eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 4/7

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
61
2001
47 Dronsch Strecker Vogel

Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) - ein Wunder für Schulkinder

61
2001
Bernd Kollmann
znt470059
I. Kommen Wunder für Grundschulkinder zu früh ? Wundergeschichten im Religionsunterricht aller Schulstufen, also auch der Primarstufe, zu behandeln, galt lange Zeit als eine gleichermaßen selbstverständliche wie unproblematische Angelegenheit. Dies änderte sich in den späten 60er Jahren des 20. Jhdt. schlagartig. »Wundergeschichten der Bibel in der Grundschule? « fragte Klaus Wegenast in einem erstmals 1966 publizierten, 1970 nochmals leicht revidierten Aufsatz, um sogleich mit einem entschiedenen »Nein« zu antworten. 1 Eine Vielzahl von Religionspädagoginnen und Religionspädagogen pflichtete ihm bei und wollte Wunder frühestens in der Sekundarstufe I, am besten nicht vor dem siebten Schuljahr im Religionsunterricht behandelt wissen. Vereinzelt glaubte man im mißlungenen, weil zu frühen Thematisieren von Wundern gar eine der entscheidenden Ursachen für die Krise des Religionsunterrichts überhaupt erkennen zu können. Gegen eine Behandlung von Wundergeschichten im Grundschulalter werden schwerwiegende theologische, aber auch entwicklungspsychologische Argumente ins Feld geführt, 2 wobei die Schülerfrage nach der Wirklichkeit des Erzählten das Hauptproblem darstellt: - Die neutestamentlichen Wundererzählungen sind Glaubens- oder Bekenntnisgeschichten und keine Tatsachenberichte, werden von Grundschulkindern aber als solche behandelt, da ihnen der Unterschied intellektuell noch nicht vermittelbar ist. Eine Behandlung von Wundergeschichten in theologisch-hermeneutisch angemessener Form scheint damit in der Primarstufe nicht gewährleistet. - Wundergeschichten vermitteln ein verzerrtes Bild von Jesus als großem Zauberer und fördern die Tendenz, Jesus als ein in der Sphäre des Übernatürlichen anzusiedelndes Gottwesen mißzuverstehen, das bei genauerer Betrachtung für die eigene Existenz bedeutungslos erscheint. Es besteht die Gefahr, daß Kinder von Jesu Zuwendung damals hören und beeindruckt sind, sie in ihrem eigenen Leben aber nicht erfahren, obwohl auch sie Bedrohung und Not leiden. - Wundergeschichten legen das Mißverständnis nahe, christlicher Glaube bestehe im unkritischen Fürwahrhalten rational nicht erklärbarer Geschehnisse. Kinder stehen dann schnell vor der falschen Alternative, entweder die biblischen Wunder wider alle Vernunft für bare Münze zu nehmen oder aber sie als märchenhaft-unglaubwürdig abzulehnen und damit am biblischen Glauben überhaupt zu zweifeln. Bei der Überwindung mirakulösen Denkens in späteren Entwicklungsphasen wird mit den Wundern oftmals die biblische Tradition in ihrer Gesamtheit dem Bereich des Unwirklichen zugewiesen und über Bord geworfen. Trotz dieser unbestrittenen Problematik zeichnet sich in der jüngeren Vergangenheit eine Trendwende ab, indem namhafte Exegeten und Religionspädagogen die Verwendung von Wundergeschichten im Religionsunterricht der Grundschule wieder eindeutig bejahen. Im wesentlichen werden folgende Gründe dafür geltend gemacht: 3 - Als Erzähltexte sind Wundergeschichten besonders lebendig, nehmen die Hörer in das Geschehen hinein und bergen vielfältige didaktische Möglichkeiten in sich. Das Christentum war ursprünglich eine Erzählgemeinschaft und sollte sich auf seine »narrative Unschuld« 4 zurückbesinnen, die es durch die Dominanz des wissenschaftlichen Diskurses in der Theologie verloren hat. - Die historische Frage nach der Wirklichkeit des Erzählten läßt sich nicht dadurch umgehen, daß man Wundergeschichten im Religionsunterricht verschweigt. Die Kinder kommen in anderen Kontexten (Elternhaus, Kindergarten, Vorschule, Kindergottesdienst) mit ihnen in Berührung und suchen von sich aus nach einer Antwort. Hermeneutik und Vermittlung Bernd Kollmann Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) - ein Wunder für Grundschulkinder ZNT 7 (4. Jg. 2001) 59 - Theologisch bedeutet es eine unzulässige Verkürzung, wenn die Wunder unterschlagen werden. In ihnen spiegelt sich eine den Körper miteinbeziehende Ganzheitlichkeit christlicher Religion, und sie sind wesentlicher Bestandteil des Wirkens Jesu. Wundergeschichten machten den Menschen damals Hoffnung und können dies auch heute noch tun. - Als entwicklungspsychologisches Argument kommt hinzu, daß Kinder im Grundschulalter übermenschliche Phantasiegestalten brauchen, um ihre eigenen vielfältigen Begrenzungen und Einengungen symbolisch oder traumhaft zu überwinden. Wird ihnen Jesus als Wundertäter vorenthalten, dann drängt man sie zum uneingeschränkten Rückgriff auf säkulare Heilsgestalten aus der Comicwelt. Die Einbeziehung von Wundergeschichten in den Religionsunterricht der Grundschule hat also gewichtige Argumente für sich, muß aber gefährliche Klippen umschiffen, wenn sie gelingen soll. Während besonders spektakuläre Erzählungen wie der Seewandel Jesu oder das Weinwunder von Kana dabei wegen ihrer Mißverständlichkeit von vornherein ausgeklammert bleiben sollten, sieht dies bei der Bartimäusgeschichte anders aus, da sie Reißerisches vermeidet und in der Figur des Bartimäus gute Identifikationspunkte für Kinder bereit hält. Nicht ohne Grund ist sie die in Lehrplänen, Schulbüchern wie Unterrichtsentwürfen zur Primarstufe am häufigsten anzutreffende Wundergeschichte und verdient daher unsere Aufmerksamkeit. II. Die Heilung des blinden Bartimäus Bei der Bartimäuserzählung handelt es sich um eine alte Lokalüberlieferung aus Jericho, die um 70 n. Chr. in das Markusevangelium gelangte und kaum aus einem Guß ist. Zwischen dem eigentlichen Geschehen zu Lebzeiten Jesu und seiner Wiedergabe durch Markus liegen etwa vierzig Jahre mündlicher Überlieferung, in denen die Bartimäusgeschichte Veränderungen erfahren hat. Die Konkurrenz zwischen dem christologischen Hoheitstitel Davidssohn und dem archaischer wirkenden Rabbuni, aber auch Spannungen im Handlungsablauf deuten auf ein schrittweises Wachstum hin. 5 Der ursprüngliche Kern (Mk 10,46b.47.51- 52ab) erzählte wohl in deutlich kürzerer Form davon, wie Jesus die Stadt Jericho besucht, der blind am Wegesrand sitzende Bettler Bartimäus schreiend auf sich aufmerksam macht, Jesus ihn nach seinem Anliegen fragt, dieser die Worte »Rabbuni, daß ich wieder sehe« ausruft und aufgrund seines Glaubens an die Vollmacht Jesu sogleich von seiner Blindheit geheilt wird. Im Laufe der mündlichen Überlieferung richtete sich das Interesse zunehmend auf die Figur des Bartimäus. Es wurde ausgemalt, wie schwer er es hatte, Zugang zum Wundertäter Jesus zu finden (Mk 10,48-50). Ebenfalls neu hinzu kam die Anrede Jesu als Davidssohn, im antiken Judentum ein Titel für den erwarteten Messias (PsSal 17,21). Auch Markus selber hat am Anfang und am Ende in die Geschichte eingegriffen. Die Exposition »und sie kamen nach Jericho« (10,46b) und die Wendung »er folgte ihm nach auf dem Wege« (10,52c) stammen aller Voraussicht nach erst von ihm. In ihrem ältesten Kern geht die Bartimäusgeschichte auf das geschichtliche Wirken Jesu zurück. Sowohl die Ortsbezeichnung Jericho als auch die namentliche Nennung des Geheilten, letzteres in neutestamentlichen Wundergeschichten eine absolute Ausnahme, spiegeln geschichtliche Erinnerung und deuten auf ein Ereignis hin, das im wesentlichen tatsächlich so stattgefunden hat. Über den Heilungsvorgang wird nichts mitgeteilt. Offenbar hat allein das charismatische Wort Jesu dem blinden Bartimäus zu seiner Sehkraft zurückverholfen, während Jesus sich bei anderen Blindenheilungen (Mk 8,22-26; Joh 9,1-7) auch pharmakologischer Praktiken bedient. Sehstörungen bis hin zu vollständiger Blindheit waren damals ungleich verbreiteter als heute, die für die breiten Bevölkerungsschichten ohnehin unerschwingliche Augenheilkunde steckte in den Kinderschuhen. Wundercharismatiker konnten in vielen Fällen Heilung bringen, nicht zuletzt dann, wenn die Blindheit psychogener Natur war, wie es bei Bartimäus der Fall gewesen zu sein scheint. 6 Jesus ist allerdings als Blindenheiler keine Ausnahme, und das führt zugleich in die Zwiespältigkeit solcher Geschichten hinein. Aus der Antike ist eine Vielzahl von Blindenheilungen unterschiedlicher Gottheiten oder Wundercharismatiker überliefert. 7 Die Heilung des Bartimäus, so aufsehenerregend sie gewesen sein mag, begründet also in 60 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Hermeneutik und Vermittlung ZNT 7 (4. Jg. 2001) 61 Bernd Kollmann Die Heilung des blinden Bartimäus Bernd Kollmann Bernd Kollmann, geb. 1959 in Bebra. 1989 Promotion in Göttingen, 1992-1993 Visiting Scholar an der University of Chicago, 1995 Habilitation in Göttingen. 1994-1996 Vikariat in Wolfsburg, danach Vertretungsprofessuren in Aachen und Siegen. Seit 2000 Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Universität Siegen. Forschungsschwerpunkte: Wundergeschichten, Bergpredigt, Geschichte des frühen Christentums. keiner Weise die Besonderheit Jesu und stellt keinen Beweis für seine Gottessohnschaft dar. Sie birgt im Gegenteil die Gefahr in sich, Jesus als einen von vielen Wunderheilern der Antike zu betrachten und damit den Blick auf seine wirkliche Bedeutung zu verbauen. Das haben bereits diejenigen Christen so empfunden, die beim Weitererzählen zweimal den bekenntnishaften Hilfeschrei »Du Sohn Davids« (Mk 10,46.47) einfließen ließen. Sie wollten klarstellen, daß es sich bei dem Blindenheiler Jesus um den erwarteten Messias aus dem Stamm Davids handelt. Das allerdings ist eine historisch nicht mehr verifizierbare Glaubensaussage. Aus dem Wunderbericht ist eine christologische Bekenntnisgeschichte geworden. Warum haben Christen in den ersten Jahrzehnten nach Jesu Tod diese Wundergeschichte weitererzählt? Ursprünglich wollten sie wohl einfach die geschichtliche Erinnerung an die Heilung des Bartimäus bewahren oder mit dem Wundertäter Jesus missionarische Werbung betreiben. In ihrer um das Bekenntnis zum Davidssohn erweiterten Gestalt bietet die Bartimäusgeschichte dann eine Art narrativer Glaubenskatechese. Sie will verdeutlichen, wie eine unbeugsam hoffende Haltung allen Zurückweisungen und Widrigkeiten zum Trotz zur Begegnung mit Jesus und somit zur Gabe des Heils führen kann. 8 Dies erschöpft sich nicht in Belehrung, sondern schließt Ermutigung mit ein. Wundergeschichten sind Hoffnungsgeschichten der kleinen Leute, indem sie als symbolische Handlungen ein neues Daseinsverständnis erschließen. 9 In Wundern wird die leidvolle, aussichtslos erscheinende Wirklichkeit exemplarisch durchbrochen. Sie haben grenzüberschreitenden Charakter mit mutmachender Funktion. Die Bartimäusgeschichte ist allerdings mit ihrem historischen Kern kein Phantasieprodukt aus der Welt der Mythen, sondern an das tatsächliche Handeln Jesu zurückgebunden und bietet so eine auf geschichtlicher Erfahrung beruhende Vision der Hoffnung. Dabei brauchte man nicht wirklich krank zu sein, um aus der Heilung des blind am Boden liegenden Bartimäus Hoffnung und Lebensmut schöpfen zu können. Bereits in der Logienquelle werden die Wunder Jesu im Horizont alttestamentlicher Prophetie als Heilung auch der im symbolischen Sinne Blinden und der an der Seele Gelähmten gedeutet (Mt 11,5/ Lk 7,22). 10 Die Art und Weise, wie schließlich Markus in die Bartimäuserzählung eingreift und sie in sein Evangelium einbaut, ist eines von vielen Beispielen neutestamentlicher Wunderkritik. Zunächst einmal hat Markus durch Einfügung der Wendung »… und er folgte ihm auf dem Weg« (Mk 10,46) der Wundergeschichte ein Achtergewicht gegeben und sie zu einer Nachfolgegeschichte gemacht. Nicht mehr auf dem Wunder selber und dem Bekenntnis zum Davidssohn, sondern auf der Nachfolge des gläubigen Bartimäus liegt nun der Hauptakzent. Verstärkt wird diese wunderkritische Tendenz durch den Kontext, in den Markus die Bartimäusgeschichte stellt. Der gesamte Abschnitt Mk 8,27- 10,52 ist thematisch durch die Leidensankündigungen Jesu und die Leidensnachfolge der Jünger geprägt. Direkt nach der Heilung des Bartimäus beginnt mit dem Einzug in Jerusalem der Weg zum Kreuz. Durch diese Kontextstellung wird das Wunder kreuzestheologisch eingefärbt, die schon vormarkinisch eingeschränkte Herrlichkeitschristologie des Heilungswunders noch stärker relativiert und die tiefere, unverwechselbare Bedeutung des Wundertäters Jesus erschlossen. Der Blindenheiler Jesus ist kein Wundermann wie viele andere, sondern der dem Kreuz entgegengehende Messias, der Menschen die Augen öffnet und sie in die Leidensnachfolge ruft. Indem der von seiner Blindheit geheilte Bartimäus auf der Ebene der markinischen Redaktion seinen sehenden Zeitgenossen zum Paradigma einer rundum gelungenen Jesusbeziehung wird, ist vollends der Weg für ein bildhaftes Verständnis des Wunders gebahnt. Wer den Davidssohn Jesus nicht als leidenden Messias erkennt und sich dem Ruf in die Nachfolge verschließt, bleibt blind - wie gut auch immer die physische Sehkraft sein mag. III. Erzählerische und spielerische Zugänge zur Bartimäusgeschichte im Grundschulalter Für die inhaltliche Vermittlung der Bartimäusgeschichte im Unterricht ist »Biblisches Erzählen« ungleich lebendiger und gewinnbringender als einfaches Verlesen des Bibeltextes. Das Hören von Geschichten hat trotz zunehmender Prägung des Schüleralltags durch visuelle Medien nichts an Attraktivität eingebüßt und nimmt die Adressaten unmittelbar in das biblische Geschehen hinein. Dadurch in Gang gesetzte Identifikationsprozesse überbrücken die Distanz zum Text und wecken die Hoffnung auf eine der biblischen Situation vergleichbare Gotteserfahrung im eigenen Leben. Zudem kann auf diese Weise bereits die Erstbegegnung mit dem biblischen Text interpretativ gesteuert werden. Bibelwissenschaftlich verantwortetes Nacherzählen entzieht Kinder dem autoritativen Druck der Tradition und bahnt ihnen den We g zu einer eigenständigen Deutung der Wunder Jesu. Die zwei großen Schulrichtungen »Biblischen Erzählens«, die sich gegenüberstehen, werden durch Dietrich Steinwede einerseits, Walter Neidhart andererseits repräsentiert. Beide Theologen bieten Erzählversionen der Bartimäusgeschichte für Grundschulkinder und legen über ihren Weg von der Exegese bis zur freien Nacherzählung des Textes genauestens Rechenschaft ab. 11 Die Erzähltechnik D. Steinwedes ist durch die Maximen »Texttreue« und »Elementarisierung« gekennzeichnet, während bei W. Neidhart das Motto »Phantasiearbeit« dominiert und Subjektivität wie gefühlsmäßige Parteinahme bewußt beabsichtigt sind. An den Erzählentwürfen zu Mk 10,46-52 kann man das gut beobachten. D. Steinwede bleibt recht eng am Text und bedient sich einfachster Sätze. W. Neidhart hingegen erfindet phantasievoll viel hinzu, wovon im Bibeltext nichts steht. Namentlich die gesamte Vorgeschichte des Bartimäus, der als Teppichknüpfer Augenlicht und Arbeit verliert, wird in schillernden Farben lebendig ausgemalt. Eingangs hat sich gezeigt, daß die Schülerfrage nach dem historischen Geschehen das zentrale didaktische Problem bei Wundergeschichten im Grundschulunterricht darstellt. Beide Entwürfe bieten anschauliche Beispiele dafür, wie dieser neuralgische Punkt durch theologisch reflektiertes Erzählen entschärft und bewältigt werden kann. D. Steinwede geht von dem Axiom aus, daß das sinnbildliche Sehen Jesu als des rettenden Messias die unumschränkte theologische Mitte der Bartimäusgeschichte ausmacht, und interpretiert daher das Wunder von vornherein in übertragenem Sinne. »Bartimäus hebt seine Hände: Lieber Herr, Rabbuni, ich möchte sehen. Jesus sagt zu ihm: Bartimäus, du kannst ja sehen. Du hast ja das Wichtigste gesehen. Mit deinem - Herzen. … Du glaubst ja an mich. Dein Glaube hat dich gerettet. Du bist nicht mehr ›blind‹. Du hast mich ›gesehen‹.« 12 In erheblicher Spannung zum ursprünglichen Aussagegehalt der Bartimäusgeschichte wird die in der Wiederherstellung der organischen Sehkraft bestehende Heilung rein symbolisch als Ende der Herzensblindheit präsentiert. Der Mehrdimensionalität des Textes angemessener erscheint die Absicht W. Neidharts, die Heilung als subjektives Erleben des Bartimäus zu veranschaulichen und damit in ihrer Tatsächlichkeit bewußt in der Schwebe zu halten. »Da ist es ihm wie einem, der nach einem langen bösen Traum die Augen öffnet und den hellen Tag vor sich sieht. Er kann es gar nicht fassen, daß der böse Traum schon vorüber ist. Er sieht Jesus vor sich stehen und die vielen Menschen um ihn herum. Ihre Gesichter blicken aufmerksam auf ihn. Alles leuchtet in bunten Farben, die Gewänder, die Straße, die Palmen, die Stadtmauer, der blaue Himmel. Bartimäus sieht so hell und klar wie damals, als er noch bei Meister Matthias Teppiche knüpfte. In seinem Innern fühlt er einen gewaltigen Strom von heiliger Freude.« 13 Den Hörern bleibt in dieser Erzählkonzeption ein Stück weit selber die Entscheidung überlassen, inwieweit sie die Geschichte wunderhaft deuten wollen. Der physikalische Vorgang der Heilung wird durch eine »Wie«-Formulierung relativiert 62 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Hermeneutik und Vermittlung und verliert zusätzlich dadurch an Bedeutung, daß sich der Focus gezielt auf die emotionale Befindlichkeit des Bartimäus richtet. Nicht was andere gesehen haben wird erzählt, sondern was Bartimäus erlebt und gefühlt hat. Während sich »Biblisches Erzählen« gut zur Erstvermittlung der Bartimäusgeschichte eignet, setzt die »Hermeneutik der Verfremdung« Bekanntschaft mit dem biblischen Text voraus und zielt darauf ab, bereits eingespielte Wahrnehmungsmuster zwischen Text und Hörer aufzubrechen. Durch verfremdete Wiedergabe vertrauter biblischer Tradition wird bei Kindern Staunen und Neugierde geweckt, ein Nachdenken über die eigene Einstellung zum Text angeregt und vielleicht auch produktiver Widerspruch hervorgerufen. Neben einer Darbietung der Bartimäusgeschichte in veränderter literarischer Form, etwa als Gedicht, 14 kommen auch visuelle Verfremdungen unter Rückgriff auf den Bereich der bildenden Kunst in Betracht. 15 Ergänzend zu freier Nacherzählung oder verfremdeter Wiedergabe von Mk 10,46-52 eröffnen schließlich Methoden aus dem Umfeld des Rollenspiels oder Bibliodramas die Möglichkeit einer spielerischen, in noch höherem Maße gefühlsbetonten und nicht zuletzt auch körperbezogenen Auseinandersetzung mit der Bartimäusgeschichte. 16 Durch Rollenübernahme und darstellendes Spiel werden besonders intensive Identifikationsprozesse und tiefgehende emotionale Beteiligung gefördert, als deren Folge Kinder den im biblischen Geschehen enthaltenen Zuspruch oder Anspruch Gottes in ihrer eigenen Lebensgeschichte neu erfahren lernen. IV. Möglichkeiten der didaktischen Umsetzung der Bartimäusgeschichte Die Bartimäusgeschichte eröffnet in ihrer exegetischen Vielfalt unterschiedliche didaktische Ansatzpunkte und Möglichkeiten. Als globales Leitziel muß das Bemühen im Vordergrund stehen, Kindern eine Beziehung zwischen der Wundergeschichte und ihrem eigenen Leben zu eröffnen. In diesem Rahmen kann die Bartimäusgeschichte im Religionsunterricht der Grundschule schwerpunktmäßig als Glaubenserzählung, Handlungsanweisung oder Hoffnungsgeschichte vermittelt werden. Diese drei Wege, die sich stellenweise kreuzen, sollen mit ihren Chancen und Hindernissen ein Stück weit ausgeleuchtet werden. Der Versuch, Kindern Mk 10,46-52 als exemplarische Glaubenserzählung oder Vertrauensgeschichte nahezubringen, knüpft an das Bekenntnis des Bartimäus zum Davidssohn und die darauf bezogenen Worte Jesu »Dein Glaube hat dich gerettet« an. Vorausgesetzt ist ein bildhaftes Verständnis des Wunders. Als Lernziel bietet sich an, am Geschick des Bartimäus die existentielle Bedeutung wahren »Sehens« und uneingeschränkten Vertrauens auf Christus zu veranschaulichen. 17 Bartimäus wird den Schülerinnen und Schülern zum Paradebeispiel dafür, wie innere Blindheit durch Glauben überwunden werden kann und dies zur Rettung führt. Unabdingbar ist eine vorausgehende Sensibilisierung für symbolische Formen von Blindheit, wobei allerdings vielen Kindern im Grundschulalter aus den eingangs erwähnten entwicklungspsychologischen Gründen ein übertragenes Verständnis der Blindenheilung verschlossen bleiben dürfte. Ein weiteres Problem entsteht, wenn beim Hören der Bartimäusgeschichte ein Zusammenhang zwischen der Intensität des Glaubens und dem Grad der Rettung hergestellt wird. Von einem Tun-Ergehen-Denken her liegt es im Grundschulalter nahe, den Glauben des Bartimäus als Vorbedingung der Heilung, die Heilung selbst als Gegenleistung für den Glauben mißzuverstehen. Empirische Untersuchungen bestätigen die Gefahr solch einer Fehlinterpretation von Mk 10,46-52, 18 die zwangsläufig ein Verharren im Leid als Folge unzureichenden Glaubens betrachten muß. Eine Alternative stellt das Konzept dar, die Bartimäuserzählung als auch heute noch aktuelle Handlungsanweisung zu vermitteln, die in Nachahmung Jesu auf solidarische, kommunikative Praxis mit ausgegrenzten Gruppen und Menschen zielt. 19 Gut eignen sich dafür Unterrichtseinheiten wie »Miteinander Leben« oder »Gesunde und Behinderte«. In Anknüpfung an das vorbildliche Sozialverhalten Jesu läßt sich Mk 10,46-52 als eine Mitgefühlsgeschichte zu Gehör bringen, die bei Kindern Verständnis für den blinden Bartimäus weckt und ihnen die soziale Kompetenz vermittelt, wie Jesus den Wert eines jeden Menschen in seiner Eigenart anzuerkennen. Sehr gut eignen sich dazu Blindenspiele, wie sie in praktisch allen Unterrichtsentwürfen zu Mk 10,46-52 ZNT 7 (4. Jg. 2001) 63 Bernd Kollmann Die Heilung des blinden Bartimäus vorkommen, denn sie vermitteln zumindest vorübergehend die Erfahrung des Blindseins mit all seinen Schattenseiten und rufen Solidarität mit Bartimäus hervor. Das eigentliche Wunder tritt bei diesem didaktischen Ansatz in den Hintergrund und erscheint austauschbar. Entscheidend ist die »wunderbare« Zuwendung Jesu gegenüber einer ausgegrenzten Person, wie sie in gleicher Weise außerhalb der Wundertradition, etwa in der Zachäusgeschichte (Lk 19,1-10), zum Tragen kommt. Die Gefahr solch einer ethisierenden Anwendung der Bartimäusgeschichte besteht darin, daß den Kindern Gesetz statt Evangelium vermittelt wird und sie sich durch das Vorbild Jesu überfordert fühlen könnten. Befragungen von Kindern und Jugendlichen zeigen, daß der im vorbildhaften Verhalten Jesu sichtbare moralische Anspruch der Bartimäuserzählung sie schnell in Resignation treibt und ihnen den Blick auf die entlastende, hoffnungsstiftende Dimension des Wunders verstellt. 20 Diese theologische Schieflage wird vermieden, wenn nicht Jesus in seiner Unerreichbarkeit, sondern vielmehr der geheilte Bartimäus die Vorbildfunktion einnimmt, die Handlungsanweisung also aus dem markinischen Nachfolgegedanken (Mk 10,52) abgeleitet wird. 21 Der Anspruch erwächst dann aus dem zuvor erfahrenen Zuspruch, und Vorbild ist ein Mensch mit all seinen Fehlern und Schwächen. Einen dritten, nicht ohne Grund als »Qualitätssprung, was die Grundschule angeht« 22 bezeichneten Weg geht der Versuch, die Bart imäusgeschichte als Hoffnungsgeschichte nahezubringen. 23 Weder der vorbildliche Glaube des blinden Bartimäus noch das beispielhafte Sozialverhalten Jesu oder die nachahmenswerte Nachfolge des geheilten Bartimäus werden in den Vordergrund gerückt, sondern es geht darum, Kinder die Heilung des Bartimäus ganz unmittelbar als Schlüssel oder Verheißung für ihr Leben in Betracht ziehen zu lassen. Sie sollen nicht nur von Jesu Zuwendung damals hören, sondern sie auch am eigenen Leib erfahren lernen. Dieses Modell kann daran anknüpfen, daß die Bartimäuserzählung für die ersten Christen nicht zuletzt auch eine Geschichte war, die kranken, verzweifelten oder niedergeschlagenen Menschen die geschichtlich fundierte Zuversicht gab, genau wie der blinde Bartimäus wieder aufgerichtet zu werden. Dieser vormarkinische »Sitz im Leben« ermöglicht einen Brückenschlag zur Situation der Schülerinnen und Schüler, die miterleben und nachvollziehen können, wie Menschen damals Jesus erfahren haben, und auf diese Weise die Heilung des Bartimäus gleichsam zu ihrer eigenen Geschichte werden lassen. Die Person des Bartimäus bietet dazu vielfältige Identifikationspunkte. Wenn Bartimäus im biblischen Text angefahren wird, still zu sein, deckt sich dies mit der Erfahrung, die Kinder in unserer Gesellschaft tagtäglich machen. Ingo Baldermann ließ Schülerinnen und Schüler mit Worten aus den Psalmen die innere Befindlichkeit des blinden Bartimäus ausleuchten. 24 Sie legten dem verloren am Wegesrand sitzenden Bartimäus, den die Leute zum Schweigen bringen wollten, biblische Worte der Verzweiflung und der Hoffnung in den Mund, die zugleich ihre eigenen Ängste und Hoffnungen widerspiegelten. Erstaunlicherweise fragte dabei kein Kind danach, ob das geschilderte Wunder denn tatsächlich so geschehen sein könne. Die unmittelbare Begegnung mit dem Text hatte die historische Frage völlig in den Hintergrund gedrängt. Kinder können so im blinden Bartimäus Anteile ihrer eigenen Person wiedererkennen, wie dieser gegen Zwänge aufbegehren und aus seiner Heilung Zuversicht für ihr Leben gewinnen. Wenn dies geschieht, dann ist die Wundererzählung, wie sie es schon bei den ersten Christen war, erneut zur grenzüberwindenden Hoffnungsgeschichte der kleinen Leute geworden. Ob als Glaubensbeispiel, Handlungsvorbild oder aber Hoffnungsfigur - in allen Fällen hat der von seiner Blindheit geheilte Bartimäus auch bereits Grundschulkindern Wichtiges zu sagen und weist ihnen Wege zu einem gelingenden Leben auf. Anmerkungen 1 K. Wegenast, Wundergeschichten der Bibel in der Grundschule? , in: ders., Glaube - Schule - Wirklichkeit, Gütersloh 1970, 156-160. Vgl. - nach wie vor von Skepsis geprägt - ders., Wundergeschichten im Unterricht - ein religionspädagogisches Doppelproblem, in: ZPT. EvErz 51 (1999) 32-46. 2 Vgl. über Wegenast hinaus die kritischen Stimmen von K. Heinemeyer, Wunder im Unterricht. Synoptische Wunder als Problem der Religionspädagogik in Konzeptionen und Rezeptionen, Hannover 1987, 91- 94; M. Kwiran, Theologische und didaktische Anmerkungen zur Behandlung von Wundergeschichten im Religionsunterricht, ru 17 (1987) 66-69, zur Gesamtproblematik auch G. Otto, Handbuch des Religionsun- 64 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Hermeneutik und Vermittlung terrichts, Hamburg 1964, 279-283; W. Neidhart/ H. Eggensberger (Hgg.), Erzählbuch zur Bibel. Theorie und Beispiele, Bd. I, Lahr u.a. 6 1990, 85-103. 3 Vgl. W. Bösen, »Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist«. Exegetische und religionspädagogische Überlegungen, ru 17 (1987) 50-56; I. Baldermann, Gottes Reich - Hoffnung für Kinder. Entdeckungen mit Kindern in den Evangelien (WdL 8), Neukirchen-Vluyn 2 1993, 33- 51; ders., Einführung in die biblische Didaktik, Darmstadt 1996, 76-81; G. Scholz, Didaktik neutestamentlicher Wundergeschichten (ARPäd 10), Göttingen 1994, 146-176, speziell zum entwicklungspsychologischen Aspekt W.H. Ritter, Wundergeschichten für Grundschulkinder? Aspekte einer religionspädagogischen Kontroverse und weiterführende religionsdidaktische Überlegungen, in: F. Harz/ M. Schreiner (Hgg.), Glauben im Lebenszyklus, München 1994, 139-159; ders., Kommen Wunder für Kinder zu früh? Wundergeschichten im Religionsunterricht der Grundschule, in: KatBl 120 (1995) 832-842. 4 Der Begriff stammt von H. Weinrich, Narrative Theologie, Concilium 9 (1973) 329-334, bes. 331. 5 Vgl. zur Analyse J. Roloff, Das Kerygma und der irdische Jesus. Historische Motive in den Jesus-Erzählungen der Evangelien, Göttingen 1970, 121-123; ähnlich C. Burger, Jesus als Davidssohn. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung (FRLANT 98), Göttingen 1970, 42-46. 6 Vgl. E. Drewermann, Das Markusevangelium Bd. II, Olten 3 1990, 148-165, der »hysterische Blindheit« vermutet. 7 Neben den zahlreichen Berichten von Blindenheilungswundern aus dem Asklepios- und Isiskult ist insbesondere die Blindenheilung Vespasians in Alexandria (Tacitus, Hist. IV 81,1-3) zu nennen, vgl. B. Kollmann, Jesus und die Christen als Wundertäter. Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum (FRLANT 170), Göttingen 1996, 73- 83.106-109 (Lit.). 8 Vgl. W. Kirchschläger, Bartimäus - Paradigma einer Wundererzählung (Mk 10,46-52par), in: F. van Segbroeck u.a. (Hgg.), The Four Gospels 1992, Bd. 2, FS F. Neirynck (BEThL 100), Leuven 1992, 1105-1123, bes. 1119. 9 Vgl. G. Theißen, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien (StNT 8), Gütersloh 5 1987, 35- 51.229-261.283-297. 10 Vgl. zu Blindheit als Symbol P. Trummer, Daß meine Augen sich öffnen. Kleine biblische Erkenntnislehre am Beispiel der Blindenheilungen Jesu, Stuttgart 2 1999, 28- 35. 11 In: G. Urbach (Hg.), Biblische Geschichten Kindern erzählen. Anleitungen, Modelle und Beispiele, Gütersloh 2 1981, 35-70; vgl. ergänzend K. Wegenast, Religionsdidaktik Grundschule. Voraussetzungen, Grundlagen, Materialien, Stuttgart 1983, 96-106. Beide Autoren haben ihre Nacherzählung von Mk 10,46-52 auch anderenorts veröffentlicht (D. Steinwede, Biblisches Erzählen. Beispiele aus Grundschule und Kindergarten für Aus- und Fortbildung, Göttingen 1981, 20f.; W. Neidhart, Erzählbuch zur Bibel Bd. II, Lahr u.a. 1989, 143-146). 12 Steinwede, in: Urbach (Hg.), Biblische Geschichten 52. Vgl. dazu Steinwedes Kommentar, ebd., 41: »Die theologische Mitte wird nachhaltig entfaltet: Jesus als den Herrn, den kyrios, ›sehen‹, heißt, Gott ›sehen‹. Das ist entscheidend. Dahinter tritt das organische Sehenkönnen zurück.« 13 Neidhart, Erzählbuch II 146. Vgl. die grundsätzlichen Erwägungen zum Erzählen des Wundervorgangs in: Neidhart/ Eggensberger (Hgg.), Erzählbuch I 94-103. 14 Beispielsweise R.O. Wiemer, Bartimäus (»Ich bin der, welchen er / sehend machte. / / Was sah ich? Am Kreuz / ihn, hingerichtet, / / ihn, hilfloser als ich war, / ihn, den Helfer, gequält. / / Ich frage: Mußte ich meine / Blindheit verlieren, um das / zu sehn? «), in: K.-J. Kuschel (Hg.), Der andere Jesus. Ein Lesebuch moderner literarischer Texte, Zürich u.a. 1983, 388; K. Arndt/ M. Kwiran, Gott sitzt nicht auf einer Wolke. Religion im 3. Schuljahr, Stuttgart u.a. 1995, 10 (siehe unten, Anm. 21). Vgl. grundsätzlich zur Bibelauslegung durch Verfremdung H.K. Berg, Ein Wort wie Feuer. Wege lebendiger Bibelauslegung, München/ Stuttgart 1991, 366-385. 15 Bekannt sind die Werke »Streichholzhändler I« (1920) und »Streichholzhändler« (1921) von Otto Dix, die freilich Mk 10,46-52 sogleich zu einer Mitleidsgeschichte werden lassen (U. Baltz u.a., Kinder fragen nach dem Leben. Religionsbuch 3./ 4. Schuljahr, Frankfurt a.M. 1976, 43). Vgl. zu anderen Bildern oder Karikaturen mit Blinden(heilungs)thematik T. Eggers, Wenn das Wunder Schule macht. Ein Beitrag zur Bibeldidaktik und zum Religionsunterricht, Düsseldorf 1991, 57-66; P. Hennig, Wenn Blinden die Augen aufgehen - Zugänge zu einer biblischen Heilungsgeschichte (Mk 10,46-52), in: ZPT. EvErz 51 (1999) 56-63, bes. 62f. 16 Ein Rollenspiel zu Mk 10,46-52 enthält H. Multhaupt, Zachäus, komm vom Baum herunter! Biblische Spiele für Gottesdienst, Schule und Gruppe, Mainz 1994, 17- 19. Auch aus den für die Sekundarstufe I gedachten spielerischen Zugängen zur Bartimäusgeschichte von Hennig, Wenn Blinden die Augen aufgehen 56-63, und dem Bibliodramaentwurf von H. Langer, Vielleicht sogar Wunder. Heilungsgeschichten im Bibliodrama, Stuttgart 1991, 97-106, dürften sich einzelne Bausteine bereits im ausgehenden Grundschulalter verwenden lassen. 17 Heinemeyer, Wunder, 153, formuliert als Globalziel für die 4./ 5. Klasse: »Die Schüler sollen lernen, daß die Wundergeschichte (Christuslegende) ›Der Blinde von Jericho‹ (Mk 10,46-52) bildhaft, wie ein Gleichnis, zu verstehen gibt, daß der Mensch, der Jesus vertraut, nicht mehr ›blind‹ ist, sondern sehend, erkennend wird, d.h. in Jesus den Heiland, das Licht der Welt erkennt und ihm nachfolgt.« Vgl. zu Mk 10,46-52 als Glaubensgeschichte für die Primarstufe ferner R. Vandré, Wundergeschichten im Religionsunterricht, Göttingen 1975, 43-53. ZNT 7 (4. Jg. 2001) 65 Bernd Kollmann Die Heilung des blinden Bartimäus 18 Vgl. H.-J. Blum, Biblische Wunder - heute. Eine Anfrage an die Religionspädagogik (SBTB 23) Stuttgart 1997, 148, und bes. H. Bee-Schroedter, Neutestamentliche Wundergeschichten im Spiegel vergangener und gegenwärtiger Rezeptionen. Historisch-exegetische und empirisch-entwicklungspsychologische Studien (SBB 39), Stuttgart 1998, 279-284, mit dem Nachweis, daß im ausgehenden Grundschulalter die Bartimäusgeschichte in »do-ut-des«-Kategorien gemäß Stufe 2 des Entwicklungsmodells von Oser/ Gmünder verstanden wird. 19 Vgl. grundsätzlich H. Frankemölle, Christlich glauben in ambivalenter Wirklichkeit. Handlungsanweisungen durch Wundergeschichten (am Beispiel von Mt 8-9), KatBl 114 (1989) 419-425, speziell zur Bartimäusgeschichte G. Lange, Die Blindenheilung von Jericho (Mk 10,46-52). Didaktische Überlegungen - Anregungen für den Unterricht im 2., 4. und 8. Schuljahr, KatBl 97 (1972) MD 19, 1-15, bes. 9-12, und Scholz, Wundergeschichten 218-225, der die Grundschüler für die Nöte eines Blinden sensibilisieren und das positive Sozialverhalten Jesu hervorheben möchte, der durch wahrhaft menschliche Begegnung Not wendet. 20 Blum, Wunder 148. 21 Vgl. ebd., 220-223, der zudem eine »universal-solidarische Erweiterung« mit dem Resümee bietet, »daß das Reich Gottes sich in dieser Welt immer dann realisiert, wenn es uns gelingt, ein Stück unserer Blindheit handelnd zu überwinden«. Auch Arndt/ Kwiran, Gott 10, entfalten in Gedichtform die Nachfolge des Bartimäus in diese Richtung: »Und wirklich: Hell ist nun der Blick, / er sieht die Menschenscharen, / er sieht Not, Elend Leid, Unglück, / wie’s andere erfahren. / / Da kann er nur, wie Jesus sagt, / die Nachfolge antreten. / Er geht als Bruder unverzagt / zu Menschen, die in Nöten. / / Ein neues Leben nun beginnt: / Er hilft den Ärmsten, Schwächsten, / denn weil sie Gottes Kinder sind, / sind sie auch seine Nächsten.« 22 Wegenast, Wundergeschichten im Unterricht 44. 23 Baldermann, Didaktik 76-80; vgl. ders., Reich Gottes 33-42; F. Albrecht, Blindheit und Lähmung. Heilungserzählungen als Schlüsseltexte für Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen, Münster 1999, 111- 162. 24 Baldermann, Didaktik 79f. 66 ZNT 7 (4. Jg. 2001) Hermeneutik und Vermittlung