eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 3/5

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2000
35 Dronsch Strecker Vogel

Wilfried Eckey: Das Markusevangelium. Orientierung am Weg Jesu Ein Kommentar. Neukirchen-Vluyn 1998, 444 S.

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Kurt Erlemann
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Unbestritten ist, dass ein geöffnetes und leeres Grab als solches keinen Auferstehungsglauben zu erwecken und zu begründen vermag (vgl. 44). Ist aber die funktionalistische Reduzierung dieser Geschichte auf eine bloße (weil erfundene) Veranschaulichung der Leibhaftigkeit der Auferstehung Jesu (50) nicht allzu modern gedacht? Sollte man nicht wenigstens mit der Möglichkeit einer Historizität der Wahrnehmung von leerem Grab und Engel in der Glaubenserfahrung von Jesusnachfolgerinnen rechnen wenn schon nicht mit dem »historischen Faktum« des leeren Grabes als solchem? Immerhin befasst sich bereits Paulus in I Kor 15, wenn auch in anderer Weise, mit der Frage der Vorstellbarkeit einer leiblichen Auferstehung! Fazit: Eine gute, allgemein verständliche Einführung in den Problemstand und eine engagierte, sorgfältig begründete Position, die aber das eigene Nach- und Weiterdenken nicht ersetzen kann und soll. 3 Günter Röhser Anmerkungen 1 Gelegentlich wird aber doch zu viel vorausgesetzt, z.B. zum Paulusverständnis oder wenn nicht erklärt wird, wer die Gruppen der »Hellenisten« und »Hebräer« in der Urgemeinde waren. 2 Vgl. Biblische Theologie des Neuen Testaments Bd. 1: Grundlegung. Von Jesus zu Paulus, Göttingen 2 1997. 3 Druckfehlerberichtigung: Im Inhaltsverzeichnis muss auf S. 9 der Abschnitt VI »Hypothesen zur Begründung des Osterglaubens . . . 22« ergänzt und bei Vögtle die Überschrift in »Biblischer Osterglaube« (wie 29) geändert werden. ZNT 5 (3. Jg. 2000) Wilfried Eckey Das Markusevangelium. Orientierung am WegJesu Ein Kommentar. Neukirchen-Vluyn 1998, 444 S. Es mag ungewöhnlich erscheinen, in der ZNT einen Evangelienkommentar zu besprechen. Denn dieses Genre zeichnet sich für gewöhnlich durch besondere »Trockenheit« der Darbietung und redundante exegetische Quisquilien aus. Nicht so der neue Markuskommentar von Prof. em. Wilfried Eckey (Wuppertal). Er kommt in erfrischendem sprachlichen Stil daher, bietet solide Exegese und ist auch für Theologinnen und Theologen in den verschiedenen Praxisfeldern außerhalb der Universität »verdaubar«. Ja, selbst interessierte Laien werden von dem Kommentar profitieren. Nicht nur, dass Eckey sprachliche Hürden wie griechische und lateinische Ausdrücke mit Übersetzungshilfen versieht und auf Fachjargon wie Fußnoten weitgehend verzichtet. Der Autor schafft es auch, die gerade in den Details oft weit verzweigte Forschung auf den Punkt zu bringen. Hier meldet sich ein »theologischer Generalist in Lehramtsstudiengängen« (V) zu Wort, der nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst seine gesammelten Erfahrungen in Lehre und Predigt in fruchtbare Exegese ummünzt. Das Anliegen des Autors ist vergleichsweise bescheiden formuliert: Kein enzyklopädisch angelegter Kommentar, sondern eine »auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitete Lesehilfe« will sein Beitrag sein. Nicht eine umfassende Darstellung aller Facetten des Genres, sondern die Einführung in das historische Verständnis des Markusevangeliums ist das erklärte Ziel Eckeys. »Wesentlich ist es, immer intensiver Hörer des Evangeliums und Schüler des Wortes der Bibel zu werden.« (VI) Die Auswahl seiner methodischen Schwerpunkte wird ebenfalls im Vorwort grundgelegt. Es geht ihm um die »Besinnung auf das spezifische Zeugnis des Markus«, darum, den urchristlichen Autor in seiner Zeit ernst zu nehmen. Dabei ist Eckey der historisch-kritischen Methode verpflichtet. Seinem Anliegen entsprechend, setzt er den Schwerpunkt in der redaktionskritischen Betrachtungsweise des Evangeliums. Spekulative Fragestellungen wie nach der Authentizität bestimmter Überlieferungen bleiben dagegen weitestgehend außen vor. Man mag dies als Mangel ansehen, besonders, wenn die eigene Fragerichtung auf den historischen Jesus und seine »Lehre« zielt. Doch angesichts der damit verbundenen methodischen und hermeneutischen Vorbehalte wirkt diese Zurückhaltung eher angenehm und lektürefördernd. Überhaupt ist die Zurückhaltung, mit der Eckey unsichere Ergebnisse historischer Analyse einführt, vorbildlich. An keiner Stelle kommt der Verdacht auf, es würden hypothetisch gewonnene Ergebnisse zu Fakten erklärt. Bereichernd für das eigene Textverständnis und für die Applikation in Predigt und Schule sind die zahlreichen traditions- und religionsge- Wilfried Eckey ORIENTIERUNG AM WEG JESU Ein Kommentar 59 schichtlichen Exkurse in Eckeys Markuskommentar. Eine sinnvolle Auswahl solcher Texte ist in den Gang der Analyse eingeflochten, ohne sie zu überfrachten. Weiterhin führt der Autor in die formgeschichtlichen Aspekte der Texte, in textlinguistische Gesichtspunkte und in Realienfragen ein. Dagegen wird die standardmäßige literarkritische Unterscheidung von Tradition und Redaktion als ultima ratio der Exegese behandelt. Durch die strenge\ und konsequent durchgehaltene Beschränkung des exegetischen Fragerasters gewinnt Eckeys Kommentar an Übersichtlichkeit und Gradlinigkeit. Eine fortlaufende Lektüre ist so durchaus möglich (und vom Autor erwünscht). Die zum Teil ausufernden Diskussionen gerade in Einzelfragen werden nicht übergangen, aber so gebündelt dargestellt, wie es nur jemand vermag, der sich über lange Jahre mit ihnen beschäftigt und ihre Voraussetzungen reflektiert hat (vgl. etwa die treffend vorgenommene Kurzanalyse der literarkritischen Fragestellung auf S. 21). In dieser gebündelten Form gelingt ein rascher Zugang zu den Sachdiskussionen, ohne dass dabei der Blick für den Text des Evangeliums verloren geht. Nach so viel Lob möchte ich auch die Grenzen dieses Kommentars benennen: Es liegt an der konzeptionellen Selbstbeschränkung, dass bestimmte Aspekte der historischtheologischen Beschäftigung mit dem Markusevangelium zu kurz kommen. Aus meiner Sicht betrifft das vor allem theologische Anfragen und hermeneutische Überlegungen. Ich möchte das an drei Punkten festmachen, zuerst am Beispiel der mk. Wunderberichte: Der Leser bzw. die Leserin erfährt viel Wissenswertes über verschiedene Wundergattungen, über das jeweilige Textgefälle, innerevangelische Bezüge oder vergleichbare Wunderberichte in der Antike. Die Analysen sind in der 60 Regel solide und erhellend. Eckey verzichtet auf jede Form rationalistischer oder psychologischer Erklärungsversuche. So begrüßenswert das ist, fehlen gleichwohl grundsätzliche Ausführungen zum mk. Wunderverständnis, zur Frage des historischen Kerns und zum hermeneutischen Umgang mit den Wundern. In diesen Fragen bleiben Leserinnen und Leser auf ihre eigenen Überlegungen bzw. auf weiterführende Literatur angewiesen. Ähnliches gilt zweitens für die mk. Gleichnistheorie: Eckey kann zwar offen vom esoterischen bzw. allegorischen Charakter der Gleichnisrede (seil. Im Markusevangelium) sprechen, enthält sich aber der spannenden Frage nach deren ursprünglichem Charakter. So erfahren wir viel Korrektes und Nachdenkenswertes über den markinischen Jesus, erhalten aber keine Hinweise auf die Problematik, die die Gleichnisforschung seit Adolf Jülicher umtreibt. 1 Ein drittes Beispiel für die Zurückhaltung Eckeys in theologischen Sachfragen ist die mk. N aherwartung der Parusie, wie sie in Mk 9,1 oder 13,30 zum Ausdruck kommt. Eckey begnügt sich mit der Feststellung, dass diese Erwartung enttäuscht wurde. Hierin ist er ehrlich und nüchtern zugleich, und das spricht für den Kommentar. Doch wie hermeneutisch mit einem solchen »Irrtum« umzugehen ist, bleibt offen. Fazit: Wer eine solide gearbeitete historische Einführung in das Denken des zweiten Evangeliums und seines Autors sucht, wer sich in einer sprachlich ansprechenden Form auf den Stand der Dinge in den einzelnen Auslegungsfragen bringen und sich nicht in exegetischen Quisquilien verlieren, sondern den »roten Faden« des Evangeliums greifbar haben möchte, wer darüber hinaus Freude an religionsgeschichtlichem Anschauungsmaterial und an kulturellem bzw. sozialgeschichtlichem Hintergrundwissen Interesse hat, ist bei Eckey genau richtig. Den theologisch interessierten Leserinnen und Lesern erschließt sich im Kommentar die ganz eigene Welt des Evangelisten Markus. Selbst Fachexegetinnen und Fachexegeten können manch weiter führende Anregung finden. 2 Wer freilich darüber hinaus in die Reflexion theologischer Sachfragen einsteigen möchte und nach »Munition« für die hermeneutische Auseinandersetzung sucht, wird bei Eckeys Kommentar nicht stehen bleiben, sondern auf weitere Literatur zugreifen. Das differenzierte Literar- und Stichwortverzeichnis am Ende des Kommentars ist hier eine wertvolle Hilfe. So betrachtet, kann ich diesen Kommentar, obwohl er gewissermaßen »außer Konkurrenz«, will sagen: außerhalb etablierter Kommentarreihen erschienen ist, wärmstens empfehlen. Auf die nächsten Eckey'schen Kommentare (zum lukanischen Doppelwerk) dürfen wir uns freuen! Kurt Erlemann Anmerkungen 1 Dazu vgl. meinen Beitrag »Wohin steuert die Gleichnisforschung? «, ZNT 3, 1999, 3-10. 2 Vgl. etwa die durchaus kritische und profunde Deutung der »Verstockungsaussage« in Mk 4,10-12 auf S.141. Nicht nur dieses Beispiel weist Eckey als philologisch versierten Exegeten aus, der durchaus gegen gängige Meinungen argumentiert, wo es sachlich geboten erscheint. ZNT 5 (3.Jg. 2000)