ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2001
47
Dronsch Strecker VogelDie Wunder der Apostel
61
2001
Ralph Brucker
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Die Welt der Apostel ist voller Wunder. Dies gilt nicht nur für die neutestamentliche »Apostelgeschichte«, die von den Anfängen des Christentums erzählt und dabei bereits mit den Erscheinungen des von den Toten auferstandenen Jesus bei seinen Jüngern und seiner Himmelfahrt einsetzt. Es gilt bei genauer Lektüre auch von den Briefen des Paulus, der großen Wert auf die Bezeichnung als Apostel legt. Dabei begegnen uns die Apostel in diesen Schriften einerseits selbst als Wundertäter, andererseits als Zeugen und als Objekte der Wundertätigkeit Gottes. Für heutige Leserinnen und Leser - mindestens für sie - ist die Welt der Apostel mit all ihren Wundern eine fremde Welt. Die folgenden Seiten gehen von der Grundannahme aus, daß eine fremde Welt nicht verstanden werden kann, wenn man sie stillschweigend den eigenen Vorstellungen von Wirklichkeit anpaßt, sondern nur, wenn man bereit ist, sie als fremde Welt wahr- und ernstzunehmen, und sich bemüht, sie in ihren eigenen kulturellen Bezugsrahmen einzuzeichnen. Mit Stefan Alkier will ich zwischen dem »Diskursuniversum« des einzelnen Textes und der »Enzyklopädie« als dem übergeordneten kulturellen Bezugsrahmen unterscheiden. 1 In diesem Sinne sollen im folgenden zuerst kurz die Wunderaussagen in den paulinischen Briefen betrachtet werden, zu denen soeben eine Spezialuntersuchung erschienen ist, um dann etwas ausführlicher auf die Wunder in der Apg einzugehen. Wunder bei Paulus Stefan Alkier befragt in seiner Untersuchung »Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus« 2 zunächst jeden einzelnen Paulusbrief als eigenes »Diskursuniversum« auf die Wunderthematik hin; in einem (vorläufig) abschließenden Schritt werden dann die Ergebnisse als »Einträge in die Enzyklopädie des paulinischen Christentums« gebündelt. Alkier betont, daß damit nur ein Ausschnitt aus der Enzyklopädie des frühen Christentums erfaßt ist; ähnliche semiotische Untersuchungen für Mk, Mt, Lk, Apg, Joh usw. wären nötig, um diesen weiterführenden Schritt gehen zu können. 3 Gegenüber einer Reduktion der Fragestellung, wie sie sich im Zuge der Form- und Redaktionsgeschichte eingebürgert hat 4 , weitet Alkier den Horizont zu einer umfassenden Wahrnehmung des Phänomens »Wunder« in der Welt des Paulus aus. Das beginnt bereits beim semantischen Feld des Wunders 5 , zu dem eben nicht nur geläufige Wendungen und Begriffe wie etwa »Zeichen, Wunder und machtvolle Taten« gehören, sondern auch die verschiedenen Ausdrücke für die wunderwirkende Kraft, für die dem Wundertäter geschenkte Fähigkeit oder für das, was Wunder bewirken; neben Substantiven sind v. a. auch Verben zu berücksichtigen. Als Wundertäter gilt im paulinischen Christentum hauptsächlich Gott, in geringerem Umfang auch Christus, sporadisch der Satan (als Vollstrecker göttlicher Strafe). Menschliche Wundertäter werden eher am Rande erwähnt (I Kor 12), wobei es sich konkret um eine von Gott gegebene Begabung (charisma) zum Heilen handeln dürfte. Die Wunder im Zusammenhang seiner Verkündigungstätigkeit reklamiert Paulus ausdrücklich nicht für sich, sondern schreibt sie Gott bzw. Christus zu. Die Themen bzw. »Topics« von Wundern, die Alkier in den Paulusbriefen findet 6 , sind: Schöpfungswunder, Berufungswunder, Rettungswunder, Heilungswunder, Empfängniswunder, Speisungs- und Trankwunder, Strafwunder, Wunder in pädagogischer Absicht, Entrückungen, Metamorphosen und eschatologische Totenerweckungen. Bei Paulus fehlen gegenüber den synoptischen Evangelien und der Apg Dämonenaustreibungen (Exorzismen) sowie »Wiederbelebungen von Toten, die dann unverwandt ihre sarkische Existenz fortführen«. Andererseits »spielen Strafwunder in den paulinischen Briefen eine weit größere Rolle als in den Evangelien und der Apostelgeschichte« (vgl. nur I Kor 11,27-32 oder II Kor 12,7, die dort kein Gegenstück haben; zu den Strafwundern in der Apg s. u.). Zum Thema Ralph Brucker Die Wunder der Apostel 32 ZNT 7 (4. Jg. 2001) ZNT 7 (4. Jg. 2001) 33 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel Ralph Brucker Dr. Ralph Brucker, Jahrgang 1961, Studium der Evangelischen Theologie in Hamburg, Promotion 1996 über die sogenannten »Christushymnen« im Neuen Testament und das Phänomen des Stilwechsels in der antiken Literatur. Zur Zeit Arbeit an einem Habilitationsprojekt zum »Retter«-Begriff im frühen Christentum (1998-2000 Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft). Seit 1993 regelmäßiger Lehrbeauftragter für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Mitherausgeber (gemeinsam mit Stefan Alkier) des Sammelbandes »Exegese und Methodendiskussion« (TANZ 23), Tübingen/ Basel 1998. Mitarbeiter im interdisziplinären Übersetzungsprojekt »Septuaginta deutsch«. »Situationen, bei denen Wunder in bevorzugter Weise geschehen« 7 , sind: Gemeindegründungen, Gefahrensituationen, Krankheiten und das (eschatologische) Gericht. Die Referenz für die Beglaubigung der Wunder ist bei Paulus häufig die Schrift (zumeist in ihrer griechischen Fassung, der Septuaginta = LXX), die eine gemeinsame Basis der von ihm und seinen Gemeinden geteilten Enzyklopädie darstellt und auf die er daher immer wieder intertextuell verweisen kann. Die Wunder der Schöpfung, des Exodus oder der Empfängnis Isaaks sind Bestandteil der Enzyklopädie des paulinischen Christentums. In einigen Fällen, vor allem im Zusammenhang von Gemeindegründungen, kann sich Paulus auf das von ihm und seinen Gemeinden geteilte »kollektive Gedächtnis« berufen. Dabei beläßt er es allerdings meist bei Anspielungen, die sich für (uns) Außenstehende nicht entschlüsseln lassen. Dies gilt besonders für die Redewendung vom »Beweis des Geistes und der Kraft« in I Kor 2,4 - einem Vers, der in seiner lebhaften Auslegungsgeschichte seit der Alten Kirche immer wieder die Frage nach der Wundertätigkeit des Paulus aufgeworfen hat. 8 Unklar bleibt auch, welche »Zeichen und Wunder und Machttaten« es sind, auf die sich Paulus als »Zeichen des Apostels« in II Kor 12,12 beruft. 9 Geradezu heiß umstritten ist es in der Forschung, ob mit der Aussage, das Evangelium habe sich bei den Thessalonichern »nicht nur im Wort, sondern auch in Kraft und im heiligen Geist und in großer Fülle« ereignet (I Thess 1,5), auf die Wundertätigkeit des Paulus bei seiner missionarischen Verkündigung angespielt sei. 10 Und auch Röm 15,19 läßt lediglich erkennen, daß »Zeichen und Wunder« für ihn zur apostolischen Evangeliumsverkündigung gehören, nicht aber, welche Taten konkret darunter zu verstehen sind. 11 Besonders interessant sind die autobiographisch beglaubigten Wundererzählungen: Gal 1,13-24 stellt (auch formgeschichtlich betrachtet) eine regelrechte Wundergeschichte dar, in der die wunderbare Verwandlung des Paulus vom Verfolger zum Verkündiger des Evangeliums geschildert wird. 12 II Kor 1,8- 11 enthält eine autobiographische Rettungswundererzählung in Kurzform; ebenso Phil 2,27 (Gottes Heilung des todkranken Epaphroditus). 13 Auf Gottes wunderbares Rettungshandeln an seinem Apostel beziehen sich auch die Leidenslisten (»Peristasenkataloge«), besonders konkret II Kor 11,23-33. 14 Das eher angedeutete als erzählte Entrückungswunder, das Paulus am eigenen Leib erfahren hat (II Kor 12,1-6), wird verknüpft mit seinen chronischen Schmerzen, die er als pädagogische Maßnahme Gottes (durch Satan) deutet, »damit ich mich nicht überhebe« (II Kor 12,7-9). 15 Wunder in der Apg 16 : Zum Sprachgebrauch Der Standardbegriff für ›Wunder‹ in den summarischen Aussagen der Apg ist »Zeichen und Wunder« (semeia kai terata). Dieser steht fast immer als Paarbegriff (4,30; 5,12; 14,3; 15,12; in umgekehrter Reihenfolge 2,43; 6,8; 7,36; vgl. 2,19); nur »Zeichen« steht gelegentlich auch allein (4,16.22; 8,6) oder mit »Krafttaten« gepaart (8,13), »Wunder« dagegen nie (der LXX-Begriff ta thaumasia, ›wunderbare Taten‹, fehlt in Lk/ Apg ganz). Dabei stellt die Wendung »Zeichen und Wunder« ein biblisches Erbe dar - sie ist dort immer mit Gott als Subjekt und besonders häufig mit dem Exodusgeschehen verbunden (vgl. Ex 7,3; 11,9f.; Ps 105,27 u.ö.). 17 Der Begriff »Krafttaten« (allein: 19,11) ist eigentlich nur die Pluralform von »Kraft« (dynamis) und bedeutet soviel wie ›Erweise oder Auswirkungen der zugrundeliegenden Kraft‹. So wird von Jesus gesagt, er sei von Gott gesalbt worden »mit heiligem Geist und Kraft« (10,38). In dieser Kontinuität ist es zu verstehen, wenn den Jüngern vom Auferstandenen »die Kraft des heiligen Geistes« verheißen wird (1,8) und Stephanus »voll Gnade und Kraft« seine »großen Wunder und Zeichen« wirkt (6,8). Damit ist es auch für die Leser der Apg keine Frage mehr, »aus welcher Kraft« die Wunder der Apostel geschehen (3,12; 4,7). Die Volksmenge in Samarien läßt sich von der Zauberei des Magiers Simon blenden und hält ihn für »die Kraft Gottes, die man die Große nennt« (8,10) - freilich nur, bis sie die Predigt des Philippus hört und seine »großen Zeichen und Krafttaten« sieht (8,12f.). Die überbietende Dreierkombination »Krafttaten und Wunder und Zeichen« ist nur in bezug auf Jesus einmal gebraucht (2,22; Rückbezug auf 2,19: Gottes verheißene »Wunder« und »Zeichen« in den letzten Tagen), hebt ihn also gegenüber den Aposteln deutlich ab. Im Unterschied zu Paulus verwendet die Apg auch das Verb ›sich wundern‹ (thaumazo) meistens im Wunderzusammenhang (2,7; 3,12; 7,31; 13,41; vgl. 3,10.11 als Substantiv bzw. Adjektiv), einmal aber auch bezogen auf die freimütige Predigt der Apostel Petrus und Johannes (4,13: obwohl sie »ungelehrte und einfache Leute waren«). Noch häufiger wird aber das Erstaunen der bei einem Wunder Anwesenden mit dem stärkeren Verb existemi bezeichnet, das meist mit ›außer sich geraten‹ oder ›staunen‹ übersetzt wird und eine Spur von Entsetzen zum Ausdruck bringt (2,7; 2,12; 10,45; 12,16); auch dieses wird einmal auf die Predigt (des Paulus) bezogen, allerdings auf deren Inhalt (9,21). Eine besondere Rolle spielt dieses Wort in der Episode über den Magier Simon, von dem zweimal gesagt wird, er habe das Volk von Samaria mit seiner Zauberei »in Erstaunen versetzt« (8,9.11), und der angesichts der »großen Zeichen und Krafttaten« durch Philippus selber »außer sich vor Staunen« gerät (8,13). Wunder sind also in der Welt der Apg durchaus kein selbstverständliches Geschehen, sondern rufen heftige Reaktionen hervor, deren Spanne von großer Freude (8,8) und Gotteslob (3,8f.; falsch verstanden 14,11ff.) über Sprachlosigkeit (9,7) bis hin zu großer Furcht (5,11) reicht. Dreimal steht die Wendung »durch die Hände«, und zwar bezogen auf die Apostel (5,12), auf Barnabas und Paulus (14,3) und auf Paulus allein (19,11). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß das Auflegen der Hände nicht nur der Heilung (so 6,6; 9,12.17; 28,8), sondern vor allem der Vermittlung des heiligen Geistes (8,17ff.; 9,17; 13,3; 19,6) dient. Von den griechischen Wörtern für ›heilen‹ wird iaomai in bezug auf Jesus (9,34; 10,38), Paulus (28,8) und Gott (28,27 im Schriftzitat aus Jes 6,9f.) gebraucht; das verwandte Substantiv iasis (›Heilung‹) steht 4,22.30. Nur im Passiv wird therapeuo verwendet (›geheilt werden‹: 4,14; 5,16; 8,7; 28,9; im LkEv auch im Aktiv, s. bes. Lk 9,1.6; 10,9). Auffällig ist der Befund, daß das Wort ›hinaustreiben‹ (ekballo) in der Apg nicht in bezug auf Dämonen verwendet wird (vgl. dagegen Lk 9,40.49; 11,14ff.). Das Ausfahren der unreinen Geister 8,7 und des Wahrsagegeistes 16,18f. wird eher unspektakulär mit einem Allerweltswort bezeichnet, das einfach ›hinausgehen‹ oder ›ausziehen‹ bedeutet und in der Apg insgesamt 28mal vorkommt. Auch die Bezeichnung daimonion für Dämonen, die von Menschen Besitz ergreifen (im LkEv 23mal! ) fehlt in der Apg. 18 Sie werden unter dem Begriff pneuma (»Geist«) subsumiert (»unreine Geister« 5,16; 8,7; »böse Geister« 19,12.13.15.16; »ein Wahrsagegeist« 19 16,16). Dieser Sprachgebrauch nimmt den Dämonen das Besondere - sie sind Geister unter anderen Geistern: Jeder Mensch hat ein pneuma (7,59; 17,16; 18,25 [zweideutig 19,21; 20,22]), und das am häufigsten erwähnte, allen anderen überlegene pneuma ist der »heilige Geist« (ca. 40mal). Die Wundertäter in der Apg Scheinbar im Unterschied zu den Paulusbriefen treten in der Apg mehrere menschliche Wundertäter auf. Neben Petrus und Paulus allein, die in jeder Hinsicht als Hauptakteure des Buches erscheinen, werden genannt: »die Apostel« - was Petrus mit einschließt! - (2,43; 5,12.16); Stephanus (6,8); Philippus (8,6f.13); Hananias in Damaskus (9,17) sowie Paulus und Barnabas (14,3; vgl. 14,27; 15,4.12). In der Stephanusrede wird außerdem an Mose als Wundertäter erinnert (7,36). Allerdings verhält es sich bei näherem Hinsehen auch in der Apg ganz ähnlich wie bei Paulus, nämlich daß Gott als der eigentliche Wundertäter zu verstehen ist. So wird direkt ausgesagt, daß Gott durch Paulus und Barnabas (14,27; 15,4.12) bzw. »durch die Hand des Paulus« (19,11; vgl. 21,19) Wunder getan habe. Von solchen Aussagen her ist es zu lesen, wenn Wundertaten »durch die Apo- 34 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema stel« (2,43) bzw. »durch die Hände der Apostel« (5,12) konstatiert werden. Der von Petrus wunderbar geheilte Gelähmte reagiert auf das Wunder mit einem Lob Gottes (3,8; vgl. auch 4,21) - offenbar angemessen, denn auch der Apostel selbst wehrt sich gegen die Annahme, er habe die Heilung »aus eigener Kraft oder Frömmigkeit« bewirkt (3,12; vgl. 5,38f). Vielmehr geschieht die Heilung durch die Berufung auf den »Namen Jesu Christi« (3,6; 4,10; 9,34), auf den sich später auch Paulus bezieht (16,18; vgl. auch 19,13-20). Jesus als »der Herr« ist auch das Subjekt der Wiederherstellung des erblindeten Paulus durch Hananias (9,17) sowie der Wunder »durch die Hände« von Barnabas und Paulus (14,3). Paulus wird generell als »auserwähltes Werkzeug« des Herrn (9,15) berufen, so daß alle seine Taten und Worte auf diesen zurückgeführt werden können. 20 Das oben erwähnte Auflegen der Hände (zur Heilung oder Geistverleihung) dürfte denselben instrumentalen Charakter aufweisen: Die Apostel übermitteln eine Kraft, die lediglich durch sie hindurchgeht, aber ihren Ursprung bei Gott bzw. dem Herrn hat. In die gleiche Richtung weist auch die häufige Erwähnung von Gebeten im Zusammenhang mit wunderbaren Ereignissen (bes. 4,30f.; 12,5.12; 9,40; ferner 6,6; 8,15; 10,4.9.30f.; 11,5; 16,25; 22,17f.; 28,8). Darüber hinaus wird die Rolle des Wundertäters auch von Wesen besetzt, die von vornherein der göttlichen Sphäre angehören: vom »Engel des Herrn« (5,19f.; 12,7-11.23) und vom »Geist des Herrn« (8,39). Auf einer deutlich anderen Stufe stehen die nicht von Gott bzw. vom Herrn legitimierten Figuren, die sich die Wundertäter-Rolle anmaßen wollen: Simon in Samaria kann zwar das Volk »in Erstaunen versetzen« (8,9.11) und läßt sich als »die Kraft Gottes, die man die große nennt«, feiern (8,10), wird jedoch durch seine Begegnungen mit Philippus (8,12f.) und Petrus (8,14-24) in die Schranken gewiesen. Seine Taten werden vom Erzähler als »Zauberei« (8,9.11: mageuo / mageia) charakterisiert und sein Auftreten mit Geld in Verbindung gebracht (8,18-20). Als »Zauberer« (magos) wird auch Barjesus/ Elymas auf Zypern (13,6.8) eingeführt, den der Erzähler außerdem als »Lügenprophet« (13,6) kennzeichnet; er wird von Paulus mit weiteren Schmähbegriffen belegt (13,10) und zum Objekt eines Strafwunders: vorübergehende Blindheit (13,11; wie vorher [9,8f.] Paulus selbst! ). Die verunglückte Dämonenaustreibung der Skeuas-Söhne in Ephesus (nur sie werden in der Apg als »Exorzisten« [»Beschwörer«] bezeichnet: 19,13) zieht eine freiwillige öffentliche Verbrennung von Zauberbüchern nach sich, wobei ausdrücklich der immense Marktwert dieser Bücher beziffert wird (19,19). Die Wahrsagerei der Sklavin in Philippi wird als »Mantik« gekennzeichnet und ist für »ihre Herren« nur wegen des wirtschaftlichen »Gewinns« interessant; deshalb verklagen sie Paulus nach seiner Austreibung des Wahrsagegeistes unter Vorspiegelung religiöser Motive (16,16.19f.). 21 Die Wunder-Themen in der Apg Folgende Themen (»Topics«) oder Gattungen von Wundern kommen in der Apg vor 22 : Heilungswunder 23 : Explizit ausgeführt sind Heilungen von Lähmung (3,1-10; 8,7; 9,32-35; 14,8-11) und Fieber (28,7f.) sowie die Heilung der vorübergehenden (als pädagogische Strafaktion verhängten, s. u.) Blindheit des Paulus (9,17f.); allgemein von Heilungen Kranker ist 5,15f.; 19,12; 28,9 die Rede (vgl. auch den Gebetswunsch 4,30). Spektakuläre Sonderfälle sind in diesem Zusammenhang die ›indirekten‹ Heilungen durch den Schatten des Petrus und die Schweißtücher des Paulus (5,15; 19,11f.). Dämonenaustreibungen (Exorzismen) 24 : Zu den summarisch erwähnten »Zeichen« des Philippus gehört auch, daß »unreine Geister« aus den Besessenen ausfahren (8,6f.). Ausführlich erzählt ist die Austreibung eines Wahrsagegeistes durch Paulus (16,16-24). Selbst die von ihm am Leib getragenen Tücher bewirken, daß »die bösen Geister« entweichen (19,12). Dagegen schlägt der Versuch der »sieben Söhne eines gewissen Skeuas, eines jüdischen Hohenpriesters«, einen »bösen Geist« auszutreiben, fehl - obwohl sie sich auf »den Jesus, den Paulus verkündet«, berufen (19,13-17). Totenerweckungen 25 : Von Petrus (9,36-43) und Paulus (20,7-12) wird jeweils eine Totenerweckung erzählt. Rettungswunder 26 : Mehrmals kommt es zu einer wunderbaren Befreiung von Aposteln im Gefängnis (5,17-26; 12,4-11; 16,23-40) 27 . Ferner sind hier die Stellen zu nennen, an denen Paulus Situationen unbeschadet übersteht, die eigentlich zum Tod führen müßten: eine Steinigung (14,19f; vgl. dagegen 7,59ff.! ) 28 und den Biß einer Natter (28,3-6). Man könnte hier von »Immunitätswundern« sprechen. 29 Wunderhafte Züge trägt auch die Erzählung von der Rettung des Paulus aus Seenot (27,6-44; bes. V. 21-26). ZNT 7 (4. Jg. 2001) 35 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel Strafwunder 30 : Einige Menschen, die sich gegenüber Gott vergehen, werden durch ein Wunder bestraft. Zu Tode kommen auf diese Weise Hananias und Sapphira (5,1-11) und Herodes Agrippa (12,20-23); vielleicht soll auch der Tod des Judas (1,18f.) als Strafwunder verstanden werden. 31 Eine vorübergehende Erblindung trifft den Christenverfolger Saulus/ Paulus (9,8f.) und den Zauberer Barjesus/ Elymas (13,11f.); die zeitliche Befristung macht deutlich, daß diese Strafwunder in pädagogischer Absicht geschehen. Berufungswunder : Wunder geschehen bei der Berufung des Paulus (9,1-19; vgl. 22,3-21; 26,12- 18) und der Bekehrung des Cornelius (10,1-11,18). Aber auch das unglaublich rasche Wachstum der Gemeinde übersteigt das Menschenmögliche und kann letztlich nur auf Gottes Wunderhandeln zurückgeführt werden (bes. 2,41.47; 4,4; 5,14; 9,31[35]; 11,21; 16,5; 19,20). Epiphanien 32 : Die Erzählung setzt mit der Erscheinung des auferstandenen Jesus bei seinen Jüngern ein (1,3-11); dieser erscheint im weiteren Verlauf der Handlung auch Paulus (9,3-8; vgl. 9,27; 22,6-10; 26,13-19) und Hananias (9,10-16), um Paulus für das Evangelium zu gewinnen, und dann noch mehrmals dem Paulus (18,9f; 22,17-21; 23,11). Das einmütige Gebet der Gemeinde in Jerusalem wird damit beantwortet, daß der Ort, an dem sie versammelt sind, erbebt (4,31). Stephanus erinnert in seiner Rede daran, daß dem Mose ein Engel und die Stimme des Herrn begegnet sind (7,30-34.38); er selber sieht die »Herrlichkeit Gottes« und Jesus als »Menschensohn« zu seiner Rechten (7,55f.). Ein »Engel Gottes« erscheint dem Cornelius (10,1-33; vgl. 11,4-18), während Petrus gleichzeitig eine Himmelsstimme hört, die seine Vision kommentiert (10,9-17; vgl. 11,5-10). 33 Ein »Engel des Herrn« erscheint sowohl bei den Aposteln als auch bei Petrus allein im Gefängnis (5,19f; 12,7-11); bei Paulus und Silas ist es ein Erdbeben, das die Grundmauern ihres Gefängnisses erschüttert (16,26). In der Seenot erscheint dem Paulus ein »Engel des Gottes, dem ich gehöre und diene« (27,23f.). Daß schon die »zwei Männer in weißen Gewändern«, die bei der Himmelfahrt Jesu zugegen sind und den Jüngern seine Wiederkunft vorhersagen (1,10f.), als Engel aufzufassen sind, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus der zugrundeliegenden Enzyklopädie. 34 Schließlich erscheint dem Paulus in einer nächtlichen Vision, die als Handlungsanweisung Gottes gedeutet wird, »ein makedonischer Mann« und veranlaßt ihn und seine Gefährten, nach Makedonien zu fahren (16,9f.). Es gibt in der Apg auch Stellen, an denen sozusagen ›mißverstandene Epiphanien‹ stattfinden: Wenn den Angehörigen des Hohen Rates das Angesicht des Stephanus »wie das Angesicht eines Engels« erscheint (6,15), könnte das noch als feierlicher Vergleich gelesen werden. Aber daß das Erscheinen eines Engels durchaus zum Erwartungshorizont der Figuren der Apg, ja sogar der Jünger im Haus der Maria (Mutter des Johannes Markus) gehört, zeigt sich, als der aus dem Gefängnis befreite Petrus vor dem Tor steht: Die Jünger halten es für wahrscheinlicher, daß »sein Engel« draußen steht, als daß er aus dem Gefängnis entkommen sein könnte (12,12-16). 35 Selbst ein Herabsteigen von Göttern in Menschengestalt wird für möglich gehalten - von dem Volk und dem Zeuspriester in Lystra, die Paulus und Barnabas für Hermes und Zeus halten und trotz ausdrücklicher gegenteiliger Bekundungen kaum davon abzubringen sind, ihnen zu opfern (14,11-18) 36 . Auf Malta wird Paulus noch einmal für einen Gott gehalten, weil er den Schlangenbiß überlebt (28,6). 37 Zum Bereich der Epiphanien kann auch das Motiv der Geistausgießung bzw. -erfüllung gezählt werden, das vor allem die erste Hälfte der Apg durchzieht (1,8; 2,4.17f.33; [4,8; ] 4,31; 7,55; 8,15.17-19; 10,44ff.; 11,15; 13,52; 15,8; 19,6). Der Geist wird fast als Person dargestellt, wenn er zu den Aposteln spricht (8,29; 10,19; 11,12; 13,2; 21,4.11; 23,9), ihren Weg lenkt (8,39; 13,4; 16,6f.; vgl. 20,22f.) und sogar an ihren Entscheidungen beteiligt ist (15,28). In ähnlicher Weise redet der »Engel des Herrn« zu den Aposteln (8,26; 12,7-11; 23,9), kommt zu ihnen in Gefahren (5,19; 12,7ff.; 27,23) und kehrt sogar in das Haus eines gottesfürchtigen Heiden ein (10,3-7.22; 11,13). Aber auch der »böse Geist« von 19,15 spricht wie eine eigenständige Person zu den Exorzisten, die ihn »beschwören« wollen (erst als es ums Austeilen von Prügel geht, kommt sein menschlicher ›Wirt‹ ins Spiel, 19,16). Im Zusammenhang der ersten Geistausgießung geschieht ein (Fremd-)Sprachbzw. Hörwunder (2,1-13): Menschen ganz verschiedener sprachlicher Herkunft hören die Apostel jeweils in ihrer eigenen Sprache von den »großen Taten Gottes« reden (2,11) - das Wunder verweist also auf weitere Wunder. 38 Wahrsagephänomene - wunderbares Wissen von Dingen, die ein Mensch eigentlich nicht wissen 36 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema kann - werden von sehr unterschiedlichen Personen berichtet: Petrus kennt die Herzen von Hananias und Sapphira und sieht bei der Frau auch den Tod voraus (5,3f.9). Der Jerusalemer Prophet Agabus kann die Zukunft vorhersagen (11,28 eine Hungersnot; 21,10f. die Gefangenschaft des Paulus; diese war Paulus laut 20,23 vorher schon in mehreren Städten durch den »heiligen Geist« prophezeit worden). Prophetische Begabung wird auch den vier Töchtern des Evangelisten Philippus zugeschrieben (21,8). Eine geistbesessene Sklavin in Philippi bezeichnet Paulus und seine Begleiter orakelhaft-unpräzise als »Knechte des höchsten Gottes«, die den bzw. einen »Weg des Heils« verkündigen (16,16-19). 39 Paulus weiß sein eigenes Schicksal im voraus (20,25-30) und sieht den Schiffbruch wie auch die Rettung der Besatzung vorher (27,9f.21-26). Entrückungen : Nach der Himmelfahrt Jesu, die als Entrückung auf einer Wolke geschildert wird (1,9-11), gibt es noch eine Entrückung des Apostels Philippus zwecks Ortswechsel (8,39). Gegenüber den oben aufgelisteten Wunder-Themen aus den Paulusbriefen fehlen bzw. treten zurück: Schöpfungswunder (vgl. aber die Hinweise auf Gott als Schöpfer 4,24; 7,49f.; 14,15; 17,24); Empfängniswunder (vgl. aber Lk 1-2! ); Speisungs- und Trankwunder (vgl. aber Lk 9,10-17; implizit auch Apg 7,36! ); Metamorphosen (vgl. aber 2,20: Verwandlung der Sonne in Finsternis und des Mondes in Blut als Zeichen der Endzeit nach Joel 3,1-5) sowie eschatologische Totenerweckungen (jedenfalls keine Schilderung; vgl. aber 23,6; 24,15.21; 26,8.23). Wunder - Glaube - Wirklichkeit An einigen Stellen wird im Zusammenhang von Heilungswundern ausdrücklich der Glaube des Geheilten als Voraussetzung herausgestellt (3,16; 5,14f.; 14,9). Dies ist aber schon bei den Heilungen nicht überall durchgeführt und kann im Blick auf die Wundertaten insgesamt keineswegs als konstitutiv gelten - gibt es doch auch Wunder, denen Unglaube oder Skepsis vorangehen (9,1-9; 12,4-19; 12,23; 27,11; vgl. auch 13,41; zu Skepsis selbst bei Gläubigen vgl. 10,45). Wichtiger scheint der Glaube der Wundertäter zu sein, der stets vorausgesetzt werden muß (siehe bes. 3,16; ferner 9,40; 28,8, wo dem Wunder ein Gebet des Wundertäters vorausgeht). Umgekehrt gibt es auch Stellen, an denen das Wundergeschehen Glauben hervorruft (5,14; 9,35.42; 13,12; evtl. 8,6; 16,31.34). 40 Aber auch dies ist kein Automatismus; vielmehr führt die grundsätzliche Zweideutigkeit des Wunders oft zu gespaltenen Reaktionen (2,12f.; 4,5-22; 14,4; vgl. auch 17,32; 23,6ff.). An unerwünschten Wirkungen sind einerseits unverhohlene Feindschaft (16,19f.), andererseits die göttliche Verehrung des Wundertäters (14,11-18; 28,6) zu verzeichnen. Wie wichtig die richtige Deutung des Wundergeschehens ist, zeigen die Stellen, an denen sich demselben eine Apostelrede anschließt (2,14-36; 3,12-26; 4,8-12; 14,14-17; 16,28-34) - aber selbst dann ist noch ein Beharren auf der falschen Deutung möglich, wie 14,11-18 eindrücklich zeigt. Unabhängig von der Frage nach dem Glauben oder der rechten Deutung wird immer wieder betont, daß es sich bei den berichteten Wundern um tatsächliches Geschehen, nicht etwa um rein subjektive Einbildung oder rational erklärbare Vorgänge handelt. Auf der Ebene der wörtlichen Rede wird teils die unbestreitbare Tatsächlichkeit konstatiert (4,16 sogar durch Gegner; 12,9.11 nach anfänglichen Zweifeln durch Petrus; vgl. 10,34), teils treffen auch zwei konträre Meinungen aufeinander, indem der Vorwurf, »verrückt« zu sein (griech. maino / mania), durch Beharren auf den Wahrheitsanspruch beantwortet wird (12,15; 26,24f.). Auf der Erzählebene ist zu beachten, daß die Gleichzeitigkeit der Visionen von Cornelius und Petrus (Kap. 10-11) auch eine gegenseitige Beglaubigung bedeutet. Und die bei vielen Wundern ausdrücklich geschilderte Reaktion der Volksmenge hat u. a. die Funktion, die Glaubwürdigkeit des Wunders durch Berufung auf Zeugen zu bekräftigen. 41 Parallelität von Petrus und Paulus Ein auffälliger Befund in der Apg ist die Parallelität der beiden Hauptgestalten Petrus und Paulus. Dies gilt zum einen für ihre ausführlichen Missionsreden, zum anderen eben für die Wunder, die durch sie und an ihnen geschehen: Beide heilen Lahme (3,1-10; 9,32-35 bzw. 14,8-11), erwecken Tote (9,36-42 bzw. 20,7-12), wirken Strafwunder (5,1- 11 bzw. 13,4-12) und ›indirekte‹ Heilungen (5,15 durch den Schatten des Petrus; 19,11f. durch die Schweißtücher des Paulus). Beide werden im Gefängnis befreit (5,17-26; 12,4-11 bzw. 16,23-40) ZNT 7 (4. Jg. 2001) 37 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel und durch eine Vision zu einem entscheidenden neuen Schritt ihrer Mission angestoßen (10,1-33 bzw. 16,9f.). Beide werden auch mit Magiern konfrontiert, denen die Legitimation durch den heiligen Geist fehlt (8,9-24 bzw. 13,4-12; vgl. 19,13- 20); und beide treten durch übernatürliches Wissen hervor (5,3f.9 bzw. 20,25-30; 27,9f.21-26), was allerdings auch von anderen verzeichnet wird. Nur von Paulus werden ein Exorzismus (16,16-40; vgl. aber Philippus nach 8,6f.) und die Heilung eines Fieberkranken (28,7f.) erzählt, und nur in bezug auf ihn werden »Immunitätswunder« berichtet (14,19f.; 28,3-6). Dadurch ergibt sich ein leichtes Übergewicht der Paulus-Wunder gegenüber den Petrus-Wundern. Für beide ist aber wiederum die Rückbindung an die Wunder Jesu festzustellen, auf die im nächsten Abschnitt einzugehen sein wird. Intertextuelle Bezüge zum Lukasevangelium Das Werk, dessen Kenntnis die Apg ausdrücklich voraussetzt (1,1f.), ist das Evangelium desselben Verfassers. Auf sein zentrales und größtes Wunder, Jesu Auferweckung durch Gott (Lk 24), wird in der Apg immer wieder zurückverwiesen (explizit 1,21f.; 2,24.31f.; 3,15; 4,2.10.33; 5,30; 10,40f.; 17,3.18; 26,23; implizit in der Chiffre »das Evangelium bzw. Jesus Christus verkündigen«). Auch die Wunder der Apostel nehmen schon im Lukasevangelium ihren Anfang: Nach Lk 9,1f. werden die »Zwölf«, die bei ihrer Einsetzung Lk 6,13-16 auch als »Apostel« definiert wurden 42 , von Jesus mit »Kraft und Vollmacht« - auch über Dämonen - ausgestattet und ausgesandt, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen. Sie können auch schon von ersten Heilungserfolgen berichten (Lk 9,6.10), sind aber mit der Austreibung eines Dämons noch überfordert (Lk 9,40). Später (Lk 10,1ff.) sendet Jesus 72 Jünger aus, die ebenfalls Kranke heilen und die Nähe des Gottesreiches verkünden sollen (10,9); und diese kommen voller Freude zurück und berichten, daß ihnen »sogar die Dämonen sich unterwerfen«, weil sie sich auf Jesu »Namen« berufen hätten (10,17). Allerdings wird ihre Freude durch Jesu Antwort etwas gedämpft: Sie sollen sich nicht darüber freuen, daß ihnen »die Geister sich unterwerfen«, sondern daß ihre (eigenen) Namen im Himmel »eingeschrieben« seien. Die von den Jüngern gebrauchte Wendung »in/ mit deinem Namen« 43 ist bereits in 9,49 in bezug auf einen fremden Exorzisten gefallen; in der Apg wird sie im Zusammenhang eines Heilungswunders durch Petrus (3,3; 4,10) und eines Exorzismus durch Paulus (16,18) ausdrücklich gebraucht (»in/ mit dem Namen Jesu Christi«), und auch in der Erzählung des mißlungenen Exorzismus durch die Söhne des Skeuas (19,13-20) spielt »der Name des Herrn Jesus« eine wichtige Rolle. 44 Den 72 Jüngern gibt Jesus die Verheißung: »Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und über alle Kraft des Feindes, und nichts wird euch irgendeinen Schaden zufügen.« (Lk 10,19). Als Erfüllung des zweiten Punktes dieser Verheißung kann man die wunderbaren Befreiungen der Apostel aus dem Gefängnis (Apg 5,17-26; 12,4-11) ansehen. Aber vollständig erfüllt sie sich nur an Paulus, der nicht nur im Gefängnis wunderbar befreit wird (16,23- 40), sondern auch einen Schlangenbiß und eine Steinigung unbeschadet übersteht (28,3-6; 14,19f.) - und das, obwohl er gar nicht zum Kreis der Jünger Jesu (geschweige denn zu den zwölf Aposteln) gehörte. Dies zeigt, daß die Heilszusage Jesu in der Zeit der Kirche nicht auf den Kreis der Jünger beschränkt bleibt, sondern für alle gilt, die zur Gemeinde gehören. Dazu lassen sich auch die Jüngerin Tabitha in Joppe (9,36-42) und der junge Mann Eutychus in Troas (20,7-12) zählen, die sogar vom Tod erweckt werden. 45 Ein Naturwunder, wie Jesus es den Jüngern nach Lk 17,5f. zutraut (Versetzung eines Maulbeerbaums ins Meer nur durch die Kraft des Glaubens), wird in der Apg nicht berichtet. Aber die buchstäblich »erschütternde« Wirkung des Gebetes in Apg 4,30f. und besonders 16,25f. (Wanken der Gefängnismauern und Türöffnung) könnte von dieser Prophezeiung her gelesen werden. Nicht nur die durch die Apostel gewirkten Wunder, sondern auch und noch stärker die Wunder Jesu selbst stellen eine intertextuelle Verknüpfung zwischen den beiden Büchern des lukanischen Doppelwerks dar. Ausdrücklich verweist Petrus in Apg 2,22 auf Jesus und die »Krafttaten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat«, und in 10,38 darauf, »wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle geheilt, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm«. 38 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema Alle Wundertaten der Apostel haben Vorbilder im Wirken Jesu, wie es im Lukasevangelium geschildert worden ist: Die Heilungen von Gelähmten durch Petrus, Philippus und Paulus (Apg 3,1-10; 8,7; 9,32-35; 14,8-11) sind bei Jesus vorgeprägt in Lk 5,17-26. 46 Die Heilung des fieberkranken Vaters des Publius durch Paulus (Apg 28,7f.) hat ihr Gegenstück in der Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Lk 4,38f.), womit zugleich ein großer Bogen vom letzten Heilungswunder des Doppelwerkes zurück zum ersten gezogen wird. 47 Die allgemeine Erwähnung von Heilungen Kranker in summarischen Abschnitten (Apg 5,15f.; 19,12; 28,9) ist ebenfalls bereits im Evangelium anzutreffen (Lk 4,40; 6,17-19; 7,21; 8,2f.; 9,11). Auch die ›indirekten‹ Heilungen durch den Schatten des Petrus und die Schweißtücher des Paulus (Apg 5,15; 19,11f.) haben ihr Vorbild bei Jesus: in der Heilung durch den Saum seines Gewandes (Lk 8,43-48). 48 Bei den Dämonenaustreibungen (Exorzismen) können die nur summarisch kurz erwähnte durch Stephanus (8,6f.) und die ausführlich erzählte durch Paulus (16,16-24) unterschieden werden. Beides ist bei Jesus öfter bezeugt (summarisch: Lk 4,41; 6,18; 7,21; 8,2f.; 13,32; ausgeführt: Lk 4,33- 37; 8,26-39; 9,37-43; 11,14f.). 49 Für die Totenerweckungen durch Petrus und Paulus (9,36-43 und 20,7-12) ist auf die Totenerweckungen durch Jesus in Lk 7,11-17 und 8,40- 42.49-56 hinzuweisen. Die Wahrsagephänomene lassen sich unterscheiden in Aussprechen verborgener Wahrheiten - mit den Sonderfällen »Herzenskenntnis«, d.h. Kenntnis der inneren Geheimnisse (5,3f.) 50 , und Erkennen der wahren Bedeutung von Menschen (16,16-19; orakelhaft gebrochen) - und Weissagung der Zukunft (5,9; 11,28; 20,23-30; 21,10f.; 27,9f.21-26). Nach dem LkEv kennt auch Jesus die geheimen Gedanken (Lk 5,22; 6,8; 7,39; 9,47); er selbst wird in seiner wahren Bedeutung von einem Besessenen erkannt und als »Sohn des höchsten Gottes« angesprochen (8,28). 51 Von seinen mehrmaligen Weissagungen zukünftiger Dinge sei hier nur auf die dreimalige Ankündigung seiner Passion und Auferstehung hingewiesen (Lk 9,21f.43f,; 18,31- 33), die sich innerhalb der erzählten Welt des Evangeliums erfüllt. Neben den Taten der Apostel selbst lassen auch die an ihnen geschehenden wunderbaren Ereignisse feine Verknüpfungen zum Evangelium sichtbar werden: Die Rettung des Paulus aus Seenot (Apg 27) ist - bei allen Unterschieden im einzelnen - mit der Rettung der Jünger vor dem Seesturm (Lk 8,22-25) zu vergleichen. Bei Paulus’ unbeschadetem Überstehen der Lynchjustiz (Apg 14,19f.) kann man sich an die Unantastbarkeit Jesu in Nazareth (Lk 4,28-30) erinnert fühlen. Die wunderbare Vermehrung der Gemeinde mit ihren riesig großen Zahlen (bes. Apg 2,41.47; 4,4) läßt an den wunderbaren Fischfang von Lk 5,1-11 denken, dessen Pointe die Prophezeiung Jesu an Petrus ist: »Von nun an wirst du Menschen fangen.« Aber auch das Speisungswunder von Lk 9,10-17 klingt an - zumal die Zahl 5000 nur hier und Apg 4,4 im lukanischen Doppelwerk vorkommt. 52 Die oben aufgezählten Epiphanien der Apg sollen hier nicht wiederholt werden; sie haben jedoch ebenfalls ihre Gegenstücke im Evangelium: Auch hier treten Engel auf (Lk 1,11-25.26-38; 2,8-15; 24,1-8); die Stimme Gottes ertönt aus einer Wolke (3,21f.; 9,35); die Jünger sehen Jesus in Verklärung mit Mose und Elia (9,28-36); Jesus sieht den Satan vom Himmel fallen (10,18) und weissagt das Kommen des Menschensohns (21,25-28); bei seinem Tod gibt es eine Sonnenfinsternis und zerreißt der Tempelvorhang (23,44f.); als Auferstandener erscheint er seinen Jüngern (24,30f.36-43). Schließlich ist auch die Himmelfahrt Jesu als Entrückungswunder (Apg 1,9-11) im Lukasevangelium schon einmal berichtet worden (24,50f.). Im Vergleich läßt sich feststellen, daß in der Apg gegenüber der Jesus-Geschichte des Lukasevangeliums einige Wundermotive fehlen. Dies wird z.B. deutlich, wenn man den programmatischen, das Auftreten Jesu charakterisierenden Satz aus Lk 7,22 heranzieht: »Er antwortete den beiden: Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.« Blinde kommen in der Apg nur als Objekte eines zeitlich befristeten Strafwunders vor, Aussatz, Taubheit und Stummheit fehlen ganz. Auch andere Krankheiten, die Jesus heilt (Blutfluß, Wassersucht), fehlen in der Apg - ganz zu schweigen von der Heilung eines abgeschnittenen Ohres. Jesu Herrschaft über Naturgewalten (Stillung des Seesturms) sowie seine wunderbare Vermehrung eines Fischfangs und Speisung von 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen haben im Wirken der Apostel ebenfalls kein Gegenstück. Sie bleiben ihrem »Herrn« deutlich untergeordnet. ZNT 7 (4. Jg. 2001) 39 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel Auf der anderen Seite haben die für die Apg so charakteristischen Befreiungs- und Strafwunder im Evangelium keine Entsprechung. Sie gehören offenbar in die Zeit der Kirche, die als eine Zeit von Bedrängnis und Entscheidung geschildert wird. Intertextuelle Bezüge zu den Wundern des Alten Testaments Zahlreiche ausführliche Zitate, aber auch Nacherzählungen machen unmißverständlich deutlich, daß die »Schriften« des Volkes Israel in Gestalt der LXX einen wichtigen Bezugsrahmen für die Apg (wie auch schon für das LkEv) darstellen, also Bestandteil ihrer Enzyklopädie sind. Was die Wunderthematik betrifft, so wird in der Stephanusrede explizit auf die Wunder des Mose Bezug genommen (Apg 7,36); diese werden jedoch nicht konkretisiert oder gar einzeln aufgezählt, sondern müssen von den Hörern aufgrund ihrer Kenntnis der Exoduserzählungen (vgl. bes. Ex 7- 11; 14,21-31; 15,22-17,16; Ps 105,26f.) ›ergänzt‹ werden. Das gleiche gilt für die »großen Taten« Gottes, auf die sich schon die wunderbar verstandene erste öffentliche Äußerung der Apostel bezieht (2,11). 53 Noch mehr ist die »Mitarbeit« der Lesenden gefordert bei den bloß impliziten Anklängen an die großen Gestalten aus Israels Geschichte. So läßt die Unterschlagung von Gottes Eigentum durch Hananias und Sapphira und ihre Aufdeckung durch Petrus (5,1-11) Assoziationen aufkommen an eine Episode aus der Josua-Überlieferung (Jos 7,1-26); während hier allerdings das Gottesurteil noch von Menschen vollstreckt wird, haben die Apostel es nicht nötig, selbst Hand anzulegen. Die meisten Anklänge weisen auf die Erzählungen über die Gottesmänner Elia und Elisa. Hier sind auch mehrere Strafwunder geschildert, die teils tödlich enden (I Kön 13,11-32; II Kön 2,23- 25) und teils eher pädagogischer Natur sind (I Kön 13,1-6 gegen König Jerobeam; dazu vgl. neben Apg 12,20-23 [König] eher 9,8f. und 13,11f.). Die Totenerweckung durch Petrus (9,36-43) und insbesondere die durch Paulus (20,7-12) sind mit denen durch Elia (I Kön 17,17-24) und Elisa (II Kön 4,8-37) zu vergleichen; besonders der Zug, daß der Wundertäter sich auf den Toten legt, findet sich in I Kön 17,21; II Kön 4,34f. und Apg 20,10. Die Entrückung Jesu (Apg 1,9-11) hat ein berühmtes ›Vorbild‹ in der Entrückung des Elia (II Kön 2,1-18). Eine Entrückung an einen anderen Ort, wie sie die Apg von Philippus erzählt (8,39f.), wird schon bei Elia für möglich gehalten (I Kön 18,12; II Kön 2,16) und von dem Propheten Ezechiel ausdrücklich berichtet (Ez 3,12ff.; 8,3; 11,1.24; 37,1; 40,1f.; 43,5; vgl. apokryph Dan 14,36 von Habakuk). Gegenüber dem Elia-Elisa-Zyklus fehlen in der Apg Speisungswunder wie der nicht leer werdende Mehlkrug und der nicht versiegende Ölkrug (I Kön 17,8-16; II Kön 4,1-7) oder die Brotvermehrung (II Kön 4,42-44), das Genießbarmachen von ungesunden Lebensmitteln (II Kön 2,19-25 Wasser; 4,38-41 Gemüsegericht), die Heilung von Aussatz (II Kön 5) sowie Naturwunder wie das Feuer- und Regenwunder beim Gottesurteil auf dem Karmel (I Kön 18) oder das Schwimmenlassen einer Beilklinge auf dem Wasser (II Kön 6,1-7), die aber zum größten Teil ihre Entsprechungen in der Jesus- Geschichte des LkEv finden. Seenot und wunderbare Rettung des Paulus, der Rom erreichen muß (Apg 27), lassen an den Propheten Jona denken, der nach Ninive soll und ebenfalls von Gott aus der Seenot gerettet wird (bes. Jona 1-2). Nicht von großen Gestalten der Frühzeit, aber doch von Gottes fortgesetztem mächtigen Eingreifen zugunsten seines Volkes erzählt das zweite Makkabäerbuch, dessen Strafwunder in 3,23-30 (wunderbare »Züchtigung« des Tempelräubers Heliodor, der anschließend, 3,31-40, zum Verkündiger der Kraft Gottes wird) und 9,5-10 (Tod des gottlosen Königs Antiochus Epiphanes durch Wurmfraß) denen der Apg (bes. 9,1-19 und 12,20- 23) vielleicht am nächsten kommen. Durch alle diese Bezüge wird in der Apg eine »heilsgeschichtliche Kontinuität« von der Zeit des Exodus Israels bis zur Zeit der Kirche Christi zum Ausdruck gebracht. 54 Wunder und Historiographie Durch weitere intertextuelle Vergleiche könnte das lukanische Doppelwerk nun noch in die frühchristliche Enzyklopädie eingezeichnet werden - insbesondere die explizite Erwähnung von »vielen« Vorgängern (Lk 1,1) lädt zu einem Vergleich mit den jeweiligen ›Diskursuniversen‹ des MkEv 40 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema und der hypothetisch erschlossenen Spruchquelle »Q« ein. Auf der nächsten Stufe wären Bezüge zu außerbiblischen - jüdischen und nichtjüdischen - Texten zu verfolgen, um die Enzyklopädie des lukanischen Christentums im gesamtantiken Rahmen zu verorten. 55 Das kann hier aus Raumgründen nicht geleistet werden. 56 Aber auf einen Bereich ist hier noch kurz einzugehen, nämlich auf den Charakter der Apg als historisches Werk. Steht die massive Präsenz wunderhaften Geschehens nicht im Widerspruch zu dem, was wir von einem Geschichtswerk erwarten, nämlich nüchterne Darstellung der Fakten? Sollten wir demnach das Werk des Lukas doch eher als ›historischen Roman‹ ansehen? Oder können wir die Wunder als ›Übertreibungen‹ abstreichen bzw. auf einen ›rationalen Kern‹ zurückführen, den (wie auch immer zu bestimmenden) ›Rest‹ aber für historisch zuverlässig halten? Oder sollen wir glauben, daß damals alles (einschließlich der Wunder) ›wirklich so gewesen‹ ist? 57 Das hermeneutische Problem ergibt sich zum einen aufgrund unserer eigenen modernen europäischen (und nordamerikanischen) Enzyklopädie. 58 Nun ist aber schon diese keineswegs einheitlich; neuere geschichtswissenschaftliche und erkenntnistheoretische Ansätze haben die Möglichk eit der objektivierbaren Wahrnehmung dessen, was ›wirklich‹ war bzw. ist, grundsätzlich in Frage gestellt. 59 Somit ist für jede Leserin und jeden Leser, die/ der mit einem Text in Kommunikation treten will, die Klärung des eigenen Standpunktes nötig: Was meine ich, wenn ich von ›Geschichte‹ oder ›Wirklichkeit‹ rede? Zum anderen folgt aus der eingangs formulierten Grundentscheidung, den Text als fremde Welt zu akzeptieren, auch eine Verschiebung der Fragestellung: Nicht mehr nach der Realität ›hinter‹ dem Text ist zu fragen, sondern danach, wie im Text selbst Realität konstituiert wird. Der übergeordnete kulturelle Bezugsrahmen, in den die Apg als Geschichtswerk einzuzeichnen wäre, ist die antike Geschichtsschreibung. Innerhalb dieser Enzyklopädie war es durchaus umstritten, ob bzw. in welchem Maß Wunder, Unwahrscheinliches und Fiktives im Werk eines Historikers Einzug halten dürften, ohne daß die Glaubwürdigkeit des Ganzen erschüttert wäre. Der ›puristischen‹ Richtung, die ausschließlich das ›tatsächlich Geschehene‹ und rational Nachvollziehbare gelten läßt (wie z.B. Polybios und Lukian), steht auf der anderen Seite die »mimetische« oder »sensationalistische« Geschichtsschreibung gegenüber, die ihre Leser bzw. Hörer durch dramatische Darstellung und unbekümmerte Einbeziehung spektakulärer Elemente in den Bann ziehen will. Dazwischen gibt es zahlreiche Historiker, die mirakulöse und unglaubliche Dinge aufgreifen, sich aber - gleichzeitig zur Distanzierung und Beglaubigung - ausdrücklich auf Augenzeugen o.ä. berufen (z.B. Josephus, Plutarch und Tacitus). Auf dieser Skala läßt sich die Apg näher am zweiten Pol einordnen, fällt damit aber gerade nicht aus dem Rahmen antiker Historiographie heraus. 60 Dieser Rahmen dürfte erst in den apokryphen Apostelakten in Richtung auf romanhafte Literatur verlassen sein - etwa wenn sich Petrus in seinem dramatischen Kampf gegen Simon Magus eines sprechenden Hundes bedient oder zur Beglaubigung seiner Predigt einen geräucherten Fisch stundenlang munter im Teich schwimmen läßt. 61 Aber das ist wieder ein ganz anderes Diskursuniversum . . . Anmerkungen 1 Vgl. S. Alkier, Fremde Welten verstehen lernen. Semiotische Bausteine einer interkulturellen Hermeneutik für die religionsgeschichtliche und religionsdialogische Arbeit, ZNT 5 (2000), 49-55. Für die Anwendung dieses Modells im Schulunterricht siehe auch S. Alkier/ B. Dressler, Wundergeschichten als fremde Welten lesen lernen. Didaktische Überlegungen zu Mk 4,35-41, in: B. Dressler/ M. Meyer-Blanck (Hgg.), Religion zeigen. Religionspädagogik und Semiotik (Grundlegungen 4), Münster 1998, 163-187. - Alkier entnimmt den Begriff »Diskursuniversum« der Semiotik von C. S. Peirce und den Begriff »Enzyklopädie« der Semiotik von U. Eco (hier v. a. Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München/ Wien 1987; zur »Enzyklopädie« bes. 94-106). 2 S. Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung (Habilitationsschrift Hamburg 1999), erscheint in der Reihe WUNT, Tübingen 2001. Da die endgültigen Seitenzahlen zum Zeitpunkt der Abfassung meines Beitrags noch nicht feststanden, ist im folgenden auf die Kapitelzählung verwiesen. 3 Vgl. den Vorspann von Kap. X der genannten Studie. 4 Siehe als eines der jüngsten Beispiele die Arbeit von S. Schreiber, Paulus als Wundertäter. Redaktionsgeschicht- ZNT 7 (4. Jg. 2001) 41 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel liche Untersuchungen zur Apostelgeschichte und den authentischen Paulusbriefen (BZNW 79), Berlin/ New York 1996. Aufgrund der sehr engen Fragestellung (und der impliziten Einstellung: ›Im Zweifelsfall geht es nicht um Wunder‹) bleibt als »Textbasis« für den zusammenfassenden Abschnitt zwar »reichhaltiges Wundermaterial« aus der Apg, aber nur ein Minimalbestand aus den Paulusbriefen (»Röm 15,19a und 2 Kor 12,12«) übrig (285). 5 Zu diesem und zum folgenden Absatz siehe Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. X. 2. Vorgeschaltet ist eine Skizzierung der »Grundlegende[n] Wirklichkeitsannahmen des paulinischen Christentums« (Kap. X. 1). 6 Wunder und Wirklichkeit, Kap. X. 3. Kriterium für die Auflistung der oben im Text gebotenen »Topics« (zum Begriff siehe Eco, Lector in fabula 108-114) war die Leitfrage: »Handelt es sich um ein durch die Kraft Gottes vollzogenes, menschliche Möglichkeiten überschreitendes Geschehen? « Da eine Reihe von paulinischen Aussagen über Wunder offenlassen, was genau darunter zu verstehen ist, sieht Alkier seine Zusammenstellung ausdrücklich nicht als »geschlossene Liste möglicher Topics von Wundern« in der paulinischen Enzyklopädie. 7 Zu diesem und dem folgenden Absatz siehe Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. X. 4. 8 Am berühmtesten ist wohl die kleine Schrift von G. E. Lessing, Über den Beweis des Geistes und der Kraft (1777), die in dem Satz gipfelt: »zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden.« (ders., Werke, hg. v. H.G. Göpfert, Bd. VIII, München 1979 = Darmstadt 1996, 12). - Siehe dazu ausführlich Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VI. 3. 9 Dazu Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VII. 3. 10 Zu dieser Stelle siehe Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. IV. 2.2.1. 11 Das arbeitet Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. IX. 4, heraus. 12 Die Entdeckung der formgeschichtlichen Merkmale der Gattung »Wundergeschichte« in diesem Abschnitt des Gal gehört zu den spannendsten Erkenntnissen der Arbeit von Alkier (Wunder und Wirklichkeit, Kap. V. 2.3). 13 Siehe Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VII. 2.1; VIII. 3. 14 Dazu Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VII. 2.2. 15 So Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VII. 3 (vgl. oben bei Anm. 9). 16 Für einen ersten Überblick über das Thema eignen sich die Exkurse in den Kommentaren zur Apg von G. Schneider, HThK V/ 1, Freiburg 1980, 304-310; R. Pesch, EKK V/ 1, Neukirchen-Vluyn 1986, 141-148; J. Zmijewski, RNT, Regensburg 1994, 177-180; dort ist jeweils weitere Literatur angegeben. Sehr informativ (bes. zur Forschungsgeschichte) ist auch der einführende Aufsatz von F. Neirynck, The Miracle Stories in the Acts of the Apostles, in: Les Actes des Apôtres, hg. v. J. Kremer (BEThL 48), Leuven 1979, 169-213. - Neirynck, Schneider und Pesch bieten auch katalogartige Übersichten mit den einschlägigen Textstellen. Im vorliegenden Beitrag werden aufgrund der Fragerichtung (vgl. oben Anm. 6) noch einige Stellen darüber hinaus berücksichtigt; die vollständigste Zusammenstellung bietet unten der Abschnitt »Die Wunder-Themen in der Apg«. - Da ich im folgenden verschiedene Aspekte der Wunder-Thematik in Längsschnitten behandle, weise ich ausdrücklich auf die fortlaufende Lektüre hin, wie sie in den Kommentaren geboten wird (hervorgehoben sei hier nur der neueste mir bekannt gewordene von W. Eckey, Die Apostelgeschichte. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, 2 Bde., Neukirchen-Vluyn 2000); eine knappe semiotische Lektüre von Apg 12 (einem stark wunderhaltigen Kapitel) bietet S. Alkier, Hinrichtungen und Befreiungen: Wahn - Vision - Wirklichkeit in Apg 12. Skizzen eines semiotischen Lektüreverfahrens und seiner theoretischen Grundlagen, in: S. Alkier/ R. Brucker (Hgg.), Exegese und Methodendiskussion (TANZ 23), Tübingen/ Basel 1998, 111-133. 17 Vgl. dazu W. Weiß, »Zeichen und Wunder«. Eine Studie zu der Sprachtradition und ihrer Verwendung im Neuen Testament (WMANT 67), Neukirchen-Vluyn 1995. 18 Das einzige Vorkommen von daimonion in 17,18 hat eine andere Konnotation (»fremde Götter« - hier liegt eine Anspielung an die berühmte Anklage gegen Sokrates vor). 19 Wörtlich »ein Python-Geist«; ursprünglich auf das Orakel von Delphi (die Pythia) bezogen, kann python in neutestamentlicher Zeit für jede Art von Wahrsagerei oder Bauchrednerei stehen. 20 Zu den in 7,36 erwähnten Wundertaten des Mose vgl. die Einrahmung durch V. 25.34f.37, wo Gott als Handelnder und Sendender deutlich wird; intertextuell ist auf Stellen wie Ps 104,26f. LXX zu verweisen (in Ps 78 [77 LXX] und 106 [105 LXX] werden die Wundertaten der Exodustradition sogar ausschließlich Gott zugeschrieben). 21 Vgl. dazu auch den Aufruhr der Silberschmiede in Ephesus (19,23-40), für den die Erzählung ebenfalls Geschäftsinteressen als eigentliches Motiv unterstellt. - Zum ganzen Komplex vgl. die sehr anregende und spannend zu lesende Studie von H.-J. Klauck, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas (SBS 167), Stuttgart 1996. 22 Im folgenden wird öfter auf das Standardwerk von G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten (StNT 8), Gütersloh 1974 ( 6 1990) verwiesen, auch wenn hier (entgegen dem etwas irreführenden Titel) fast nur die synoptischen Wundergeschichten im Brennpunkt des Interesses stehen; Joh und Apg sind nur am Rande, die Briefe überhaupt nicht berücksichtigt. Theißen vermeidet es, die Wundergeschichten in genau abgegrenzte »Gattungen« oder »Untergattungen« einzuteilen, und spricht stattdessen lieber von - insgesamt sechs - »Themen«, bei denen auch mit Überschneidungen zu rechnen ist (90; das »Inventar der Themen« 94-120). - Zu vergleichen ist die Auflistung der Begebenheiten, die in den paulinischen Briefen als Wunder gelten (elf »Topics«), bei 42 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. X. 3 (s.o. bei Anm. 6). 23 Vgl. Theißen, Wundergeschichten 98-102 (»Therapien«), der allerdings aus der Apg nur 19,11f kurz erwähnt. 24 Hierzu vgl. Theißen, Wundergeschichten 94-98; aus der Apg ist hier 19,13-18 berücksichtigt (97). Unter dem Stichwort »soziale Intention« sind 16,16ff. und 19,13-18 auch a. a. O. 257f. angeführt. 25 Bei Theißen, Wundergeschichten, werden Totenerweckungen nicht als eigene Gattung aufgeführt, sondern lediglich in einer lapidaren Fußnote (98 Anm. 25) zu den »Therapien« gerechnet, weil »fast alle antiken Totenerweckungen durch Wundertäter als Wiedererweckung Scheintoter verstanden werden [können]« und »die typischen Motive dieselben« seien (Kraftübertragung durch Berührung). Die hier zutage tretende Rationalisierung des Wunderbaren hatte eine erste Blüte um 1800 bei dem Aufklärungstheologen H.E.G. Paulus, ist aber auch heute immer noch verbreitet; vgl. nur S.M. Fischbach, Totenerweckungen. Zur Geschichte einer Gattung (fzb 69), Würzburg 1992, 302f.; B. Kollmann, Jesus und die Christen als Wundertäter. Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum (FRLANT 170), Göttingen 1996, 264f. (der sich übrigens, anders als der Titel erwarten läßt, fast gar nicht mit den Wundern der Apg beschäftigt und, wie im Untertitel angedeutet, nur einen stark reduzierten Bereich von Wundertaten zur Kenntnis nimmt). Zur Kritik siehe ausführlich Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. II (»Die exegetische Problemlage«). 26 Zu Rettungswundern (mit den Unterthemen »Rettung aus Seenot« und »Gefangenenbefreiung«) vgl. Theißen, Wundergeschichten 107-111. Hier sind die Stellen aus der Apg fast alle berücksichtigt. 27 Nach R. Kratz, Rettungswunder (EHS XXIII/ 123), Frankfurt a. M. 1979, 446-492, gehören diese Stellen zur Untergattung »Türöffnungs- und Befreiungswundergeschichten«. In bezug auf 16,23-40 weist Kratz nachdrücklich auf die doppelte Rettung des Gefängniswärters (Lebensrettung und Bekehrung) hin, in der er das »eigentliche Rettungswunder« der Geschichte sieht (484). 28 Vgl. Klauck, Magie 75: »So wie Lukas es schildert, grenzt es schon fast an ein Wunder, daß Paulus einfach wieder aufsteht, in die Stadt hineingeht und sie am nächsten Morgen in Richtung Derbe verläßt [. . .]. Hier geschieht fast so etwas wie Auferstehung im Alltag der Welt«. Ohne das einschränkende »fast« konstatiert J. Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989, 184: »Wenn die Apg in 14,20 berichtet, Paulus sei gleich danach aufgestanden und wieder in die Stadt gegangen, so muß Lk sich das wohl als Wunder vorgestellt haben. In der Regel überlebt niemand die Steinigung, man soll es ja auch nicht.« Den unmittelbaren Zusammenhang von »Leiden und wunderbarer Rettung« betont Schreiber, Paulus 82. - Zu den entsprechenden Aussagen in den Paulusbriefen (II Kor 11,25 im Kontext; vgl. aber auch 1,8-11) siehe bes. Alkier, Wunder und Wirklichkeit, Kap. VII. 2. 29 Theißen, Wundergeschichten 115, rechnet die »Immunität gegen Schlangenbiß« thematisch nicht zu den Rettungswundern, sondern zu den (in diesem Fall »belohnenden«) »Normenwundern«; es liege hier »die Situation eines Gottesurteils zugrunde«: »Wer [die gültige Norm] befolgt, wird wunderbar gerettet und beschützt.« Die überlebte Steinigung wird von Theißen nicht erwähnt, ließe sich aber ebenfalls als »Gottesurteil« verstehen (zumal Paulus zuvor der Versuchung widerstanden hat, sich selbst als Gott anbeten zu lassen; siehe 14,11-18 im Kontrast zu 12,22f.! ). - Problematisch ist der Terminus »Normenwunder« neben und in Abgrenzung zu den anderen Oberbegriffen, weil er auf einer anderen Ebene liegt: Die Belohnung für »normentsprechendes Verhalten« (ebd. 114) könnte im Einzelfall außer Immunität bzw. Rettung aus Todesgefahr auch plötzlicher Reichtum (das wäre nach Theißen 111-114 ein »Geschenkwunder«), Heilung von Krankheit, Erweckung vom Tod oder Entrückung in den Himmel sein. 30 Die Strafwunder stellen nach Theißen, Wundergeschichten 117, die negative Form der »Normenwunder« (vgl. die vorige Anm.) dar. Unzutreffend ist seine Behauptung, »daß im NT Strafwunder fast völlig fehlen« - er nennt lediglich Apg 5,1-11 und erwägt, daß Mk 11,12-14.20ff. dazu gerechnet werden könnte (»auch wenn rätselhaft bleibt, gegen welche Norm der Feigenbaum verstoßen haben sollte«). Damit sind mindestens drei Stellen aus der Apg (s.o. im Text) völlig ausgeblendet - ganz zu schweigen von den Paulusbriefen. 31 Vgl. hierzu auch die Reaktion der Einwohner auf Malta, als der gerade dem Meer entkommene Paulus von einer Giftschlange gebissen wird (28,4): Sie halten ihn für einen Mörder und den Schlangenbiß für die Strafe der Rachegöttin (Dike), die niemanden entkommen läßt. 32 Zu Epiphanien als Wunder-Thema siehe Theißen, Wundergeschichten 102-107. Auch im Blick auf die Apg gilt, daß man die Epiphanien (je nach der auftretenden ›Person‹) in »Theo-, Christo-, Angelo- und Pneumatophanien« einteilen kann. Als typische Motive nennt Theißen »die wunderbare optische und akustische Erscheinung« (»Türen springen von selbst auf, die Erde bebt«), die »erschrockene Reaktion« der Menschen, das »Offenbarungswort« und das plötzliche Verschwinden des Erschienenen; häufig sei eine »Verbindung der Epiphanie mit Kult, Auftrag und Rettung« (ebd., 103f.). 33 Die Gleichzeitigkeit der beiden Visionen von Apg 10 verstärkt noch den wunderbaren Charakter der Epiphanie; dieses Motiv ist in der antiken Literatur recht beliebt und schwingt wohl auch in Apg 9,10 mit. Vgl. dazu A. Wikenhauser, Doppelträume, Biblica 29 (1948), 100-111. 34 Eine explizite Gleichsetzung folgt aus Apg 10,30 nach 10,3. Für Apg 1,10f. ist innerhalb des lukanischen Doppelwerks auf die Ähnlichkeit zu Lk 24,4f. hinzuweisen (vgl. auch 9,29). Vgl. außer den Parallelstellen in den anderen Evangelien auch II Makk 3,26.33; 11,8. ZNT 7 (4. Jg. 2001) 43 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel 35 Apg 23,7-9 zeichnet ein nach Parteien differenziertes (historisch freilich stark vereinfachtes) Bild im Hohen Rat: Während die Sadduzäer grundsätzlich behaupten, »es gebe weder Auferstehung noch Engel noch Geist«, können einige pharisäische Schriftgelehrte in bezug auf den angeklagten Paulus durchaus einräumen: »Wir finden nichts Böses an diesem Menschen; vielleicht hat ja ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet.« 36 Vgl. dazu den Kniefall (Proskynese) des Cornelius vor Petrus und dessen abwehrende Reaktion (10,25f.). 37 Dieser zweiten Zuschreibung wird zwar an Ort und Stelle nicht ausdrücklich widersprochen, aber für den aufmerksamen Leser dürfte das Mißverständnis aufgrund von 14,11-18 klar sein. Einen weiteren Hinweis liefert die ungewöhnliche Erwähnung des Betens neben der Handauflegung bei der folgenden Heilung durch Paulus (28,8; vgl. Klauck, Magie 131f.). Der Text läßt hier einen Freiraum für die »Mitarbeit« der Lesenden. 38 Gottes souveränes und wunderbares Handeln wird schon in der LXX mit dem Begriff »große Taten« (ta megaleia bzw. ta megala) bezeichnet (z. B. Ps 71[70],19; 106[105],21; Hiob 5,9; 9,10; Sir 50,22); im lukanischen Werk ist bereits Lk 1,49 darauf Bezug genommen. 39 Als »Höchster« (gr. hypsistos) wird einerseits der biblische Gott Israels bezeichnet (über 100mal in der LXX), was aufgrund von Apg 7,48 sowie Lk 1,32.35.76; 6,35 auch zur Enzyklopädie des lukanischen Christentums gehört. Andererseits ist dieser Beiname in der griechischen Welt außerhalb des Judentums recht verbreitet und wird v.a. Zeus, aber inschriftlich auch verschiedenen lokalen Gottheiten beigelegt. Somit ist der Satz aus dem Mund einer ›heidnischen‹ Sklavin mehrdeutig (ähnlich sieht es mit dem ›Bekenntnis‹ des Dämons in Lk 8,28 par Mk 5,7 aus). Vgl. dazu Klauck, Magie 81ff., der sich dem Aufsatz von P. R. Trebilco, Paul and Silas - »Servants of the Most High God« (Acts 16,16-18), JSNT 36 (1989), 51-73, anschließt. 40 Hier sei daran erinnert, daß das griechische Wort für den Glauben - pistis - in der rhetorischen Tradition auch der Fachausdruck für die Beweisführung (als Teil der Rede) bzw. für den einzelnen Beweis ist (vgl. z. B. Aristoteles, Rhet. III 13, 1414a31ff., bzw. III 17, 1417b21ff.). An diese Bedeutung knüpft besonders deutlich Apg 17,31 (im Schlußsatz der Areopagrede des Paulus) an. 41 Dem widerspricht es nicht, daß dieses Motiv (oft nach M. Dibelius als »Chorschluß« bezeichnet) für die Wundergeschichten gattungstypisch ist. Vgl. dazu R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition (FRLANT.NF 12), Göttingen 2 1931 (= 9 1979), 241 (sowohl Betonung des Außergewöhnlichen als auch Beglaubigung des Wunders); Theißen, Wundergeschichten 78ff.80f., unterscheidet »Admiration« und »Akklamation« und diskutiert für letztere ebd. 156ff. auch verschiedene »funktionale Gesichtspunkte«. 42 Zur Namensliste vgl. Apg 1,13. 43 Die griechische Formulierung läßt verschiedene Übersetzungen zu, etwa auch »unter Anrufung deines Namens«. 44 Vgl. noch die ähnlichen Wendungen Apg 3,16; 4,7.12.17f.30. - »Im Namen Jesu« geschehen freilich auch die Predigt (9,27f.; vgl. 5,40) und die Taufe (10,48; sonst »auf den Namen«: 2,38 bzw. 8,16; 19,5), und »für den Namen des Herrn Jesus« sind Paulus und andere bereit zu sterben (21,13; vgl. 15,26). 45 Der gewaltsame Tod einiger Jünger (7,54-8,1; 12,1f.; 15,26) könnte dazu als Widerspruch aufgefaßt werden, soll aber wohl im Licht von Lk 12,4-9 gelesen werden (bes. V.4: »Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und danach nichts mehr tun können«; V.8: »Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes«). Dafür spricht besonders die Schilderung vom Tod des Stephanus, der den Himmel offen und Jesus als Menschensohn zur Rechten Gottes stehen sieht und den »Herrn Jesus« um Aufnahme seines Geistes bittet (7,54- 8,1). - Nur anmerkungsweise sei noch auf die Zusage von Lk 12,11f. verwiesen, daß den Jüngern vor Gericht der heilige Geist die Worte der Verteidigung eingibt; sie wird in den entsprechenden Situationen Apg 4,1-12 (bes. V.8! ); 5,27-32 (bes. V.32); 6,12-8,1 (bes. 7,55); 22,1- 23,11 (bes. 23,9.11); 24,10-21; 25,6-12; 26,1-29 (bes. V.22); 28,17-28 als erfüllt dargestellt. - Zu beiden Motiven vgl. auch Lk 21,12-19 (Ankündigung kommender Verfolgungen). 46 Schneider, HThK V/ 1, 307f., zeigt in einer synoptischen Übersicht am Beispiel von Lk 5,17-26; Apg 3,1-10; 14,8-11 auf, daß die Parallelen bis in wörtliche Formulierungen reichen. 47 An beide Heilungen schließen sich jeweils weitere an. Ein synoptischer Vergleich von Lk 4,38-41 und Apg 28,7-10 würde die (z.T. wieder wörtlichen) Übereinstimmungen, aber auch die Unterschiede deutlich machen; so fehlen bei Paulus die Exorzismen, und seinem Wunderhandeln geht ein Gebet zu Gott voraus - er vermag eben »nicht aus eigener Kraft und Vollmacht zu heilen« (J. Roloff, NTD 5, Göttingen 1981, 367). Vgl. ausführlich W. Kirchschläger, Fieberheilung in Apg 28 und Lk 4, in: Les Actes des Apôtres (BEThL 48), Leuven 1979, 509-521. 48 Vgl. auch die Fernheilung Lk 7,1-10. 49 Den mißglückten Exorzismus durch die Söhne des Skeuas (Apg 19,13-19) könnte man auf den entsprechenden mißglückten Versuch der Jünger (Lk 9,40) rückbeziehen. Allerdings gibt es hier eine Reihe von Unterschieden, vor allem in der Ausführlichkeit der Erzählung, der Frage der Legitimation (vgl. Lk 9,1! ) und den Konsequenzen für die unfähigen Exorzisten selbst. 50 Vgl. die Bezeichnung Gottes als »Herzenskenner« Apg 1,24; 15,8; Lk 16,15. 51 Zur Vieldeutigkeit dieser Akklamation vgl. oben Anm. 39. - Legitimiertere Zeugen im Sinne der lukanischen Christologie treten in Lk 1,26-38.41-45; 2,9-12[17- 20].25-35.36-38 auf. 52 Die Frage nach der möglichen Historizität der Zahlenangaben (zur Einwohnerzahl Jerusalems, die wohl in der früheren Forschung zu niedrig angesetzt worden ist, 44 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Zum Thema siehe W. Reinhardt, The Population Size of Jerusalem and the Numerical Growth of the Jerusalem Church, in: The Book of Acts in Its First Century Setting, vol. 4, Grand Rapids 1995, 237-265) ist von solchen Beobachtungen der literarischen Gestaltung unberührt. Für unseren Zusammenhang ist aber zu beachten, daß das unaufhaltsame, menschliche Möglichkeiten übersteigende Wachstum der Gemeinde in der Darstellung der Apg durch den Herrn selbst bewirkt wird (2,47: »Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden«; vgl. das passivum divinum »wurden hinzugefügt« 2,41; 5,14 [ähnlich auch 16,5] sowie in den Wachstumsnotizen 11,21 »die Hand des Herrn«; 19,20 »durch die Kraft des Herrn«; 9,31 »durch den Beistand des heiligen Geistes«) und somit deutlich Züge des Wunderbaren aufweist. 53 Siehe dazu oben Anm. 38. 54 So bes. J. Eckert, Zeichen und Wunder in der Sicht des Paulus und der Apostelgeschichte, TThZ 88 (1979), 19- 33: 30. Dort heißt es weiter: »Gottes Heilshandeln, wie es Israel in seiner Glanzzeit erfuhr (Apg 7,36), ist nicht beendet, sondern erreicht in der Geschichte Jesu und in der nachösterlichen Geschichte des Geistes und der Kraft in der Kirche seine Fortsetzung und Erfüllung.« 55 Besonders der Aufbau der Wundergeschichten, ihre Themen sowie einzelne Motive (z.B. die Handauflegung zwecks Heilung oder die Blendung als Strafwunder; ferner die Gefangenenbefreiung durch Türöffnungswunder) sind in Texten der hellenistischen Antike verbreitet. Dazu findet sich reiches Material in den klassischen Studien von O. Weinreich: Antike Heilungswunder (RVV VIII/ 1), Gießen 1909 (= Berlin 1969); Türöffnung im Wunder-, Prodigien- und Zauberglauben der Antike, des Judentums und Christentums [1929], in: ders., Religionsgeschichtliche Studien, Darmstadt 1968, 200-290. 56 Für einzelne Stellen ist nochmals auf die Kommentare zu verweisen; von den bisher nicht angeführten seien hier v. a. die von E. Haenchen, KEK III 16(7) , Göttingen 1977, und H. Conzelmann, HNT 7, Tübingen 2 1972, genannt, die besonders viel antikes Vergleichsmaterial heranziehen. 57 Zu der Spanne von möglichen Strategien zum Umgang mit dem »problem of miracle« in der Apg vgl. auch den diesbezüglichen Exkurs bei C. J. Hemer, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History (WUNT 49), Tübingen 1989, 428-443. 58 In anderen Kulturen der Gegenwart kann sich dies durchaus anders darstellen; vgl. etwa die »Affinitäten zum antiken Weltbild«, die W. Kahl für die westafrikanische Kultur konstatiert: Zur Interpretation des Neuen Testaments im sozio-kulturellen Kontext Westafrikas, ZNT 5 (2000), 27-35 (beachte aber die Warnung von S. Alkier in seinem Beitrag im selben Heft, 54 Anm. 1! ). 59 Vgl. dazu die beiden einführenden Aufsätze von E. Reinmuth, Historik und Exegese - zum Streit um die Auferstehung Jesu nach der Moderne, in: S. Alkier/ R. Brucker (Hgg.), Exegese und Methodendiskussion (TANZ 23), Tübingen/ Basel 1998, 1-20, und P. Lampe, Die urchristliche Rede von der »Neuschöpfung des Menschen« im Lichte konstruktivistischer Wissenssoziologie, ebd. 21-32 (dort jeweils weitere Literatur). 60 Siehe dazu ausführlich E. Plümacher, TEPATEIA. Fiktion und Wunder in der hellenistisch-römischen Geschichtsschreibung und in der Apostelgeschichte, ZNW 89 (1998), 66-90. 61 So in den Petrusakten 9-13 (vgl. die deutsche Übersetzung in: W. Schneemelcher [Hg.], Neutestamentliche Apokryphen II, Tübingen 5 1989, 267-270). ZNT 7 (4. Jg. 2001) 45 Ralph Brucker Die Wunder der Apostel Vorschau auf das nächste Heft Neues Testament aktuell Thomas Söding War Jesus wirklich Gottes Sohn? Neue Debatten um Jesus und die Christologie Einzelbeiträge Klaus Berger Früchte aus einem reichen Garten. Die Bedeutung der zwischentestamentlichen Literatur für das Studium der Bibel Vincenzo Petracca Gott und Mammon. Gedanken zur neutestamentlichen Besitzethik Carsten Claußen Zur Frage der Unterscheidung der Geister Kontroverse Wo liegen die Wurzeln des christlichen Antijudaismus? Axel von Dobbeler versus Hans-Friedrich Weiß Hermeneutik und Vermittlung Holger Tiedemann Töpfe, Texte, Theorien. Das Neue Testament und die Archäologie Heft 8 erscheint im Oktober 2001
