and Iron Age often served as 160 Thomas Wagner 10.24053/ VvAa-2020-0018 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) a transit region between the great empires, is reflected in the conception of the collection: the pieces found in Palestine/ Israel are contextualised in the imagery of the great empires so that the influence of these empires becomes visible. The authors refrain from references to Biblical or other ancient oriental texts. This restriction has a twofold positive aspect: on the one hand, the pictorial testimonies are perceived as independent sources, and on the other hand, no preliminary decisions are made about textual references that guide the perception of image and text. It remains up to the viewer and his or her knowledge of the text to make these references. A unique selling point of the collection is the critical apparatus. In this apparatus, find location/ find context, epoch affiliation/ dating, image carrier (material and composition), object dimensions, storage location, publications and parallels are noted. 2 On Didactics and Methods The catalogue of objects from the individual epochs is preceded by a similarly structured introduction. This consists of: I. Dating; II. Main sites; III. Culturalhistorical yields of the archaeological findings; IV. Themes of pictorial art; V. Biblical references. The second section, Main sites , contains a map, so that readers can gain an overview of the geography of Palestine in addition to knowledge of the cultural development. The introductions together form a compendium of the religious history of Palestine/ Israel, describing the essential aspects of (not only) religious life. For example, the introduction to the Late Bronze Age contains a short description of the main deities of the great empires (vol. 3, 44-74), while the introduction to the Iron Age describes the history of empires with which Palestine/ Israel lived in cultural contact during this period (vol. 4, 25-60). The objects shown in the catalogue are mostly pictorial evidence of religious life, with religiousness affecting almost all areas of life. Profane pictures or representations of excavations, as they can be found in Pritchard’s ANEP as well as in Gressmann’s Alter Orient und Altes Testament are omitted in IPIAO. The catalogue is sorted by motifs. For each of the individual objects, a redrawing, a description of the picture and a critical apparatus are entered in the catalogue. Parallels (with publication) are given for the contextualisation of the pictures. The critical apparatus of IPIAO also forms the basis for the image database BODO (www.bible-orient-museum.ch/ bodo/ ), which contains further objects in addition to those collected in IPIAO. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0018 On the inside of the cover of each volume is a map with all the sites relevant to the respective epochs, as well as a table of all motifs, through which readers can obtain a quick overview of the volume’s essential contents. 3 A Teaching and Learning Book IPIAO provides a basis for a methodical exploration of the pictorial world of the ancient Near East with a focus on Palestine/ Israel and as such should contribute to the reconstruction of the religious history of this area. Thus, the collection initially serves research purposes, but can also be used in the field of teaching with a focus on research-based learning. With the cultural contextualisation of the images and the introductory contributions on cultural history as well as the selection of motifs in the respective epochs, the work offers students the opportunity to connect the knowledge they have collected to trace cultural-historical developments. In order to be able to use the collection profitably in academic teaching, however, methodological training in the analysis of the visual world of the ancient Near East is required first. As the authors point out in the introduction, the training of such a methodology is not yet complete. In the 1990s and 2000s, the Fribourg School founded by Othmar Keel in particular began to turn away from the interpretation of objects as art historical testimonies (vol. 1, 20 f.). In the period that followed, the approach of iconological interpretation originating with Panofsky was increasingly pursued, that of Othmar Keel (Das Recht der Bilder gesehen zu werden. Drei Fallstudien zur Methode der Interpretation altorientalischer Bilder [OBO 122], Fribourg/ Göttingen 1992, 267-273) and Hartmut Kühne (Gedanken zur kunstgeschichtlichen Betrachtungsweise in der Vorderasiatischen Archäologie, in: Hartmut Kühne u. a. (Hg.): Fluchtpunkt Uruk. Achräologische Einheit aus methodischer Vielfalt (FS Nissen), Rahden 1999, 342-351) and finally made use of by Friedhelm Hartenstein (Altorientalische Ikonographie und Exegese des Alten Testaments, in: Siegfried Kreuzer u. a. (Hg.), Proseminar I Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2 2005, 173-186) and in the workbook Iconographic Exegesis of the Hebrew Bible/ Old Testament. An Introduction to Its Methods and Practice by Izaak J. de Hulster, Brent A. Strawn and Ryan P. Bonfiglio (Göttingen 2015) in a reduced form. Contrary to the trend of reducing image analysis to the so-called Panofsky scheme, IPIAO offers a detailed critical apparatus, which makes it possible to index the objects, especially with regard to quality, material and style criticism. However, most of the information is taken from the (first) publications of the finds, so that a more in-depth scientific work on the objects requires a review of Die Ikonographie Palästinas/ Israels und der Alte Orient 161 162 Thomas Wagner 10.24053/ VvAa-2020-0018 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) the original. The foundations have thus been laid for a comprehensive methodology for a historical-critical analysis of the pictorial evidence of the ancient Near East, which can be elaborated and specified in the coming years. Keywords Iconography, Ancient Palestine/ Israel, seals Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0019 Friedrich Johannsen / Nils Neumann: Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule (Kohlhammer), Stuttgart 5 2019, 290 Seiten, ISBN: 978-3-17-035828-7, ISBN E-Book-Format: 978-3-17-035829-4. rezensiert von Rebecca Ludwig (orcid.org/ 0000-0002-8017-7230) 1 Zum Buch Dieses Buch ist ein alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule, was nicht nur ein ausführliches inhaltliches Fundament bietet, sondern darüber hinaus auch didaktisch wohlüberlegt verfasst ist, indem es z. B. differenzierte Arbeitshinweise beinhaltet und aktuelle Operatoren verwendet. So gelingt Nils Neumann und Friedrich Johannsen ein Spagat zwischen Bibelwissenschaft und Religionsdidaktik. Bereits das Vorwort verspricht für Studierende der Theologie und Religionspädagogik sowie für Referendarinnen/ Referendare und Lehrerinnen/ Lehrer einen grundlegenden Einblick „für die bibeldidaktische Arbeit in den religionspädagogischen Praxisfeldern“ (V). Es werden zunächst Grundfragen zum Verständnis und zur Auslegung des Alten Testaments sowie der Hebräischen Bibel (1.) besprochen und eine Einführung in die Entstehung des Alten Testaments gegeben. Der Aufbau ist klar strukturiert; das Buch gliedert sich in zwölf Kapitel plus einer Auflistung Methodischer Schritte zur Annäherung an einen biblischen Text (281) und einen Anhang (283-290), der mit einem Register sowie Kartenmaterial versehen ist: Von den kompetenzorientierten Lernzielen ausgehend (1.2, 3 f.) wird der Leser durch das Arbeitsbuch geführt. Zunächst wird eine allgemeine Einführung zu den Themen Kanonisierung (1.3.1, 5), Kanonvergleich (1.3.2, 7), Ursprache und Übersetzungen (1.3.3, 8) sowie zum Verhältnis von AT und NT (1.3.4, 11), zur Notwendigkeit der Auslegung und dem Sinn von Methoden (1.4, 11-21) geboten. Das Kapitel 1.4 zeigt Auslegungsmöglichkeiten auf und weist bereits auf unterschiedliche Ansätze (z. B. Gattungsgeschichte, tiefenpsychologische Zugänge oder jüdische Auslegungstradition) hin, die in den nun folgenden Kapiteln beispielhaft besprochen werden. Sie bieten den Lesenden wesentliche Grundgedanken, die für die entsprechende Diskussion in Lehrveranstaltungen notwendig sind. Kapitel 1.4.3 (17 f.) gibt zu den einzelnen Methodenschritten 164 Rebecca Ludwig 10.24053/ VvAa-2020-0019 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) der historisch-kritischen Exegese eine kurze Beschreibung. Abgeschlossen wird das erste Kapitel mit den Unterpunkten zu Wahrheit und Geschichte (1.5, 21-23) und Methoden und Interessen (1.6, 23 f.). Hier werden die Lesenden für das Verhältnis von Historie und biblischer Überlieferung sensibilisiert sowie zu einem kritischen Umgang mit gängigen Methoden motiviert. Das Kapitel regt dazu an, die religionspädagogische Arbeit für einen offenen Umgang mit den Texten zu nutzen. Im zweiten Kapitel folgt ein Überblick über die Entstehungsgeschichte des Pentateuchs (2.1, 26-29), die Redaktionsgeschichte des deuteronomistischen Geschichtswerks (2.2, 29 f.) sowie eine präzise schematische Darstellung der Entstehung der Schriften Genesis bis 2. Könige (2.3, 32). Das Kapitel endet mit dem Hinweis, dass auch die übrigen Schriften des Alten Testaments einen Entstehungsprozess hinter sich haben, der nur hypothetisch nachgezeichnet werden kann. Die Erkenntnisse über diese Prozesse sind in einem stetigen Fluss (2.4, 33). Für die aktuelle Forschungslage werden an dieser Stelle Literaturhinweise geboten. Das dritte Kapitel (35-54) setzt sich mit dem Gottesbild im Alten Testament auseinander und zeichnet JHWHs Wandel sowie das Vorkommen in archäologischen Quellen und Überlieferungen der Hebräischen Bibel nach. Besonders die hypothetische Entwicklung des Passafestes (51) sei hier als gelungene Übersicht erwähnt. Ab dem vierten Kapitel widmen sich die nun kommenden fünf Kapitel gezielt der inhaltlichen Erschließung. Kapitel vier (55-98) widmet sich der Urgeschichte und beinhaltet spannende Exkurse (4.6, 70-80). Das fünfte Kapitel (99-127) Aufbruch und Orientierung diskutiert inhaltlich sowie didaktisch Gen 12-37. Kapitel sechs (129-149) bespricht Gesetze und Gebote und fördert durch bewusste Fragestellungen zum vorangestellten Dekalog (147) den Diskurs in Lehrveranstaltungen. In Kapitel sieben (151-171) liegt der Fokus auf Macht und Recht - Kritische Betrachtungen der Überlieferungen von der frühen Königszeit und das achte Kapitel (173-200) beschäftigt sich mit der Bedeutung der Prophetie. Kapitel neun (201-223) Zur Rolle der Frau und der Beziehung der Geschlechter in der Hebräischen Bibel zeichnet das Bild der Frau in der Hebräischen Bibel nach, stößt die Diskussion um die Rollenbeschreibungen an und macht dabei auf die soziologischen und theologischen Hintergründe aufmerksam. Kapitel zwölf (253-278) Geschichte des alten Israel und Probleme der Rekonstruktion stellt u. a. die biblische Darstellung der Landnahme den archäologischen Spuren zur Entstehung Israels dar sowie Modelle zur Entstehung vor (263 f.). Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0019 Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule 165 2 Zu Didaktik und Methode Die Charakteristik des Handbuches zeichnet sich dadurch aus, dass jedes Kapitel über die inhaltlichen Schwerpunkte hinaus mit Fragestellungen zum eigenständigen Arbeiten und Denken angereichert ist, die einen hohen Lerneffekt versprechen. Infolgedessen werden auch Lehramtsanwärterinnen/ -anwärter oder bereits langjährig Unterrichtende dazu angeleitet, über bekannte Fragestellungen neu nachzudenken und diese kritisch zu reflektieren. Lernende werden zu einer eigenständigen Beschäftigung und Vertiefung des jeweiligen Themas motiviert und unterstützt. Dass das Arbeitsbuch in der Lebenswirklichkeit ansetzt, z. B. Sprichwörter, die ihren Ursprung im Alten Testament haben, im Einstieg thematisiert, die Lernziele und Aufgaben mit Hilfe von aktuellen Operatoren formuliert, was nicht nur für die Nutzenden des Buches selbst eine klare Orientierung für das zu Erlernende bietet, sondern zugleich als Beispiel für das eigene Handeln gilt, ist ein gelungenes Konzept. 3 Das Buch als Lehr- und Lernbuch Besondere Stärken des Buches sind die zu Beginn angegebenen kompetenzorientierten Lernziele, die die Arbeit mit dem Arbeitsbuch begleiten, da sie richtungsweisend für die Lernenden und die Lehrenden sind. Darüber hinaus gilt es, die themenvertiefenden Arbeitsaufträge zu nennen, die sich in jedem Kapitel finden lassen. Diese in Kombination mit den weiterführenden Literaturangaben nach jedem Kapitel oder im Fließtext (vgl. z. B. 2.1.1, 27, zu Quellenschichten und Redaktionsgeschichte) leiten ein intensiveres Studium an und unterstützen die Möglichkeit zur kritischen Reflexion. Gefördert wird das Studium durch ausgewähltes Kartenmaterial: Großmächte des alten Orients, Besiedlung Kanaans 1200-1000 v. Chr., Palästina um 850 v. Chr. und eine gezielte thematische Erschließung ist durch ein umfangreiches Sachregister möglich. Abschließend ist zu sagen, dass das Arbeitsbuch sein Ziel erreicht. Die inhaltlichen aufbereiteten Schwerpunkte und ihre Vermittlung sind ein Gewinn für Studierende, Lehramtsanwärterinnen/ -anwärter oder Lehrende. Die Themen sind auf die Bedürfnisse der Studierenden angepasst, z. B. beleuchtet Kapitel drei (35-54) u. a. Gründe und Hintergründe um strafende Gottesvorstellung im AT, sodass unterschiedliche Aspekte zur Diskussion um diese Vorstellung zusammengetragen werden und es den Studierenden ermöglicht wird, eine eigene (kritische) Meinung zu entwickeln. Konfliktträchtige Themen, die u. a. für Lehramtsanwärterinnen/ -anwärter relevant sind, werden ebenfalls umfangreich aufbereitet. So enthalten die Kapitel zehn ( Leiden und Lernen - das Buch Hiob, 166 Rebecca Ludwig 10.24053/ VvAa-2020-0019 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 224-237) und elf ( Kein Zugang mehr zum Baum des Lebens - Leben und Tod in der Hebräischen Bibel, 238-252) neben der inhaltlichen Aufbereitung nicht nur einen komplexen Querschnitt, sondern sorgen mit Anregungen zur Weiterarbeit sowie entscheidenden Hintergrundinformationen z. B. zu den Vorstellungen der Älteren Weisheit / dem Tun-Ergehen-Zusammenhang für grundsätzliche Inhalte, die für einen fundierten Religionsunterricht notwendig sind. Einzig die recht kleine Schriftgröße ist als Nachteil bei der Nutzung dieses Werkes zu nennen. Ein etwas größerer Druck würde die Lektüre wesentlich befördern. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0019 translated by David O’Neill 1 About the Book This book is an Old Testament workbook for study and school, which not only offers a detailed foundation in terms of content. It is also didactically well-considered, e. g. by containing differentiated working instructions and using current operators. In this way, Nils Neumann and Friedrich Johannsen manage to bridge the gap between Biblical studies and religious didactics. The preface already promises students of Theology and Religious education as well as trainee teachers and teachers a fundamental insight “for Biblical didactic work in the practical fields of religious education” (V). First of all, basic questions on the understanding and interpretation of the Old Testament and the Hebrew Bible (1.) are discussed and an introduction to the origins of the Old Testament is given. The book is clearly structured; it is divided into twelve chapters plus a list of Methodological steps for approaching a Biblical text (281) and an Appendix (283-290), which is provided with an index and maps: starting from the competence-oriented learning goals (1.2, 3 f.), the reader is guided through the workbook. First of all, a general introduction is given on the topics of Canonisation (1.3.1, 5), Canon comparison (1.3.2, 7), Original language and translations (1.3.3, 8) as well as the Relationship between OT and NT (1.3.4, 11), the Necessity of Interpretation and the Meaning of Methods (1.4, 11-21). Chapter 1.4 shows possible interpretations and already points to different approaches (e. g. genre history, depth psychological approaches or Jewish interpretative tradition), which will be discussed in the following chapters with various examples. They offer the readers essential ideas which are necessary for the corresponding discussion in courses. Chapter 1.4.3 (17 f.) gives a brief description of the individual methodological steps of historical-critical exegesis. The first chapter concludes with the sub-sections on Truth and History (1.5, 21-23) and Methods and Interests (1.6, 23 f.). Here, readers are sensitised to the relationship between history and Biblical tradition and motivated to deal critically with common methods. The chapter encourages the use of Religious educational approaches for an open approach to the texts. The second chapter provides an overview of the Genesis of the Pentateuch (2.1, 26-29), the Literary History of the Deuteronomistic History (2.2, 29 f.) as well as a precise schematic representation of the Origins of Genesis to Kings (2.3, 32). The chapter ends by pointing out that the other writings of the Old Testament have also undergone a process of development that can only be traced hypothetically. 168 Rebecca Ludwig 10.24053/ VvAa-2020-0019 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) The knowledge about these processes is in a constant flow (2.4, 33). References for the current research situation are provided. The third chapter (pp. 35-54) deals with the image of God in the Old Testament and traces JHWH’s change as well as its occurrence in archaeological sources and traditions of the Hebrew Bible. Especially the Hypothetical development of the pessary festival (51) should be mentioned as a successful overview. Starting with the fourth chapter (pp. 55-98), the next five chapters are dedicated to the development of the contents. Chapter four is devoted to Prehistory and contains exciting digressions (4.6, 70-80). The fifth chapter (pp. 99-127) on departure and orientation discusses Gen 12-37 in terms of content and didactics. Chapter six (pp. 129-149) discusses laws and commandments and promotes discourse in courses by deliberately asking questions about the preceding Decalogue (147). Chapter seven (pp. 151-171) focuses on Power and Law-- Critical Reflections on the Traditions of the early royal era and the eighth chapter (pp. 173-200) deals with the Meaning of Prophecy . Chapter nine (pp.201-223) On the role of women and the relationship of genders in the Hebrew Bible traces the image of women in the Hebrew Bible, initiates the discussion of role descriptions and draws attention to the sociological and theological background. Chapter twelve (pp. 253-278) History of Ancient Israel and Problems of Reconstruction presents, among other things, the Biblical account of the land grab, the archaeological traces of Israel’s formation, and models of its origin (263 f.). 2 On Didactics and Methods The characteristic feature of this book is an enrichment with questions for independent work and thinking beyond main topics. This didactic promises a high learning effect. As a result, even trainee teachers or teachers who have been teaching for many years are instructed to think about familiar issues anew and to reflect on them critically. Learners will be motivated and supported to independently deal with and deepen their knowledge of the respective topic. It is a successful concept that the workbook starts with the reality of life, e. g. proverbs that have their origin in the Old Testament, and formulates the learning goals and tasks with the help of current operators, which not only offers the users of the book themselves a clear orientation for what they want to learn, but also serves as an example for their own actions. Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0019 3 A Teaching and Learning Book The special strengths of the book are the competence-oriented learning objectives stated at the beginning, which accompany the work with the workbook. They point the way forward for both learners and teachers. In addition, it is important to mention the work assignments that go into more detail on the topic, which can be found in each chapter. In combination with further references after each chapter or in the continuous text (cf. e. g. 2.1.1, 27, on Source criticism and History of Editing ) guide more intensive study and support the opportunity for critical reflection. The study is supported by selected map material: Empires of the Ancient Near East , Settlement of Canaan 1200-1000 B. C. , Palestine around 850 B.C. and a targeted thematic indexing is possible through an extensive subject index. In conclusion, this workbook achieves its goal. The content of the prepared focal points and the way in which they are conveyed are a benefit for students, prospective teachers or lecturers. The topics are adapted to the needs of the students, e. g. Chapter 3 (35-54) sheds light on the reasons and background of concepts of God in the Old Testament , so that different aspects are brought together for discussion around this concept. Students are enabled to develop their own (critical) opinion. Conflict-prone topics, which are relevant for prospective teachers, among others, are also extensively prepared. Chapters ten ( Suffering and Learning-- the Book of Job , 224-237) and eleven ( No More Access to the Tree of Life- - Life and Death in the Hebrew Bible , 238-252), for example, not only contain a complex cross-section of content, but also provide suggestions for further work as well as decisive background information, e. g. on the Ideas of the Elder Wisdom / The Relationship between Action and Experience , for basic content which is necessary for sound religious education. The only disadvantage of using this book is the rather small font size. A somewhat larger print would promote reading considerably. Keywords Introduction to the Old Testament, theological topics, history of ancient Palestine/ Israel Alttestamentliches Arbeitsbuch für Studium und Schule 169 10.24053/ VvAa-2020-0020 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) Interview mit … Wolfgang Zwickel Steckbrief: Wolfgang Zwickel Geboren: 1957 in München Berufliches: Studium der Ev. Theologie, Ägyptologie, Altorientalistik und Vor- und Frühgeschichte in München und Tübingen; 1984-1986 Wissenschaftlicher Angestellter am BAI Tübingen; 1986-1995 Wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Altes Testament und Biblische Archäologie der CAU Kiel; 1988 Promotion mit einer Dissertation zu Räucherkult und Räuchergeräten ; 1992 Habilitation an der CAU Kiel mit der Schrift Der Tempelkult in Kanaan und Israel; 1996/ 97 Vikariat in der Ev. Kirche von Westfalen; seit 1998 Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Johannes Gutenberg Universität Mainz. 2014 Ausgezeichnet mit dem Irene Levy-Sala Preis für das beste allgemein verständliche Buch im Bereich der Biblischen Archäologie (Herders neuer Bibelatlas, zus. mit R. Egger-Wenzel und M. Ernst). Vorneweg - Blitzlicht • Lehre - Frust oder Lust? Meistens Lust, vor allem dann, wenn man Studierende für etwas faszinieren kann, sie sich engagiert beteiligen und von der Lust sich anstecken lassen. • Lehre oder Forschung? Beides, meine Forschung hat sich immer auch in der Lehre ausgedrückt und wurde dort erprobt. Von den Rückfragen der Studierenden habe ich viele neue Anregungen für die Forschung bekommen. • Lieber Erstsemester oder lieber Integrationsphase (früher Examensphase)? Es gibt kein entweder - oder. Erstsemester lassen sich leichter faszinieren, Examenskandidatinnen und -kandidaten stellen (manchmal) die kompetenteren Rückfragen. • Neues oder Bewährtes? Neues fasziniert mich immer, wenn es gut ist, Bewährtes hat sich meist als gut bewährt erwiesen, muss aber immer wieder hinterfragt werden. • Referante oder Gruppenarbeit? Referate, weil zumindest diejenigen, die die Referate vorbereiten, dann noch intensiv etwas lernen. Unser Universitätssystem leidet derzeit meiner Mei- Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0020 Interview mit … Wolfgang Zwickel 171 nung nach darunter, dass vieles zu oberflächlich bleibt und es zu wenig Tiefenbohrungen gibt. Herr Zwickel, welche Erfahrungen und/ oder Menschen haben Ihre Lehre nachhaltig geprägt bzw. beeinflusst? Wirklich prägend war für mich Hans-Walter Wolff. Wohl niemand weltweit kannte zu meiner Studienzeit die kleinen Propheten besser als er. Er wollte uns nicht nur seine Meinung beibringen, sondern hat im Seminar einzelne Studierende beauftragt, die Position von Kommentatoren vehement einzubringen. Dadurch hat er andere Meinungen immer wieder reflektiert. Und er hat, bevor er einen Kommentar geschrieben hat, alle Texte in Bibelarbeiten oder Predigten verarbeitet und so überprüft, ob die biblischen Aussagen auch für heute noch eine Wertigkeit haben. Und dann muss ich meinen Doktorvater Martin Metzger nennen und dabei insbesondere seine Exkursionen in verschiedene Museen. Er hat die biblische Welt anschaulich gemacht, indem er uns an Originale aus dieser Welt herangeführt hat. Das hatte sicherlich nachhaltige Folgen für meine eigene Arbeit, z. B. bei der Ausgestaltung des Bibelhauses in Frankfurt. Was ist das Grundparadigma Ihrer Lehre; also würden Sie sagen, dass es bei Ihnen eine Grundüberzeugung gibt, die sich durchzieht? Ich möchte Studierende dazu bringen, sich näher mit einzelnen Themen und Themenfeldern auseinanderzusetzen und so in die biblische Welt einzusteigen. Mir geht es natürlich auch um ein Grundwissen, aber in erster Linie um die Lust, die Botschaft von Texten intensiv zu verstehen. Welche Bedeutung hat die Kompetenzorientierung für Ihre Lehre? Das ist ein weites Feld. Ich mache seit 20 Jahren keine Seminarapparate mehr und weigere mich auch, die Texte, die man unbedingt gelesen haben muss, irgendwo hochzuladen. Stattdessen fordere ich die Studierenden auf, in die Bibliothek zu gehen und nicht nur das Buch anzuschauen, das als Lektüre aufgegeben ist, sondern auch mal im Buch rechts und links davon zu blättern. Ein beliebter Satz von mir ist: „Blättern ist eine theologische Disziplin“. Es gibt grundlegende Texte, aber es gibt auch andere Texte, deren Lektüre vielleicht meine eigenen, persönlichen Fragen viel besser beantworten als die aufgegebene Lektüre. Man gewinnt Kompetenzen, indem man die richtigen Antworten auf die eigenen persönlichen Fragen findet, und nicht, indem man nach den Antworten sucht, die im Examen erwartet werden. So entwickelt sich eine ‚theologische Existenz‘. Leider kommt das heute an der Universität viel zu kurz. 10.24053/ VvAa-2020-0020 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 172 Interview mit … Wolfgang Zwickel Oft wirkt es so, dass die Lehre an unseren Hochschulen eher stiefmütterlich im Gegensatz zur Forschung behandelt wird. Beschreiben Sie Ihren Weg, Forschung und Lehre miteinander zu verknüpfen. Wo sehen Sie Potentiale für Synergieeffekte zwischen diesen beiden Bereichen? Seminare haben bei mir eigentlich immer etwas zu tun mit Fragen, die ich für mich selbst noch klären will. Mit einem Seminar verschaffe ich mir noch einmal einen anderen Zugang, als wenn ich zu Hause am Schreibtisch sitze. Es werden Fragen gestellt, mit denen ich nicht gerechnet hätte - und die ich mir selbst nie gestellt hätte. So entsteht für mich eine Horizonterweiterung. Viele meiner Publikationen sind aus solchen Seminaren heraus entstanden. Forschung braucht die Lehre und den Dialog mit den Studierenden. Auf der anderen Seite muss ich z. B. in Vorlesungen in der Lage sein, hochkomplexe Überlegungen, die ich in meinen Forschungen angestellt habe, auf einem allgemein verständlichen Niveau zu präsentieren. Damit verhindern wir, dass wir in einem Elfenbeinturm mit unseren Forschungen bleiben. Wenn ich komplexe Dinge auf ein nachvollziehbares Niveau herunterschrauben und anderen Menschen erklären kann, dann ist meiner Meinung nach Forschung geglückt. Für die Lehre in den bibelwissenschaftlichen Fächern ist seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Exegese die Kenntnis der materiellen Kultur von hoher Bedeutung. In den Schulcurricula wird das Wissen über die Antike immer weiter zurückgedrängt. Wie führen Sie Studierende an die Alltagswelt der biblischen Schriften heran? Biblische Texte sind nicht in einem luftleeren Raum entstanden, sondern in einer konkreten Welt, verfasst von konkreten Menschen, die von konkreten religiösen, wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen und Rahmenbedingungen geprägt waren. Daher will ich diese reale Welt verstehen, um einen Text verstehen zu können. Ich versuche daher in meinen Lehrveranstaltungen immer, Texte in eine reale Welt hineinzusetzen. Da ich ja neben Altem Testament auch Biblische Archäologie lehre, gibt es hier vielfältige Überschneidungen. Ich will hier zwei einfache Beispiele nennen. Wenn ich vom Weinberglied Jes 5,1-7 rede, dann ist es natürlich auch wichtig, welche ökonomische Bedeutung der Weinanbau im 8. Jh. hatte. Für Juda war er extrem wichtig. Wein wurde auch getrunken, weil nicht überall und ausreichend Wasser in guter Qualität vorhanden war. Dann wird auch schnell verständlich, warum Wein ein Grundnahrungsmittel war, aber auch, warum vor den Gefahren der Trunkenheit gewarnt wird. Andererseits kann man die biblischen Schöpfungsvorstellungen nicht nur auf der Ebene der Texte wahrnehmen. Texte sind nur ein kleiner Ausschnitt der realen Lebenswelt. Daher spielt in diesem Kontext für mich die Ikonographie (z. B. die Kultgerätschaften im Salomonischen Tempel oder die Elfenbeine aus Samaria) eine Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0020 große Rolle, denn diese bildlichen Umsetzungen zeigen auch etwas davon auf, wie Menschen Schöpfung verstanden haben. Die reale biblische Welt ist viel vielfältiger als die schmale Textbasis, die wir in den biblischen Büchern haben, uns vermittelt. Zum Schluss: Was würden Sie den Kolleginnen und Kollegen mit Blick auf die eigene Lehre gerne mitgeben? Biblische Texte sind keine Texte, die in einem luftleeren Raum entstanden sind, sondern sie wollten ihren Zeitgenossen etwas vermitteln. Und wenn biblische Texte heute noch lesenswert sind, dann ist nicht nur die Frage wichtig, ob Vers 5bß der vierten oder der fünften Textschicht zugehörig ist (obwohl das eine wichtige Frage ist! ), sondern was die Texte auf jeder Textschicht bei ihren Zeitgenossen erreichen wollten. Und damit kommt automatisch die Frage auf, ob und inwieweit die Texte heute noch für unsere völlig andere Welt relevant sind und wie wir die Texte weiterinterpretieren können und müssen. Und hierfür braucht man die theologische Kompetenz, die wir an der Universität vermitteln wollen. translated by Thomas Wagner At the very beginning … • Teaching-- frustration or desire? Mostly desire, especially if you can fascinate students for something, get them involved and let them get infected by your desire. • Teaching or research? Both, my research has always expressed itself in teaching and was tested there. The students’ questions have given me many new ideas for research. • First semester sudents or classes for graduates? There is no either-or. First-year students are more easily fascinated, exam candidates (sometimes) ask the more competent questions. • New or proven? New things always fascinate me when they are good; tried and tested things have usually proved to be good, but must always be questioned. • Presentations or group work? Presentations, because at least those who prepare the presentations learn something intensively. In my opinion, our university system is currently suf- Interview mit … Wolfgang Zwickel 173 10.24053/ VvAa-2020-0020 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) fering from the fact that many things remain too superficial and there is too little deep drilling. Prof. Zwickel, are there any specific experiences and/ or people that have substainably shaped resp. influenced your way of teaching? Hans-Walter Wolff was really formative for me. Probably, nobody in the world knew the Minor Prophets better than he did when I was a student. He not only wanted to teach us his opinion, but also commissioned individual students in the seminar to vehemently introduce the position of commentators. In this way, he always reflected other opinions. And before he wrote a commentary, he worked through all the texts in Bible studies or sermons and thus checked whether the Biblical statements still have value for today. And then I have to mention my PhD-supervisor Martin Metzger and in particular his excursions to various museums. He has made the Biblical world vivid by introducing us to original objects from this world. That certainly had lasting consequences for my own work, for example in the design of the Bible Museum in Frankfurt. Would you say that there is a paradigm, a fundamental conviction that accompanies your teachings? I would like to encourage students to take a closer look at individual topics and fields and thus enter the Biblical world. Of course, I’m also interested in basic knowledge, but primarily in the desire to understand the message of texts in depth. How big of a meaning does competence orientation have for your teaching? That is a broad field. I haven’t done seminar apparatus for 20 years and I also refuse to upload the texts that you absolutely have to read. Instead, I ask the students to go to the library and not only look at the book that has been prescribed as reading, but also to look right and left on the shelves. A favorite sentence of mine is: “Turning pages is a theological discipline”. There are basic texts, but there are also other texts whose reading may answer my own personal questions much better than the prescribed reading. You gain competence by finding the right answers to your own personal questions, not by looking for the answers that are expected in the exam. This is how a ‘theological existence’ develops. Unfortunately, this is far too little in evidence at the university today. In our academic institutions it often seems like teaching is treated as an orphan compared to the actual scientific research. Could you describe your way of lining up research and teaching? Where do you see potentials for synergy effects between the two? 174 Interview mit … Wolfgang Zwickel Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) 10.24053/ VvAa-2020-0020 For me, seminars always have something to do with questions that I want to clarify for myself. With a seminar, I create a different approach than when I’m sitting at my desk at home. Questions are asked that I never expected - and that I never would have asked myself. In this way, a broadening of horizons is created for me. Many of my publications have emerged from such seminars. Research needs teaching and dialogue with students. On the other hand, in lectures, for example, I have to be able to present highly complex considerations that I have made in my research at a generally understandable level. This prevents us from remaining in an ivory research tower. If I can bring complex things down to a comprehensible level and explain them to other people, then I think research has succeeded. Since the upcoming of historical-critical exegesis, knowledge of material culture has been of great importance for teaching in Biblical studies. In high-school curricula, knowledge of antiquity is being pushed back ever further. How do you introduce students to the everyday world of the Biblical scriptures? I consider the repression of the real world to be fatal for our university subject. I am currently experiencing that my own professorship for ‘Old Testament and Biblical Archaeology’ may be cancelled after my retirement. The university is thus perhaps only reflecting a current view of society that focuses on future orientation and regards culture and thus also human development and the humanities as a whole as secondary. For students, however, real ideas are extremely important. Images shape children and young people much more than texts. Biblical texts were not written in a vacuum, but in a concrete world, written by concrete people who were shaped by concrete religious, economic and political ideas and conditions. Therefore, I want to understand this real world in order to be able to understand a text. In my courses I always try to put texts into a real world. Since I also teach Biblical archaeology in addition to the Old Testament, there are many overlaps here. Let me give two simple examples. When I talk about the song of the vineyard Isa 5: 1-7, it is of course also important to consider the economic importance of wine growing in the 8th century. For Judah it was extremely important. Wine was also drunk because there was not enough water of good quality everywhere. Then it is easy to understand why wine was a basic foodstuff, but also why people are warned about the dangers of drunkenness. On the other hand, the Biblical ideas of creation cannot only be perceived on the level of the texts. Texts are only a small part of the real world. That is why iconography (e. g. the cult objects in the temple of Solomon or the ivories from Samaria) plays a major role for me in this context, because these figurative visualisations also show Interview mit … Wolfgang Zwickel 175 10.24053/ VvAa-2020-0020 Materielle Kultur / Material Culture 5/ 2 (2020) something of how people have understood creation. The real Biblical world is much more diverse than the narrow textual basis that we have in the Biblical books, which conveys to us. And finally: Is there anything you would like to give to the colleagues to take along regarding their own ways of teaching? Biblical texts are no texts that were written in a vacuum, but they wanted to convey something to their contemporaries. And if Biblical texts are still worth reading today, it is not only the question of whether verse 5bß belongs to the fourth or the fifth layer of text (although this is an important question! ) but what these texts on each layer wanted to achieve with their contemporaries. And so the question automatically arises whether and to what extent the texts are still relevant today for our completely different world and how we can and must continue to interpret the texts. And for this, we need the theological competence that we want to teach at the university. 176 Interview mit … Wolfgang Zwickel Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus DaF 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Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen schaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ 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Sie untersucht anhand der Leseterminologie, wie Menschen in der Antike ihr eigenes „Lesen“ verstanden haben, und bezieht diese Ergebnisse auf die materiellen und sozialgeschichtlichen Zeugnisse über Leseverhalten und -bedingungen. Es werden verbreitete Annahmen widerlegt, z. B. über das grundsätzlich „laute“ Lesen, über die Verbreitung einer performativen Vorlesekultur oder über den Gottesdienst als Ort der Erstrezeption neutestamentlicher Schriften. Ein differenziertes Modell zur Beschreibung von Lesepraktiken eröffnet neue Wege für die (historische) Leseforschung auch in anderen Bereichen. Vor allem wird deutlich, dass sich die neutestamentlichen Schriften im Rahmen dieser Lesekultur verstehen lassen und z. T. für die individuell-direkte Lektüre konzipiert wurden. Damit werden auch elaborierte Lektürekonzepte plausibel, wie sie etwa das Markusevangelium voraussetzt. BUCHTIPP Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 9797 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de www.narr.digital Forum Exegese und Hochschuldidaktik: VvAa Verstehen von Anfang an Vol. 5 - 2020 | Issue 2 ISBN 978-3-7720-8733-2 Editorial Contributions Florian Lippke Materialfragen als Schlüssel zu Überlieferung und Interpretation Daniel Schmitz / Thomas Wagner Segmente erschließen - Sujets erkennen - Kultur entdecken Anna Krauß Materielle Kultur in den Bibelwissenschaften Kevin Künzl Erwägungen zu Lehr-/ Lernpotentialen neutestamentlicher Handschriften am Beispiel des Codex Boernerianus Teaching Examples Izaak J. de Hulster Teaching ancient iconography and interpretation - the basics, with stamp seals as a case study Stefan Fischer Didaktische Herausforderungen und Ziele Frontend Jan Heilmann https: / / www.trismegistos.org/ Ein interdisziplinäres Portal der Antiken Welt Book Reviews Interview with … Wolfgang Zwickel
