ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
61
2000
35
Dronsch Strecker VogelInterreligiöser Dialog und Neues Testament - Eine Orientierung
61
2000
Christopher Grundmann
znt350002
Christopher Grundmann lnterreligiöser Dialog und Neues Testament - Eine Orientierung 1. Zur Profilierung der Problemstellung Ende des 20. Jahrhunderts ist der interreligiöse Dialog kein Insiderthema mehr, wie er es über Jahrhunderte gewesen war. Die internationale Migration, die Globalisierung der Märkte, des Handels und des Tourismus sowie die immer engmaschiger werdende Vernetzung im Internet haben dazu geführt, daß mehr und mehr Menschen verschiedener Kulturkreise immer häufiger, gewollt oder ungewollt, miteinander in Kontakt treten. Selbst von politischer Seite wird dem Dialog zwischen den Religionen heute höchste Priorität zuerkannt, vor allem seit Mitte der neunziger Jahre Samuel P. Huntington den >Clash of Civilizations< der unterschiedlichen, wesentlich religiös bestimmten Kulturkreise prognostizierte, dem in den Schaltzentralen der Macht große Aufmerksamkeit geschenkt wird. 1 Kontakte mit Menschen fremder oder anderer Kulturen hat es immer schon dort gegeben, wo verschiedene Kulturkreise aufeinander stießen, nämlich an den jeweiligen territorialen Grenzen. Man wußte darum, daß die, die jenseits der Grenzen lebten, eine andere Sprache sprechen und andere Sitten und Gebräuche haben, wußte darum, daß sie einer anderen Lebensordnung, einer anderen lex folgten, (wie das, was heutzutage von dem semantischen Feld des Begriffes >Religion< abgedeckt wird, bis zum Beginn der Neuzeit am häufigsten bezeichnet wurde). 2 In den meisten Fällen arrangierte man sich diesseits wie jenseits der Grenzen nach rein pragmatischen Gesichtspunkten; denn verständlicherweise war man hauptsächlich darauf bedacht, möglichst schiedlich friedlich miteinander auszukommen. Zur Stabilisierung eines solchen modus vivendi trieb man Handel, verschwägerte sich und versuchte, auf den verschiedensten Gebieten voneinander durch den Austausch von Wissen, Kunst- und Handfertigkeiten zu profitieren, wofür besonders der mittelmeerische Raum beeindruckende Beispiele bietet. Über Jahrhunderte war hier das Leben in den Hafenstädten des europäischen, afrikanischen und 2 vorderasiatischen Festlandes sowie auf den großen Inseln - Kreta, Malta, Sizilien, Mallorca von Multikulturalität und Multireligiosität geprägt, obwohl immer auch wieder versucht wurde, die Hegemonie einer einzigen Religion und Kultur römischer Kaiserkult, Christentum, Islam zu etablieren. Kulturkreisgrenzen sind aber auch notorisch konfliktgeladen; denn das nichtverstandene Fremde stellt eine potentielle Bedrohung des Eigenen dar. Kein Wunder daher, daß es hier immer wieder auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam, in deren Verlauf die bestehenden Grenzlinien nach verschiedenen Richtungen hin oft weit überschritten wurden. Das bewirkte dann praktisch die Verlagerung des bislang peripheren Kulturkontaktes in das jeweilige Kernland und in die Zentren hinein. Jedoch beschränkte sich bei sämtlichen vormodernen Kulturkontakten der interkulturelle und interreligiöse Austausch auf einen relativ kleinen Kreis, denn nur verhältnismäßig wenige waren mit dem Phänomen religiöser Pluralität unmittelbar konfrontiert. Die große Masse der Bevölkerung konnte so gut wie nichts davon in Erfahrung bringen, allenfalls durch Berichte von Kriegsleuten, Reisenden und Händlern oder über das privilegierte Studium entsprechender Bücher. Heute ist demgegenüber die Konfrontation mit dem Phänomen der Multikulturalität bei uns selbst aus dem Alltag entlegener Dörfer nicht mehr wegzudenken, und das Thema des interreligiösen Dialogs bzw. der Regelung von gut nachbarschaftlichen Beziehungen zu Menschen anderer Religionen steht immer mal wieder auf den Tagesordnungen von Gemeinden und Schulen. Diese zunächst rein quantitative Ausweitung des Problems erhält eine spezifische Qualifizierung dadurch, daß es, zumindest in unseren Breiten, gegenwärtig auf eine besondere Geisteshaltung des allgemeinen Bewußtseins trifft, die mit Stichworten wie >Postmodernismus" ,Erlebnis-< und >Optionsgesellschaft< zu charakterisieren versucht wird. Dadurch soll zum einen der definitive Verlust von einst allseits anerkannten Metaerzäh- ZNT 5 (3.Jg. 2000) Christopher Grundmann PD Dr. Christopher Grundmann, Jahrgang 1950; nach mehrjährigen Diensten in Venezuela und Indien theologischer Referent am Deutschen Institut für ärztliche Mission, Tübingen; ab 1992 Hochschulassistent für Missions-, Ökumene- und Religionswissenschaft in Hamburg; seit 1996 Privatdozent mit dem Schwerpunkt auf den Fragen des interreligiösen Dialogs. lungen und die Akzeptanz pluralistischer Positionalität angezeigt werden. 3 Zum anderen will man mit dieser Begrifflichkeit auch darauf aufmerksam machen, daß der Mensch an der Jahrtausendwende in buchstäblich allen Lebensbereichen ständig zwischen verschiedenen Optionen die Freiheit der Wahl hat eine Freiheit, die er unbedingt gewahrt wissen will -, und ebenso soll damit verdeutlicht werden, daß diese Entscheidungen in der Regel aus einem verwirrenden Angebot nach Maßgabe bestimmter, vom Markt determinierter Erlebniserwartungen gefällt werden und man auch fraglos dazu bereit ist, den hohen Preis für eine solch radikale Selbstbestimmung zu zahlen, nämlich den Verlust der ehedem als unerschütterlich gedachten letzten, tragenden Gewißheit. 4 Weil es nun aber gerade erklärtes Anliegen und spezifisch religiöses Proprium von Religionen ist, eine letzte, tragende Gewißheit zu vermitteln und erfahrbar zu machen, darum unterscheidet sich die aktuelle interreligiöse Dialogsituation, in der es um eine Verständigung über die verschiedenen Perspektivitäten geht, grundsätzlich von allen ähnlich gearteten Bemühungen früherer Zeiten, bei denen es um die überzeugende Hinführung zur ,Wahrheit< ging. Die allgemeine Disposition für das Gespräch zwischen Menschen verschiedener religiöser Herkunft hat sich grundlegend gewandelt; wird doch eine Aus- ZNT 5 (3. Jg. 2000) einandersetzung um revidierbare Konstrukte und revozierbare Entscheidungen in der Haltung prinzipiellen Selbstzweifels und dem Eingeständnis eigener Irrtumsmöglichkeit geführt, während ein Disput um differierende ,Absolutheits-< oder >Wahrheitsansprüche, 5 (besser, weil der Sache angemessener wäre es, hier von >Letztgültigkeitsansprüchen< zu sprechen) 6 geradezu zwangsläufig einen Machtkonflikt impliziert, der nur durch die Haltung der Toleranz, d.h. der Duldung und des Gewährenlassens entschärft werden kann. Eine solche Haltung, die erst im Gefolge der Reformation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts europaweit aufkeimte und in sogenannten ,Toleranzedikten< einen ersten staatsrechtlichen Niederschlag fand, in der philosophischen >Toleranzbewegung< des 17. Jahrhunderts 7, vollends aber in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts mit der Ringparabel in Lessings >Nathan der Weise< als populärstem Dokument zum Allgemeingut mitteleuropäischer Geistesgeschichte wurde, setzt allerdings Zweierlei voraus, nämlich zum einen eine sich durch das Fremde nicht bedroht fühlende Sicherheit8, zum anderen ein Höchstmaß an öffentlich gewährter und verbriefter Freiheit. Die aus dem Mittelalter bekannten, meist publikumswirksam inszenierten Religionsdisputationen der lateinischen, weströmischen Kirche z.B. mit Vertretern des Judentums in Paris (1240), Barcelona (1263), Mallorca (1286), Tortosa (1413/ 14) und an anderen Orten, waren keine echten Dialoge, sondern oftmals inquisitorische Verhöre und herrscherlichautoritäre Versuche zur Integration divergierender Bevölkerungsgruppen; ähnliches galt für die Religionsgespräche im Osten, die ab dem 7. Jhdt. meist den Islam zum Gegenüber hatten bzw. unter den Auspizien moslemischen Herrscher geführt wurden. 9 Zur Argumentationshilfe bei solcherart Religionsdisputen wurden, übrigens in allen Religionsgemeinschaften jener Zeit, apologetische Katechismen publiziert, die, weil sie darüber hinaus auch das Anliegen der Vergewisserung der eigenen Tradition hatten, natürlich von jeweiligen ,Schriftbeweisen< aus Tenach und Talmud bzw. aus AT und NT oder aus Koran und Sunna geprägt waren. Doch außer in den öffentlichen Schaudialogen galten derlei Schriftbeweise im interreligiösen Gespräch nur wenig. Auf der literarisch-philosophischen Ebene, wie z.B. in Gregor bar Hebraeus 3 ,Leuchter des Heiligtums< (1264), Ibn Kammunas ,Untersuchung der drei Religionen/ Glaubensweisen< (1280) und Nikolaus von Kues' ,De pace fidei, von 1453, wurde die Berufung auf die je eigene Tradition und ,Heilige Schrift< zugunsten einer vernünftigen Argumentation bzw. der Argumentation aus Vernunftgründen zurückgestellt, gelegentlich sogar ausdrücklich untersagt. So verständigen sich im ,Buch vom Heiden und den drei Weisen< des großen mittelalterlichen mallorcinischen Religionstheologen Ramon Lull (1232-1316) die drei Vertreter der monotheistischen Religionen, eben jene ,drei Weise< darauf, daß sie, weil sie »mit Hilfe von Autoritätsbeweisen zu keiner Übereinstimmung gelangen« könnten, durch »zwingende Vernunftgründe (rationes necessariae) eine Übereinstimmung versuchen« wollten 1°. Unter dieser Voraussetzung hatte es auch Lulls etwas älterer und berühmterer Zeitgenosse Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) in seiner ,Summa contra Gentiles< unternommen, eine Verständigung zwischen den Religionen herbeizuführen. 11 Vernunft und Intelligenz, nicht Schriftbeweise sollten die hinreichenden Gründe dafür liefern, sich mit Vertretern fremder Religionen über die ,rechte< bzw. (einzig) >wahre< Religion zu verständigen; denn der rechte Gebrauch von ratio und intelligentia, so die herrschende Überzeugung der Scholastiker, werde schon zur Erkenntnis ,der Wahrheit< führen. Dahinter stand die Überzeugung, daß nur die Berufung auf eine universal gültige anthropologische Gegebenheit wie eben die der Vernunft, als wirklich gemeinsame Basis eines solchen Dialogs taugt. Alles andere wäre ein Zeichen unzulässiger Voreingenommenheit. Daraus resultierten dann auch spezifische Dialogthemen. So bezogen sich strittige Fragen im Gespräch mit den Juden z.B. weniger auf den Tenach als vielmehr auf den Talmud und natürlich auf den Messias, nämlich ob er göttlicher oder menschlicher Natur sei und ob er in Christus schon gekommen sei, oder ob sein Kommen noch ausstehe. Während für die Christen diese Frage längst entschieden war, verwiesen die jüdischen Rabbinen immer wieder darauf, daß der Messias noch nicht gekommen sein kann, da mit seinem Kommen das Friedensreich auf Erden anbrechen würde, von dem aber noch nichts zu vernehmen sei. Auch wurde darüber disputiert, wer denn nun den richtigen, den »wahren Glauben« habe bzw. der »wahren 4 lex« folge. 12 - Strittige Fragen mit den Muslimen betrafen das Schrift- und Prophetenverständnis, die Trinität, die Inkarnation sowie die Gottessohnschaft J esu Christi, der ja im Koran ganz pointiert immer als ,Sohn der Mirjam< (Maria), nie als ,Sohn Gottes< bezeichnet wird; denn eine der übelsten Gotteslästerungen nach muslimischen Verständnis ist die >Beigesellung< einer weiteren Person zu dem ,einen Gott<, Allah. Trotz vieler, heute in manchem obsolet gewordener Streitfragen früherer Zeiten sollte aber nicht übersehen werden, daß bei den meisten der Wortführer mittelalterlicher Religionsdisputationen ein sehr ausgeprägtes Bewußtsein für exegetische und hermeneutische Fragen bestand. Die Kenntnis der Sprache des Gegenübers sowie die Fähigkeit, die umstrittenen religiösen Zeugnisse in ihrer Originalsprache lesen und interpretieren zu können, galten als selbstverständliche Voraussetzung für alle ernsthaften Bemühungen. Bereits im Blick auf die frühchristliche Polemik gegen die Juden wie sie z.B. inJustins ,Dialog mit dem Juden Tryphon< aus dem 2. Jhdt. begegnet, wurde von jüdischer Seite die fehlende Vertrautheit mit den sprachlichen Voraussetzungen, d.h. die mangelnde Kenntnis des Hebräischen und Aramäischen beklagt. 13 Zur Entkräftung dieses Vorwurfs ließ sich deswegen Raymund Martini OP (ca. 1220-1286) im Vorwort seiner noch den Antisemitismus des 19. und noch des frühen 20. Jahrhundert beeinflussenden unseligen Schrift ,Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos< (Glaubensdolch gegen Muslime und Juden, 1278) diesbezüglich folgendermaßen vernehmen: »Im übrigen will ich bei der Anführung der Autorität des Textes überall einen vom Hebräischen her gewonnenen und nicht der Septuaginta oder einem anderen Übersetzer folgen; und, was als Zeichen noch größerer Anmaßung scheinen wird, ich werde hierbei nicht einmal Hieronymus meine Verehrung erweisen ... , damit ich die Wahrheit der Dinge, die bei den Hebräern sind, Wort für Wort, so oft dies gewährleistet werden kann, übertrage. Durch dies nämlich wird den falschredenden Juden ein breiter und geräumiger Rückzugsweg abgeschnitten, und sie werden keineswegs sagen können, die Wahrheit sei nicht so bei ihnen belegt, wie sie von unseren Leuten nach meiner Übersetzung gegen sie angeführt werden wird.« 14 Auch in den von der Byzantinischen Kirche mit dem Islam geführten Gesprächen wie z.B. dem Dialog des Gregor Pala- ZNT 5 (3. Jg. 2000) mas, des damaligen Metropoliten von Thessaloniki mit islamisierten Juden in Nicäa von 1345 15 oder im Dialog des Kaisers Manuel II Palaiologos mit Sultan Bayezid I von 1391 wurde immer wieder die sprachliche Kompetenz eingefordert, etwas, dem heutzutage allgemein meist nur eine auffällig untergeordnete Bedeutung zugemessen wird. Mit Englisch als lingua franca wird man nicht sehr weit kommen, will sagen: nicht sehr tief in das Selbstverständnis einer fremden Religion eindringen können. Das sollte nachdenklich stimmen, ist doch der Dialog wesentlich ein Sprachgeschehen und sind fremde bzw. andere Religionen, im Unterschied zu Konfessionen und Sekten, charakteristischerweise in je eigenen Sprachwelten heimisch. 2. Die gegenwärtige Situation Wie bereits in den Jahrhunderten zuvor, so läßt sich auch in der gegenwärtigen Dialogsituation kein Kanon bevorzugter biblischer Texte ausfindig machen; denn primär sind die Dialoge themen-, nicht textorientiert. Dabei spielt natürlich die auf jahrhundertelanger Überlieferung beruhende, spezifisch geprägte Lebensweise und das sich daraus herleitende, in den jeweiligen Heiligen Schriften artikulierende Selbstverständnis der Dialogpartner eine entscheidende Rolle. Dieses Selbstverständnis kann z.B. dazu führen, daß man sich grundsätzlich dem Dialog verweigert, und das nicht aus spontannaiver, etwa ängstlicher Abwehr der fälligen Auseinandersetzung mit dem Fremden, sondern aus zutiefst religiösen Gründen: Sind doch diejenigen, mit denen man in ein interreligiöses Gespräch eintritt, bekanntermaßen Ungläubige, d.h. Menschen, die z.B. nach orthodoxer moslemischer Auffassung nicht zur Umma als der >besten aller Gemeinschaften< gehören, die auch nicht den Koran als die vollkommene Offenbarung Gottes noch Mohammed als >das Siegel der Propheten< anerkennen. Christen wissen sich bei solchen Gelegenheiten Fremden gegenüber, die Jesus Christus nicht als die verbindliche, einzigartige Offenbarung Gottes gelten zu lassen vermögen, und Juden haben sich mit denjenigen an einen Tisch zu setzen, denen das Bewußtsein für die göttliche Auserwählung sowie die brennende Hoffnung auf den kommenden Messias wenig bedeutet. Mit anderen Worten: Gerade religiös denkende und empfindende Zeitge- ZNT 5 (3. Jg. 2000) Cinistopher Grundmann lntene! igiöser Dialog und Neues Testament nossen werden sich aus dem lebendigen Gespür für Blasphemie dem interreligiösen Dialog, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend öffnen 16 oder dazu tendieren, sich fundamentalistisch gesinnten Kreisen zuzuneigen. 17 Anders freilich steht es mit genuinen Mystikern, und wiederum anders mit religiösen Theoretikern. Während den Mystikern in Ost und West deutlich ist, daß das in der unio mystica von ihnen erfahrene Letzte nicht mehr sagbar ist, weil es alles vernünftige Begreifen übersteigt, und gemäß buddhistischer Auffassung, gestaltwie formlos ist, so daß man verstummen muß, besteht seitens der Religionstheoretiker ein unbändiges Interesse daran, die empirisch erfahrbaren Unterschiede in Lehre und Leben der verschiedenen Religionen mittels eines bestimmten Denkmodells in ein verhältnismäßig schlüssiges System zu bringen. Dabei wird selbstredend vorausgesetzt, daß >Religion< mit ,Religion< zumindest in entscheidenden Punkten kompatibel sei. Das ist allerdings deswegen fraglich, weil der Religionsbegriff ein Konstrukt mitteleuropäischer Geistesgeschichte ist, der sich so in anderen >Religionen< nicht findet. Im Islam könnten etwa die nichtarabischen Termini >milla< (Religionsgemeinschaft) oder das in diesem Zusammenhang häufiger verwendete ,din< (Sitte, Weisung, Vergeltung, Gericht, Gehorsam, Unterwerfung) als Synonyme dienen 18; im Judentum vielleicht ,berith< (,Bund<), wobei dies natürlich insbesondere den »mit einem Opfer besiegelten Bundesschluß« am Sinai meint, durch den Israel einst zum >Volk Gottes< wurde. 19 Und im Blick auf die gewöhnlich unter der Sammelbezeichnung>Hinduismus< laufenden indischen Religionen wie Shivaismus, Vishnuismus und Shaktismus wäre an das bedeutungsschwere Sanskrit Wort ,dharma< (Pflicht, Recht, Ordnung, Wesen, Gerechtigkeit, Tugend) zu denken, dessen Bedeutungsspektrum aber auch die Grund-,Ordnung< jeglichen Lebens und, als >sanatana dharma< das >ewige Weltgesetz< meint. In diesen Begrifflichkeiten kommt ein je eigenes und typisches Selbstverständnis zum Tragen, das nur teilweise in dem uns geläufigen Terminus ,Religion< aufgenommen ist. Das führt zwangsläufig zu Verkürzungen in der gegenseitigen Wahrnehmung. Über ein in dieser Hinsicht höchst aufschlußreiches Erlebnis berichtete einmal der frühere Hamburger Ordinarius für Religions-, Missions- und Ökumenewissenschaft, Hans Jo- 5 chen Margull, der an dem vom Ökumenischen Rat der Kirchen initiierten multilateralen Dialog zwischen Buddhisten, Hindus, Moslems, Juden und Christen im April 1974 in Colombo, Sri Lanka, teilgenommen hatte. 20 Bei diesem Anlaß mußte er mit den übrigen Teilnehmern ernüchternd feststellen, daß nicht einmal »ein gemeinsames Element« zwischen ihnen habe ausfindig gemacht werden können, und das betraf nicht nur das Verständnis von >Religion<, sondern, überraschenderweise, auch das des so unverfänglich erscheinenden Begriffes der >Spiritualität<. An diesem Punkt sei in Colombo »überhaupt die Möglichkeit jeglicher interreligiösen Gemeinsamkeit fraglich« geworden, weshalb der Dialog hier »zum Schweigen führte«, allerdings zu einem »gemeinsamen Schweigen«. 21 In der aktuellen Diskussion um den interreligiösen Dialog sind die unterschiedlichen Haltungen als ,exklusivistisch<, ,inklusivistisch, oder ,pluralistisch< typisiert 22 und verschiedene Modelle vorgeschlagen worden, die man als Schnittmengen-, Kegel- und Parzellenmodell bezeichnen könnte. 23 Das Schnittmengenmodell geht davon aus, daß zwischen den ,Religionen< trotz ihrer augenfälligen Verschiedenheit und mancherlei Ähnlichkeiten eine allen gemeinsame Schnittmenge, nämlich so etwas wie eine »natürliche« oder »wahre Religion« existiert, die im interreligiösen Dialog als gemeinsamer Nenner zu thematisieren sei und den eigentlichen Grund für das gemeinsame Gespräch zwischen den Religionen repräsentiere. Das Kegelmodell zeichnet sich dadurch aus, daß es einen eher organisch-genetischen Zusammenhang postuliert, der alle ,Religionen< miteinander verbindet und diese Entwicklung in einer Spitze kulminieren läßt, an der in der Regel die eigene religiöse Tradition zu stehen kommt; denn gemäß dem exklusivistischen Verständnis ist die eigene religiöse Tradition die letztlich einzig wahre, die nichts gemein hat, nichts gemein haben kann mit all den anderen ,Religionen<. Dieses Modell vermag so dem eigenen Letztgültigkeitsanspruch bestens gerecht zu werden, doch auf Kosten der damit unvermeidlich einhergehenden Relativierung anderer solcher Ansprüche. Es ist ein deutlich wertendes Modell, das die Grundüberzeugung vieler religiöser Fundamentalisten repräsentiert. Denen zufolge hat der interreligiöse Dialog nur darin seine Berechtigung und kann auch darin nur bestehen, daß er als Hinführung anderer zur zuvor bereits längst erkann- 6 ten ,Wahrheit< dient, im christlichen Kontext: der preparatio Evangelii, wie das folgende Zitat aus einer jüngst erschienenen Publikation deutlich macht: »Die Christenheit würde an Gott und Menschen schuldig, wenn sie den Missionsbefehl ihres Herrn mißachten ... und die Mission durch einen ,Dialog< ersetzen würde, der allenfalls eine vorbereitende oder ergänzende Rolle spielen kann.« 24 Für diese von pluralistischen Religionstheoretikern als ,exklusivistisch< bezeichnete Haltung werden neben der unspezifischen Berufung auf das »biblische Zeugnis« insbesondere neutestamentliche Texte wie z.B. Joh 3,16 (»Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einziggeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben.«) und Apg 4,12 (»In keinem anderen ist das Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden! «) u.ä. in Anspruch genommen; gelegentlich wird auch auf so mißverständliche Formulierungen wie >extra ecclesiam nulla salus< (außerhalb der Kirche ist kein Heil) rekurriert 25 , ohne sich dabei mit den anstehenden exegetischen und hermeneutischen Grundfragen auseinander zu setzen. So gleitet die Argumentation in einen positivistischen Schlagabtausch ab, der jeden echten Dialog zum Erliegen bringt. »Sicher beinhaltet der interreligiöse Dialog die Gefahr, daß der liebevolle Respekt vor dem nichtchristlichen Partner dazu verleitet, die eigene Position durch unbegründete Zugeständnisse auf der Ebene der Wahrheit zu relativieren und insbesondere den Anstoß erregenden unbedingten Offenbarungsanspruch Jesu preiszugeben ... Wenn der interreligiöse Dialog als Mittel zur dogmatischen Wahrheitsfindung verstanden wird und dazu dienen soll, eine den Dialogpartnern noch unbekannte übergreifende Wahrheit erst zu erschließen, dann ist diese Gefahr ... übermächtig, da der interreligiöse Dialog dann darauf zielt, die bisherige Wahrheitserkenntnis grundsätzlich zu überschreiten und insofern als nur vorläufige oder inadäquate zu überwinden«. 26 Eine solche Haltung findet sich natürlich nicht nur im innerchristlichen Bereich, sondern in allen Religionen bei den zum Fundamentalismus neigenden Kreisen. Ganz anders scheint das bei der zumeist in liberalen Zirkeln gehuldigten ,inklusivistischen< Interpretation des Kegelmodells zu sein, das den anderen ,Religionen< konzediert, Vor~LUfen der als definitiv ZNT 5 (3. Jg. 2000) erachteten, endgültigen Religion zu sein, nichts weniger, aber auch nichts mehr. Insofern die anderen Religionen Vorstufen sind, haben sie auch Anteil, realen Anteil am endgültigen Heil, dies allerdings in einer entsprechend abgestuften Weise. Zu denken wäre hier z.B. an die jüdische Lehre vom Noahbund (Gen 8,21f.) und den Hinweis auf die ,Gerechten der Völker<, oder aber auch an K. Rahners »anonyme Christen«, worunter er diejenigen Gläubigen in anderen Religionen verstanden wissen wollte, die aufrichtigen Herzens und ganz unvoreingenommen »nach Gott« fragten.27 Bei genauerem Hinsehen jedoch unterscheidet sich der exklusivistische Ansatz vom inklusivistischen nur graduell, nicht prinzipiell; denn in beiden äußert sich eine noch unerschütterte Selbstgewißheit und ein von ungebrochener Identität getragenes Selbstbewußtsein. Das läßt sich so nicht mehr für den pluralistischen Ansatz sagen. Dieser versucht nämlich der gegenwärtigen radikalen Relativierungserfahrung dadurch gerecht zu werden, daß er allen ,Religionen< Gleichwertigkeit zugesteht. Dominanz und Machtverzicht sind erklärtes Programm. Keine ,Religion< auch die eigene nicht steht höher, keine niedriger als andere. Dieser Ansatz läßt sich am besten in einem Parzellenmodell veranschaulichen, in dem jeder ,Religion< eine eigene Parzelle zukommt, ohne daß eine hierarchische Ordnung angestrebt wird. Das verhindert systematisch jegliche exklusivistische wie inklusivistische Deutung. Leidenschaftslos und um große Sachlichkeit bemüht wird so die tatsächliche Mannigfaltigkeit der multireligiösen Wirklichkeit eingefangen. Und natürlich haben in diesem Modell autoritative Schriftbeweise und -bezüge keinen Platz, sie können ihn nicht haben. Tenach, Koran und Neues Testament sind heilige Schriften unter anderen, Mohammed hat nicht den endgültigen, sondern nur einen bestimmten Willen Allahs kundgemacht; Christus ist nur »heilsrepräsentativ«, nicht »heilskonstitutiv« 28 und der Bundesschluß am Sinai ist ebenfalls lediglich ein besonders qualifizierter Ausdruck göttlichen Heilswillen unter anderen und nicht das alles entscheidende Heilszeichen. 29 Dieses so einsichtige und in seiner um vorurteilsfreie Redlichkeit bemühten Aufrichtigkeit so beeindruckende Modell ist allerdings insofern äußerst fragwürdig, da es, um der Theorie willen, die fraglos bestehenden Letztgültigkeitsansprüche der ZNT 5 (3. Jg. 2000) Christopher Grundmann lnterreligiöser Dialog und Neues Testament Religionen bagatellisieren, ja neutralisieren muß. Der britische Religionswissenschaftler John Hick, einer der Begründer der pluralistischen Religionstheorie, bemerkte dazu an hervorgehobener Stelle ganz ungeschminkt: »Der ernsthafteste Widerspruch zur pluralistischen Hypothese kommt von seiten der großen religiösen Traditionen, die jeweils eigene Absolutheitsansprüche erheben. Hier kommt es zum Konflikt. Echter Pluralismus ist nämlich unvereinbar mit Ansprüchen wie, daß es außerhalb der Kirche keine Rettung gäbe, oder außerhalb des dar al-Islam, oder des Sangha, oder außerhalb jeder anderen verbindlich lebenden menschlichen Gemeinschaft. Desgleichen ist Pluralismus unvereinbar mit dem Anspruch auf den alleinigen Besitz einer normativen Offenbarung oder gar der Wahrheit selbst, die einmal alles richten wird.« 30 Die vermeintliche Sachlichkeit des pluralistischen Modells entpuppt sich somit als faktische Auflösung des typisch religiösen Elements von Religion; denn es ist der für die Gläubigen nicht weiter zu hinterfragende jeweilige Letztgültigkeitsbezug, der Religion zu Religion macht, wobei die Rede von Letztgültigkeit nicht die Behauptung einer definitiven Gegebenheit oder eines absoluten Datums meint, sondern Hinweis ist auf das faktische Vorhandensein von unbedingt und verbindlich gelebten Beziehungen auf Letztgültiges. Diese gelebten Letztgültigkeitsbezüge variieren von ,Religion< zu ,Religion< erheblich und konstituieren das eigentliche pluralistische Problem. Dieses besteht eben nicht in dem Bewußtwerden der Vielfalt von Religionen als solchen, sondern in jenen gelebten Letztgültigkeitsbezügen, die sich bezeichnenderweise im Modus des Bekenntnisses äußern und nicht in dem des theoretischen Diskurses, der stets im unverfänglichen Bereich bloß gedanklicher Erwägungen mit ihrer Tendenz zur Unverbindlichkeit verbleibt. Letztgültigkeitsansprüche sind etwas anderes als die überwiegend kognitiv akzentuierten Wahrheitsansprüche oder ein imperialistisch bestimmter Absolutheitsanspruch. Sie entziehen sich dem wertenden und abwägenden Vergleich. Sie sind als solche zu achten, auch dann, wenn man sie selbst nicht nachvollziehen kann. Aber gerade darin liegt ja die Tiefe und Würde interreligiöser Dialoge, daß man es in ihnen nicht mit Nebensächlichkeiten zu tun bekommt, sondern mit verbindlichen, durch lange Traditionen bewährten und geschätzten Lebens- 7 entwürfen. Deren herkömmliche Plausibilitäten sind allerdings durch die gravierenden Relativierungserfahrungen mittlerweile derart erschüttert, daß sie nur noch durch den im globalen Horizont interreligiös zu führenden also echt ökumenischen - Dialog wieder neu zu gewinnen sind. Unter Anspielung auf Anselm v. Canterbury faßte ein im interreligiösen Dialog äußerst engagierter Zeitgenosse sein entsprechendes Bemühen daher in die treffenden Worte: »inter-fides quaerens intellectum zwischen verschiedenen Glaubensweisen zerrieben sucht der Glaube nach Einsicht.« 31 ; und das gilt sowohl für die jüdische als auch für die muslimische und auch die christliche Theologie. Diese können heutzutage nicht mehr intra muros als monoreligiöse Monologe betrieben werden, wenn sie denn glaubwürdig sein und bleiben wollen. Sie haben sich um ihrer Plausibilität willen dem Gespräch mit den anderen >Religionen< zu stellen, ob es ihnen paßt oder nicht. Darin liegt die große, anspruchsvolle Herausforderung dieser Zeit, eine Herausforderung, die dazu nötigt, jeweils das gesamte theologische Repertoire von Grund auf neu durchzubuchstabieren. Für die dafür christlicherseits zu leistende Arbeit z.B. am Neuen Testament kann das zu überraschenden Entdeckungen führen, von denen einige abschließend wenigstens kurz angedeutet werden sollen. 3. Neutestamentliche Perspektiven für den interreligiösen Dialog Grund und Ermutigung zum interreligiösen Dialog sind nach christlichem Verständnis in dem sich aus der Anerkennung der Geschichte göttlicher Selbsterschließung ergebenden Gottsein Gottes begründet, d.h., es gehört wesentlich mit zum christlichen Gottesverständnis, daß der lebendige Gott als der lebendige Gott aller Gotteserkenntnis voraus ist. Vor dem Hintergrund der Heilsgeschichte läßt sich das christlich motivierte Engagement für einen vorbehaltlos offenen interreligiösen Dialog als Ausdruck des festen Vertrauens in die Gegenwart des auferstandenen Christus verstehen, der sich allen zeigen wird und zeigen will, wie einst den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24, 13ff) und am See Tiberias Qoh 21,lff.). Doch ist er nie sogleich als der erkennbar, der er wirklich ist, sondern begegnet immer wieder als Fremder, den 8 man so noch nicht kennt. Aber letztlich bleibt er doch nicht unerkannt. An seinem Verhalten wird er immer wieder und unverwechselbar als der gekreuzigte Auferstandene erkannt, der sich aber in dem Augenblick sogleich wieder in seine Unverfügbarkeit zurückzieht, in dem er als solcher erkannt wird. Schon die ersten Jünger wurden immer und immer wieder dazu genötigt, ihre Vorstellungen von dem, wer Gott ist und was nach seinem Willen zu tun sei, zu revidieren: sie konnten J esu Passion nicht verstehen, erst recht nicht seine Auferstehung; und als sie zur Verkündigung dieses Geschehens ausdrücklich beauftragt wurden (vgl. Mt 28,16ff.), da mußten sie feststellen, daß dieses Mandat sie dazu führte, andauernd ihre fest etablierten religiösen, ethnischen, kulturellen und sozialen Grenzen zu überschreiten. Das gab bekanntlich schon sehr früh Anlaß zu schweren Konflikten z.B. zwischen Paulus und den ,Uraposteln<, an denen die junge Gemeinde zu zerbrechen drohte, wie die Spuren dieser Auseinandersetzungen auf dem Jerusalemer ,Apostelkonvent< in Apg 15 und Gal 2 noch deutlich erkennen lassen. 32 Weil nach christlichem Verständnis der Glaube die freie menschliche Antwort auf den Ruf Gottes (vgl. Gen 3,9; 12,lff.; Röm l,16f. u.a.), also zutiefst dialogischer Natur ist, darum ist die sich solchem Glauben verdankende und sich aus ihr entwerfende Existenz nur dann wirklich authentisch christlich, wenn sie auch dialogisch gelebt wird. 33 Das bedeutet praktisch die Ermutigung zum Dialog im multikulturellen und multireligiösen Umfeld vor Ort, oder, um es mit dem inzwischen dafür etablierten terminus technicus auszudrücken: zur Konvivenz 34, ohne die dabei auftretenden Konflikte und sich zeigende Widersprüche herunterzuspielen oder zu verdrängen, wozu I Kor 4,2ff. (»Wir sagen uns los von feiger Heimlichtuerei, die wir nicht wandeln in Verschlagenheit ... « etc.) ermutigt. Das Leitbild für ihre Haltung zum Dialog finden Christen in dem ganz und gar dialogischen Leben Jesu, der nicht nur in vielen Gleichnissen die Natur zum Sprechen brachte, sondern auch in Streit- und Lehrreden mit Repräsentanten der jüdischen Umwelt, mit seinen Jüngern und mit der Bevölkerung das Gespräch suchte, und auch selbst in seinen Gebeten mit Gott dialogisierte. Dabei ließ er sich dazu bewegen, seine Haltung zu ändern, wenn ihm bedingungslose Offenheit und rückhalt- ZNT 5 (3. Jg. 2000) loses Vertrauen entgegengebracht wurden, wie z.B. von der kanaanäischen Mutter, die die Heilung ihrer kranken Tochter erflehte (Mt 15,21ff.), oder vom Hauptmann aus Kapernaum, der für einen seiner erkrankten Soldaten bat (Mt 8,Sff.). Wenn gesagt wird, daß Christen ihr Leitbild für die Haltung zum Dialog in Person und GestaltJesu von Nazareth finden, so wie diese in den Evangelien erkennbar wird, dann kann nicht unerwähnt bleiben, daß diese Existenz, in einer Hinsicht zumindest, als gründlich gescheitert anzusehen ist; denn an Jesu Lebensende stand das schmähliche Kreuz! Doch erfuhr die von Jesus gelebte dialogische Existenz in der Auferstehung eine ungeahnte Bestätigung, die so nicht vorauszusehen war. All diejenigen, die sich in seiner Nachfolge wissen, sind deswegen zu einem entsprechenden Lebenszeugnis aufgerufen. Sie sollen den gleichen Weg gehen, wie er: »Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch! « (Joh 20,21). Solches Gesandtsein heißt nichts anderes, als in mutiger Überwindung aller ängstlichen Bedenken, was aus einem selbst dabei werden könnte, eine ebenso vorbehaltlos dialogische und damit kenotische Existenz zu leben wie er. 35 Sofern nämlich Dialog auf Mitteilung in persönlicher Begegnung aus ist, impliziert er immer auch existentielles Risiko. Man sollte sich dessen bewußt sein, daß ein gelingender Dialog alle daran Teilnehmenden verwandelt, indem sie ein Stück gemeinsamen Wegs zu gehen sich aufgemacht haben und sich dadurch einander als Weggenossen wahrnehmen, die nachher nicht mehr die gleichen sind wie zuvor. Nicht grundlos findet sich ja neben der Mahnung: »Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren! « (Joh 12,25) auch die Verheißung: »Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden! « (Mt 10,39). Billiger ist der interreligiöse Dialog nicht zu haben. Anmerkungen 1 New York 1996; (deutsch: Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München / Wien 5 1997). - Huntington, Mitbegründer der außenpolitischen Fachzeitschrift >Foreign Affairs<, ist zugleich auch Berater des US-Außenministeriums. 2 Zur Begriffsgeschichte von >Religion< vgl. die wichtigen Studien von E. Feil, Religio - Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffes vom Frühchristentum bis zur Reformation, Göttingen 1989; ders., Religio - Die ZNT 5 (3. Jg. 2000) Christopher Grundmann lnteneligiöser Dialog und Neues Testament Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffes zwischen Reformation und Rationalismus, Göttingen 1997. -Andere, häufig verwendete Synonyme für das eher selten gebrauchte >religio< waren: fides, pietas, cultus, secta. 3 Vgl. dazu J. Lyotard, La condition postmoderne, Paris 1979 (deutsch: Das postmoderne Wissen - Ein Bericht, 1980). 4 Vgl. dazu bes. G. Schulze, Die Erlebnisgesellschaft - Eine Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt 5 1995; P.L. Berger, Der Zwang zur Häresie - Religion in der pluralistischen Gesellschaft, Frankfurt 1980; J. Kunstmann, Christentum in der Optionsgesellschaft, Weinheim 1997; K. Füssel u.a. (Hgg.), Die Sowohl-als-auch- Falle - Eine theologische Kritik des Postmodernismus, Luzern 1993. 5 Vgl. dazu R. Bernhard, Der Absolutheitsanspruch des Christentums von der Aufklärung bis zur pluralistischen Religionstheologie, Gütersloh 2 1993. 6 Vgl. C.H. Grundmann, In Wahrheit und Wahrhaftigkeit - Für einen kritischen Dialog der Religionen, Hannover 1999, 93ff. 7 Ein Beleg dafür ist z.B. Th. Morus (1478-1535), Ein wahrhaft goldenes Büchlein von der besten Staatsverfassung, übers. v. G. Ritter, Stuttgart 1997. 8 Unter psychologischen Aspekten behandelte A. Mitscherlich die Toleranz in seinem Beitrag: Wie ich mir so ich dir. Zur Psychologie der Toleranz, in: Psyche 5 (1951) 1-15; ders.: Toleranz - Überprüfung eines Begriffes, Frankfurt a. M. 1976. 9 Vgl. dazu B. Lewis / F. Niewöhner (Hgg.), Religionsgespräche im Mittelalter, (Wolfenbütteler Mittelalter- Studien 4) Wiesbaden 1992. 10 R. Lull, Das Buch vom Heiden und den drei Weisen, übers. u. hg. v. Th. Pindl, Stuttgart 1998, 17. 11 Vgl. Thomas v. Aquin, Summe gegen die Heiden, hg. u. übers. von K. Albert/ P. Engelhardt, Darmstadt 1974ff. 12 Vgl. dazu bes. H. Denifle, Quellen zur Disputation Pablos Christiani mit Moses Nachmani zu Barcelona 1263, in: Historisches Jahrbuch der Görries-Gesellschaft 8 (1887) 225-244. 13 Vgl. Disputations and Polemics, Encyclopaedia Judaica 6,Jerusalem 1971, Sp. 79-103; Sp. 84. 14 Zitiert nach I. Willi-Plein/ Th. Willi, Glaubensdolch und Messiasbeweis - Die Begegnung von Judentum, Christentum und Islam im 13. Jahrhundert in Spanien, Neukirchen-Vluyn 1980, 30. 15 Vgl. D.J. Sahas, Captivity and Dialogue: Gregory Palamas 1296-1360 and the Muslim, in: The Greek Orthodox Theological Review 25 (1980) 459ff. 16 Ein schönes Beispiel dafür, allerdings aus älterer Zeit, findet sich z.B. in: A.v. Kremer, Geschichte der herrschenden Ideen des Islams, Leipzig 1868 (Reprint: Darmstadt 1961), 241f. 17 Vgl. dazu jetzt verschiedene Beiträge in: Kein anderer Name - Die Einzigartigkeit Jesu Christi und das Ge- 9 Neues Testament aktuell spräch mit nichtchristlichen Religionen. FS zum 70. Geburtstag von P. Beyerhaus, Nürnberg 1999. 18 Vgl. Handwörterbuch des Islam, Leiden 1976, 98f. 505ff. sowie: The Encyclopaedia of Islam, New Edition, V, Leiden 1981, 431ff. 19 berith (G. Quell), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament II, Stuttgart 1954, 106ff. 20 H.J. Margull, Der Dialog von Colombo, Ökumenische Rundschau (1974) 525-534; ders., Verwundbarkeit- Bemerkungen zum Dialog, Evangelische Theologie 34 (1974) 410-420. Die Dokumente dieses Dialogs sind publiziert worden von S.J. Samartha, Towards World Community-The Colombo Papers, Genf 1974. 21 Margull, Verwundbarkeit, 419. 22 Vgl. dazu P. Schmidt-Leukel, Zur Klassifikation religionstheologischer Modelle, Catholica 47 (1993) 159ff. 23 Vgl. Grundmann, Wahrheit, S. lOlff. 24 W. Neuer, Interreligiöser Dialog als Notwendigkeit, Chance und Gefahr, in: Kein anderer Name, FS P. Beyerhaus, 214. 25 Sehr informativ dazu J. Dupuis, Towards a Theology of Religious Pluralism, Maryknoll 1997. 26 W. Neuer, Dialog, 212. 27 So z.B. Kirche, Kirchen und Religionen (K. Rahner), Schriften zur Theologie VIII, Einsiedeln u.a. 1967, 355ff. 28 Vgl. P. Schmidt-Leukel, Was sind Religionen? , in: Fremde Nachbarn - Religionen in der Stadt, Hamburg 1997, 31. 29 Vgl. dazu J. Hick/ P.F. Knitter (Hgg.), The Myth of Christian Uniqueness, Maryknoll 1987. 30 Religious Pluralism, Encyclopaedia of Religions 12, New York 1987, 333. 31 U. Schoen, Jean Faure - Missionar und Theologe in Afrika und im Islam, Göttingen 1984, 10. 32 Vgl. auch Apg 10,lOff. (Petrus wird als Antwort auf seine Weigerung vor der Begegnung mit dem nichtjüdischen Hauptmann Kornelius in einer sprechenden Vision daran gemahnt, das nicht unrein zu heißen, was Gott gereinigt habe.) 33 Vgl. Grundmann, Wahrheit, 112ff. 34 Zum Begriff der Konvivenz vgl. Th. Sundermeier, Konvivenz als Grundstruktur ökumenischer Existenz heute, (Ökumenische Existenz heute 1 München 1986, 49- 100. 35 Vgl. Phil 2,5ff. 10 VOLKER KÜSTER G J Volker Küster Chri.,11,l"gie in1nlwhn(dl Die vielen Gesichter Jesu Christi Christologie interkulturell 226 Seiten, Paperback DM 38,öS 277,- ! sFr 35,- ISBN 3-7887-1743-2 Mit diesem Buch liegt ein Kompendium der christologischen Entwürfe aus Afrika, Asien und Lateinamerika vor, das zugleich eine gute Einführung in die Theologie der Dritten Welt allgemein bietet. Die Frage nach Gemeinsamkeiten, Unterschieden und ökumenischen Lernchancen weist dabei über eine enzyklopädische Darstellung hinaus. Im interkulturell-religiösen Vergleich erscheinen traditionelle systematisch-theologische Kategorien wie Theologie der Herrlichkeit und Kreuzestheologie ebenso in einem neuen Licht wie die Unterscheidung von historischem Jesus und kerygmatischem Christus oder die paulinische Rechtfertigungslehre. Ingo Baldermann Auferstehung sehen lernen Entdeckendes Lernen an biblischen Hoffnungstexten Wege des Lernens, Bd. 10 160 Seiten, Paperback DM 29,80 öS 218,- / sFr 27,50 ISBN 3-7887-1721-1 Jesus Christus in Lebenswelt und Religionspädagogik Jahrbuch der Religionspädagogik, Bd. 15 275 Seiten, Paperback DM 78,öS 569,- / sFr 71,- ISBN 3-7887-1765-3 Jesus Christus in Lebenswelt und Religionspädagogik Jah1buch derRehgionspadagogik Henu•~•·; ~h,n"11"n; ehl.Ch,; "1,1,E; ,.,.Rol"'1~0,c" ~,.,1"oil,OI, Fofä,·d~,c(""""dfm,1".1,lch"<it,e, Wie kann in der Religionspädagogik sinnvoll und angemessen von Jesus Christus geredet werden? Dieser Kernfrage widmet sich aus verschiedenen Perspektiven der neue Band des »Jahrbuchs der Religionspädagogik«. Es wird der Versuch unternommen, Jesus Christus im Horizont der Religionen zu verstehen und seine Bedeutung im Kontext von Lebenswelt und Religionspädagogik zu bestimmen. Die zunehmende Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs findet in den einzelnen Beiträgen ihren Niederschlag. Das vollständige Buch-Programm fordern Sie bitte an bei: Neukirchener Verlag 47506 Neukirchen-Vluyn Andreas-Bräm-Str. 18/ 20 Telefon 02845/ 392222 Telefax 02845/ 33689 ZNT 5 (3. Jg. 2000)