ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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Dronsch Strecker VogelAbsolutheit und Absolutheitsanspruch des Christentums
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Peter von der Osten-Sacken
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Peter von der Osten-Sacken Absolutheit und Absolutheitsanspruch des Christentums Kritische Überlegungen mit dem Neuen Testament 1. »Allein in Christus allein durch die Schrift allein dem Glauben« teile sich Gott mit. So hat Gerhard Ebeling die hermeneutische Grundeinsicht Martin Luthers zusammengefaßt, die seine gesamte Schriftauslegung bestimme und damit zugleich auch seine Theologie. 1 Diese Grundeinsicht ist bis heute das Erkenntnisprinzip evangelisch-lutherischer Theologie geblieben. tums darauf, dessen Absolutheit zu vertreten, so daß sich jener Ring, gemessen an der konfessionell verbindlichen evangelisch-lutherischen Tradition, nur mit Gewalt aufbrechen ließe? 2. Die Aufzählung ,Christus, Schrift und Glaube, erweckt zwar den Anschein, Man kann auf diesen Kanon fraglos unterschiedlich reagieren. Man kann ihn in befreiendem oder in : TROV als handle es sich um drei gleichartige, auf einer Ebene angesiedelte Größen. beengendem Sinne verstehen, ihn bekräftigen oder abwehren. Von sich selber her hat er nicht gerade etwas Bedrohliches, doch auf jeden Fall eine deutliche ausgrenzende Tendenz: Nirgendwo anders, nur hier teilt sich Gott mit. In der Tat hat Luther selbst so formulieren können, von Beginn an, seit seiner ersten Psalmenvorlesung von 1513-15: »Niemand kann zu Gott bekehrt werden, wenn er nicht zuvor zu Christus bekehrt worden ist.« 2 Sätze dieser Art klingen wie absolut gültige, nahezu >objektive< Feststellungen. Sie sind es zwar nicht, dennoch werden sie in vielen Diskussionen, in denen es um ein anderes als um ein fundamentalistisches oder absolutistisches Verhältnis zu anderen Religionen geht, als Veto benutzt und nicht selten wie ein Spaten, mit dem man unliebsame Maulwurfshügel abflacht.Jeder, der in innerchristlichen Diskussionen für eine theologisch-qualitative Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses und damit für eine Absage an traditionelle theologische Schwarzweißmalerei eintritt, kann ein Lied davon singen. Das, was einmal befreiende Botschaft war, legt sich vielfach wie ein eiserner Ring um Christen, der sie hindert, verstehend auf andere zuzugehen und in ihnen letztlich mehr zu sehen als die Empfänger der eigenen Botschaft. Kann man diesen Ring aufschließen, oder verpflichtet zumindest die reformatorische Grundlage des evangelischen Christen- 44 Sie unterscheiden sich dennoch gravierend. >Die Schrift< in christlicher Begrifflichkeit Altes und Neues Testamentbenennt nach Luther das (allein relevante) Terrain, in dem die Selbstmitteilung Gottes an die Welt literarisch eingefroren ist. >Christus< und ,der Glaube, hingegen sind die lebendigen, über das mündliche Wort zusammenkommenden Größen, die als Interpretationsprinz1p1en jenes Gefrorene auftauen und die Selbstmitteilung Gottes von einst zu einer heilsamen Begegnung jetzt werden lassen. Die Schrift auf der einen Seite, Christus und der Glaube auf der anderen treffen freilich im Rahmen dieses Geschehens nicht als voneinander unabhängige Größen aufeinander. Vielmehr schließt das skizzierte Verhältnis das Verständnis ein, daß gerade die Schrift selbst, mithin die von diesen Größen einzig greifbare, die beiden anderen, Christus und den Glauben, Seite um Seite und in allen möglichen Brechungen als ihr entscheidendes Zentrum in sich birgt. Dies aber umschließt unabweislich einen Tatbestand von erheblicher Tragweite. Die Schrift ist nicht nur Objekt der Interpretation, vielmehr hat sie selbst ein Wörtchen mitzureden, wenn die, die sie theologisch auslegen, sich ihr mit ihren Interpretationsprinzipien zuwenden. Andernsfalls auch wäre sie ihnen ganz und gar ausgeliefert. Wie also spiegelt sich jener eingangs zitierte Kanon in der Schrift selbst? ZNT 5 (3. Jg. 2000) 3. Peter von der Osten-Sacken Geboren 1949; von 1973-1993 Prof. für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Berlin (West); seit 1994 für Neues Testament und christlich-jüdische Studien an der Humboldt-Universität Berlin; seit 1974 Leiter des zunächst an der Hochschule, ab 1994 an der Universität ansässigen - Instituts Kirche und Judentum. Das Grundbekenntis Israels, das Christen stets auch als das ihre verstanden haben, ist ein Gotteswort, von Mose empfangen und weisungsgemäß dem Volk überliefert: »Höre, Israel, der HErr, unser Gott, der HErr ist einer! « (Dt 6,4). Eine frühe und freie christliche Variante dieses Bekenntnisses ist vom Apostel Paulus im 1. Korintherbrief aufgenommen. Sie wird dort in Verbindung mit dem Problem zitiert, ob Christen anders als Juden heidnischen Göttern geweihtes Opferfleisch essen dürfen. Paulus schreibt: »Von dem Essen des Götzenopfers aber wissen wir, daß kein Götze in der Welt ist und daß kein Gott ist als der eine. Und wiewohl solche sind, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter und viele Herren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind und wir zu ihm, und einen Herrn,Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind und wir durch ihn« (1 Kor 8,4-6). In der Tradition dieser Bekennntnisse wiederum steht, desgleichen mit eigener Kontur, das muslimische: »Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet! « Aber dies mag nur in Erinnerung gerufen werden. In beiden Bekenntnissen, dem jüdischen wie dem christlichen, steht der eine Gott im Zentrum. Um ihn und seine Offenbarung zu qualifizieren, wer- ZNT 5 (3. Jg. 2000) Peter von der Osten-Sacken Absolutheit und Absolutheitsanspruch den Begriffe wie »absolut« vornehmlich ins Feld geführt, einmal dahingestellt, ob damit bereits die relevanten Motive für den Begriffsgebrauch erschöpft sind. In der Tat erscheinen in beiden Bekenntnissen für einen Moment Aussageelemente, die in eine absolut klingende Richtung weisen: »Der HErr ... ist einer«/ »daß kein Gott ist als der eine«. Beide Elemente sind freilich Aussagefragmente, die nicht vom jeweiligen ganzen Satzgefüge ablösbar sind. Dieses Gefüge aber hat beide Male ein eindeutiges Gefälle. Im ersten Fall handelt es sich um einen Aufruf an Israel, der dem Volk ins Gedächtnis prägt, daß sein (»unser«) Gott einer ist, und dort, wo dieser Satz als Anfang des gesamten Schma Jisrael/ Höre Israel im Gebet des einzelnen oder mehr noch der Gemeinde laut wird, machen beide ihn sich als verpflichtendes Bekenntnis zu eigen. Desgleichen ist im Falle des von Paulus angeführten Bekenntnisses die Gemeinde eindeutig als Träger der zitierten Aussagen benannt: »... so haben wir doch nur einen ... , durch den wir ... «. Dieser Bezug auf das Volk dort, die Gemeinde hier gibt die unzweifelhafte Relationalität des Bekenntnisses zu erkennen, seine Bezogenheit auf eine bekennende oder proklamierende Trägergruppe, und in diesem Sinne zugleich seine Relativität. Sie sind unausgesprochen stets auch dort gegeben, wo die Rede von dem einen Gott laut wird, ohne daß die Bekenntnisqualität der Rede sprachlich betont wird. 4. Sich dies zu vergegenwärtigen ist von besonderem Gewicht bei den beiden neutestamentlichen Aussagen, die wahrscheinlich am häufigsten angeführt werden, um die unabweisbare Pflicht zu demonstrieren, daß Christinnen und Christen für die Absolutheit des Christentums einzutreten haben. Zum einen handelt es sich um die geistgewirkte Erklärung des Petrus vor dem Hohenrat für sein heilendes Handeln in der Kraft Jesu Christi: »In keinem andern ist das Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen gerettet werden.« (Apg 4,12). Zum anderen geht es um den Satz des johanneischen Jesus, mit dem auch Martin Luther die eingangs aus seiner Psalmenvorlesung zitierte Behauptung neutestamentlich begründet hat: »Ich 45 bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Qoh 14,6). Im ersten Fall ist der Bekenntnischarakter der Aussage relativ leicht erkennbar, wenn man die Situation und den Sprecher einbezieht. Im zweiten scheint demgegenüber geradezu ,christlicher Anspruch pur< zu begegnen. Eine solche Einschätzung des Wortes wird freilich, so geläufig sie auch ist, durch den Charakter des Johannesevangeliums erschwert. Bekanntlich gibt es in unvergleichlich größerer Intensität als die synoptischen Evangelien das Wort des Nazareners so wieder, wie es die Trägergruppe des Evangeliums in ihrer Zeit gehört hat. Jedes der Ich-bin-Worte ist damit letztlich ein Bekenntnis der Gemeinde zu ihm in Gestalt eines Selbstbekenntnisses. Die christologisch pointierten Worte bringen mithin in kaum noch zu steigernder Weise zum Ausdruck, daß sich die Gemeinde in allem dem verdankt, dem sie diese Selbstbekenntnisse in den Mund legt. Nach dem Johannesevangelium selbst ist die Bindung der Gemeinde an den Nazarener als den Weg, die Wahrheit und das Leben keine Konkurrenz zur Bindung an den einen Gott, sondern deren Eröffnung. Dies zeigt der exkludierende Zusatz: »Niemand kommt zum Vater denn durch mich.« Mit seinem nicht einladenden, sondern eher drohenden Ton erinnert er freilich zumindest von ferne an den Wächter in Kafkas bekannter Erzählung »Vor dem Gesetz«. So scheint der Hinweis zu lohnen, daß das Johannesevangelium Ich-bin-Worte umschließt, denen diese Seite fehlt und die das christologische Bekenntnis ohne einen solchen exkludierenden Seitenblick entfalten. Sie werden zwar bezeichnenderweise sehr viel weniger oft zitiert, haben jedoch ungeachtet dessen eine unvergleichlich größere Leuchtkraft, allen voran die Tod und Leben umspannende Zusage: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.« Qoh 11,25). Worin bestehen Sinn und Gewinn, wenn man hinzufügt: >Und jeder andere Weg führt ins Verderben<? Beläßt man es bei solchen allgemeinen exkludierenden Feststellungen, so übt man eine verbale Repression aus, die die Christusbotschaft eher ruiniert als fördert. Sinn machen solche Grenzziehungen deshalb nur, wenn man sich durch sie vergewissert, warum man als einzelner oder als Gemeinschaft diesen und keinen anderen Weg 46 wählt. Dazu aber bedarf es der Argumentation und nicht der exkludierenden Proklamation. Das Johannesevangelium ist durchaus nicht bar jeglicher argumentativen Entfaltung seiner Botschaft. Aber es dominieren, begründet in Situation und Botschaft, die monologisch-proklamative Rede und ein Dualismus, der die anderen in solcher Finsternis ansiedelt, daß ihre Gestalt kaum noch zu erkennen ist. 5. Begriffe und Programme wie »Absolutheit« und »Absolutheitsanspruch« verdecken, was gerade jene Aussagen im Neuen Testament kennzeichnet, die dafür herhalten sollen, beide zu begründen: Sie stellen Bekenntnisse dar, die die Wahrheitsgewißheit einer Gemeinschaft bezeugen, nicht aber Aussagen, auf die man irgendeinen Absolutheitsanspruch gründen könnte. Ein solcher Anspruch schlösse ein, daß der einzelne oder die Gemeinschaft oder eine Institution, die ihn verträte, ein Recht hätte, sich mit dem Absoluten zu identifizieren, um seinen Anspruch geltend zu machen. Die christliche Gemeinde aber lebt von Worten und Taten, die unverändert aufs trefflichste durch jene Begebenheit gekennzeichnet werden, die Joh 12 erzählt: Jesus hört die Stimme Gottes, einige urteilen, ein Engel habe mit ihm geredet, und das Volk sagt, es hat gedonnert (V.28f.). Was der Gemeinde gegeben ist, ist eine Gewißheit, die aus Begegnungen erwachsen ist, nicht irgendeine Gewißheit, sondern die, die sie trägt und die für sie identisch ist mit der Erkenntnis der Wahrheit. Das Johannesevangelium hat diese Wahrheit im Neuen Testament am deutlichsten als >Wahrheit in Person< zum Ausdruck gebracht: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben«. Die Wahrheit ist diese Person, weil sie ihrem eigenen Zeugnis nach von sich aus nichts ist und von sich aus nichts tun kann,3 sondern ganz aus der Einheit mit Gott lebt. 4 Es ist auf biblischem Grunde per se unmöglich, daß eine Gemeinde die Wahrheit erkannt hat und sie nicht laut werden läßt für andere. Der biblische Begriff für den Auftrag, der mit der Gottes- oder Wahrheitserkenntnis gegeben ist, ist im Alten wie im Neuen Testament der des Zeugnisses. Zu diesem der Gerichtssprache angehörigen Begriff wiederum gehört konstitutiv das Moment der Glaubwür- ZNT 5 (3. Jg. 2000) digkeit. Es betrifft sowohl die bezeugte ,Sache< wie die bezeugende Person, auch wenn beide, Zeugnis und Zeuge, nicht miteinander identisch sind. Christliches Zeugnis dürfte heutzutage schwerlich glaubwürdig sein, wenn es die Vertreter anderer Religionsgemeinschaften, allen voran die biblisch benachbarte jüdische Gemeinde, unter der Voraussetzung betrachtet, sie hätten theologisch nichts Relevantes beizutragen, weil die Wahrheitsfrage bereits geklärt sei. Ob die eine oder die andere Seite für den jeweils anderen etwas beizutragen hat, läßt sich nicht durch den Austausch oder die Proklamation von Ansprüchen ausmachen, sondern nur durch die gemeinsame Erörterung von klar umgrenzten Themen und Problemen, seien sie theologisch-theoretischer oder mehr praktischer Natur. Nicht selten, wenn nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit kann man die Klage hören, was ,dann noch bleibt<, wenn man die Rede von der Absolutheit des Christentums oder von dessen Absolutheitsanspruch zurückläßt. Gerade weil sich in solcher Klage unverkennbar Identitätsangst zeigt, kann man um der Sache willen nur zurückfragen: Wenn jetzt vermeintlich nichts mehr bleibt, was war dann vorher da? 6. Zu den ebenso sachgemäßen wie hilfreichen Modellen, die entworfen oder angedacht sind, um speziell das Verhältnis von Juden und Christen heilsam zu bestimmen, gehört die Umschreibung, die Martin Buber am 14. Januar 1933 in dem öffentlichen Gespräch mit Karl Ludwig Schmidt in Stuttgart gegeben hat: »Das Juden und Christen Verbindende bei alledem [sc. bei dem Trennenden, das in der Christusfrage liegt] ist ihr gemeinsames Wissen um eine Einzigkeit, und von da aus können wir auch diesem im Tiefsten Trennenden gegenübertreten; jedes echte Heiligtum kann das Geheimnis eines echten anderen Heiligtums anerkennen. Das Geheimnis des anderen ist innen in ihm und kann nicht von außen her wahrgenommen werden. Kein Mensch außerhalb Israels weiß um das Geheimnis Israels. Und kein Mensch außerhalb der Christenheit weiß um das Geheimnis der Christenheit. Aber nicht wissend können sie einander im Geheimnis anerkennen. Wie es möglich ist, daß es die ZNT 5 (3.Jg. 2000) Pl: ! ter v„n dm· Osten-Sacken Absolutheit und .Absolutheitsanspruch Geheimnisse nebeneinander gibt, das ist Gottes Geheimnis. Wie es möglich ist, daß es eine Welt gibt als Haus, in dem diese Geheimnisse >mitsammen< wohnen, ist Gottes Sache, denn die Welt ist ein Haus Gottes. Nicht indem wir uns jeder um seine Glaubenswirklichkeit drücken, nicht indem wir trotz der Verschiedenheit ein Miteinander erschleichen wollen, wohl aber indem wir unter Anerkennung der Grundverschiedenheit in rückhaltlosem Vertrauen einander mitteilen, was wir wissen von der Einheit dieses Hauses, von dem wir hoffen, daß wir uns einst ohne Scheidewände umgeben fühlen werden von seiner Einheit, dienen wir getrennt und doch miteinander, bis wir einst vereint werden in dem einen gemeinsamen Dienst ... «. 5 Hier ist dreierlei gewahrt: das Geheimnis, d.h. die Identität der jeweiligen Gemeinschaft, die Offenheit füreinander im Mitteilen dieses Geheimnisses und die Hoffnung, die die Gegenwart übergreift und Vorläufiges nicht für Endgültiges ausgibt. Das nicht so leicht ausgeschöpfte Gespräch zwischen Schmidt und Buber ist paradigmatisch noch in einer anderen Hinsicht. Zwar vertritt Schmidt als christlicher Theologe traditionsgemäß den Absolutheitsanspruch des Christentums und in diesem Sinne eine Position der Stärke; doch die sachlich bohrenden und herausfordernden Fragen kommen eher von Buber, der für die jüdische Seite einen Anspruch- »ein zu menschlich stolzes Wort für diese [sc. unsere] Situation« negiert. 6 7. »Je besser sich irgend ein Volk geglaubt hat, je stolzer ist es stets gewesen. Dies ist die Natur aller aufgrund der Sünde.« 7 Die superbia, der Stolz oder Hochmut als die Sünde des Menschen, lauert entsprechend nach Luther stets auch bei Christen vor der Tür und hält mit Wonne bei ihnen Einzug. In seiner Psalmenvorlesung von 1513-1515 nennt er sie mehrfach unverblümt ein Monster. 8 Wie will man diesem Monster begegnen und seinem Zugriff entgehen, wenn man sich auf Absolutheit und Absolutheitsanspruch des Christentums versteift? Das Absolute ist nun einmal a priori das überlegene, und wie immer das Absolutheitsinteresse persönlich begründet sein mag, in die Hochmutsfalle, ist man, wenn man dieses Banner trägt, allemal getappt ohne daß die, die dieses Banner liegen 47 lassen, damit schon auf dem Wege der Demut wären. Der aber scheint nach dem Evangelium am Ende der köstlichere Weg. Kaum ein Text aus der Bibel hat dem nachhaltiger Ausdruck gegeben als die Geschichte von der Versuchung Jesu. Die Abwehr der satanischen Machtverlockungen gipfelt in dem Schriftzitat: »Du sollst den HErrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen! « (Dt 6,13; Mt 4,10). Dies ist der wahre Absolutheitsanspruch, den die Bibel stellt. Der Teufel muß sich ihm beugen, der Sohn beugt sich ihm in Wahrheit, uns Hochmütigen aber bleibt die unmögliche Möglichkeit, diesem Anspruch in der Kraft dessen, der den Versucher überwunden hat, ein ganzes Leben lang zu folgen - »von deinem ganzen Herzen, von deiner ganzen Seele und mit aller deiner Kraft« (Dt 6,5; Mt 22,36). Jeder Absolutheitsanspruch, der nicht Widerspiegelung dieses einzig wahren Anspruches ist, ist am Ende ein Zeichen von Kleingläubigkeit, die nach dem sichernden Balken sucht, wo nur der Wandel auf dem See trägt. Anmerkungen 1 G. Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung. Eine Untersuchung zu Luthers Hermeneutik, Darmstadt 2 1962, 277. 2 WA4,7, 8f. 3 Joh 5,19.30; 7,28; 8,28.42.54; 12,49; 14,10. 4 Joh 10,30; 17,21f. 5 K.L. Schmidt/ M. Buher, Kirche, Staat, Volk, Judentum. Zwiegespräch im Jüdischen Lehrhaus in Stuttgart am 14. Januar 1933, zuerst in: TheolBl 12 (1933), 257-274, unter Berücksichtigung späterer kleinerer Ergänzungen Buhers bei der Wiederveröffentlichung seiner Dialogteile neu herausgegeben vom Verfasser im Rahmen des Beitrags: Begegnung im Widerspruch. Text und Deutung des Zwiegesprächs zwischen Karl Ludwig Schmidt und Martin Buher im Jüdischen Lehrhaus ... , in: P. von der Osten-Sacken (Hg.), Leben als Begegnung. Ein Jahrhundert Martin Buher (1878-1978), Berlin 2 1982, 116- 144.129. Der Text der Neuausgabe (119-135) ist übernommen in: K.L. Schmidt, Neues Testament - Judentum - Kirche. Kleine Schriften, München 1981, 149- 165. 6 von der Osten-Sacken, Leben, 127. 7 So Luther in seiner Auslegung der Geschichte von Kain und Abel in seiner Genesisvorlesung von 1535-1545 (WA 42,189,34-36). 8 Vgl. bes. eindrücklich WA 4,315,13: »dieses verfluchte Ungeheuer« (hoc maledictum monstrum). 48 UTB für Wissenschaft Wilfried Engemann Einführung in die Homiletik Theologische Grundlagen - Methodische Ansätze - Analytische Zugänge UTE 2128, S, 2000, ca. 350 Seiten, ca. DM 36,80/ ÖS 269,-/ SFr 34,- UTE-ISEN 3-8252-2128-8 Die vorliegende Einführung in die Homiletik umfaßt alle Themen der Predigtlehre. Eine Besonderheit stellt die einleitende Dokumentation der Probleme der Predigt auf der Basis der Auswertung von Predigten dar. Das Buch enthält außerdem einen eigenen, der Theologie der Predigt gewidmeten Teil, in dem die Aufgabe, das Ziel und die Dimensionen der Predigt erörtert werden. Im Hauptteil des Werkes werden verschiedene Ansätze der Homiletik vorgestellt und im Hinblick auf ihre Konsequenzen bedacht. Ein Kapitel über die Predigtanalyse stellt in gut verständlicher Weise die wichtigsten Verfahren vor. Im letzten Teil des Buches wird ein Modell zur Erarbeitung einer Predigt vorgestellt. Ein umfangreiches Register und eine thematisch gegliederte Bibliographie schließen das Buch ab. Steve Mason Flavius Josephus und das Neue Testament Aus dem Amerikanischen von Manuel Vogel UTE 2130, S, 2000, 354 Seiten, DM 36,80/ ÖS 269,-/ SFr 34,- UTE-ISEN 3-8252-2130-X Die Werke des Flavius Josephus stellen die wichtigsten Quellentexte für die Geschichte des frühen Christentums und des antiken Judentums dar. Der kanadische Josephus-Spezialist Steve Mason zeigt jedoch, daß diese Texte in der Forschung vielfach als bloßer Steinbruch für historisches Datenmaterial benutzt werden und das schriftstellerische Eigeninteresse des jüdischen Historikers weithin gar nicht wahrgenommen wird. Die für diese Ubersetzung überarbeitete Einführung in das Werk des Josephus vermittelt Studierenden des Neuen Testaments nicht nur das nötige Grundwissen, sondern führt auch zu einem eigenständigen, methodologisch reflektierten Umgang mit den Quellentexten. UTB FtJRWISSEN SCHAFT Francke ZNT 5 (3. Jg. 2000)
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