ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2001
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Dronsch Strecker VogelDie Frage nach der »Unterscheidung der Geister« - Überlegungen auf dem Weg zu verantwortlichen Entscheidungen
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2001
Carsten Claußen
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Problemanzeige Als wäre die paulinische Anweisung: »Strebt aber nach den Geistesgaben, vor allem aber nach der prophetischen Rede! « plötzlich in einem neugefundenen Brief des Apostels entdeckt worden, so sind seit Mitte der 70er Jahre immer wieder exegetische Studien zum Thema der frühchristlichen Prophetie erschienen. 1 War das Interesse ursprünglich durch die formgeschichtliche Frage veranlaßt, wie der »Sitz im Leben« der prophetischen Texte in den frühchristlichen Gemeinden wohl ausgesehen haben mochte, so drängte sich jetzt unter dem Einfluß der Literatursoziologie die Frage nach den Bedingungen der die neutestamentlichen Texte prägenden Verhaltensweisen und Lebensbedingungen und damit die Erforschung des Wanderradikalismus in den Vordergrund. 2 Einige neuere Beiträge versuchen zudem, eine besondere Verbindung von Prophetie und Theologie zu beleuchten. So wagt Helmut Merklein die These: »Die Prophetie ist nicht nur Erkenntnismittel, sondern zugleich das Medium, das Theologie relevant sein läßt.« 3 Im Kontext der verschiedensten Untersuchungen stellt sich regelmäßig die Frage nach der Beurteilung prophetischer Rede. 4 Dies gilt in gewisser Weise bereits für die klassische Formgeschichte, deren Vertreter einen eher unkritischen Umgang der frühen Christen mit prophetischen Äußerungen annehmen. Rudolf Bultmann betont in seiner Darstellung der »Geschichte der synoptischen Tradition« die Rolle frühchristlicher Propheten. Die frühen Gemeinden hätten nicht historische Jesusworte und Worte der Propheten unterschieden, die sie dem auferstandenen Christus zuschrieben. 5 Nach Ernst Käsemann seien »zahllose Ichworte des durch Prophetenmund sich offenbarenden Christus in die synoptische Tradition als Sprüche Jesu eingegangen.« 6 Konsequenterweise ergeben sich aus dieser Sicht der Dinge bis in die Gegenwart die bekannten Probleme bei der Echtheitsprüfung der Jesuslogien. Daß die frühen Christen alle prophetischen Äußerungen im Gewande von Worten des auferstandenen Christus unkritisch in ihre Schriften aufgenommen hätten, ist in neueren Forschungbeiträgen mit Recht in Frage gestellt worden. 7 So ist der Nachweis einer sekundären Zuschreibung eines solchen prophetischen Wortes an den irdischen Jesus »bisher weder im Einzelfall noch gar generell gelungen.« 8 Die Fragestellung ist dabei sehr viel aktueller als sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag: Solange Christen und Christinnen in Theologie und Kirche meinen, von Gott und seinem sich ausbreitenden Reich reden zu wollen, stellt sich die Frage nach verantwortlicher Gottesrede. Darum erscheint es unverzichtbar, die Suche nach den eventuellen Kriterien zur Beurteilung der Rede von Gott aufzunehmen und entsprechende Kritikfähigkeit zu erwerben. Untrennbar mit dem Phänomen prophetischer Äußerungen ist die Frage nach deren Wahrheitsgehalt, deren Gültigkeit und Relevanz verbunden. Handelt es sich wirklich um Gottes Wort, bzw. um Worte des auferstandenen Christus oder tritt etwa ein Scharlatan mit vollmundigen Worten vor das Volk? Der Apostel Paulus nennt diese Prüfung diakrisis pneumato¯ n - »Unterscheidung der Geister.« 9 Doch wie vollzieht sich eine solche Beurteilung tatsächlich oder angeblich geistgewirkter Äußerungen? Alttestamentliche Perspektiven Das AT kennt keinen festgeprägten Begriff einer »Unterscheidung der Geister«. Die zugrunde liegende Problematik ist jedoch wohlbekannt. Richtige und falsche Propheten treten auf und sind oft nur schwer zu unterscheiden: Zidkija und Micha ben Jimla geraten nicht nur verbal aneinander (1Kön 22,24). Micha hatte im Gegensatz zu vierhundert anderen Propheten dem König Ahab davon abgeraten, in den Krieg zu ziehen - und bekommt schließlich doch Recht. Der Wahrheitsgehalt prophetischer Äußerungen erweist sich nicht als Mehrheitsentscheidung und der König fällt in der Schlacht. Zum Thema Carsten Claußen Die Frage nach der »Unterscheidung der Geister« - Überlegungen auf dem Weg zu verantwortlichen Entscheidungen ZNT 8 (4. Jg. 2001) 25 Jeremia widersteht der Heilsprophetie des Hananja: »Höre, Hananja! Der Herr hat dich nicht gesandt und du hast dieses Volk dazu verführt, auf Lügen zu vertrauen« (Jer 28,15b). Schließlich kündigt Jeremia sogar den Tod Hananjas als Strafe des Herrn an (Jer 28,16f.). Auffällig ist die Freiheit, mit der alttestamentliche Propheten den Mächtigen und den Mehrheiten ihrer Zeit gegenübertreten. Ohne Schmeichelei und falsche Rücksichten verkünden sie ihre Botschaft und binden sich auch persönlich an ihre Verkündigung. Die Konsequenzen folgen oft auf dem Fuße: Micha wird zunächst ins Gefängnis geworfen (1Kön 22,26f.); Jeremia landet in einer Zisterne (Jer 38,6); Sacharja bezahlt mit seinem Leben (2Chr 24,21). Im prophetischen Wettstreit erweisen sich wahre und falsche Prophetie. Erfüllung und Nichterfüllung, 10 Übereinstimmung mit den Überlieferungen Israels oder Verkündigung fremder Götter, 11 aber auch der Lebenswandel des Propheten 12 und dessen Machttaten 13 werden als Kriterien angewandt. Frühchristliche Prophetie und die Ausweitung der Problematik Als sei das Seufzen des Mose - »Ach wollte Gott, daß alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe! « (Num 11,29) - erhört worden, so erlebt die frühe Christenheit prophetische Rede in ungeheurem Ausmaß. 14 Doch damit sind die altbekannten Probleme verbunden: Die Warnung: »Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe« (Mt 7,15), spiegelt nicht zuletzt die Erfahrung der matthäischen Gemeinde. 15 Lukas überliefert einen Weheruf gegen jene die auf allgemeine Zustimmung aus sind wie die falschen Propheten (Lk 6,26). Frühchristliche Missionsversuche treffen schon bald auf falsche Geister wie Simon in Samaria (Apg 8,9ff.) und Barjesus auf der Insel Zypern (Apg 13,6). In diesen Schriften aus dem späteren 1. Jh. n.Chr. zeigt die Darstellung eine deutliche Distanzierung vom Phänomen der Falschprophetie. Jedoch so klar, wie diese radikale Verwerfung falscher Propheten, sah die Realität vor Ort kaum aus. In den ältesten Zeugnissen des Neuen Testaments, den Briefen des Apostels Paulus, begegnet uns die Problematik in der Mitte der korinthischen Gemeinde. Paulus verbindet die Charismen der Prophetie und der »Unterscheidung der Geister« (1Kor 12,10; vgl. 14,29). Beides gehört für ihn untrennbar zusammen. Das legt außer dem paradigmatischen Kontext von 1Kor 14, 29 die Struktur von 1Kor 12,10 sehr nahe: Prophetische Rede und »die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden« gehören demnach ebenso zusammen wie »verschiedene Arten von Zugenrede« und »die Gabe, sie zu deuten.« 16 Inspirierte Rede wird nicht schon durch den Selbstanspruch des Propheten autorisiert, sondern bedarf der Evaluation. Der Spitzensatz der paulinischen Argumentation lautet: »Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan« (1Kor 14,32). Christliche Prophetie ist damit in gewisser Hinsicht beherrschbar. 17 Sie ist nicht qua ihrer selbst absolut gesetzt, wie ein ekstatisch hervorquellendes Orakel, das der Interpretation bedarf, sondern setzt sich in Klarheit der Beurteilung in der Gemeinde aus. Die Prüfung prophetischer Rede Wie sieht dieser »Test« konkret aus? 1Kor 14 gestattet ausführliche Einblicke in den Gottesdienst der paulinischen Gemeinde. Neben vielen anderen Charismen kommen dort auch Propheten zu Wort. Die Korinther sind mit vielen Gnadengaben gesegnet (1Kor 1,7; 14,26). Sie erleben den Einbruch des göttlichen Geistes in ihren ganz irdischen Gottesdiensten - und erscheinen damit überfordert: Sie wissen weder, wie die vielen Beiträge der Gemeindeglieder im einzelnen zu beurteilen noch in ihrer übergroßen Fülle zu beschränken sind. Der Apostel versucht Ordnung in den Gottesdienst zu bringen: »Propheten sollen nur zwei oder drei zu Worte kommen, und die anderen sollen kritisch bedenken! Wird aber einem andern, der dabeisitzt, Offenbarung geschenkt, soll der erste schweigen! Denn der Reihe nach könnt ihr alle prophezeien. So werden alle lernen und ermahnt werden. Untertan sind der Propheten Geister den Propheten. Denn nicht für Unordnung ist Gott, sondern er ist für den Frieden« (1Kor 14,29-33a). Ernst Käsemann, von dem diese pointierte Übersetzung der Verse stammt, hat 1Kor 14,14-20.29- 33 als wegweisenden Text für die »Unterscheidung der Geister« ausgelegt. 18 Er ist geneigt, in Analogie 26 ZNT 8 (4. Jg. 2001) Zum Thema ZNT 8 (4. Jg. 2001) 27 Carsten Claußen Die Frage nach der »Unterscheidung der Geister« Carsten Claußen Carsten Claußen, Jahrgang 1966, studierte Evangelische Theologie in Bethel/ Bielefeld, Tübingen, Durham (UK) und Heidelberg, 1999 Promotion mit einer Arbeit über antike Synagogen und frühchristliche Ekklesiologie, seit 1994 Wiss. Mitarbeiter, seit 2000 Assistent an der Abteilung für Neutestamentliche Theologie der Evangelisch- Theologischen Fakultät der Universität München, ab September 2001 visiting scholar am Princeton Theological Seminary, Princeton NJ. zum Hohelied der Liebe in 1Kor 13 hier von einem hohen Liede der Vernunft zu reden. 19 Entsprechend leidenschaftlich ist seine Einschätzung des Textes: »Im Neuen Testament ist Recht und Würde und Notwendigkeit der Vernunft nirgends eindrücklicher verteidigt worden.« 20 Damit ist die Richtung für seine Deutung des Charismas der »Unterscheidung der Geister« vorgegeben: Es geht um vernünftige Überlegungen, die eine Beurteilung ermöglichen sollen. Und tatsächlich lassen sich in den Ausführungen des Paulus einige Kriterien ausmachen, die zu solcher Beurteilung anleiten. Sehr bewußt schaltet der Apostel zwischen grundsätzliche und konkrete Überlegungen zu den Charismen in 1Kor 12 und 14 in Kapitel 13 das Hohelied der Liebe ein. In deutlicher Polemik legt er dabei fest: »Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts« (1Kor 13,1f.). Stichworte wie Ungeduld, Unfreundlichkeit, Ereiferung, Prahlerei, sich Aufblähen, ungehöriges Verhalten, Selbstsucht, Arroganz, Zorn und so weiter lassen den Mißbrauch charismatischer Beiträge in Korinth erahnen und zeigen, daß die Lieblosigkeit solcher Verhaltensweisen mit dem Anspruch der Gnadengaben, die Gnade Christi zu verkörpern, nicht vereinbar ist. Wer lieblos seine Geistesgaben ausübt, mißbraucht diese und raubt ihnen damit den Charakter der Gnadengaben. Prophetie ohne Liebe ist für Paulus gnadenlos. Konkreter definiert der Apostel die Funktion der prophetischen Rede mit der Trias, daß sie zur Erbauung, Ermahnung und zur Tröstung diene (1Kor 14,3). Es geht also nicht um destruktive Kritik, einschüchternde Ankündigung zukünftiger Widerfahrnisse oder die Verkündigung trostloser Orakelsprüche. Besonders betont Paulus das Kriterium der »Erbauung«. Sein missionarischer Dienst läßt sich als das Bauen von Gemeinden definieren (1Kor 3,9f.). Prophetische oder glossolalische Phänomene, die Gemeinden eher »abreißen« als (er-) bauen, haben in diesem Kontext keinen Platz. Ein inhaltliches Kriterium bietet 1Kor 12,3: »Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr! , wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.« Damit wird die Pneumatologie christologisch eingebunden und an der kerygmatischen Tradition gemessen. Sie muß mit dem frühchristlichen Bekenntnis, daß Jesus Herr ist (vgl. Röm 10,9; 1Kor 8,6; 2Kor 4,5) in Einklang stehen. Andere »Offenbarungen« werden nicht auf den Geist Gottes zurückgeführt und sind damit abzulehnen (Gal 1,8; 2Kor 11,4). Schließlich spielt wie in der alttestamentlichen Prophetie das Eintreffen, vielleicht muß man hier eher vom »Be-« oder vom »Zutreffen« sprechen, eine entscheidende Rolle. Fällt ein ungläubiger oder unkundiger Gemeindebesucher im Gottesdienst zu Boden, weil er sich und sein Leben von prophetischen Äußerungen getroffen sieht (1Kor 14,24f.), so wird niemand die Authentizität solcher Gottesrede in Abrede stellen. Mit diesen formalen und, was die christologische Verankerung anbetrifft, auch inhaltlichen Kriterien, sind Grundlinien der »Unterscheidung der Geister« festgelegt. Eine einfache Messlatte ist jedoch nicht erkennbar. Von einem Charisma der Rationalität kann gerade keine Rede sein. 21 So wenig einerseits im kommunikativen Prozeß der Beurteilung prophetischer Rede die Vernunft völlig auszublenden ist, 22 so falsch wäre es andererseits das Charisma in der Vernunft aufgehen zu lassen. 23 Beide, Menschengeist und Gottesgeist, wirken im Prozeß der Beurteilung inspirierter Äußerungen mit, gewiß auch in dialektischer Auseinandersetzung im Ringen um die Wahrheit. Die Prüfung prophetischer Äußerungen war in den frühchristlichen Gemeinden alles andere als ein streng formalisierter Prozeß. Die obigen Kriterien werden nur in den wenigsten Fällen zu sofortiger Klarheit für alle Beteiligten geführt haben. Zunächst stellt sich jedoch die Frage: Wer ist für die »Unterscheidung der Geister« zuständig? Wer beurteilt prophetische Rede? Zugespitzt auf die korinthische Gemeinde lautet die Frage: Wer sind »die anderen« in 1Kor 14,29, die »kritisch bedenken« sollen? Sind hier die anderen Propheten angesprochen? Oder ist hier jedes Gemeindeglied gefordert? Einige Blicke in die Auslegungsgeschichte dieser Frage offenbaren ihre Brisanz. Auf katholischer Seite hat das Zweite Vaticanum die Frage nach den Charismen neu auf die Tagesordnung gesetzt. Ausdrücklich betont wird in der »Dogmatischen Konstitution über die Kirche«, nach ihren Anfangsworten auch lumen gentium genannt, die Teilnahme des »heiligen Gottesvolkes« an dem »prophetischen Amt Christi« und die wichtige Bedeutung der verschiedenen Gnadengaben für die Kirche. Die Beurteilung der Charismen erfolgt jedoch streng an das Amt gebunden. Als wegweisend für die »Unterscheidung der Geister« gilt die zweite Hälfte von § 12. Dort heißt es zur Beurteilung der Gnadengaben: »Das Urteil über die Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1Thess 5,12.10-21).« Damit ist der Ausweitung der Gnadengaben auf alle Gläubigen (1Kor 12,7) an einem wichtigen Punkt die Spitze gebrochen. Das Charisma der Beurteilung prophetischer Äußerungen wird institutionalisiert und an die leitenden Ämter der Kirche gebunden. Damit schrecken die Ausführungen in lumen gentium vor dem Anspruch einer mündigen Gemeinde zurück. Es wird grundsätzlich festgelegt, daß die Amtsträger der Kirche für die Beurteilung aller Dinge zuständig sind. Von recht zweifelhaftem Gewicht ist dabei die Berufung auf 1Thess 5,12.19ff.: »(12) Wir bitten euch, Brüder: Erkennt die unter euch an, die sich solche Mühe geben, euch im Namen des Herrn zu leiten und zum Rechten anzuhalten. (…) (19) Löscht den Geist nicht aus! (20) Verachtet prophetisches Reden nicht! (21) Prüft alles, und behaltet das Gute! (22) Meidet das Böse in jeder Gestalt! « Kaum wird man die Würdigung der leitenden und darum zu ehrenden Gemeindeglieder in 1Thess 5,12 als frühen Vorläufer eines hierarchisierenden Ämterstruktur ansehen können. Als exegetisch verfehlt erscheint es darum auch, als Adressaten der Verse 19-22 eben solche leitenden Personen ausmachen zu wollen. Die Anrede in Vers 12 mit »Brüder« richtet sich hier an die gesamte Gemeinde. Jedes Gemeindeglied soll prophetische Rede achten, diese beurteilen und generell das Böse meiden. Eine Einengung der Beurteilung prophetischer Äußerungen auf wenige »Amtsträger« ist hier keinesfalls intendiert. So muß der katholische Versuch, die »Unterscheidung der Geister« von Aussagen des 1Thess her einschränken zu wollen, als nicht überzeugend bewertet werden. Unterstützung für ein »weites Verständnis« findet sich im 1Kor selbst. Richtungweisend sind zunächst die pneumatologischen Ausführungen in 1Kor 2,12-16, zunächst in der Wiedergabe der Einheitsübersetzung die Verse 12f.: »(12) Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. (13) Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten.« In einer an lumen gentium erinnernden Weise deutet die Einheitsübersetzung eine Unterscheidung zwischen dem »wir« der Deutenden als Subjekt und den Geisterfüllten als Empfänger des deutenden Dienstes an. Diese Übersetzung ist zwar grammatikalisch möglich, jedoch kaum wahrscheinlich. 24 So ist 1Kor 2,13 sinnvoller mit »Geistliches mit Geistlichem prüfen« zu übersetzen. 25 28 ZNT 8 (4. Jg. 2001) Zum Thema Noch deutlicher läßt sich die Frage nach den Prüfern der Prophetie durch den Duktus von 1Kor 14 selbst beantworten. Hier geht es Paulus ja gerade darum, alle Gemeindeglieder dazu zu ermutigen, das Charisma der Prophetie auszuüben. So wie alle Gemeindeglieder den Geist Gottes besitzen (1Kor 12,1-13), ist entsprechend davon auszugehen, daß sie auch alle zum »kritischen Bedenken« und Beurteilen aufgerufen sind. Die begrenzte Zahl einer korinthischen Hausgemeinde bietet dafür den persönlichen Rahmen. Das trotz 1Kor 14,34 an diesem Miteinander von Prophetie und Beurteilung derselben natürlich auch die Frauen teilhatten, muß heutzutage wohl kaum noch ausdrücklich gesagt werden. 26 Ist damit festzuhalten, daß grundsätzlich alle Christen und Christinnen zur Ausübung der Prophetie ermutigt und zur Beurteilung prophetischer Äußerungen aufgerufen sind, so ist in der Praxis sicherlich kaum von einem gleichmäßigen Prophetentum aller Gläubigen auszugehen. Bereits in Korinth zeigen sich erste Ansätze zu differenzierter geregelten Gemeindediensten. Bestimmte Personen können bereits als Apostel, Propheten und Lehrer (1Kor 12,28f.) benannt werden. Aus der Vielzahl der Charismen wird einem jeden (1Kor 12,7) zugeteilt, aber eben in Vielfalt und nicht in Einförmigkeit. Auch für die »Unterscheidung der Geister« ist es nicht anzunehmen, daß allen Christen automatisch die gleiche Autorität zukam. Das Selbstbewußtsein des Apostels Paulus ist dafür der eindrücklichste Beweis (1Kor 14,37f.). So geht die Entwicklung der Prophetie zunächst nicht vorrangig in Richtung einer Beteiligung aller, sondern hin zu konkreten Diensten und Ämtern. Vom Niedergang der Propheten Lassen die Anfänge des Christentums also lebhafte Auseinandersetzungen um rechte Lehre und Praxis erkennen, zu denen jedes Gemeindeglied Zugang hatte, so ist im zweiten Jahrhundert die Ausbildung teilweise sehr konkreter Maßstäbe zu beobachten. Die Didache, eine christliche Gemeindeordnung um den Wechsel vom ersten zum zweiten Jahrhundert n.Chr., versucht genaue Verhaltensregeln für die Propheten zu formulieren: »Aber hinsichtlich der Apostel und Propheten verfahrt nach der Weisung des Evangeliums so: Jeder Apostel, der zu euch kommt, soll aufgenommen werden wie der Herr. Er soll aber nur einen Tag lang bleiben; wenn aber eine Notwendigkeit besteht, auch den zweiten. Wenn er aber drei bleibt, ist er ein Pseudoprophet. Wenn aber der Apostel weggeht, soll er nichts mitnehmen außer Brot, bis er übernachtet; wenn er aber um Geld bittet, ist er ein Pseudoprophet. Und jeden Propheten, der im Geiste redet, stellt nicht auf die Probe und fällt kein Urteil über ihn (diakrino¯ ); denn jede Sünde wird vergeben werden, diese Sünde aber wird nicht vergeben werden. Nicht jeder, der im Geist redet, ist ein Prophet; sondern wenn er die dem Herrn entsprechenden Verhaltensweisen hat. An den Verhaltensweisen also werden der Pseudoprophet und der Prophet erkannt werden«(Did 11,3-8). 27 (…) »Jeder aber, der kommt im Namen des Herrn, soll aufgenommen werden; dann aber werdet ihr, wenn ihr prüft (dokimaz o¯ ), ihn erkennen, denn ihr habt Einsicht nach rechts und links. Wenn der Ankömmling ein Durchreisender ist, helft ihm, so viel ihr könnt; er soll aber bei euch nur zwei oder drei Tage bleiben, wenn es nötig ist. Wenn er sich aber bei euch niederlassen will, etwa als Handwerker, soll er arbeiten und essen. Wenn er aber kein Handwerk versteht, dann trefft nach eurer Einsicht Vorsorge, damit er als Christ ganz gewiß nicht müßig bei euch lebe. Wenn er aber nicht so handeln will, dann ist er einer, der mit Christus Schacher treibt; vor solchen hütet euch« (Did 12,1-5). Lassen sich schon bei Paulus deutliche Versuche der Kriterienbildung zur Beurteilung prophetischer Dienste finden, so verstärkt sich diese Tendenz im zweiten Jahrhundert erheblich. Eine kritische Würdigung der jeweiligen Verhaltensweisen der Gäste soll die Gemeinden in die Lage versetzten, mit Problemen im Zusammenhang zugereister Propheten (und Apostel) Urteilsfähigkeit zu erlangen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Wo lagen die Probleme? Einige »wandernde« Propheten war man offensichtlich nicht wieder losgeworden. Gemeindeglieder hatten ihnen Kost und Logis geboten. Das war ein Akt selbstverständlicher Gastfreundschaft. Aber selbst nach einigen Tagen machten die Gäste keine Anstalten, sich wieder auf den Weg zu machen. Sie entpuppten sich als Schnorrer und vermutlich hatte es keine ZNT 8 (4. Jg. 2001) 29 Carsten Claußen Die Frage nach der »Unterscheidung der Geister« Alternative gegeben, als sie irgendwann vor die Tür zu setzen. Falls ein solcher Wandercharismatiker sich jedoch niederlassen wollte, so war auch das natürlich nicht zu verwehren, - aber nicht auf Kosten und zu Lasten der anderen Gemeindeglieder. Er sollte mit seinem erlernten Handwerk oder sonst irgendwie seinen Unterhalt bestreiten. War ihm das nicht zu vermitteln, so war auch das ein deutlicher Hinweis auf seine unchristliche Gesinnung. Auffällig ist, daß die prophetischen Äußerungen selbst nicht mehr Gegenstand der Beurteilung sind, sondern nur noch die Person des Propheten. In einer Mischung aus tremendum und fascinosum traut man sich ihrer Botschaft gegenüber kein Urteil mehr zu. Wer die Äußerungen des Propheten beurteilt, hat Angst, die sogenannte »Sünde wider den Heiligen Geist« zu begehen: »Wer aber etwas gegen den Heiligen Geist sagt, dem wird nicht vergeben, weder in dieser noch in der zukünftigen Welt« (Mt 12,32b; vgl. Lk 12,10). Die Prophetie trifft damit in der Gemeinde auf Kritiklosigkeit. Niemand traut sich, den Worten der Propheten zu widersprechen. Wen wundert es da, daß wandernde Propheten zwar einerseits den faszinierenden Nimbus der Gottunmittelbarkeit ausstrahlten, die es den Gemeindegliedern verwehrte, sie gar nicht erst aufzunehmen. Andererseits läßt der mangelnde Mut zum kritischen Widerspruch auch etwas von der Ehrfurcht oder gar den Ängsten erahnen, die der Dienst dieser Wandercharismatiker ausgelöst haben mag. Bereits bei Paulus (vgl. 1Kor 13) hatten wir festgestellt, daß die persönlichen Faktoren auf Seiten des Charismatikers für dessen Glaubwürdigkeit durchaus von erheblicher Bedeutung sind. So rät der Autor der Didache grundsätzlich: »Jeder Prophet aber, der die Wahrheit lehrt, ist, wenn er nicht tut, was er lehrt, ein Pseudoprophet« (Did 11,10). Geht es dem Propheten dagegen erkennbar um sein eigenes Wohl in Form von Versorgung mit Unterkunft (11,5; 12,2-5), Nahrungsmitteln (11,6) oder gar Geld (Did 11,12), dann kann man ihn getrost als Falschpropheten davonjagen. In die gleiche Richtung gehen auch die Anweisungen des »Hirt des Hermas«, einer Bußschrift aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. »Vor allem überhebt der Mensch, der sich einbildet den Geist zu haben, sich selbst und will immer den ersten Platz haben und ist gleich keck und unverschämt, schwatzt viel und lebt in lauter Schwelgerei und anderen trügerischen Dingen, und nimmt Bezahlung für seine Prophetie; wenn er aber keine bekommt, prophezeit er nicht« (Herm Mand 11,12). Das Urteil ist darum eindeutig: »Kann ein göttlicher Geist gegen Bezahlung prophezeien? Unmöglich kann das ein Prophet Gottes tun. Vielmehr ist der Geist solcher Propheten irdisch« (Herm Mand 11,12). Und noch weitere Beobachtungen hat der Autor über den falschen Propheten zu berichten: »Ferner geht er in eine Versammlung gerechter Männer überhaupt nicht, sondern meidet sie; er macht sich vielmehr an die Zweifler und leeren Menschen heran, prophezeit ihnen heimlicherweise und betrügt sie, indem er leeres Zeug redet, wie sie es begehren; es sind ja auch leere Menschen, denen er Antwort gibt. (…) Wenn er aber in eine Versammlung gerechter Männer kommt, die den Geist der Gottheit haben und ihr Gebet anhebt, dann entsteht in jenem Menschen eine große Leere, und der irdische Geist macht sich ängstlich davon; und so muß jener Mensch verstummen, bricht völlig zusammen und kann gar nichts mehr reden.« Schon aus diesen negativen Eigenschaften ließe sich ohne Schwierigkeiten rekonstruieren, wie sich der Autor des Herm den echten Propheten vorstellt, und er stellt dieses auch ausführlich dar: »Vor allem, wer den Geist von oben hat, sanft ruhig, demütig, er hält sich frei von aller Bosheit und jeder eitlen Begier nach dieser Welt, er erniedrigt sich allen Menschen gegenüber, er antwortet niemandem etwas, der ihn ausfragt, und er spricht auch nicht im Geheimen; auch spricht der heilige Geist nicht, wenn der Mensch ihn sprechen lassen will, sondern er redet dann, wenn Gott will, daß er spricht« (Herm Mand 11,8). Es versteht sich von selbst, daß dieser echte Prophet in der Gemeindeversammlung zur Gemeinde redet. Klar formuliert der Hirt des Hermas sein Kriterium: »An seinem Leben erkenne den Menschen, der den göttlichen Geist hat.« Nicht die Prophetie wird hier geprüft, sondern es gilt: »Nun prüfe nach Werken und Leben den Menschen, der sich einen Geistträger nennt« (Herm Mand 11,16). In dieser Bewegung, weg von der kritischen Auseinandersetzung mit den prophetischen Äußerungen und hin zu Einschätzung des Propheten, 30 ZNT 8 (4. Jg. 2001) Zum Thema vollzieht sich eine bedeutsame Akzentverschiebung, die letztlich mit zum Verschwinden der Wanderprophetie erheblich beigetragen hat. Mit der allgemeinen Zurückhaltung gegenüber der Gabe der diakrisis pneumato¯ n verliert auch die Prophetie an Einfluß. Die Dialektik von und der Dialog zwischen kritischem Bewußtsein und inspirierender Gottesrede (theopneustos; 2Tim 3,16) werden zu Gunsten des Amtes kanalisiert. Kann man die erste Epoche der jungen Kirche als das »Jahrhundert der Prophetie« bezeichnen, so folgt dieser Zeit in der Mitte des 2. Jh.s n.Chr. mit dem Rückgang der Naherwartung und der Ausbildung des Episkopats der Niedergang der Prophetie. 28 Mit der Entstehung des Montanismus, der sich selbst »die Prophetie« nannte, kam es schließlich zu einer regelrechten Kirchenspaltung. Man trennte sich von diesem Zusammenschluß prophetischer Gemeinden. Die Gemeindeprophetie scheint somit in der Kirche mit der zweiten Generation im wesentlichen erloschen zu sein. Zu stark waren wohl äußerer und innerer Druck in Richtung der Institutionalisierung, als daß dieses dynamische Miteinander auf Dauer eine Überlebenschance gehabt hätte. Hatten Montanismus und auch gnostische Strömungen die Propheten in Mißkredit gebracht, so wurden jetzt gelegentlich Amtsträger zu Repräsentanten eines prophetischen Christentums. Von dem Märtyrerbischof Ignatius (gest. nach 110) ist überliefert, daß er in Philadelphia inspirierte Rede nach Art der Propheten verkündigte. 29 Resümee Zusammenfassend könnte man sagen, daß die Beurteilung geistlicher Phänomene wie der Prophetie einer dreifachen Dialektik unterliegt. a. Vernunft und Geist Gottes Wir haben gesehen, daß bereits in den paulinischen Ausführungen an die Gemeinde in Korinth Kriterien zur »Unterscheidung der Geister« formuliert werden. Prophetie muß sich an der Liebe messen lassen, die Gemeinde aufbauen, sich den Propheten unterordnen und sich an der Realität messen lassen. Sie muß an die kerygmatische Tradition gebunden sein und darf dieser nicht widersprechen. Diese Kriterien sind vernunftgemäß anwendbar. Und doch sind sie so allgemein, daß es oft zu einem schwierigen und zeitraubenden Prozeß der Urteilsbildung gekommen sein mag, 30 für die die Gemeindeglieder sich die Leitung des Geistes Gottes im Charisma der Unterscheidung erhofften. b. Charisma und Amt Paulus stellt eindrucksvoll die Dienste der Gemeinde vom Gedanken der Gnadengaben (1Kor 12) aus dar. Gottes Geist ist damit grundlegend für die Ordnung der christlichen Gemeinde. Die Charismen ordnen sich jedoch nicht selbst. Sie bedürfen der Wahrnehmung sich bildender Autorität. Bestimmte Gemeindeglieder gewinnen durch ihre Beiträge zum Gemeindeleben mehr Ansehen als andere. Wer häufiger und eindrücklicher prophetische Rede ausübt, wird allmählich zum Propheten. Solche regelmäßigeren Dienste ordnen das Miteinander. Eine Balance von Charisma und Amt entsteht auf natürlichem Wege. Problematisch wird die Entwicklung erst, wenn sich die eine oder andere Seite dieser Dichotomie verabsolutiert und so chaotischen oder erstarrten Verhältnissen Vorschub leistet. Wo Prophetie und »Unterscheidung der Geister« ihren Ort nur noch in der Predigt ordinierter Amtsträger haben dürfen, ist die Balance von Charisma und Amt erheblich gestört. Unterliegen Charismen und Amtsträger nicht mehr dem kritischen Bedenken im Gesamtgefüge der christlichen Gemeinde, so drohen Chaos und Willkür. c. Tradition und Aktualisierung Die christliche Gemeinde kann nicht darauf verzichten, sich selbst immer wieder von der Heiligen Schrift und den Glaubensbekenntnissen der Mütter und Väter her zu definieren, und Prophetie ist an diesen Zeugnissen des Glaubens zu messen. Das darf jedoch nicht dazu führen, daß man »aus zweiter Hand und gleichsam von Konserven der Vergangenheit lebt.« 31 Prophetie meint jene Verkündigung, die das Evangelium in die gegenwärtige Situation hineinträgt. In der Anleitung zur verantwortlichen Reflexion der gemeindlichen Aktualisierung christlichen Lebens und der Herausforderung zum stets neuen, kritischen Bedenken der christlichen Tradition gewinnt nicht zuletzt Theologie ihre Relevanz. ZNT 8 (4. Jg. 2001) 31 Carsten Claußen Die Frage nach der »Unterscheidung der Geister« Anmerkungen 1 U.B. Müller, Prophetie und Predigt im Neuen Testament (StNT 10), Gütersloh 1975; G. Dautzenberg, Urchristliche Prophetie. Ihre Erforschung, ihre Voraussetzungen im Judentum und ihre Struktur im ersten Korintherbrief (BWANT 104), Stuttgart 1975; J. Panagopoulos (Hg.), Prophetic Vocation in the New Testament and Today (NT.S 45), Leiden 1975; D. Hill, New Testament Prophecy, Atlanta 1979; W.A. Grudem, The Gift of Prophecy in 1 Corinthians, Washington D.C. 1982; D.E. Aune, Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World, Grand Rapids 1983; T.W. Gillespie, The First Theologians. A Study in Early Christian Prophecy, Grand Rapids 1994; C. Forbes, Prophecy and Inspired Speech in Early Christianity and its Hellenistic Environment (WUNT II 75), Tübingen 1995. 2 G. Theißen, Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum, ZThK 70 (1973), 245-271 = in: ders., Studien zur Soziologie des Urchristentums (WUNT 19), Tübingen 3 1989, 79-105; für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema »Wanderradikalismus« vgl. Th. Schmeller, Brechungen. Urchristliche Wandercharismatiker im Prisma soziologisch orientierter Exegese (SBS 136), Stuttgart 1989. 3 H. Merklein, Der Theologe als Prophet. Zur Funktion prophetischen Redens im theologischen Diskurs des Paulus, NTS 38 (1992), 402-429: 402. 4 Separate Studien zur »Unterscheidung der Geister« sind u.a.: K. Maly, Mündige Gemeinde (SBM 2), Stuttgart 1967; J.D.G. Dunn, Discernment of Spirits - A Neglected Gift (1979), in: ders., The Christ and The Spirit. Bd. 2: Pneumatology, Edinburgh 1998, 311-328; und die breiter angelegte Studie: O. Föller, Charisma und Unterscheidung, Systematische und pastorale Aspekte der Einordnung und Beurteilung enthusiastisch-charismatischer Frömmigkeit im katholischen und evangelischen Bereich, Wuppertal/ Zürich 1994. 5 R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition. Mit einem Nachwort von Gerd Theißen, Göttingen 10 1995, 135. 6 E. Käsemann, Zum Thema der Nichtobjektivierbarkeit, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 6 1970, 224-236: 234. 7 So u.a. K. Berger, Zu den sogenannten Sätzen heiligen Rechts, NTS 17 (1970/ 71), 10-40; J.D.G. Dunn, Prophetic »I«-Sayings and the Jesus Tradition. The Importance of Testing Prophetic Utterances within Early Christianity, NTS 24 (1977/ 78), 175-198; E. Rau, Wie entstehen unechte Jesusworte? , in: Gemeinschaft am Evangelium, FS W. Popkes, Leipzig 1996, 159-186. 8 So das zusammenfassende Urteil von: Rau, Jesusworte, 161. 9 Daß dabei an eine Beurteilung und nicht vorrangig an eine Deutung gedacht ist, wird angesichts des intelligiblen und in der Applikation eindeutigen Charakters der frühchristlichen Prophetie im Gegensatz zur Glossolalie (vgl. 1Kor 14,13-19; 27-29) deutlich. Gg. Dautzenberg, Prophetie, 122-148, der diakrisis mit »Deutung« und »Auslegung« wiedergibt. Zur Auseinandersetzung mit Dautzenberg: W. Grudem, A Response to Gerhard Dautzenberg on 1 Cor 12,10, BZ 22 (1978), 253-270; ders., Gift, 263- 288. J.H. Vos, Het probleem van de onderscheiding der geesten bij Paulus, NedThT 52 (1998), 194-205. Im Vergleich mit der griechischen Deuteterminologie ist die Problematik jedoch noch kurz differenzierter anzugehen: Klassisch war in diesem Kontext die Deutung von Prophezeiungen sicher eine Interpretation, selbst wenn die Äußerung verständlich und darum keine Übersetzung nötig war. Konnte ein delphisches Orakel z.B. ein semantisch verständliches Rätsel sein, so stellte sich trotzdem die Frage der Interpretation. Folgt man dem in 1Kor 14,23-25 beschriebenen Beispiel christlicher Prophetie, so erscheinen hier weder Interpretation noch Übersetzung nötig zu sein, sicherlich jedoch die Beurteilung (1Kor 14,29). 10 1Sam 3,19; 1Kön 8,56; Dtn 18,22; Jer 28,9; Ez 33,33. 11 Dtn 13,2-6; 18,20; Jer 2,8; 23,13.27; Ez 14,9. 12 Mi 3,5.11; Ez 13,19; Jes 28,7; Jer 23,11.14; 29,23. 13 1Sam 2,34; 10,7f; 2Kön 19,29; 20,9; Jer 28,16f; 44,29f; Ez 24,27; 33,22. 14 Vgl. Apg 2,17f. 15 Vgl. Mk 13,22 par. Mt 24,24; Mt 24,11. 16 Die diakrisis pneumato¯ n ist jedoch sicher nicht ganz ausschließlich auf die Prophetie zu beziehen. Sicherlich bedarf auch eine »übersetzte glossolalische Äußerung« der kritischen Beurteilung. 17 So mit Recht: Maly, Gemeinde, 219f. 18 E. Käsemann, Der Ruf zur Vernunft. 1. Korinther 14,14- 20.29-33, in: ders., Kirchliche Konflikte, Bd. 1, Göttingen 1982, 116-127. Übersetzung des Textes auf 116. 19 Ebd., 120. 20 Ebd., 120. 21 Vgl. U. Kern, Zum Charisma der Rationalität. Eine Problemanzeige, ThLZ 12 (1987), 865-882. Eine eindrückliche soziologische Analyse bietet: S. Breuer, Das Charisma der Vernunft, in: W. Gebhardt/ A. Zingerle/ M.N. Ebertz (Hgg.), Charisma. Theorie - Religion - Politik (Materiale Soziologie TB 3), Berlin/ New York 1993, 159-184. 22 Gg. W. Rebell, Zum neuen Leben berufen. Kommunikative Gemeindepraxis im frühen Christentum (KT 88), München 1990, 118f., der die Anwendung von den Kriterien für eine spätere Enwicklung hält und die Geistesgabe der diakrisis pneumato¯ n im Sinne einer Ausstattung mit einem »übernatürlichen ›Witterungsvermögen‹« deutet. Damit wird die Bedeutung der Vernunft für die Beurteilung prophetischer Rede nicht ernst genommen. 23 W. Schrage, Der Erste Brief an die Korinther (1Kor 1,1- 6,11) (EKK VII/ 1), Neukirchen-Vluyn u.a. 1991, 262f., bemerkt zu 1Kor 2,13: »Nicht daß das Geoffenbarte nur vom latent immer schon pneumatisch Begabten zu verstehen wäre (…). Wohl aber heißt es, daß Kerygma und Prophetie, Weisheit und Gnosis nicht für die Welt ausweisbar, nicht mit einem sozusagen objektiven Krite- 32 ZNT 8 (4. Jg. 2001) Zum Thema rium nachzurechnen sind. Sogenannte Objektivität verbleibt hier in der Ignoranz.« G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. 1, Tübingen 1979, 145, beschreibt diese falschen Alternativen sehr treffend: »Man hat (…) den Eindruck, das Vernunftpathos lebe geradezu von der Abgrenzung gegen den Glauben und das Glaubenspathos von der Abgrenzung gegen die Vernunft.« 24 Zur Diskussion, ob pneumatikois personal bzw. personal oder eher neutrisch und instrumental zu begreifen ist vgl. Schrage, Brief, 261f. 25 So mit Recht: Schrage, Brief, 239.261f. Schrage weist auch auf die Verbindung von 1Kor 12,10 zur Unterscheidung der Geister hin (262). Anders: Dautzenberg, Prophetie, 138. 26 Zur Diskussion und Auslegung der Interpolation von 1Kor 14,34f. vgl. Schrage, Brief, 479-501. 27 Die Übersetzung von Did und Herm folgt der Ausgabe: Die apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe / auf der Grundlage der Ausg. von Franz Xaver Funk, Karl Bihlmeyer und Molly Whittaker. Mit Übers. von M. Dibelius und D.-A. Koch neu übers. und hg. von Andreas Lindemann und Henning Paulsen, Tübingen 1992. 28 Vgl. H. Kraft, Das Ende der urchristlichen Prophetie, in: Panagopoulos, Vocation, 162-185. 29 Ign Phil 7,1. 30 So Dunn, Discernment, 323. 31 Käsemann, Ruf, 218. ZNT 8 (4. Jg. 2001) 33 Carsten Claußen Die Frage nach der »Unterscheidung der Geister« Band 1 der Reihe MAINZER HYMNOLOGISCHE STUDIEN: Christian Möller (Hrsg.) Kirchenlied und Gesangbuch Quellen zu ihrer Geschichte Ein hymnologisches Arbeitsbuch Band 1, 2000, 400 Seiten, zahlr. Abb., geb. DM 98,-/ 49,-/ SFr 88,- ISBN 3-7720-3001-7 kart. DM 75,-/ 37,50/ SFr 71,- ISBN 3-7720-2911-6 Dieser Band behebt ein wesentliches Desiderat der Hymnologie: daß es nämlich bisher kein umfassendes Quellenbuch gab, mit dem die 2000jährige Geschichte von Kirchenlied und Gesangbuch gelehrt und studiert werden kann. Nun ist es einem Team von erfahrenen Hymnologen gelungen, die verzweigten und vielschichtigen Quellen zu sichten, die wichtigsten auszuwählen, kurze Lesehilfen zu verfassen und in die einzelnen Epochen der Hymnologiegeschichte einzuführen. Das Ergebnis: ein hymnologisches Arbeitsbuch, das zugleich eine “Kirchengeschichte des Singens” erzählt. Geschichte wird beim Studium dieses Quellenbuches lebendig, gewinnt in vielen Notenbeispielen Klang und wird in einzigartiger Weise anschaulich. Mit diesem Arbeitsbuch kann Hymnologie nun intensiver studiert und gelehrt werden. Inhaltsübersicht: Die Alte Kirche (Ansgar Franz) · Das Mittelalter (Franz-Karl Praßl) · Das 16. Jahrhundert (Christian Möller) · Das 17. Jahrhundert (Martin Rößler) · Das 18. Jahrhundert (Martin Rößler) · Das 19. Jahrhundert (Ulrich Wüstenberg) · Das 20. Jahrhundert (Heinrich Riehm) · Aus Liedtraditionen der fremdsprachigen Ökumene (Jürgen Henkys) Die erste umfassende Quellensammlung zur Hymnologie A. Francke Verlag Tübingen und Basel