ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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Dronsch Strecker VogelDie »Absolutheit des Christentums« und die Einzigkeit Jesu Christi
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Jörg Frey
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Jörg Frey Die »Absolutheit des Christentums« und die Einzigkeit Jesu Christi1 Die von den Herausgebern dieser Zeitschrift aufgeworfene Frage, ob das Neue Testament »die Absolutheit des Christentums« fordere, ist in der Formulierung höchst problematisch und in der Sache allemal verfänglich. Eine positive Antwort auf sie ist heute alles andere als en vogue. Wer solche ,Ansprüche< vertritt, gerät in Verdacht, auf Positionen zu beharren, die nicht mehr in die Welt des 21. Jahrhunderts passen, die Geum interreligiös dialogfähig zu werden« 2• Sie sollten auf alle Superioritäts-, Exklusivitäts- und Finalitätsbehauptungen verzichten und Person und Werk Christi so verstehen, »daß andere, nichtchristliche Gestaltwerdungen des Transzendenzgrundes und damit andere Wege zu ihm in ihrem eigenständigen Offenbarungs- und Heilsanspruch anerkannt werden können<<3. Diese Forderung sieht sich in der Nachfolge meinschaft aller Menschen im Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung behindern und ein Religionen : TROV älterer >relativierender< Ansätze in der Theologiegeschichte. Genannt wer- und Kulturen umgreifendes »Projekt Weltethos« (Hans Küng) unmöglich machen. Hat die These der Einzigkeit des christlichen Heilswegs nicht durch die lange Geschichte ,christlicher< Überheblichkeit jeglichen Anspruch auf Anerkennung eingebüßt? Durch solche Argumentationsfiguren verunsichert, ziehen sich Christinnen und Christen oftauch in Predigt und Unterrichtauf ,bescheidenere<, nur noch subjektiv-erfahrungsbegründete Positionen zurück und wagen kaum mehr, für den Inhalt ihres Glaubens weiterreichende Wahrheitsansprüche zu vertreten. Sollte das Neue Testament wirklich meinen, was einige seiner Texte sagen daß allein in Jesus Christus und »in keinem anderen das Heil« zu finden ist (Apg 4,12), daß er der (einzige) Weg, die Wahrheit in Person ist und »niemand zum Vater gelangt, außer durch ihn« (Joh 14,6)? Sollten die neutestamentlichen Texte und ihre Autoren so unbescheiden sein und für den in ihnen vertretenen Heilsweg bzw. die Person Christi eschatologisch-endgültige, exklusive Gültigkeit beanspruchen? >Deabsolutierung< der Christologie? Demgegenüber fordern Vertreter einer »pluralistischen Religionstheologie« die »Deabsolutierung« der Christologie: Christen sollten, wie Reinhold Bernhardt formuliert, »christologisch abrüsten, ZNT 5 (3. Jg. 2000) den hier die aufklärerische Interpretation Jesu als eines Lehrers des rechten Vernunftgebrauchs (Lessing) oder vollkommener Sittlichkeit (Kant), die liberal-theologische Reduktion des ,Wesens des Christentums< auf die Botschaft J esu, nämlich den Glauben an Gott den Vater und den unendlichen Wert der Menschenseele (Harnack), oder auch das ,Entmythologisierungsprogramm< Rudolf Bultmanns, das die Aussagen der neutestamentlichen Christologie in Aussagen über die menschliche Existenz zu transformieren versuchte. 4 Den modernen Vertretern einer ,Deabsolutierung< der Christologie geht es ähnlich wie manchen ihrer Vorgänger darum, den wahren ,Kern< des christlichen Glaubens von seiner unzeitgemäßen ,Schale< zu befreien. Diesen>Kern< suchen sie zumeist-wie die alten Liberalen in einem bestimmten Bild des irdischen Jesus, »in Person und WerkJesu von Nazareth vor seiner hellenisierenden Vergöttlichung« 5. Die Aussagen über die österliche Erhöhung Christi und sein eschatologisches Richteramt, seine Präexistenz und Schöpfungsmittlerschaft und erst recht die christologischen Formeln der altkirchlichen Bekenntnisse werden hingegen als eine zeitbedingte, den Kern sekundär verfälschende ,Schale, verstanden. Diese meint man abstreifen zu können, ohne das ,Eigentliche, des christlichen Glaubens zu gefährden, um so ohne den ,Ballast< solcher vermeintlich besonders zeitbedingter und für Nichtchristen inakzeptabler Aussagen im interreligiösen Kontext besser dialogfähig zu sein. 37 Aber kann man so klar zwischen Schale und Kern trennen, den >eigentlichen< Inhalt aus seiner sprachlichen Form herausschälen? Eine von der neueren Sprachwissenschaft inspirierte Hermeneutik verneint diese Möglichkeit: Der Kern ist nicht ohne seine Schale, die Botschaft nicht ohne ihre sprachliche, z.T. auch mythologisch-bildhafte Gestalt zu gewinnen. Und der vermeintlich ,eigentliche< Kern, das Bild eines ,historischen< Jesus, der als schlichter Mensch allein Gott verkündigte, im Blick auf sich selbst keine weiteren Ansprüche stellte und erst später ganz gegen seine ureigene Intention - >vergöttlicht< wurde, steht unter stärkstem Projektionsverdacht. 6 Natürlich gab es im frühchristlichen Verständnis der Person Jesu und in der sprachlichen Ausgestaltung der neutestamentlichen Christologie Entwicklungsprozesse, an deren Ende die Aussagen über Jesu Gottheit Qoh 1,lf.18; 20,28; I Joh 5,20) standen. Aber auch die ältesten uns zugänglichen Schichten der Jesustradition bieten keinerlei Grund zur Annahme, daß ein so reduktionistisches Bild des irdischen Jesus historisch wahrscheinlich sei. Ganz abgesehen davon ist es sehr fraglich, ob die nur hypothetisch zu rekonstruierende Botschaft Jesu uns heute das Kriterium für die Wahrheit jener Aussagen liefern kann, die nach Ostern, im Rückblick, über sein Wesen und seine Bedeutung formuliert wurden. Am Ende des hier exemplarisch angeführten Beitrags gibt auch Reinhold Bernhardt zu, daß sich die in der pluralistischen Theologie der Religionen geteilte »Annahme von Heilswegen neben dem Jesus-Weg ... allein im Rückgriff auf die biblische Überlieferung von Jesus Christus ... nicht begründen läßt« 7• Für seine Forderung nach ,Deabsolutierung< kann er letztlich nur auf eine andere >Quelle< verweisen, nämlich auf den gegenüber der Urchristenheit fortgeschrittenen Erkenntnisstandpunkt unserer Gegenwart. Damit ist jedoch eingeräumt, daß die neutestamentlichen Zeugnisse ohne Einschränkung und ausnahmslos eben jenen Standpunkt vertreten, deru. a. in Apg4,12 undJoh 14,6 formuliert wird: In Jesus Christus, d.h. in der Wirksamkeit und Predigt Jesu von Nazareth, in seinem Kreuzestod und seiner Erhöhung, gründet Gottes eschatologisches Heil, und das Evangelium, die aufgrund des Christusgeschehens verkündigte Heilsbotschaft von Jesus Christus, beansprucht universale Gültigkeit. 38 Die Problematik der Rede von der >Absolutheit< Man mag solche Aussagen als »Absolutheitsanspruch« bezeichnen gleichwohl ist die Rede von der »Absolutheit des Christentums« problematisch und wird dem, was die neutestamentlichen Texte meinen, kaum gerecht. Der Begriff »Absolutheit« ist ganz neuzeitlichgeprägt z.B. von Hegels Rede von der ,absoluten Religion< 8 -, er sollte im 19. Jh. das Christentum als vollkommenste Verwirklichung der natürlichen Religion oder die Realisierung der Idee der Religion prädizieren, doch mußte dies in Anbetracht des geschichtlichen Charakters aller existierenden Religionen bald als unhaltbar erscheinen. 9 ,Absolutheit< im Sinne von Losgelöstheit oder gar Beziehungslosigkeit kann ohnehin nicht gemeint sein, denn in allen Diskussionen um die ,Absolutheit< des Christentums ist der Bezug auf andere Religionen stets mitgegeben. Es ist wohl besser, hier von ,Exklusivität< und ,Finalität< oder einfach von der ,Wahrheit< zu sprechen. Der Gegenstand eines solchen Wahrheits->Anspruchs< kann jedoch nicht das ,Christentum< sein, das sich ja institutionell in so vielfältigen Formen darbietet, sondern allein die im Neuen Testament bezeugte Selbsterschließung Gottes in Christus und das in ihr eröffnete Verständnis der Wirklichkeit. 10 Zuletzt ist auch die Rede vom >Anspruch< nicht unproblematisch, denn die neutestamentliche Verkündigung besteht ja nicht einfach in Sachaussagen, deren Bejahung von Außenstehenden eingefordert werden könnte. Dies würde gemäß einem landläufigen Mißverständnis das Wesen des biblischen Verständnisses des Glaubens >an< Gott bzw. Jesus Christus verfehlen und den bedingungslosen Zuspruch des Heils, das Evangelium, ins >Gesetz< verkehren. Gleichwohl ist natürlich von Wahrheitsansprüchen zu reden, weil und insofern die neutestamentlichen Aussagen Wirklichkeit zur Sprache bringen und mit ihren Aussagen zumindest teilweise auf das Ganze der Wirklichkeit zielen. 11 Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, daß die neutestamentlichen Texte in ihrem Anspruch ernst genommen werden wollen, daß die in ihnen bezeugte Offenbarung wahr ist. Freilich ergeht diese Botschaft von Anfang an in dem Vertrauen, daß die Wahrheit, von der die Zeugen reden, ihrerseits die Kraft besitzt, ihre Hörerinnen und Hörer bzw. Leserin- ZNT 5 (3. Jg. 2000) Jörg Frey Jahrgang 1962, Promotion 1996 und Habilitation 1998 in Tübingen, ab 1997 Lehrvertretung, ab 1998 Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, seit 1999 Ordinarius für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig- Maximilians-Universität München. nen und Leser anzusprechen und zu verändern Qoh 8,35). Dies gilt in besonderem Maße für die Mitte der neutestamentlichen Verkündigung, für jene Aussagen, die das Wesen und die Heilsbedeutung Jesu Christi zur Sprache bringen und darin ihren Hörern und Lesern das Heil in dem verkündigten Herrn Jesus Christus selbst zu-sprechen. Der Anspruch jedoch, daß dieser eine der Messias bzw. Christus ist (Mk 6,29), der Herr (Kyrios: Röm 10,9), der Sohn Gottes Qoh 20,31), und zwar dezidiert der einzige Qoh 1,14.18), in dem der in der Bibel bezeugte Gott Israels mit eschatologischer und universaler Gültigkeit geredet und gehandelt hat (Hebr 1,2), dieser Anspruch ist im Neuen Testament alles andere als marginal oder gar eine abstreifbare ,Schale<. Die Einzigkeit Christi und der biblische Monotheismus Das Bekenntnis zur Einzigkeit Christi ist sachlich mit dem monotheistischen Bekenntnis Israels engstens verbunden. In I Kor 8,6 zitiert Paulus ein frühes Gemeindebekenntnis, in dem »der eine Gott, der Vater, aus dem alles ist und wir zu ihm« und »der eine Herr, Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn« in völliger Parallelität nebeneinander gestellt sind. Die Einzigkeit Gottes und ZNT 5 (3. Jg. 2000) Christi begründet hier, warum den vielen, in der hellenistischen Welt verehrten und gefürchteten ,Göttern< oder ,Herren< keinerlei Mächtigkeit zuerkannt werden kann weder zum Unheil noch zum Heil. Diese Rede von der Nichtigkeit der ,Götzen" die damals für die paulinischen Adressaten eine befreiende Funktion hatte, gründet historisch in dem in Israel ausgebildeten Bekenntnis zur Einzigkeit JHWHs, gegenüber dem die ,Götter< der Völker Nichtse und die Götzen(-Bilder) leblos und stumm sind (vgl. Ps 96,4f.; Jes 41,23f.; 44,6ff. etc.). Mit diesem monotheistischen Bekenntnis verband sich spätestens bei Deuterojesaja auch der Gedanke der universalen Herrschaft JHWHs Qes 45,20ff. ), der vermittelt durch das Zeugnis Israels bei allen Völkern Anerkennung finden will (vgl. Jes 45,20ff.). Das alttestamentliche Bekenntnis zur Einzigkeit und universalen Herrschaft des biblischen Gottes bildet seither eine stets anstößige Begrenzung dessen, wie man auf der Basis der biblischen Traditionen von Gott reden kann. Weder ein Dualismus zweier gleichursprünglicher Prinzipien (s. dagegen Jes 45,7) noch ein Pantheon oder ein Pleroma göttlicher Wesenheiten läßt sich auf dieser Basis anerkennen. Hier liegt die Wurzel biblischmonotheistischer Einzigkeitsansprüche. Wo man diese preisgibt, kann man auch kaum mehr von dem biblischen Gott als einem ,lebendigen<, redenden und geschichtlich wirksamen Gott sprechen. Der sich >manifestierende< ,Transzendenzgrund< mancher moderner Pluralitätskonzeptionen hat mit diesem nicht einmal mehr den Namen gemem. Der biblisch-jüdische Hintergrund des Christusbekenntnisses In hellenistischer Zeit zog der biblisch-jüdische Monotheismus viele Menschen an. Die >Attraktivität, der Synagoge und ihre Predigt veranlaßte schon lange vor der späteren christlichen Mission zur Abkehr von den toten Götzen und die Hinkehr zu dem einen wahren und lebendigen Gott. 12 Bemerkenswert ist aber, daß das Urchristentum neben dem Bekenntnis zum ,einen Gott< in gleicher Einzigkeit - Jesus Christus als den ,einen Herrn< bekennen konnte. 13 Für Juden konnte, ja mußte dies als eine Gefährdung des monotheistischen Bekenntnisses erscheinen. Die Frage der Le- 39 gitimität des Christusbekenntnisses wurde daher zum wohl entscheidenden Faktor im langen Prozeß der Trennung zwischen den (zunächst ja ganz juden-)christlichen Gemeinden von der Synagoge, und es ist bis heute der Glaube an Jesus, der Juden und Christen trennt. Wie konnte es zu dem Bekenntnis zu Jesus als dem Messias, Herrn und Gottessohn kommen? Die alte religionsgeschichtliche Schule dachte hier vornehmlich an heidnische Einflüsse aus Mysterien, Kaiserkult und Gnosis. Neuere Forschungen weisen in eine andere Richtung. 14 Die Verehrung Christi als »Herr« und »Gottessohn« ist keine späte hellenistisch-verfälschende ,Schale< um einen ,eigentlich< jüdischen ,Kern<. Chronologisch gehen die meisten Aussagen - Akklamationen wie »Herr ist Jesus« (Röm 10,9) oder »Maranatha« (I Kor 16,22), Bekenntnisformeln über Sterben und Auferweckung J esu (Röm 4,25; vgl. 8,32), seine Einsetzung in Macht (Röm 1,4), seine Erhöhung ,zur Rechten< Gottes (Röm 8,32), und die Sendung ,des Sohnes< (Röm 8,3; Gal 4,4) und auch z.T. hymnische Aussagen über seine Präexistenz (I Kor 8,6; Phil 2,6)-in die Frühzeit der Urgemeinde vor und neben Paulus zurück. Sprachlich basieren die Formulierungen weithin auf jüdischen Traditionen. Sie lagen den ersten Anhängern Jesu, die ja sämtlich Juden waren, in der Schrift (einschließlich ihrer griechischen Übersetzung, der LXX), in frühjüdischen Auslegungen und Spekulationen über endzeitliche oder messianische Gestalten, über Engel, die Weisheit Gottes, sein Wort und andere ,Hypostasen< vor. Mit Hilfe dieser Vielfalt vorliegender Traditionen konnte formuliert werden, was im Rückblick auf den WegJesu und seinen Tod, angesichts der österlichen Erscheinungen und der Erfahrung des Geistes über J esu Gestalt und Bedeutung zu sagen war. Das urchristliche Christusbekenntnis geht insofern auf eine doppelte Wurzel zurück: auf das, was die Zeugen über Jesu Botschaft und Geschick sagen konnten, und in nicht geringerem Maße zugleich auf das, was ihnen an Ostern und Pfingsten, d.h. in der Erscheinung des Auferstandenen und in der Erfahrung des Geistes, widerfahren war. Freilich ist die Wirklichkeit dieser Widerfahrnisse, die uns ja nicht anders als in sprachlich gefaßten Zeugnissen vorliegen, ,von außen< nicht überprüfbar. Daher läßt sich die Wahrheit des christlichen Glaubens auch in historischer oder philosophischer Ar- 40 gumentation nicht ,andemonstrieren< 15 . Auf der anderen Seite verbaut man sich jedoch die Chance, die urchristlichen Zeugnisse historisch und sachlich zu verstehen, wenn man z.B. durch eine bestimmte Konzeption von Wirklichkeitsolche Erfahrungen von vorneherein ausschließt oder meint, sie in irgendeiner Weise vollständig ,erklären< zu können. 16 Im vorliegenden Zusammenhang kann es nur darum gehen zu zeigen, daß das Christusbekenntnis der nachösterlichen Zeugen historisch und sachlich nicht von der Botschaft des irdischen Jesus abgelöst werden kann und daß auf beiden Stufen des Traditionsprozesses der Anspruch der Definitivität und Exklusivität des bezeugten Heilsgeschehens zu belegen ist. Jesu Botschaft und ihr eschatologischer Anspruch Ein eschatologischer Anspruch war schon Bestandteil der Sendung und der Botschaft des irdischen Jesus. Bei aller Zurückhaltung, die aus methodischen Gründen in der Rekonstruktion des Wirkens und der Botschaft J esu geboten ist, ergibt sich doch aus den Quellen sehr klar, daß Jesus nicht in der Art eines (vor-)rabbinischen Toralehrers und erst recht nicht als ,kynischer< Wanderphilosoph aufgetreten ist. Sein Wirken war vielmehr geprägt von eschatologischen Zügen: Die Rede von der ,nahen, (vgl. Mk 1,15) Gottesherrschaft, die zu erbitten und zu erwarten ist (Mt 6, 10 par Lk 11,2) und sich zugleich zeichenhaft in Heilungen und Exorzismen schon ereignet (Lk 11,20), sprengt auch alles, was von einem ,letzten, Propheten, gesagt werden kann. Der letzte Rufer vor dem Ende, der wiedergekommene Elia (vgl. Mal 3,23), war nach Jesu eigenem Urteil der Täufer. Was in seinem eigenen Wirken geschah, beschrieb er mit Worten wie »mehr alsJona« (Mt 12,41), und »mehr als Salomo« (Mt 12,42 par Lk 11,31). Die Dringlichkeit der geforderten Umkehr und die Größe der hier offenbarten Weisheit Gottes überstiegen nachJesu Sendungsanspruch auch die Gipfelpunkte der israelitischen Heilsgeschichte. Was sich in J esu Wirken ereignete, war nur im Rückbezug auf die biblischen Heilsverheißungen (vgl. Mt l 1,5f.), d.h. als Erfüllungsgeschehen zu erfassen. Daß er der ,Messias, sei -dieser ,Titel, wurde an ihn möglicherweise aufgrund seiner Machttaten herangetragen hat ZNT 5 (3. Jg. 2000) er wohl nicht vor seinem Prozeß bekräftigt 17, was ihm dann als Gotteslästerung zum Vorwurf gemacht wurde. Aber sein Wirken wird wohl selbst mit der Kategorie des Messianischen noch nicht hinreichend erfaßt: In seiner auch gegenüber ,Mose< kritischen Auslegung der Tora (Mt 5,21ff.: »ich aber sage euch«) und im direkten Zuspruch der Vergebung von Sünden (Mk 2,lff.) 18 hat er für sich eine Kompetenz beansprucht, die, historisch gesehen, alle Schemata sprengt. Sie läßt sich nur durch die indirekte Aussage umschreiben, daß in Jesu Wirken Gott selbst gehandelt hat, daß er in Jesus seinen ,eigentlichen< Schöpferwillen proklamiert und ,Sündern< das Heil letztgültig zugeeignet hat. Daß Jesu Person und der Stellung zu ihm eschatologische Bedeutung zukommt, wird noch deutlicher in dem wohl ebenfalls authentischen Logion Lk 12,Sf. (par Mt 10,32): »Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes ... «. Hier wird nicht weniger ausgesagt, als daß die letzte richterliche Entscheidung über das eschatologische Heil der Menschen an deren irdisches Bekenntnis zu Jesus gebunden ist. Dieser unerhörte SendungsanspruchJesu hat bereits bei seinen Zeitgenossen gespaltene Reaktionen ausgelöst: Man warf ihm Manie (Mk 3,21), Magie (Mk 3,22) und schließlich Blasphemie vor (Mk 2,7; 14,64) und überstellte ihn zuletzt dem römischen Statthalter mit der politisch hochbrisanten Anklage, er sei ein Königsprätendent. Jesus selbst hat allerdings kurz zuvor seinen bald bevorstehenden Tod im Rahmen des letzten Mahls anders gedeutet: als Sterben für »die vielen« (Mk 14,24 parr.; vgl. J es 53,12), d.h. im Licht der biblischen Prophetie vom Gottesknecht als ein Geschehen, in dem allem Anschein zum Trotz kraft der ,Stellvertretung, des Knechts das Heil zugunsten der ,Vielen< erwirkt wird. Das Zeugnis der Zeugen und das Bekenntnis zu Jesus Für den Unglauben endet die Geschichte damit, und es bleibt bei einem historisch z.T. noch rekonstruierbaren, sachlich aber als hybrid und unangemessen bewerteten Selbstanspruch eines Wanderpredigers aus der galiläischen Provinz. Wäre dies alles, was zu sagen ist, dann wäre dieser Anspruch in der Tat durch das Auftreten anderer religiöser ZNT 5 (3. Jg. 2000) Persönlichkeiten vor und nach Jesus und durch den Fortgang der Geschichte gründlich relativiert. Das Neue Testament will seine Leserinnen und Leser jedoch weiter führen: zu einer Perspektive des Glaubens, der auf dem Zeugnis von Zeugen beruht. Übereinstimmend wurde von ganz unterschiedlichen Personen bezeugt, Jesus sei ihnen in neuer Lebendigkeit erschienen, Gott habe also den Gekreuzigten von den Toten auferweckt. Man kann dieses Zeugnis nicht schon deshalb abweisen, weil es von Glaubenden stammt zum Zeitpunkt ihrer Christophanie waren weder der schuldig gewordene und in Verzweiflung geflohene Petrus noch der zuvor gegenüber Jesus skeptisch-distanzierte Jakobus Glaubende, erst recht nicht der später um die Bekämpfung des vermeintlichen ,Aberglaubens< ringende junge Schriftgelehrte Schaul / Paulus. Alle drei erfuhren durch dieses Widerfahrnis eine grundlegende Neuorientierung ihrer Existenz: Ihre (Wieder-)Annahme durch den ,Erhöhten< und ihre Sendung zur Weitergabe der Botschaft die nun nicht mehr einfach die Botschaft des irdischen Jesus war, sondern die Kunde davon, daß Gott an dem Gekreuzigten eschatologisch gehandelt und darin sein Wirken und seinen als Heilsgeschehen gedeuteten Tod bekräftigt hatte. Der in göttliche Herrlichkeit, ja (nach Ps 110,1) >zur Rechten Gottes< Erhöhte konnte nun angerufen werden (,Maranatha< I Kor 16,22). Sein Tod »für uns« bzw. »für unsere Sünden« (Röm 4,25; I Kor 15,3b) und seine Auferweckung »nach der Schrift« (I Kor 15,46) und »um unserer Rechtfertigung willen« (Röm 4,25) konnte nun als ein von Gott selbst gewirktes Heilsgeschehen ausgesagt werden. Der Glaube an ihn, in dem Gott eschatologisch zum Heil gehandelt hatte, war von nun an der Modus der Teilhabe an diesem Heil (Röm 10,9). Die Wiederannahme der am Karfreitag geflohenen Jünger und insbesondere die Berufung des Verfolgers Paulus führten schließlich zu der Erkenntnis, daß das in Jesus eröffnete Heil Gottes den Menschen ohne eine Vorbedingung zuteil wird und daß diese Botschaft schließlich auch uneingeschränkt, über die Grenzen des erwählten Gottesvolkes hinaus, zu verkündigen sei. Die weitere Ausbildung der neutestamentlichen Christologie bis hin zu den johanneischen Aussagen über Jesus als »Gott« ist in diesem Anfang angelegt und braucht hier nicht weiter nachgezeich- 41 net zu werden. Es dürfte deutlich geworden sein, daß die Aussagen der urchristlichen Christologie sehr wohl an die Verkündigung des irdischen Jesus anknüpfen und sein Geschick gewiß im österlichen Rückblick, aber doch in weitgehender sachlicher Übereinstimmung mit Jesu eigenem Sendungsanspruch als eschatologisches Heilshandeln Gottes verstehen. Dies impliziert, daß das in Christus zugeeignete Heil definitiv ist 19 . Nur so bietet sich im Glauben an Christus eine verläßliche Grundlage für die menschliche Existenz im Leben wie im Sterben. Wer hingegen die eschatologische Endgültigkeit der Heilszusage leugnet und neben diesem einen, in dem Gott gehandelt hat, mit der Möglichkeit anderer ,Manifestationen des Transzendenzgrundes< rechnet, der gibt nicht nur den biblischen Gottesbegriff preis, sondern nimmt sich auch die Möglichkeit, im strengen Sinne von ,Heil, zu sprechen. Was dies für das Gespräch mit Menschen anderen Glaubens bedeutet, kann hier nicht weiter erörtert werden. 20 Ein aufrichtiger Dialog kann freilich nicht an die Voraussetzung gebunden sein, daß, wer an ihm teilnimmt, seine Wahrheits->Ansprüche, von vornherein zurücknehmen muß. Christen, die durch Christus zum Glauben berufen und mit >ewigem Leben< beschenkt sind, können sehr wohl mit Paulus zugestehen, daß »unser Wissen Stückwerk« ist (I Kor 13,12). Das Bekenntnis zu dem ,einen Herrn Jesus Christus< (I Kor 8,6) läßt sich aber nicht ,deabsolutieren< zur Rede von einem unter vielen, wenn nicht zugleich die Gültigkeit des in ihm verbürgten Heils und damit letztlich der biblische Gottesbegriff im Ganzen preisgegeben werden soll. Anmerkungen 1 Für die kritische Diskussion des Beitrags danke ich Herrn Dr. Christof Landmesser (Tübingen). 2 R. Bernhardt, Deabsolutierung der Christologie? , in: M. v. Brück/ J. Werbick(Hgg.), Der einzige Weg zum Heil? Die Herausforderung des christlichen Absolutheitsanspruchs durch pluralistische Religionstheologien, (QD 143) Freiburg 1993, 144-200.144. Vgl. ausführlich ders., Der Absolutheitsanspruch des Christentums. Von der Aufklärung bis zur Pluralistischen Religionstheologie, Gütersloh 1990. 3 R. Bernhardt, Deabsolutierung, 146. 4 R. Bernhardt, Deabsolutierung, 147ff. Bultmanns Programm läßt sich in dieser Linie nur mit Einschränkun- 42 gen nennen, weil Buhmann an der soteriologisch exklusiven Bedeutung Jesu Christi dezidiert festhielt. 5 R. Bernhardt, Deabsolutierung, 151. 6 Schon Albert Schweitzer hatte gegenüber der liberalen Leben-Jesu-Forschung gezeigt, wie sehr jedes Bild des historischen Jesus den Idealen entspricht, die für seinen Autor als erstrebenswert gelten. 7 R. Bernhardt, Deabsolutierung, 193 (kursiv J. F.). 8 Der älteste Beleg dürfte vorliegen bei I. A. Dorner, Die deutsche Theologie und ihre dogmatischen und ethischen Aufgaben in der Gegenwart (1856), in: ders., Gesammelte Schriften, 1883, 21f. Vgl. W. Härle, Dogmatik, 103ff. 9 Vgl. die fundamentale Kritik bei E. Troeltsch, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902), Tübingen 3 1929, 88. Seine Lösung, das Christentum sei zwar nicht ,absolut<, aber in der bisherigen Entwicklung der Religionen relativ »höchststehend«, ist jedoch nicht weniger problematisch als die Rede von der Absolutheit. 10 So die Bestimmung bei W. Härle, Dogmatik, 105f. 11 Vgl. grundlegend Ch. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, (WUNT 113) Tübingen 1999. 12 Vgl. z.B. die pseudo-philonische Predigt De Jona, § 216f. (in: F. Siegert, Drei hellenistisch-jüdische Predigten, (WUNT 20) Tübingen 1980), die Darstellung inJos- As 11,8-10 sowie die Spuren der christlichen Missionsterminologie in I Thess 1,9f.; Hebr 6,1; Apg 14,15-17 und 17,22ff. S. zur Sache M. Hengel / A. M. Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, (WUNT 108) Tübingen 1998, 101-132. 13 Sprachlich rekurriert das Bekenntnis in I Kor 8,6 sogar unmittelbar auf das Grundbekenntnis zur Einheit Gottes, das ,Höre Israel, von Dt 6,4, das nun freilichgegen seinen ursprünglichen Sinn in zwei parallelen Aussagen ,binitarisch< entfaltet wird; s. 0. Hofius, »Einer ist Gott - Einer ist Herr«. Erwägungen zu Struktur und Aussage des Bekenntnisses I Kor 8,6, in: Eschatologie und Schöpfung, FS E. Gräßer, (BZNW 89) Berlin/ New York 1998, 95-108. 14 S. dazu grundlegend M. Hengel, Der Sohn Gottes, Tübingen 1975; ders., »Setze dich zu meiner Rechten! « Die Inthronisation Christi zur Rechten Gottes und Psalm 110,1, in: M. Philonenko (Hg.), Le Trane de Dieu, (WUNT 69) Tübingen 1993, 108-194; A. Chester, Jewish Messianic Expectations and Meditorial Figures and Pauline Christianity, in: M. Hengel / U. Hecke! (Hgg.), Paulus und das antike Judentum, (WUNT 58) Tübingen 1991, 17-90; W. Horbury, Jewish Messianism and the Cult of Christ, London 1998; L. Hurtado, One God, One Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, Edinburgh 2 1998. 15 Dies gilt allerdings nicht nur für die Wahrheitsansprüche des christlichen Glaubens, sondern grundsätzlich für alle Wahrheitsansprüche, die angesichts der Komplexität der Wirklichkeit auf einer Auswahl relevanter Propositionen beruhen und somit ein nicht mehr zwin- ZNT 5 (3. Jg. 2000) gend zu begründendes »Präferenzkriterium« voraussetzen (s. dazu Ch. Landmesser, Wahrheit, 63ff. u. ö.). 16 Dies geschieht z.B. in der psychologischen Erklärung der österlichen Erscheinungen bei G. Lüdemann, Die Auferstehung Jesu, Göttingen 1994, 108ff.126ff. 17 Daß andererseits die Bejahung dieses Anspruchs in Mk 14,62 nicht nur ein Zeugnis später Gemeindetheologie ist (so G. Theissen / A. Merz, Der historische Jesus, Göttingen 1996), sondern in der Substanz auf ein Drohwort Jesu im Rahmen des Prozesses zurückgehen könnte, hat D.L. Bock, Blasphemy and Exaltation in Judaism and the Final Examination of Jesus, (WUNT II/ 106) Tübingen 1998, 209ff., mit beachtlichen Argumenten erhärtet. 18 Das Streitgespräch in dieser Perikope braucht nicht sekundär zu sein. Die beliebte Ausscheidung dieser Passage dürfte sich vielmehr dem Vor-Urteil verdanken, daß Jesus selbst nicht in der hier beschriebenen Weise gehandelt haben könne. S. zur Einheitlichkeit 0. Hofius, J esu Zuspruch der Sündenvergebung. Exegetische Erwägungen zu Mk 2,Sb,JBTh 9 (1994) 125-143. 19 Wäre dies nicht der Fall, dann wäre die Rede von der Gewißheit des in Christus zugesagten Heils (vgl. Röm 8,38f.) hinfällig. 20 Ein Sonderfall, der hier nicht erörtert werden kann, ist das Verhältnis zu Israel, mit dem die mittlerweile überwiegend heidenchristliche Christenheit durch die gemeinsame Bibel und insbesondere den Juden Jesus von Nazareth unlöslich verbunden ist. Die Rückbindung an Israel kann daher nie auf einer Ebene mit dem Verhältnis zu anderen Religionen verhandelt werden. Vielmehr beinhaltet das neutestamentliche Zeugnis wenigstens bei Paulus (Röm 9-11) explizit die Hoffnung auf die eschatologische Rettung Israels. UTB für Wissenschaft Kurt Erlemann Gleichnisauslegung Ein Lehr- und Arbeitsbuch UTB 2093, M, 1999, 320 Seiten, DM 36,80/ ÖS 269,-/ SFr 34,- UTB-ISBN 3-8252-2093-1 Das neue Buch von Kurt Erlemann sichtet die Geschichte der Gleichnisforschung kritisch und schreibt sie weiter. Nach der theoretischen Grundlegung entfaltet der Autor eine Methodik der Gleichnisauslegung. Anhand von Übungsfragen und Musterexegesen wird den Lesern ein Leitfaden für die eigene Beschäftigung mit den Texten geboten. UTB FtJRWISSEN SCHAFT ZNT 5 (3. Jg. 2000) Francke Neue Aspekte zu Welt und Wirken der Zisterzienser Barbara Scholkmann / Sänke Lorenz (Hrsg.) Von Citeaux nach Bebenhausen Welt und Wirken der Zisterzienser 2000, 235 Seiten, geb., mit zahlr. z. r farbigen Abbildungen DM 49,80 DM/ ÖS 364,- / SFr 47,- ISBN 3-89308-305-7 1098 zogen sich die Benediktiner aus der Abtei Molesme nach C1teaux zurück, um in strenger Beachtung der benediktinischen Regel ein neues monastisches Leben in Einfachheit, Handarbeit und Weltabgeschiedenheit zu beginnen. Ihr Kloster wurde zur Keimzelle des neuen Ordens der Zisterzienser. Geprägt von der Gestalt des HI. Bernhard von Clairvaux, trat der Orden einen Siegeszug durch die monastische Welt an. Am Ende des Mittelalters verfügten die Zisterzienser allein im deutschen Sprachraum über 141 Niederlassungen. Dieser Band geht auf die allgemeinen Aspekte der Geschichte, der Kunst- und Wirtschaftsgeschichte der Zisterzienser ebenso ein wie auf deren Verwirklichung am Beispiel Bebenhausens, einer der wichtigsten Zisterziensergründungen im süddeutschen Raum. »Geschichte wird hier am exemplarischen Beispiel höchst lebendig.« Schwäbisches Tagblatt ATTEMPTO VERLAG Dischingerweg 5 • 72070Tübingen 43
