eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 5/10

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2002
510 Dronsch Strecker Vogel

Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft in Deutschland - Bestandsaufnahme. Kritik. Perspektiven

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2002
Oda Wischmeyer
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ZNT 10 (5. Jg. 2002) 13 1. Einführung Das Selbstverständnis einer wissenschaftlichen Disziplin läßt sich schwer erheben. Trotzdem sind Wissenschaftler immer wieder aufgefordert, über den Stand ihrer Disziplin und ihren eigenen Platz in diesem Zusammenhang nachzudenken und Auskunft zu geben. Und zum »Stand« gehört das »Selbstverständnis«. Denn dies steuert die Forschung und führt zum jeweiligen »Stand der Wissenschaft«. Das gilt besonders im Hinblick auf zwei Größen: erstens die wissenschaftlichen Kontexte der eigenen Disziplin und zweitens die nächste Generation, die in die eigene Disziplin eingeführt und unter Umständen in ihr heimisch werden soll. Selbstwahrnehmung, Außenwahrnehmung, Neugier und natürliches Interesse an Überblick und Standortbestimmung treffen sich hier und ergeben insgesamt einen starken Impuls zu fragen: »Wie steht es mit der von mir mitbetriebenen Wissenschaft? « Ein ntl. Oberseminar der Erlanger Theologischen Fakultät hat sich diese Frage gestellt und im Sommersemester 2000 das Selbstverständnis der ntl. Wissenschaft thematisiert. Daraus gingen einzelne Beiträge hervor, die wir in einen zusammenhängenden Bericht gebracht haben. 1 Unser Ziel war folgendes: aktuell und punktuell zu erfassen, darzustellen und zu veröffentlichen, wie sich die ntl. Wissenschaft versteht - als theologische Teildisziplin, als philologisch-historische oder als religionsgeschichtliche Größe? Wo liegen die Interessen? Wo und wie wird wissenschaftlich gearbeitet? Welches sind die Kontexte, die Ziele, die Perspektiven? Wo sieht das Fach seine Relevanz? Was will ntl. Forschung bewirken? Will das Fach in gegenwärtige gesellschaftliche Debatten eingreifen? Um solche Fragen anzugehen, sind Ausschnitte und Parameter notwendig. Wir beziehen uns vornehmlich auf die protestantische deutschsprachige ntl. Wissenschaft der letzten zehn Jahre bzw. eines noch kürzeren Zeitabschnitts. An einigen Punkten erweitern wir die Perspektive. Als Parameter ergaben sich uns acht erschließende Fragestellungen, die vom Allgemeinen zum Besonderen und von konsensfähigen Ergebnissen bis zur neuesten Forschung reichen. Die neue RGG (2.) zieht das Fazit aus 40 Jahren Forschung und gibt Rechenschaft über den gegenwärtigen Stand und das gegenwärtige Selbstverständnis der ntl. Wissenschaft. Konsensergebnisse und Forschungsdiskussionen werden dargestellt. Auch die zahlreichen Methoden- und Arbeitsbücher (3.) - zehn deutsche Titel seit 1990 - sind sehr allgemeine und hoffentlich zuverlässige Zeugen für den Stand und das Selbstverständnis der Disziplin, und dies besonders im Hinblick auf die nächste Generation, die in diese Wissenschaft eingeführt werden und ihre Bedeutung erkennen soll. Einen aktuellen Ausschnitt aus der gegenwärtigen Lehre gibt das Lehrangebot (4.) im Fach Neues Testament der Ev.-Theol. Zum Thema Oda Wischmeyer und Mitglieder des neutestamentlichen Oberseminars der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft in Deutschland Bestandsaufnahme. Kritik. Perspektiven Ein Bericht auf der Grundlage eines neutestamentlichen Oberseminars »Unser Ziel war folgendes: aktuell und punktuell zu erfassen, darzustellen und zu veröffentlichen, wie sich die ntl. Wissenschaft versteht - als theologische Teildisziplin, als philologisch-historische oder als religionsgeschichtliche Größe? Wo liegen die Interessen? « 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 13 14 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Fakultäten im SoSe 2000. Das Lehrangebot macht deutlich, wie das Fach von den Studierenden wahrgenommen werden soll, was als Kernbestand ntl. Wissenschaft gilt und mit welchen Spezialfragen die Studierenden befaßt werden und die Lehrenden befaßt sind. In die gegenwärtige Forschung führen am leichtesten und am direktesten die Zeitschriften (5.) ein. Hier wird relativ schnell, kurzfristig und beweglich publiziert. Ein Überblick über Beiträge der klassischen ntl. deutschsprachigen Zeitschriften ZNW und BZ aus den letzten fünf Jahren bietet sich an, dazu ein Einblick in die neue ZNT, die mit ihrer Konzeption mehr Dynamik und Aktualität in die ntl. Beiträge bringt. Die ThLZ (6.) liefert in der Dichte ihrer ntl. Rezensionen ein solides Spektrum der internationalen Buchproduktion. Der Jahrgang 1999 wird hier vorgestellt. Im Gegensatz zu den Zeitschriften und Rezensionen, die sich mit schon publizierten Titeln beschäftigen, führt der Beitrag über die gegenwärtigen Forschungsprojekte (7.) in Deutschland in die Zukunft des Faches ein, auch gerade in die Themen, die als DFG-Projekte u. ä. bereits vorweggenommene allgemeine wissenschaftliche Resonanz und Anerkennung gefunden haben. Eine gewisse internationale Perspektive läßt sich am ehesten durch einen Blick auf die SNTS-Präsidentenreden (8.) der letzten zehn Jahre und auf die SNTS-Arbeitsgruppen (9.) herstellen. Nach einem vorläufigen Fazit (10.) werden abschließend einige der - eher rar gesäten - programmatischen Beiträge der jüngsten Vergangenheit herangezogen. Im Dialog mit diesen Beiträgen soll eine Perspektive für die ntl. Wissenschaft vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt werden. 2. Die neue RGG Die RGG gibt nicht nur einen Überblick über die gesamte Theologie, ihre Disziplinen und Nachbardisziplinen, sie spiegelt gleichzeitig wider, welche Bedeutung und welches Selbstverständnis eine einzelne Disziplin, so die ntl. Wissenschaft, gegenwärtig hat. Vergleicht man RGG 3. Aufl. mit RGG 4. Aufl. in Hinsicht darauf, wie ntl. Wissenschaft vertreten ist und sich selbst präsentiert, so fallen Kontinuitäten, aber auch Differenzen auf. Im folgenden soll zweierlei untersucht werden: Welche Bedeutung kommt der ntl. Wissenschaft im Gesamtzusammenhang von Theologie und Religionswissenschaft zu? Welches Selbstverständnis ntl. Wissenschaft zeigt sich an der formalen und inhaltlichen Konzeption zentraler RGG-Artikel beider Auflagen? Mehr als 40 Jahre 2 liegen zwischen den beiden Auflagen von RGG 3. Aufl. und RGG 4. Aufl. In diesem Zeitraum hat sich das Profil der Theologie verändert und ausdifferenziert. Die 23 verschiedenen Fächer von RGG 3. Aufl. haben sich zu 31 Fächern in RGG 4. Aufl. vermehrt. 3 Dadurch werden auch signifikante inhaltliche Akzente gesetzt. Einzelne klassische Disziplinen werden unverändert geführt (z.B. Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Kirchenmusik und Kirchenrecht), andere werden perspektivisch geweitet (der Ethik und der Praktischen Theologie werden die Sozialwissenschaften, die in RGG 3. Aufl. als eigenes Fach geführt wurden, beigegeben). Schließlich expandieren die Fächer, die die universalen und pluralen Aspekte von Theologie und Religion vertreten (die Kirchengeschichte dehnt sich auf alle außereuropäischen Kontinente aus, die Ökumene wird in konfessionsverschiedene Fächer unterteilt, und die in RGG 3. Aufl. geführten Fächer Religionswissenschaft und Religionsphilosophie werden in RGG 4. Aufl. zusätzlich um die Religionsgeschichte, die nochmals chronologisch und topographisch untergliedert ist, erweitert). Das Fach Neues Testament ist in RGG 4. Aufl. also zunächst in seiner Perspektive klassisch definiert und wird von dem katholischen Neutestamentler H.-J. Klauck (ehemals München, jetzt Chicago) verantwortet. In RGG 3. Aufl. war der evangelische Neutestamentler E. Dinkler (damals Bonn) Fachberater für Neues Testament. Auch im Blick auf den Herausgeberkreis ist die Präsenz des Faches Neues Testament konstant geblieben. 4 Die Differenzierungen und Veränderungen innerhalb von Theologie und Religion haben sich aber auch im Bereich der ntl. Wissenschaft niedergeschlagen. So haben die Sparten »Neues Testament« gemessen am Gesamtumfang der RGG an Umfang verloren. 5 In RGG 3. Aufl. Bd.1 bestreitet das Neue Testament ca. 8,4% des Umfangs, in RGG 3. Aufl. Bd.2 ca. 8,7%. Dagegen macht in RGG 4. Aufl. in Bd.1 das Neue Testament ca. 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 14 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 15 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft 7,3%, in Bd.2 lediglich ca. 5,2% des Gesamtumfangs aus. Gemessen an der Anzahl der Fächer ist allerdings der prozentuale Anteil des Neuen Testaments konstant geblieben. 6 Das Fachgebiet Neues Testament hat also absolut gesehen an Umfang verloren, zeigt sich aber relativ gesehen konstant. Beim konzeptionellen Aufriß der RGG werden moderne inhaltliche Akzente ntl. Wissenschaft evident. Die Artikel zu den ntl. Einzelschriften, z.B. der Artikel »Apostelgeschichte«, 7 ist kaum im Umfang, aber in der Gestaltung verändert. Die Gliederung des Artikels in RGG 4 ist präziser, 8 was dem fortentwickelten Standard ntl. Exegese entspricht. Das schließt den Aspekt von Rhetorik- und Narrativik-Forschung, der neu hinzugekommen ist, ein. Dadurch wird die Unterscheidung zwischen der methodischen und der inhaltlichen Erschließung einer ntl. Schrift gefördert. Der Artikel »Ethik« 9 gehört zu den umfangreichsten Artikeln in RGG 4 überhaupt und ist gegenüber RGG 3 deutlich ausgeweitet. Wird die Ethik in RGG 3 rein philosophisch und dogmatisch erschlossen, so ist in den Artikel in RGG 4 nach einer begrifflichen und religionswissenschaftlichen Bestimmung ein biblischer Abschnitt eingefügt, der einen im Blick auf die ntl. Schriften differenzierten Zugang zur Ethik zeigt. 10 In die Gestaltung dieses Artikels wirken die zwischenzeitlich entstandenen Arbeiten zu ntl. Ethik ein. 11 Ähnlich verhält es sich mit dem Artikel »Engel«, der in RGG 4 über die kirchen- und kunstgeschichtlichen Aspekte hinaus deutlich an Umfang gewonnen und u.a. einen eigenen ntl. Abschnitt erhalten hat. 12 Ebenso enthalten in RGG 4 die Artikel »Elia« und »Bischof« 13 einen eigenständigen ntl. Passus 14 - die RGG 4 ist im übrigen vielfach klarer strukturiert, was sich gerade am »Elia«-Artikel oder auch am Artikel »Chiliasmus« 15 nachweisen läßt. Der Begriff »Dualismus« erscheint in RGG 3 nicht nur unter religionswissenschaftlichem, sondern auch unter theologischem Aspekt, 16 der u.a. einen ntl. Passus beinhaltet. In RGG 4 dagegen wird Dualismus vor allem religionswissenschaftlich und kirchengeschichtlich, worunter lediglich ein ntl. Verweis subsumiert ist, bestimmt. 17 »Dualismus« als leitende Kategorie der Paulus- und Johannes-Exegese hat demnach an Brisanz verloren. 18 Diese Vergleichsbeispiele zeigen die Entwicklung und den Standard gegenwärtiger ntl. Exegese: Neue methodische Ansätze sind hinzugekommen, und spezifische ntl. Monographien ermöglichen die Bezugnahme auf das Neue Testament in allgemein-theologischen Zusammenhängen. Gleichzeitig ist aber auch ein Verlust an traditionellen Leitbegriffen ntl. Exegese ersichtlich. Veränderungen haben sich in der Auswahl und der Benennung der Schlagworte ergeben. Das Schlagwort »Eingeborener Sohn« 19 aus RGG 3 findet sich in RGG 4 nicht mehr. Dagegen sind in RGG 4 z.B. der Artikel »Brüder / Schwestern Jesu« 20 und der Artikel »Canonical Approach« 21 neu aufgenommen. Letzterer spiegelt den angelsächsischen Einfluß auf die ntl. Exegese wider. RGG 3 führt als Schlagwort »Evangelien«, das sich auf einen formgeschichtlichen und einen synoptischen, d.h. eher literarkritisch ausgerichteten Artikel aufteilt. 22 Der Artikel »Evangelium« in RGG 4 geht von einer Begriffsbestimmung aus und faßt dann unter einem gattungsspezifischen Abschnitt literaturgeschichtliche Aspekte. 23 Diese Modifikationen hinsichtlich der Auswahl und Strukturierung der Schlagworte zeigen das veränderte Interesse an ntl. Fragestellungen auf. Ntl. Idiomata treten zurück, und moderne exegetische Oda Wischmeyer Oda Wischmeyer studierte Ev. Theologie und Germanistik in Heidelberg und Göttingen. Promotion (1973) und Habilitation (1992) in Heidelberg, seit 1993 ist Frau Wischmeyer Professorin für Neues Testament an der Theol. Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsschwerpunkte: Neutestamentliche Hermeneutik, Theologie des Paulus und Frühjüdische Weisheitstheologie. 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 15 16 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema termini technici werden zu feststehenden Begriffen. Methodisch gewichtig sind literaturwissenschaftliche Ansätze, in historischer Perspektive gewinnen pragmatische Fragen an Bedeutung. Ein theologisches Lexikon wie die RGG hat auch eine konservative Tendenz. Dies wird an einem für die ntl. Wissenschaft zentralen Artikel, dem Artikel »Bibel«, 24 deutlich. In RGG 4 ist der Gesamtumfang des ntl. Abschnitts gekürzt, 25 der Aufriß und die Proportionen der Unterabschnitte sind aber nahezu unverändert. 26 Inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Artikeln bestehen insofern, als in RGG 4 beim Prozeß der Kanonisierung gattungsspezifisch zwischen den Paulusbriefen und den Evangelien unterschieden wird. Hier haben die zahlreichen epistolographischen Arbeiten zu den Paulusbriefen eine größere Sensibilität für das Genus »Brief« geschaffen. Das wird etwa auch an der Konzeption des Artikels »Brief« in RGG 4 evident. 27 Weiter stellt der Abschnitt über die Sprache des Neuen Testaments z.T. die neuere philologische Forschungsdiskussion dar. Während der Artikel »Bibelwissenschaft« des Neuen Testaments in RGG 4 deutlich gekürzt ist, 28 hat der Artikel »Bibelkritik« 29 an Umfang gewonnen. An der Aufteilung in verschiedene Abschnitte (historisch-kritisch, literaturwissenschaftlich u.a.) und an verschiedene Autoren wird hier zudem bereits optisch die Spezialisierung ntl. Exegese erkennbar. Auf welches Selbstverständnis des Faches Neues Testament als wissenschaftlicher Disziplin im Rahmen (evangelischer) Theologie läßt sich also aus der Neuauflage der RGG rückschließen? Der Stellenwert ntl. Wissenschaft im Kontext der Fragen zu Religion in Geschichte und Gegenwart nimmt - gemessen an der Ausweitung der Fachgebiete - insgesamt nicht ab. Das ergibt zumindest der Vergleich von RGG 3 und RGG 4 . Inzwischen präsentiert sich ntl. Wissenschaft zunehmend ökumenisch - das betrifft gleichermaßen die Autorenschaft, die Begriffsauswahl und die Sachinformationen sowie die methodische Disposition der Einzelartikel. Die Vielfalt methodischer Ansätze in der ntl. Exegese, die Zunahme begrifflicher und thematischer Spezial-Monographien im Bereich ntl. Theologie festigen die ntl. Wissenschaft als klassische theologische Disziplin. Die ntl. Wissenschaft partizipiert an den modernen Entwicklungen in Theologie und Religion. Die RGG präsentiert als Lexikon primär aber nicht den gegenwärtigen Stand etwa der ntl. Wissenschaft. Sie ist vielmehr begriffsbezogen bzw. definitorisch und zielt auf Information. So können Entwicklung, Bedeutung und Selbstverständnis des Faches Neues Testament nur implizit, und zwar in zweifacher Hinsicht erhoben werden: Evident ist eine Differenzierung und Präzision methodischer Zugänge sowie eine erhöhte Einflußnahme auf allgemein theologische Begriffsbestimmungen. Wissenschaftstheoretische Impulse dagegen gehen von den RGG-Artikeln kaum aus. So wird weder eine hermeneutische Diskussion über die Ansätze und Zugänge zum Verstehen des Neuen Testaments geführt, noch werden kritische Reflexionen oder weiterführende Perspektiven in bezug auf die ntl. Wissenschaft gewagt. 3. Methoden- und Arbeitsbücher Methodenbücher sind von Natur aus konservativ, weil sie sich nicht der Forschung widmen, sondern Lehrbuchcharakter haben: Sie richten sich vor allem an Studierende und wollen einen gewissen common sense der ntl. Wissenschaft vermitteln. Die verhältnismäßig große Menge und die hohen Auflagen dieser Bücher lassen auf gute Verkaufszahlen schließen. Gleichzeitig achten die Verlage auf aktuelle Neuauflagen, die von jungen Wissenschaftlern erarbeitet werden. Daher können wir hier Auskunft über das derzeitige Selbstverständnis der ntl. Wissenschaft erhalten sowie darüber, wie der »Stand der Technik« im Neuen Testament zur Zeit ist. Eine Durchsicht der wichtigsten deutschsprachigen Methodenbücher 30 ergibt folgendes Bild: Die vier »klassischen« Methoden Textkritik, Literarkritik, Formgeschichte und Redaktionsgeschichte 31 werden nach wie vor gelehrt. Auch linguistische Methoden gehören mittlerweile zum klassischen Methodenkanon. Forderte K. Kliesch in seinem Anhang zur Linguistik an H. Zimmermanns Methodenlehre eine Neuorientierung der ntl. Exegese aufgrund der modernen Sprachwissenschaft, 32 so hat 1987 als erster W. Egger eine ntl. Methodenlehre vorgelegt, die ganz von der Texttheorie ausgeht und die Lektüre unter synchronem Aspekt erschließt. 33 Die linguistische Fragestellung, in die er nach der Textkritik 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 16 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 17 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft einführt, erhält so breiten Raum, daß sie geradezu als Leitmethode erscheint. 34 Die klassischen ntl. Methoden bilden erst einen zweiten Textzugang. Die Rückfrage nach der Historie ist davon getrennt und erhält einen eigenen Abschnitt. 35 Dies grundsätzlich neue Modell hat sich bei keinem anderen Methodenbuch durchgesetzt, vielmehr haben die Autoren in ihrem Methodenensemble der Linguistik unterschiedliche Plätze angewiesen. J. Roloff hat ( 7 1999) die Literarkritik zur »literarischen Analyse« erweitert und dabei den Fragen nach Semantik, Grammatik, Stil und Textpragmatik Raum gegeben. 36 U. Schnelle behandelt diese Methoden unter der Überschrift »Textanalyse« nach der Text- und vor der Literarkritik. 37 K. Berger verbindet Linguistik und Formgeschichte. W. Fenske gliedert sein Arbeitsbuch in vier Hauptschritte »Text, Ursprung, Hintergrund, Auslegung«. 38 Synchrone und diachrone Zugänge werden hierdurch sachgerecht zugeordnet. Th. Söding stellt die Textdimensionen in einem gut verständlichen literarischen Textmodell dar. 39 Die vom Arbeitskreis für evangelikale Theologie geförderte Einführung in die Methoden der Exegese von H.W. Neudorfer und E.J. Schnabel nimmt »sprachwissenschaftliche Aspekte« mit sichtlicher Begeisterung auf. 40 Die ntl. Exegese hat also die Linguistik soweit integriert, wie sie sich auf die synchrone Analyse ntl. Texte sinnvoll anwenden läßt. 41 Ausnahmen bilden die Arbeitsbücher von M. Meiser und auch von Conzelmann / Lindemann (12. Auflage), die nur in die diachrone Textanalyse einführen. Überlegungen zur Hermeneutik finden sich in fast jedem Methodenbuch. Dabei wird der hermeneutische Zirkel immer öfter auch vom Aufbau des Buches her beachtet: Egger und Fenske etwa rahmen ihre Bücher mit hermeneutischen Überlegungen. 42 Die »Einführung« von Adam u.a. setzt mit fundierten Überlegungen zur Auslegung und zum Verstehen ein. 43 Auch Neudorfer / Schnabel 44 und Meiser 45 beginnen mit einem Kapitel zur Hermeneutik. Das Hermeneutikkapitel soll auch die Fragen der Anwendung ntl. Texte klären, hier wäre also auch der Ort, um das Verhältnis von nichtwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Zugängen zum Neuen Testament zu klären. Dies geschieht selten, Egger, 46 Meiser 47 und Söding 48 sind hervorzuhebende Ausnahmen. Wenn hier zwei katholische Autoren einem evangelischen gegenüberstehen, so kann man eine geringfügige konfessionelle Tendenz ausmachen, 49 im großen und ganzen aber fallen weder in bezug auf die exegetischen Methoden noch in bezug auf die Hermeneutik konfessionsbedingte Differenzen auf. Oft nicht als eigene Methodenschritte ausgewiesen, aber bereits dem Methodenkanon zugehörig sind Kompositionskritik, Traditionsgeschichte, Motivgeschichte, Religionsgeschichte und auch archäologische Überlegungen. Sie finden sich je nach Lehrbuch in der Formgeschichte, der Einzelexegese und der Redaktionsgeschichte. Die Themen außerhalb des breiten Stromes der allgemeinen Übereinstimmung können darauf hinweisen, wo zur Zeit geforscht wird. Bei Fenske etwa finden sich als zusätzliche Themen »Soziologie / Sozialgeschichte; Rezipient / Rezipientin; Wirkungsgeschichte«. Dies sind drei schon bewährte Fragestellungen, deren Aufnahme in den allgemeinen Methodenkanon wünschenswert wäre. 50 Die von M. Hengel 1993 geforderte Erweiterung der Textgrundlagen der ntl. Exegese nach hinten und vorne 51 nimmt keines der durchgesehenen Methodenbücher auf. Entsprechende Textsammlungen werden lediglich unter den Hilfsmitteln aufgeführt 52 . Nur drei Methodenbücher thematisieren die neuen Arbeitsmöglichkeiten, die sich im Zeitalter der PCs anbieten: Bei Schnelle finden sich Hinweise zur Texterstellung per Computer, 53 auf das Internet weisen Schnelle, 54 Adam 55 und Söding 56 hin, CD-Roms wie Accordance oder Bible Works sprechen Neudorfer / Schnabel, 57 Söding 58 und Adam 59 an. Darüber hinaus geben die Autoren allerdings keine weiteren Einschätzungen, Anregungen oder Hilfestellungen. Einen bunten Strauß neuer Methoden überreichen S. Alkier und R. Brucker. Ihr Buch will kein Methodenbuch sein, sondern die ntl. Exegese interdisziplinär voranbringen. Ntl. Wissenschaftlichkeit soll sich hier im Aufgreifen außertheologischer Disziplinen bewähren. (Manche dieser Anregungen werden sich als Luftballon davonmachen, anderen ist Beachtung zu wünschen.) Von den beiden Aufsätzen, die die Voraussetzungen von Methoden diskutieren, 60 könnten die Lehrbücher lernen: Die Reflexion des eigenen Tuns beschränkt sich in den Methodenbüchern auf Andeutungen im Vorwort. Eine Wissenschaftsdiskussion fehlt, die Methoden an sich werden als Garanten für die Wissenschaftlichkeit gehalten. 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 17 18 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Die durchgesehenen Methodenbücher leisten keine Einführung in das Fach »Neues Testament« und reflektieren auch nicht das Selbstverständnis des Faches als einer wissenschaftlichen Disziplin. Das Ziel ist die Anleitung zur Anfertigung einer Proseminararbeit. Dazu paßt es, daß Überlegungen zur Einordnung des Faches Neues Testament in die Theologie als Ganzes kaum geboten werden: Wenn es im Vorwort des Meiserschen Arbeitsbuches heißt, daß die Gemeinsamkeiten der Exegese zwischen AT und NT in der Erforschung von Situation und Aussage historischer Texte lägen, 61 deutet der Zerfall des ursprünglich einbändig geplanten Werkes in zwei Bände sinnfällig das nicht weiter reflektierte Nebeneinander der Disziplinen an. 62 Einzig Söding stellt in einem Schaubild die Verortung der Exegese in den theologischen Disziplinen dar, 63 und O. Kaiser 64 formuliert kurze Bemerkungen zur Stellung der exegetischen Fächer in der Theologie. Eine Verhältnisbestimmung von theologischer Wissenschaft zu Kirche und Gesellschaft bzw. Überlegungen zur Bedeutung der Exegese in diesen Bereichen fehlen in allen durchgesehenen Methodenbüchern. 65 4. Lehrangebot Das Selbstverständnis ntl. Wissenschaft spiegelt sich auch im Lehrangebot der insgesamt 26 evangelisch-theologischen Fakultäten in Österreich, der Schweiz und Deutschland wider. 66 Um diesem Selbstverständnis auf die Spur zu kommen, wurden daher sämtliche Lehrveranstaltungen 67 des SoSe 2000 zusammengetragen und anhand von vier Leitfragen ausgewertet. 68 Frage 1 lautete: Welche Themenbereiche wurden im SoSe 2000 häufig behandelt, welche wurden nur am Rande gestreift? Welche Arbeitsform (Vorlesung, Seminar, Übung) wurde jeweils bevorzugt? Eine Durchsicht ergibt folgende Ergebnisse: Die große Mehrheit der Lehrveranstaltungen befaßte sich mit ntl. Schriften / Texten (56 Veranstaltungen) und mit spezifisch ntl. Themen wie »Paulus« oder den »Gleichnissen« (ebenfalls 56 Veranstaltungen). Im Bereich der ntl. Schriften / Texte dominierte die Arbeitsform der Vorlesung, bei den ntl. Themen das (Pro-, Haupt-) Seminar. An nächster Stelle standen Lehrveranstaltungen, die sich mit dem antiken Judentum, der Judaistik oder dem Verhältnis Judentum - Christentum beschäftigten: Mit 29 Veranstaltungen lag dieser Themenkomplex noch vor der Beschäftigung mit Themen aus der sog. Umwelt des NT (wie z.B. »Palästina zur Zeit Jesu«) mit 22 Veranstaltungen. In den beiden Bereichen dominierten die Arbeitsformen des Seminars und der Übung. Es fanden weiterhin insgesamt 20 Veranstaltungen zu den verschiedensten Sonderthemen statt (z.B. »Religion und Ästhetik«). Bevorzugte Arbeitsform war auch hier das Seminar. Die Zahl der Veranstaltungen, die sich explizit und reflexiv mit der ntl. Wissenschaft selbst bzw. mit der Reflexion der Exegese und ihrer Methoden befaßten, belief sich auf neun. Zwei dieser Veranstaltungen beschäftigten sich mit der Hermeneutik des NT. Weiterhin fanden vier Übungen statt, die sich mit dem Hellenismus und / oder mit hellenistischen Quellen befaßten. Am wenigsten Veranstaltungen, nur drei Übungen, wurden zum Themenkomplex der Frauenforschung im NT angeboten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich das Lehrangebot der ntl. Wissenschaft im SoSe 2000 v.a. auf das NT selbst und seine (sozio-historische) Umwelt konzentrierte. Zur Arbeitsform ergab sich: Im SoSe 2000 fanden 23% aller Veranstaltungen als Übung statt. Vorlesungen machten 29% aller Veranstaltungen aus. Die beliebteste Arbeitsform war das (Pro-, Haupt-) Seminar (48% aller Veranstaltungen). Diese Zahlen deuten darauf hin, daß in der ntl. Lehre eine intensive Mitarbeit der Studierenden erwartet wird und daß die meisten ntl. Themen als sehr umfangreich und arbeitsaufwendig erachtet werden. »Eine Verhältnisbestimmung von theologischer Wissenschaft zu Kirche und Gesellschaft bzw. Überlegungen zur Bedeutung der Exegese in diesen Bereichen fehlen in allen durchgesehenen Methodenbüchern.« 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 18 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 19 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft Frage 2 lautete: Wie oft wurden einzelne Veranstaltungen angeboten, wie oft wurde z.B. Röm gelesen? Von welchen Forschungsinteressen wurde das Lehrangebot am stärksten geprägt? Insgesamt wurden 23 Veranstaltungen zur Einführung in die exegetischen Methoden angeboten. Zur Bibelkunde des NT gab es dreizehn Veranstaltungen. 69 Ein wichtiger Schwerpunkt des Lehrangebotes war die Beschäftigung mit Joh mit insgesamt zwölf Veranstaltungen. An nächster Stelle standen Jesus und Paulus: Jeweils insgesamt zehn Veranstaltungen befaßten sich mit Leben, Tod und / oder Auferstehung Jesu und mit Leben und/ oder Denken des Paulus. Eine »Einführung ins NT« fand neunmal statt. Besonders beliebt war auch das Thema »Gleichnisse«, mit dem sich immerhin sieben Veranstaltungen beschäftigten. Insgesamt sechs Veranstaltungen befaßten sich im SoSe 2000 mit Themen, die traditionell dem dogmatischen Locus der Eschatologie zugeordnet werden: Sterben und Tod, ewiges Leben, Auferstehung, Eschatologie und Apokalyptik. Von den Synoptikern standen besonders Mt bzw. einzelne Kapitel daraus im Zentrum des Interesses (sechs Veranstaltungen). Eine »Theologie des NT« wurde ebenfalls sechsmal angeboten. Auch die echten Paulusbriefe fanden Beachtung: Es wurden v.a. Röm (fünfmal), 1Kor (viermal), Gal (dreimal) und Phil (zweimal) gelesen. Mit je vier Veranstaltungen wurden Mk, Lk und Apg, das Urchristentum und das (Früh-) Judentum bedacht. Der Jak wurde immerhin dreimal gelesen. Jeweils zwei Veranstaltungen gab es u.a. zu folgenden Themen: Q, Pastoralbriefe, Hebr, Wunder, Abendmahl und »Exegese und Homiletik«. Insgesamt läßt sich vermuten, daß das Lehrangebot v.a. von fünf Forschungsinteressen bestimmt wurde: Von der »johanneischen Frage«, der »neuen Jesusfrage«, der Beschäftigung mit Paulus - wobei nicht zu erkennen war, ob dies auch die »new perspective on Paul« umfaßte -, von der Auseinandersetzung mit dem Judentum und seinen Schriften und von der neueren Gleichnisforschung. Es schloß sich Frage 3 an: Wie verhielten sich ntl. Forschung und Lehre zueinander? Als Ergebnis läßt sich ausmachen: Die meisten Veranstaltungen befaßten sich mit der reinen Vermittlung des exegetisch-methodischen Instrumentariums und des inhaltlichen Wissens zum NT und seiner Umwelt. Andererseits gab es im SoSe 2000 fünf Oberseminare (2% aller Veranstaltungen), die wohl auch der Forschung dienten. Insgesamt läßt sich sagen, daß die ntl. Forschung zwar die im SoSe 2000 angebotenen Lehrveranstaltungen durchaus befruchtet haben dürfte, daß sie jedoch zum überwiegenden Teil nicht im Rahmen des universitären Lehrbetriebes stattfand. Es ist zu vermuten, daß die Studierenden zwar inhaltlich an den neuesten Forschungsstand herangeführt, aber nur selten mit dem Prozeß ntl.-wissenschaftlicher Forschung selbst vertraut gemacht bzw. darin einbezogen wurden. Die 4. Frage lautet: Gab es im Lehrangebot Bezüge zur aktuellen gesellschaftlichen Situation? Die meisten angebotenen Lehrveranstaltungen ließen in ihrer Ankündigung keinerlei Gegenwartsbezug erkennen. Nur 9% aller Lehrveranstaltungen explizierten ihren Gegenwartsbezug ausdrücklich, etwa die Vorlesung zum Nietzsche- Jahr »Nietzsche und das NT«. Bei weiteren 7% aller Veranstaltungen konnte ein Bezug zur aktuellen gesellschaftlichen Lage wenigstens vermutet werden, etwa bei den eschatologischen Themen i.w.S. der Bezug zum »Millennium« bzw. zum »Jahr 2000«. Die ntl. Wissenschaft scheint in ihrem Lehrangebot kein großes Interesse daran zu haben, auf die aktuelle Relevanz und gesellschaftliche Bedeutung ihres Forschungsgegenstandes, des NT, hinzuweisen - obwohl sie doch als universitäre Wissenschaft solche gesellschaftliche Relevanz für sich und ihr Thema beansprucht. Als Fazit ergibt sich: Die Universitätsdisziplin »Neues Testament« präsentierte sich in ihrem Lehrangebot im SoSe 2000 v.a. als text- und geschichtsorientierte, nur selten als gegenwartsbezogene Wissenschaft. Eine Selbstreflexion über ihre Wissenschaftlichkeit fand nur am Rande des Lehrbetriebes statt. Inhaltlich hat sich die Lehre der ntl. Wissenschaft vor allem für Joh, Jesus, Paulus, das Judentum und die Gleichnisse interessiert. Sie erwartete von den Studierenden intensive Mitarbeit und machte sie mit dem Forschungsstand vertraut, ohne sie jedoch in den Prozeß der Forschung direkt einzubeziehen. 5. Zeitschriften Fachzeitschriften stellen ein wichtiges Forum gegenwärtiger Forschung dar. Die Jahrgänge des 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 19 20 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Jahres 1999 und 2000 von drei repräsentativen deutschsprachigen Zeitschriften mit dem Schwerpunkt Neues Testament sollen hier näher betrachtet werden. Die »Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche« (ZNW) befindet sich im Jahr 2000 im 91. Jahrgang. Die Hauptherausgeberschaft ist 1998 von E. Gräßer - er war seit 1982 Herausgeber - auf M. Wolter übergegangen (beide Bonn). Mitherausgeber sind H.C. Brennecke, H. Lichtenberger, L.T. Stuckenbruck, unter Mitwirkung von J.D.G. Dunn, R.B. Hays, J.-D. Kaestli, P. Lampe und D. Zeller. Der Herausgeberkreis bleibt überwiegend deutschsprachig und protestantisch, ist aber in den angelsächsischen Sprachbereich hinein ausgeweitet worden. 30 Prozent der Aufsätze und »Miszellen« sind in englischer Sprache, selten erscheint auch ein Aufsatz in französischer Sprache. Die Zeitschriftenschau informiert über die Titel der wichtigsten neuen Aufsätze zum Neuen Testament und seinem Umfeld. Außerdem wird eine Auswahl von Forschungsprojekten, Kongressen und Preisausschreiben angekündigt. Diskussionen werden innerhalb der Zeitschrift selten geführt. Auch das Fach Neues Testament als solches, neue exegetische Methoden oder Entwicklungen in der Hermeneutik werden in dieser Zeitschrift wenig diskutiert. Die meisten Autoren arbeiten an Fragen der Texte oder der Semantik. Hinweise auf den Stand der ntl. Wissenschaft oder hermeneutische Reflexionen werden - je nach Autor und Thema - nur versteckt gegeben. Es wird eingehende philologische Forschung betrieben. Die Neuansätze in der Forschung, z.B. die Anwendung der griechisch-römischen Rheto rik auf die ntl. Briefe, werden aufgenommen, doch methodische Neuansätze kommen wenig zur Sprache. Besonders häufig werden in den letzten Jahrgängen Aufsätze zum Johannesevangelium veröffentlicht, auch das Markusevangelium und der Galaterbrief werden wieder stärker berücksichtigt, die Logienquelle und die Apostelgeschichte werden in den letzten Jahrgängen nicht thematisiert. Werfen wir einen Blick auf die katholische Schwesterzeitschrift der ZNW, die »Biblische Zeitschrift». Die »Neue Folge« (BZ N.F.) befindet sich im Jahr 2000 im 44. Jahrgang. Sie wird von E. Zenger (AT; seit 1998) und H.-J. Klauck (NT; seit 1993) herausgegeben. Vorher waren J. Schreiner und R. Schnackenburg mit der Herausgabe der Biblischen Zeitschrift betraut. Die Zeitschrift deckt den gesamten biblischen Kanon der römisch-katholischen Kirche ab. Die Zeitschrift weiß sich »wissenschaftlicher und ökumenischer Offenheit« 70 verpflichtet. Neben Aufsätzen und kleineren Beiträgen führt die Zeitschrift unter »Umschau und Kritik« einen breiten Rezensionsteil, der fast ein Drittel der Zeitschrift umfaßt. Neue Entwicklungen in der ntl. Wissenschaft kommen vor allem in Kongreßberichten zur Sprache. Im Abstand von einigen Jahren weist die BZ N.F. auf bibelwissenschaftliche Dissertationen und Habilitationen hin, die den Herausgebern aus den Katholischen Fakultäten gemeldet wurden, zuletzt in BZ N.F. 39 (1995) 312-319 und BZ N.F. 42 (1998) 315-319. Der Blick könnte hier allerdings längst über die katholische Exegese hinausgehen und die ntl. Dissertationen evangelischer Fakultäten mit einbeziehen. Häufiger als in der ZNW wird über Entwicklungen in Teilbereichen des Faches Neues Testament berichtet. So zeigt R. Hoppe in einem überblicksartigen Aufsatz »Aufgabenstellung und Konzeption einer Einleitung in das Neue Testament« wesentliche neuere Entwicklungslinien auf. 71 Hat sich die klassische Einleitungswissenschaft von der Einleitung als Textgeschichte über die Kanonkritik bis hin zur Literaturgeschichte ausgeweitet, so haben die vier neuesten Einleitungen je eigene Schwerpunkte: U. Schnelle behandelt die ntl. Literatur in historischer Anordnung und beginnt mit den Paulusbriefen, I. Broer betont die Gattung Evangelium, R.E. Browns Einleitung enthält auch Kurzüberblicke über die literarische Anfertigung antiker Literatur, B.D. Ehrmann vertritt einen literaturhistorischen Ansatz, der auch über die Kanongrenzen hinausgeht. R. Hoppe hält den gegenwärtigen Stand fest: Ph. Vielhauer habe die Kanonüberschreitung bis zur patristischen Literatur abgesteckt. »Diese vorgegebene Linie bedarf nun der Zuordnung zur außerchristlichen Literatur.« 72 Entscheidend sei dabei die Frage, wie konstruktiv sich die frühe christliche Literatur auf die pagane Umwelt eingelassen hat. Dies habe man erst in Teilbereichen erforscht. Eine kritische Selbstreflexion des Faches findet statt, wenn man über bisher nicht hinterfragte Fachtermini nachdenkt. So kritisiert W. Reinbold den von Apg 6,1 abgeleiteten ntl. Fachbegriff »die 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 20 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 21 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft Hellenisten«. 73 Er sei von Lukas nicht als Parteienbegriff gemeint, werde aber in der ntl. Wissenschaft so gebraucht. Er schlägt vor, die Namen der griechischsprechenden adelphoi konkret zu nennen oder »die Sieben« (Apg 21,8) zu sagen. Auch hermeneutische Entwicklungen finden in der BZ Beachtung: Ausgehend von den literaturwissenschaftlichen Ansätzen von H.R. Jauß und W. Iser hebt E.V. McKnight 74 den Wert der Leserorientierung hervor: Die Leser werden dazu befreit, »dem Text einen Sinn zu entnehmen im Licht ihres eigenen Standortes und ihrer eigenen ›Sprache‹«. 75 »Es können durch die Einbeziehung des Lesers Ebenen von Sinn und Wissen erfahren werden, die mit dem Paradigma der Aufklärung verlorengegangen sind.« 76 Eine Ermutigung für die katholische ntl. Exegese stellt das letzte Dokument der Päpstlichen Bibelkommission dar, das von H.-J. Klauck 77 vorgestellt und kommentiert wird. Es erteilt dem Fundamentalismus eine Absage, stimmt der historisch-kritischen Arbeit zu und zählt einige Methoden auf. Unterbelichtet bleiben in dem Dokument allerdings die Sprechakttheorie und religionsgeschichtliche Zugänge. F. Hahn 78 nimmt in der Biblischen Zeitschrift zu Grundproblemen einer ntl. Theologie Stellung. Der Aufsatz führt in die Problematik ein und nennt wichtige Veröffentlichungen hierzu. Die »Zeitschrift für Neues Testament« (ZNT) wird überwiegend von jüngeren Neutestamentlern im deutschsprachigen Raum herausgegeben: S. Alkier, K. Erlemann und R. Heiligenthal. Im weiteren Kreis der Redaktion befinden sich K. Berger, P. Busch, A. von Dobbeler, D. Frickenschmidt, G. Faßbeck, M. Gielen, M. Klinghardt, G. Röhser, M. Sasse, H. Tiedemann, M. Vogel, B. Wander und J. Zangenberg. Die Zeitschrift befindet sich erst im fünften Jahrgang. Der Untertitel der ZNT spricht einen sehr viel breiteren Leserkreis an als die beiden erwähnten Zeitschriften: »Das Neue Testament in Universität, Kirche, Schule und Gesellschaft«. Das Ziel ist, die Lücke zwischen akademischer, fachlich spezialisierter Forschung einerseits und medienwirksam vereinfachter theologischer Diskussion andererseits auszufüllen. 79 So soll eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Textauslegung und kirchlich-schulischer Praxis geschlagen und über die aktuelle Diskussion informiert werden. Der von U. Luz und J. Schröter eingeforderte rational nachvollziehbare und öffentliche Dialog der ntl. Wissenschaft 80 wird in der ZNT vor allem mit fortbildungswilligen kirchlichen Mitarbeitern und Religionslehrern geführt. Anliegen des interkonfessionellen und interkulturellen Gesprächs kommen ebenso zur Sprache wie die neuen Ansätze der anglo-amerikanischen Exegese (z.B. »Cultural Studies«) oder der feministischen Exegese. Jede zweite - früher jede vierte - Ausgabe der ZNT ist einem Leitthema gewidmet, bisher den Themen »Jesus Christus«, 81 »Interreligiöser Dialog«, 82 »Wunder« 83 sowie »Gericht und Zorn Gottes«. 84 Dem Ziel der Vermittlung von Forschungsergebnissen dient auch die Aufteilung in fünf Rubriken: 1. »Neues Testament aktuell« 2. »Zum Thema« 3. »Kontroverse« 4. »Hermeneutik und Vermittlung« 5. »Buchreport«. Umfangreiche und schlecht erreichbare Dissertationen und Neuerscheinungen werden in der ZNT mutig auf die lesbare Größe eines Aufsatzes gebracht, ohne daß sie an wissenschaftlichem Niveau verlieren. Die Herausgeber wünschen sich eine kritische Begleitung der Zeitschrift durch die Leserinnen und Leser. 85 Im Heft 6/ 2000 werden auch zwei kritische Leserbriefe abgedruckt. Teilweise zeigen gerade auch die Schwächen der Zeitschrift Probleme der deutschsprachigen ntl. Forschung selbst auf. Die Kontroverse »Homosexualität im Neuen Testament. Ein kulturelles oder ein theologisches Problem? « 86 stellt kaum gegensätzliche Positionen dar. Die Debatte wird gegenwärtig auch nicht mehr als ein Streit um verschiedene Auslegungen der Bibel geführt. Auch bei den Kontroversen in anderen ZNT-Ausgaben ist erkennbar, daß die Kontrahenten nicht ausreichend aufeinander Bezug nehmen. Es fehlt nicht nur der öffentliche Dialog, sondern auch die Dialogfähigkeit innerhalb der ntl. Wissenschaft. 87 Das gilt auch für den interreligiösen Dialog, der in der ntl. Wissenschaft noch völlig in den Anfängen steckt. In dem mutigen Themenheft der ZNT »Interreligiöser Dialog« kommt als jüdischer Vertreter der Reformrabbiner T. Ben-Chorin zur Sprache. Er führt die Diskussion nur bis zum Jahr 1974. 88 Wurde seitdem das Neue Testament von Juden nicht mehr wahrgenommen? Gibt es auch aktuelle Stellungnahmen orthodoxer Vertreter des 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 21 22 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Judentums, die zur Wahrnehmung des NT im Judentum etwas beitragen könnten? Ein islamischer Wissenschaftler kommt in dem Themenheft gar nicht zur Sprache, auch wenn die Frage »Ist vom NT her ein christlich-islamischer Dialog möglich? « bejaht wird. 89 Insgesamt erwecken vor allem die beiden Flaggschiffe der ntl. Wissenschaft ZNW und BZ N.F. den Eindruck, daß das Neue Testament eine fest etablierte philologische und religionsgeschichtliche Wissenschaft ist, die ihre Ergebnisse allerdings kaum nach außen hin mitteilt. Die Brauchbarkeit der Ergebnisse für andere theologische Fächer ist nicht im Blick. Die interkonfessionelle Zusammenarbeit ist inzwischen auf der Basis historischer Textarbeit gelungen. Sonstige interdisziplinäre Wechselbeziehungen finden kaum statt. Der Aktualitätsbezug der vornehmlich als antike Religionswissenschaft betriebenen ntl. Wissenschaft bleibt insgesamt verborgen. Es bleibt weitgehend unklar, warum ein Problem gerade jetzt bearbeitet wird. Der exegetische Dialog nimmt in den Zeitschriften kaum die Fragestellungen der Öffentlichkeit auf. Die Daseinsberechtigung der Zeitschriften hängt jedoch letzten Endes davon ab, ob es ihren Autoren gelingt, die Relevanz und die Aktualität der Bibel für die heutige Gesellschaft und die christlichen Konfessionen aufzuzeigen. Der kürzlich formulierten Kritik von W. Stegemann, 90 die deutsche ntl. Exegese sei eine provinzielle Fachgelehrsamkeit geworden, weil sie weder an den internationalen Diskursen des Faches selbst noch an den über ihr Fach hinausgehenden relevanten sozial-, kultur- und literaturwissenschaftlichen Diskursen teilnehme, vermag die ZNT derzeit wohl am besten etwas entgegenzusetzen. Neue exegetische Zugänge werden in dieser Zeitschrift zur Debatte gestellt, und der Blick wird auf einen weiteren Leserkreis in Universität, Schule und Kirche ausgeweitet. Die Möglichkeiten des Internets für einen Dialog mit einer weiteren Öffentlichkeit werden von allen Zeitschriften noch zu wenig genutzt. 91 Eine derartige Öffnung der historisch-philologisch und religionsgeschichtlich betriebenen Wissenschaft würde interessante Vermittlungs- und Applikationsprobleme aufwerfen, die von den Kirchen, z.B. durch sorgfältig aufbereitete Bibelkurse, zu bewältigen wären. Hier liegen noch unerkannte Aufgaben und ungenutzte Potentiale. 6. Theologische Literaturzeitschrift Um einen Einblick in die Publikationslage im Fach Neues Testament zu erhalten, wurden die Rezensionen des Jahrgangs 1999 der ThLZ aus dem Bereich Neues Testament gesichtet und ausgewertet, z.T. auch Rezensionen aus den Bereichen Bibelwissenschaft / Hermeneutik (3) und Altes Testament (1), wenn es sich dabei um eine für die ntl. Wissenschaft wichtige Methodenreflexion handelt. Insgesamt wurden auf diese Weise 80 neuere theologische Veröffentlichungen in die kritische Sichtung einbezogen, die Tendenzen und Schwerpunkte der ntl. Forschung erkennen lassen. Mehr als ein Viertel der 1999 in der ThLZ rezensierten Veröffentlichungen waren Dissertationen (22), dazu zwei Habilitationen, d.h. die Nachwuchsforschergeneration ist gut vertreten. 16 Monographien und 14 Kommentare wurden rezensiert. Einige fallen durch einen großen Umfang auf - Ausdruck der zunehmenden Fülle des Sachwissens und der divergierenden Positionen im Fach Neues Testament. Von 11 Sammelbänden befassen sich fünf mit methodischen und / oder hermeneutischen Fragestellungen. Sieben Veröffentlichungen betreffen den Bereich der Einführung und Methodik. Kaum Neuerscheinungen gab es zur Theologie des Neuen Testaments: eine Theologiegeschichte mit einer lokalgeschichtlichen Darstellung 92 und eine Grundlegung zu einer ntl. Theologie. 93 Aus der Sicht der Rezensionen ist die ntl. Wissenschaft eine Domäne von Männern, denn insgesamt wurden nur sieben Werke von Frauen (mit-)verfaßt, davon drei Dissertationen, 94 zwei Monographien 95 und zwei Bücher zur Methodik. 96 Inhaltlich wird das klassische Spektrum der ntl. Schriften abgedeckt. Jeweils fast ein Viertel der rezensierten Werke befaßt sich mit den Synoptikern oder mit Paulus, danach kommen die johanneischen Schriften mit der Apokalypse, auch Kolosser-, Epheser- und Hebräerbrief wurden bearbeitet. Zu den Pastoralbriefen, dem 2.Thessalonicherbrief, 1./ 2.Petrus-, Judas- und Jakobusbrief sind keine Forschungsbeiträge rezensiert worden. Sechs Werke befassen sich mit übergeordneten und / oder historischen Fragestellungen: Jesus im Neuen Testament, 97 die rechtshistorische Untersuchung des Prozesses Jesu, 98 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 22 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 23 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft von Jesus zur Kirche, 99 die Deutung der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n.Chr. in den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten. 100 Außerdem wird in einer Veröffentlichung der ntl. Forscher J.B. Lightfoot gewürdigt. 101 Ein sowohl ntl. als auch praktisch-theologisches Werk untersucht die Rezeption ntl. Wundergeschichten bei Schülern mit empirischen Methoden. 102 Während religionsgeschichtliche und historische Fragestellungen in einem großen Teil der Arbeiten von Bedeutung sind, spielt die hellenistisch-römische Umwelt nur eine untergeordnete Rolle. Das Judentum und das Alte Testament sind als Verständnishintergrund häufig im Blick. Jesus 103 und Paulus 104 können beinahe ausschließlich vom Judentum her verstanden werden. Auch in der Methodik zeigt sich dies aktuelle Forschungsinteresse: Allein sieben Arbeiten und ein Sammelband befassen sich mit der Rezeption alttestamentlicher Texte oder Traditionen in ntl. Schriften. Aus dem Bereich der Feministischen Exegese wurde nur ein Buch rezensiert, das sich mit der Haltung Jesu zu den Frauen befaßt. 105 Da die Verfasserin streng redaktionskritisch arbeitet, darf diese Arbeit bezüglich der Methodik und Ergebnisse nicht als repräsentativ für die feministische Forschung angesehen werden, die zur Zeit offensichtlich kaum mit neuen Impulsen in Erscheinung tritt. Betrachtet man die rezensierten Bücher unter dem Gesichtspunkt der Methodik, ergibt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Von den 14 Kommentaren arbeiten 11 immer noch hauptsächlich nach dem konservativen Methodeninventar, wobei zum Teil rhetorische oder strukturanalytische Analysemethoden hinzugenommen werden. Bei zwei Kommentaren wird konsequent synchron gearbeitet. 106 Von den 22 Dissertationen und zwei Habilitationen greifen nur noch etwa ein Viertel auf die üblichen historischen oder historisch-kritischen Zugänge zum Thema zurück. Im übrigen werden einzelne oder mehrere neuere Methoden auf Texte angewandt: rhetorische, strukturanalytische, literaturwissenschaftliche, narrative und rezeptionsorientierte Analyse sowie Methoden aus den Bereichen der Symbol- oder Sprechakttheorie. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den 16 Monographien. Diese neue und sehr freie Verwendung unterschiedlicher methodischer Ansätze hat noch nicht auf die spezifische Methodenliteratur durchgeschlagen. Von den erfaßten Büchern behandeln drei eher Themen aus dem methodischen Bereich und zwar zur antiken Briefliteratur, 107 zur Semiotik 108 und zum Erlernen der griechischen Sprache. 109 Zwei weitere Bücher befassen sich vertieft mit der Reflexion von Methoden der Jesusforschung 110 und mit der Untersuchung einer biblischen Rhetorik. 111 Die fünf Sammelbände zu methodischen und hermeneutischen Fragen sind zum großen Teil interdisziplinär erarbeitet worden und behandeln die klassische Rhetorik in hellenistischer Zeit, 112 die Intertextualität zwischen Altem und Neuem Testament, 113 das Problem von Schriftlichkeit und Mündlichkeit in Judentum und Christentum der Antike 114 sowie in zwei Sammelbänden explizit das Thema der Hermeneutik. 115 In ihren Veröffentlichungen stellt sich die ntl. Forschung vor allem als philologische und religionsgeschichtliche Disziplin dar. Besonders die Texte selbst stehen zur Zeit im Zentrum des Interesses und werden verstärkt mit unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen Methoden untersucht. Angesichts der Vielfalt der angewandten Methoden läßt sich neben großer »In ihren Veröffentlichungen stellt sich die ntl. Forschung vor allem als philologische und religionsgeschichtliche Disziplin dar. Besonders die Texte selbst stehen zur Zeit im Zentrum des Interesses und werden verstärkt mit unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen Methoden untersucht. Angesichts der Vielfalt der angewandten Methoden läßt sich neben großer Offenheit auch eine gewisse Unsicherheit feststellen.« 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 23 24 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Offenheit auch eine gewisse Unsicherheit feststellen. Eine Reflexion auf die allgemein-wissenschaftliche und theologische Problematik der benutzten Methoden und ihrer Ergebnisse findet noch nicht ausreichend statt. Weder die allgemein-theologische Relevanz der ntl. wissenschaftlichen Arbeit noch ihre weitere Bedeutung für gegenwärtige wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragestellungen wird thematisiert. Dadurch bleibt auch die Stellung des Faches Neues Testament im Rahmen des theologischen Fächerkanons eher undeutlich. 7. Forschungsprojekte Ob eine Wissenschaft »auf der Höhe der Zeit« ist, zeigt sich heute auch an ihrer Präsenz im Internet. Gerade für laufende, noch nicht abgeschlossene Projekte bietet sich hier ein Umschlagplatz für aktuelle Information und ein Forum für Anregung und Diskussion. 116 Unter diesem Gesichtspunkt wurde das Internet intensiv auf ntl. Forschungsprojekte hin durchsucht, die Recherche allerdings durch die »traditionellen« Verfahren der Sichtung von Fachzeitschriften 117 und der Befragung von Kolleg(inn)en ergänzt. So ist eine Liste von insgesamt 24 Projekten entstanden, die vermutlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. 118 Hatten im Sommer 2000 erst 15 der Forschungsprojekte eine eigene Internet-Adresse (bei zwei weiteren half immerhin die Homepage des Verlages weiter), so sind inzwischen zu fast allen gefundenen Projekten (mit einer einzigen Ausnahme) Informationen im Internet verfügbar. Freilich sind die spezifischen Möglichkeiten des »World Wide Web« 119 bislang noch kaum genutzt: Nicht einmal personell verflochtene Projekte weisen aufeinander hin, geschweige denn nur thematisch verwandte. Immerhin gibt sich das Münsteraner Philon-Projekt »als Hilfeleistung zu dem in Jena wieder aufgenommenen [sic! ] Projekt eines Corpus Judaeo-hellenisticum [sic! ] Novi Testamenti« zu verstehen, bietet aber keinen »Link« zu der nicht ganz leicht zu findenden Homepage des genannten Projekts. Besonders bedauerlich ist das Fehlen von Online-Querverweisen zwischen den beiden Projekten, die aus dem 1915 begründeten Corpus Hellenisticum Novi Testamenti hervorgegangen sind. 120 Ob sich in diesem Befund das Selbstverständnis der Disziplin spiegelt oder ob nur die Chancen der neuen Technik noch nicht ausreichend genutzt werden, sei dahingestellt. In jedem Fall wäre jedoch eine stärkere Vernetzung und größere Transparenz der Forschung im Interesse des universitären Miteinanders wünschenswert. Eine vergleichende Auswertung aller gefundenen Forschungsprojekte ergibt folgendes Bild: Die Grenzen des ntl. Kanons werden bei fast allen Projekten in mindestens eine Richtung überschritten. Rein ntl. ausgerichtet ist nur ein einziges Unternehmen, die Synoptische Konkordanz zu den ersten drei Evangelien (hier liegt die Beschränkung in der Natur der Sache); von den zwei innerbiblisch definierten Vorhaben bezieht eines explizit das antike Judentum mit ein (Die Tier- und Pflanzenwelt der Bibel), und das andere versteht unter dem Begriff »Altes Testament« in erster Linie die LXX (Vetus Testamentum in Novo). Überhaupt befassen sich insgesamt zwölf Projekte, also genau die Hälfte, mit dem antiken Judentum (einschließlich LXX), wodurch sich in diesem Bereich ein deutlicher Schwerpunkt zeigt. Demgegenüber sind der Beziehung des NT zur hellenistischen Umwelt lediglich zwei Projekte gewidmet (Neuer Wettstein; SAPERE). Das Unternehmen Neues Testament und Antike Kultur sucht die gängige Trennung dieser beiden Bereiche zu überwinden (Stichwort »Multikulturalität«). Zwei Vorhaben sind im Schnittfeld zwischen NT und frühem Christentum (Patristik) angesiedelt (Nag Hammadi Deutsch; Apokryphen), und eine Sonderstellung nimmt das forschungsgeschichtlich orientierte Archiv »Religionsgeschichtliche Schule« ein. Als deutlich interdisziplinäre Projekte (d.h. Beteiligung von mindestens drei Disziplinen) stellen sich elf dar, wobei eine steigende Tendenz zu beobachten ist: Von den dreizehn seit 1997 aufgenommenen Projekten sind neun ausdrücklich interdisziplinär angelegt. Bei zehn Unternehmungen, also fast der Hälfte, handelt es sich um Übersetzungsprojekte (z.T. in Verbindung mit Texteditionen). Damit stellt sich die Theologie zweifellos einer ihrer traditionellen Aufgaben: in vielfacher Weise Übersetzung zu leisten. In den ermittelten Projekten reicht die Bandbreite von der (z.T. erstmaligen) Erschließung antiker Texte, die das Verständnis des frühen Christentums in seinem zeitgeschichtlichen 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 24 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 25 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft Rahmen fördern sollen, bis hin zu einer Neuübersetzung der biblischen Texte »in gerechter Sprache«, die dem heutigen Sprachempfinden Rechnung tragen und v.a. die Einsichten des jüdisch-christlichen Gesprächs und der feministisch-theologischen Forschung berücksichtigen soll. Aus zwölf Projekten (wiederum der Hälfte) liegen bereits Publikationen vor. Dabei handelt es sich fast genau um die Projekte, die 1997 oder früher begonnen wurden, während die zwölf Projekte ohne bisherige Publikationen (mit einer Ausnahme) 1998 oder später begonnen worden sind. Damit bestätigt sich der übliche Richtwert von mindestens drei Jahren Laufzeit bis zur Publikationsreife. Ein besonderes Problem stellt naturgemäß die Finanzierung von Forschungsprojekten dar. Wie das bei den einzelnen Vorhaben gelöst ist, ließ sich nicht immer eindeutig ermitteln, aber insgesamt nimmt die DFG hier (erwartungsgemäß) deutlich die Hauptrolle ein (Förderung von mindestens elf Projekten). Mindestens zwei Projekte werden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert, mehrere auch durch Mittel aus den Etats der Länder. Nicht zu unterschätzen ist die Initiative der Verlage. Im Hinblick auf das wissenschaftliche Selbstverständnis zeigt sich die ntl. Wissenschaft in ihren Forschungsprojekten weithin als Disziplin im Rahmen antiker Religionsgeschichte, die mit klassisch-philologischen Methoden arbeitet. Neuere methodische Ansätze kommen nur gelegentlich zum Zuge, und zwar dort, wo der Ausgangspunkt bei heutigen Fragestellungen liegt. Dies ist bei fünf der hier betrachteten Projekte der Fall (alle innerhalb der letzten sechs Jahre begonnen), bei denen feministische, kultur- und sozialgeschichtliche sowie befreiungstheologische Fragestellungen zum Tragen kommen. Eine Einbeziehung neuerer literaturwissenschaftlicher Ansätze ist - zumindest programmatisch - in keinem der Projekte zu erkennen. 8. SNTS-Präsidentenreden Mit den Präsidentenansprachen der SNTS-Kongresse weiten wir den Blick auf die internationale ntl. Wissenschaft aus. Folgende Vorträge wurden in den letzten zehn Jahren gehalten: Frans Neirynck: John 21 (1989); Birger Gerhardsson: If We do not cut the Parables out of their Frames (1990); Étienne Trocmé: Un Christianisme sans Jésus-Christ? (1991); Joseph A. Fitzmyer, SJ: The Consecutive Meaning of eph’ho (= in Romans 5,12) (1992); Martin Hengel: Aufgaben der neutestamentlichen Wissenschaft (1993); P. Pokorn´ y: From a Puppy to the Child, Problems of Contemporary Biblical Exegesis demonstrated from Mark 7,24-30/ Matt 15,21-28 (1994); Albert Vanhoye: La ›teleioisis‹ du Christ: point capital de la Christologie sacerdotale d’Hébreux (1995); Graham N. Stanton: The Fourfold Gospel (1996); U. Luz: Kann die Bibel heute noch Grundlage für die Kirche sein? Über die Aufgabe der Exegese in einer religiös-pluralistischen Gesellschaft (1997); Peder Borgen: Two Philonic Prayers and their Contexts: An Analysis of Who is the Heir of Divine Things (Her.) 24-29 and Against Flaccus (Flac.) 170-175 (1998). 121 Die Ansprachen zeigen in ihrer unterschiedlichen Thematik nicht nur Arbeitsfelder gegenwärtiger ntl. Wissenschaft auf, sondern sind mehrfach auch Positionsangaben und Perspektivbestimmungen. Daher sind sie von besonderem Interesse. Als Einstieg ins Thema eignet sich der Vortrag von M. Hengel. Er zieht einige Linien der exegetischen Arbeit aus, denen sich die anderen Vorträge thematisch zuordnen lassen. Hengels Vortrag ist ein Plädoyer für eine Ausweitung des Untersuchungsgebiets der ntl. Exegese unter Beibehaltung der bewährten philologisch-historischen Methoden. Die theologisch begründete Fixierung auf den kleinen Kreis der ntl. Schriften habe zu einer Bildung von Hypothesentürmen und einer Überinterpretation der Texte geführt, die außerhalb der exegetischen Zunft nur noch auf Kopfschütteln stoße. Begegnen möchte Hengel dieser Situation vor allem mit dem »Aufbruch aus unserem zu engen Fachgebiet« 122 und mit seiner Mahnung zu behutsameren Urteilen, die der Begrenztheit der eigenen Quellenbasis und dem Charakter der ntl. Wissenschaft als »Vermutungswissenschaft« 123 stärker Rechnung tragen. Das ntl. Arbeitsgebiet müsse sowohl die jüdische und hellenistische Vorgeschichte der kanonischen Schriften bis ins 4. Jh. v.Chr. berücksichtigen als auch deren Wirkungsgeschichte bis hinein in die Patristik. Überschneidungen mit anderen 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 25 26 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Fachgebieten wären dabei durchaus als heilsame Konkurrenz der Disziplinen beabsichtigt. Mitte der ntl. Arbeit blieben jedoch die kanonischen Schriften. Die Erweiterung des »Kon-Textes« fördere deren sachgemäße Auslegung. Voraussetzung für eine derartige Ausweitung der Quellenbasis und für eine weit gestreute Quellenlektüre sei die philologische Bildung. Konsequent daher Hengels massive Warnung vor einem »Rückfall in die Barbarei der Sprachlosigkeit«, denn »das Ende der Kenntnis der klassischen Sprachen bei den Theologen würde das Ende einer wissenschaftlichen Theologie bedeuten.« 124 Die Zusammenarbeit mit den Altertumswissenschaften ist für Hengel unabdingbar. Dem häufig geforderten Heilmittel methodischer Innovation steht Hengel eher skeptisch gegenüber. Er verteidigt das herkömmliche philologisch-historische Paradigma. Ansatzpunkt der Exegese müsse der frühchristliche Autor bleiben, trotz reader’s response und Dekonstruktivismus. Nur auf der Basis der Autorenintention stelle sich die Frage nach der Bedeutung für uns heute. Denn aufgrund der Frage nach »der bleibenden Wahrheit der urchristlichen Botschaft«, 125 die uns mit dem Kanon gestellt ist, wird die exegetische Aufgabe zuletzt notwendigerweise eine hermeneutische. Diese Aufgabe ist für die ntl. Wissenschaft nur im Verbund mit allen anderen theologischen Teildisziplinen und in der Weite des ökumenischen Gesprächs zu bewältigen. Der Beachtung der Auslegungsgeschichte soll dabei größere Bedeutung zukommen. Würde man diesen theologischen Horizont ausblenden und zu einer Teildisziplin einer rein deskriptiven Religionsgeschichte werden, verlöre nach Hengels Ansicht das Fach letztlich seine Daseinsberechtigung. So ist auch in dieser Perspektive Hengels Vortrag ein Plädoyer: ein Plädoyer für die ntl. Wissenschaft als Teildisziplin der Theologie. Die von Hengel geforderte Ausweitung des ntl. Arbeitsgebietes ist bereits in einigen der Vorträge zu beobachten, vor allem bei G.N. Stanton und P. Borgen, aber auch bei J.A. Fitzmyer und A. Vanhoye. Stanton bearbeitet ein wirkungsgeschichtliches Thema. Er untersucht die Entstehung des Vierer-Evangeliums anhand patristischer Quellen und der frühesten Textzeugen. Borgen widmet sich zwei philonischen Gebeten und leistet damit einen Beitrag zur Darstellung des antiken Judentums, des Wurzelbodens des frühen Christentums. Fitzmyer weist die konsekutive Bedeutung von eph’ho (= in Röm 5,12) durch einen Vergleich des Gebrauchs bei paganen griechischen Schriftstellern nach. Zuletzt sei in diesem Zusammenhang noch auf den Vortrag von Vanhoye hingewiesen, der sich mit der Christologie des Hebräerbriefes befaßt, der lange Zeit ein Schattendasein in der ntl. Wissenschaft führte. Etwas anders verhält es sich mit den beiden Vorträgen von F. Neirynck über Joh 21 und von B. Gerhardsson über die Gleichnisse. An ihnen kann man den blinden Flecken von Hengels größtenteils berechtigtem Plädoyer erkennen. Es zeigt sich hier nämlich die inhaltliche Relevanz methodischer Verschiebungen. Beide Vorträge wenden sich von der Formgeschichte ab, hin zu einem Versuch intertextuellen Verstehens und kommen so zu neuen Ergebnissen. Hier setzt der Vortrag von P. Pokorn´ y an. Er exegesiert exemplarisch Mk 7,24-30 unter diachroner und synchroner Perspektive und unterzieht seine methodischen Schritte in Exkursen einer hermeneutischen Reflexion. Damit wird das - auch bei Hengel zu beobachtende - Zwei-Stufen-Modell von methodischer Auslegung und Hermeneutik in Frage gestellt. Der methodische Zugang ist selbst Teil des hermeneutischen Prozesses. Pokorn´ y weist daher zu Recht auf die ideologische Potenz von Methoden hin, der er durch eine theologische Verortung der einzelnen Methodenschritte begegnen möchte. Die hermeneutische Frage und die Methodendiskussion werden also auch in Zukunft die ntl. Wissenschaft beschäftigen. Zwei Vorträge befassen sich - um mit Hengel zu sprechen - mit »der bleibenden Wahrheit der urchristlichen Verkündigung«. E. Trocmé geht in seinem Beitrag der Frage nach, welche Bedeutung Jesus Christus heute noch für das Christentum haben kann, und arbeitet die Unverzichtbarkeit des Christusbezuges für das Gottesbild und die Bedeutung der Inkarnationsvorstellung für die moderne Menschenrechtsdebatte heraus. U. Luz beleuchtet die Aufgabe der Exegese ausgehend vom »nordeuropäischen und postprotestantischen Erfahrungshorizont des Pluralismus«. 126 Sein vielbeachteter Vortrag bietet neben Hengel eine weitere und sehr andere Standortbestimmung ntl. Exegese. Luz spricht aus der Sicht der Exegese, geht aber weit darüber hinaus und beleuchtet die gesellschaftliche Lage der theolo- 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 26 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 27 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft gischen Wissenschaft. Zunächst entfaltet er als Situationsbeschreibung seine These, »dass unser postprotestantischer religiöser Pluralismus u.a. ein Ergebnis der Wirkungsgeschichte der Exegese ist«. 127 Der Umbruch des Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnisses mit dem Aufkommen des historisch-kritischen Verstehens führte zur Ersetzung existenziell verpflichtender Wahrheit durch Hypothesen über historische Wahrscheinlichkeiten und Textsinn und zum Auseinandertreten von Exegese und Applikation. Dazu kam die »radikale Pluralisierung aller theologischen und exegetischen Aussagen« 128 infolge des linguistic turn. Fortan hat auch die Exegese es stets nur mit sprachlichen Konstruktionen der Wirklichkeit zu tun, nicht mit der Wirklichkeit selbst. Gegenstand theologischer Sätze sind versprachlichte Erfahrungen, aber nie Gott selbst. Das schließt die Erkenntnis der Partikularität des eigenen exegetischen Standpunktes in seiner kulturellen und religiösen Geprägtheit mit ein. Besonders deutlich wird dies am Studium der Wirkungsgeschichte biblischer Texte. Sie zeigt die eigene Herkunft ebenso wie die Vielfalt der bisherigen Textinterpretationen und nötigt den Einzelnen zu einer Stellungnahme. Unter diesen Bedingungen hat die Exegese ihre Aufgabe in unserer pluralistischen Gesellschaft wahrzunehmen, indem sie den Pluralismus grundsätzlich bejaht und die Sache ihrer Texte auf dem Markt der Religionen und Weltanschauungen in einen öffentlichen, rationalen und auf Konsens zielenden Diskurs einbringt. Sie weist auf die Fremdheit der Geschichte Jesu und den von den biblischen Texten bezeugten Gott hin. Nach Luz kann die Exegese dies jedoch nur unter dem ständigen Hinweis tun, »dass sie selbst über die Grenzen der menschlichen Geschichte und Sprache nicht hinauskann, und dass Gott vielleicht in menschlich-sprachlichen Wirklichkeitskonstruktionen die grosse Störung sein könnte. Aber ob es in Wirklichkeit so ist, weiss sie nicht«. 129 Luz’ innovativer Vortrag weist die Exegese in wichtige Aufgabenfelder ein. Wie Hengel hebt er die Bedeutung der Geschichtswissenschaft und Auslegungsgeschichte hervor. Darüber hinaus macht er zu Recht auf das notwendige Gespräch der Exegese mit den Sprachwissenschaften (Linguistik) und der Sprachphilosophie aufmerksam. In diesem Gespräch sollte der Pluralismus aber auch als Chance betrachtet werden, um vom eigenen Gegenstand ausgehend Kritik zu üben: Muß die Exegese aufgrund der ihr vorgegebenen Sprachmodi nicht auf den defizitären Charakter eines technisch-funktionalen Sprachverständnisses hinweisen, der in einem Verständnis der Sprache als Wirklichkeitskonstruktion zu Tage tritt? Wäre nicht z.B. statt ausschließlich in der Kategorie von »Wirklichkeit« auch in der von »Beziehung« zu denken, um dem beziehungskonstituierenden Charakter der Sprache (z.B. in einer Liebeserklärung oder im Vergebungszuspruch) gerecht zu werden? Die Exegese als theologische Disziplin wird ebenfalls diskutieren müssen, ob sie sich mit der abschließenden Relativierung von Luz im »könnte« zufriedengeben kann oder ob und wie sie um ihrer Identität willen die Frage nach der Wahrheitsgewißheit gerade angesichts des religiösen Pluralismus stellen muß. Bemerkenswert bleibt, daß nur die beiden deutschsprachigen Präsidenten M. Hengel und U. Luz allgemeine Vorträge über die Aufgaben der ntl. Wissenschaft hielten. Sollte das daran liegen, daß die deutschsprachige Exegese sich ihrer Schwierigkeiten eher bewußt ist oder daß sie tatsächlich größere Unsicherheiten hat? Hengels klassische Positionsbestimmung und Luz’ neue Perspektiven liegen nur vier Jahre auseinander. Exegeten anderer Länder tragen demgegenüber Ergebnisse aus ihren Spezialforschungsbereichen vor, ohne irgendwie verunsichert zu wirken. 9. SNTS-Arbeitsgruppen Ein herausragendes Forum der aktuellen Debatten und Themen der ntl. Wissenschaft bildet das Ensemble der Arbeitsgruppen der SNTS-Kongresse: jährlich, international, überkonfessionell, hauptsächlich englischsprachig. Wie stellt sich das Fach auf diesem Forum dar? Eine Durchsicht der Arbeitsgruppen seit 1995 ergibt ein wenig überraschendes Bild. Die Mehrzahl der jährlichen Arbeitsgruppen (zwischen 13 und 19 je nach Besuch des Kongreßortes) ist konstant denselben ntl. Themen gewidmet: Jesus, synoptisches Problem, lukanisches Doppelwerk, johanneische Schriften, Paulus und das Diasporajudentum, ntl. Theologie (deutschsprachig), ntl. Ethik, Matthäus- und Markusevangelium, Text- 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 27 28 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema kritik (die vier letzten Gruppen nicht im Jahr 2000). Einige weitere Gruppen sind seit zwei Jahren ausgesetzt: die Thessalonicherkorrespondenz und die ntl. Apokalyptik. Neue, aber klassische Themen sind dafür eingetreten: der Römerbrief (seit 1998) und die Katholischen Briefe und die Aposteltraditionen (deutschsprachig seit 2000). Eine schmale Anzahl von Arbeitsgruppen beschäftigt sich mit ntl. Hermeneutik (1995, 1996, 1998, 1999) und mit neuen Methoden: mit Narrativität und Kommunikationsstrategien (französischsprachig, seit 1998) sowie mit soziorhetorischer Interpretation (2000). Lediglich 1996 fand sich eine Arbeitsgruppe zum Thema »Ntl. Archäologie« zusammen. Durchgängig stehen neben den ntl. Gruppen solche, die sich mit dem antiken Judentum beschäftigen. Drei große Themen sind ständig vertreten: Frühjüdische Schriften, Qumran und das Diasporajudentum. Diese Gruppen arbeiten an den historischen, literarischen und religionsgeschichtlichen Kontexten des Neuen Testaments. Seit 1998 tritt eine weitere Gruppe hinzu: Rabbinisches Judentum und Evangelien, seit 2000 die Gruppe Septuaginta und NT. Jetzt sind also fünf Arbeitsgruppen etabliert, die sich mit verschiedenen Aspekten des antiken Judentums und ihrer jeweiligen Beziehung zum NT beschäftigen. Eine weitere Gruppe: Jüdische Gemeinschaften und NT (französischsprachig), trat zum letzten Mal 1997 zusammen. Lediglich eine stehende Gruppe beschäftigt sich mit dem NT in seinem griechisch-römischen Kontextverhältnis. Das internationale, ganz überwiegend englischsprachige Forum der SNTS- Kongresse spiegelt in seinen Arbeitsgruppen vor allem Konstanz, Beharrlichkeit und Kontinuität bei der Bearbeitung der großen ntl. Themen. Hier dokumentiert sich ein ungebrochenes Vertrauen in das Fach und seine eigenen Fragen und wissenschaftlichen Debatten. Als die primäre, ja fast einzige Welt »hinter« und »neben« den ntl. Texten wird die Welt des antiken Judentums verstanden. Wirklich relevante andere wissenschaftliche Kontexte sind nicht in Sicht. Schon die hellenistischrömische Welt ist deutlich marginal. Das christliche zweite Jahrhundert fehlt. Hermeneutische Fragen stehen ganz am Rand. Einige neue Methoden aus dem literaturwissenschaftlichen Bereich werden in der Diskussion erprobt. Insgesamt ist die thematische Innovation gering. Wesentliche Anschlußbereiche wie Religionswissenschaft und Sozialwissenschaft bzw. Kulturanthropologie fehlen. Das wundert umso mehr, als eine deutliche Dominanz der Wissenschaftler aus den USA festzustellen ist. 130 Eine Anbindung an die allgemeine Theologie schließlich unterbleibt in auffallender Weise. 10. Fazit Ein Fazit läßt sich leichter ziehen, als man vermuten möchte. Die neue RGG erweist die Notwendigkeit und Stabilität ntl. Wissenschaft im Gesamtgefüge evangelischer und katholischer Theologie. Die letzte Generation hat neue Fragestellungen erschlossen, neue Methoden übernommen, neue Ergebnisse formuliert, ohne allerdings dabei an Bedeutung zu gewinnen. Das Fach stellt sich etabliert, nicht aber innovativ oder gar führend dar. So ist auch die Lehre durchaus konservativ im Sinne der Weitergabe und Präzisierung bewährter Untersuchungs- und Ergebnisensembles. Sie geht korrekt stoff- und lernbezogen im gegenwärtigen hochschuldidaktischen Kontext vor, indem sie breit, solide und konsensfähig informiert. Bei der Schwerpunktbildung im antiken Judentum zeigt sie sich ganz dem mainstream der allgemeinen und besonders der kirchlichen kulturpolitischen Landschaft verpflichtet. 131 Der zusätzliche verstärkte Brückenschlag zur antiken Philosophie- und Religionsgeschichte ist in keiner Weise neu, gilt aber ebenfalls immer noch und »Die letzte Generation hat neue Fragestellungen erschlossen, neue Methoden übernommen, neue Ergebnisse formuliert, ohne allerdings dabei an Bedeutung zu gewinnen. Das Fach stellt sich etabliert, nicht aber innovativ oder gar führend dar.« 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 28 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 29 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft wieder verstärkt als konsensfähig und relevant im Gesamtkonzept der geisteswissenschaftlichen Fächer der Universität und profitiert vielleicht auch von der deutlichen Schwächung früherer Leitfächer wie der Klassischen Philologie und der Alten Geschichte. So erleben wir bei den Forschungsprojekten so etwas wie eine Neuauflage der früheren religionsgeschichtlich dominierten Phasen ntl. Wissenschaft, allerdings durch die moderne Projektstruktur breiter und stärker interdisziplinär ausgelegt. Andererseits fehlt jede Brisanz der Ergebnisse, selbst wenn man sich gegenwärtigen kulturanthropologischen Fragestellungen anschließt. Das gilt auch für den Ausgriff der ntl. Disziplin ins zweite Jahrhundert n.Chr. Auch dieser Ausgriff bietet nichts Neues, sondern knüpft an die Situation um 1900 und an Forscher wie A.v. Harnack, Th.v. Zahn oder H. Lietzmann an, ohne deren Quellenkenntnis erreichen zu können. Das klassische philologisch-religionsgeschichtliche Profil des Faches bleibt bei alledem erhalten. Zugleich aber hat die alte Sprengkraft kritischer, d.h. Traditionen hinterfragender, Geschichtswissenschaften ihre Bedeutung verloren. Die feministische ntl. Exegese wurde schnell diszipliniert 132 und in die philologisch-religionsgeschichtliche Grundtendenz einbezogen, oder sie wanderte aus dem Fach aus. Dasselbe gilt für historisch radikale Beiträge wie die G. Lüdemanns. Die ntl. Wissenschaft versteht sich nämlich weiterhin als theologische Teildisziplin, wenn sie auch faktisch völlig selbständig als kleine philologisch-historische und religionsgeschichtliche Spezialdisziplin arbeitet, die personell - immer noch - sehr gut ausgestattet, z.T. hoch ambitioniert und in Forschung und Lehre aktiv ist. Als ihren sachlichen Kontext versteht die ntl. Wissenschaft die Welt der frühkaiserzeitlichen griechisch-römischen Religion und des zeitgenössischen Judentums. Das gilt gerade für die sog. Qualifikationsarbeiten, Dissertationen und Habilitationen, die das Selbstverständnis des Faches realistisch spiegeln. Wenn sich hier ein gemeinsames Ziel ausmachen ließe, so wäre es am ehesten die Vollständigkeit der Erfassung, Präsentation und Erschließung der für die ntl. Texte relevanten antiken Textwelt. 133 Das Fach scheint seine Relevanz in der Demonstration seiner Aufgeschlossenheit und Kontaktfreudigkeit im Zusammenhang der antiken Religionsgeschichte sowie seiner gelehrten Kompetenz in der Altphilologie und Judaistik zu sehen und von dorther seine feste und bleibende Rolle im Kontext geisteswissenschaftlicher Randfächer zu beanspruchen. Gesamttheologisch gesehen verhält sich die Disziplin unauffällig, anspruchslos und eher konservativ. Kirchliche oder gar gesellschaftliche Resonanz wird nicht beansprucht. Selbst wichtige Themen wie die jüngsten Jesus- und Paulusdebatten bleiben interne Fachdebatten, die umso weniger Aufmerksamkeit beanspruchen, als sie - da kontrovers geführt und im Ergebnis ganz offen - weder examensrelevant zu sein scheinen noch einer kirchlichen Diskussion zugemutet werden. Sowohl die Lehre als auch der - zwar eher subkutane, aber doch vorhandene - kirchliche Kontext ntl. Wissenschaft stellen konservative Regulative dar. So sehr die ntl. Wissenschaft sachlich religionsgeschichtlich und allgemein geisteswissenschaftlich im Verbund der altertumswissenschaftlichen Disziplinen zu Hause ist, so sehr weiß sie sich doch rechtlich und wissenschaftlich sowie in der Lehre kirchlich gebunden. Das zeigt sich in subtiler Weise in der ZNT, deren innovativer und sehr begrüßenswerter Ansatz wissenschaftlich von vornherein dadurch begrenzt ist, daß die Zeitschrift das ebenso sinnvolle wie einschränkende Konzept der schnellen Umsetzbarkeit und Anwendbarkeit von Fachdebatten und Forschungsergebnissen vertritt. Die pädagogische Verwertbarkeit für Kirche und Schule läßt nur begrenzte Freiheit zu. Von Anfang an regiert damit die Domestizierung möglicher Probleme. Nicht-Verwertbarkeit ist nicht vorgesehen. An eine nichttheologische oder grundlegend theologiekritische Leserschaft ist nicht gedacht. »Gesamttheologisch gesehen verhält sich die Disziplin unauffällig, anspruchslos und eher konservativ. Kirchliche oder gar gesellschaftliche Resonanz wird nicht beansprucht.« 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 29 30 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema Welche Perspektiven sind von hier aus denkbar? Zu dieser Frage liegen zwei aktuelle Beiträge vor: W. Stegemann schrieb 1999 über »Amerika, du hast es besser! Exegetische Innovationen der neutestamentlichen Wissenschaft in den USA«, 134 und Jens Schröter hielt im gleichen Jahr seine Hamburger Antrittsvorlesung über das Thema: »Zum gegenwärtigen Stand der neutestamentlichen Wissenschaft: Methodologische Aspekte und theologische Perspektiven«. 135 Stegemann geht vom Vorfindlichen aus. Er diagnostiziert die Provinzialität und die Fachgelehrsamkeit, die mangelnde interdisziplinäre Vernetzung und Aktualität der deutschen ntl. Wissenschaft. Er weist auf die neuen Fragestellungen der amerikanischen Forschung hin und rät, das philologischhistorisch-theologische Selbstverständnis des Faches zu verändern: Es ist »genauso möglich, Exegese im Kontext von Literatur-, Sozial- und Kulturwissenschaften (zu denen auch die Theologie gehört) zu verstehen« 136 und sich mit Themen zu beschäftigen, »die noch die Diskurse der Gegenwart bestimmen: Universalismus und Ethnizität, soziale Ungleichheit und geschlechtsspezifische Differenzen«. 137 Schröter setzt auf der theoretischen Ebene an. Er versteht die ntl. Wissenschaft als Textwissenschaft und als historische Wissenschaft. In beide Bereiche will er die hermeneutische Kategorie der Konstruktion eingeführt wissen: Es geht um die Einsicht in die »›Konstruktion‹ möglicher Textwelten« 138 und darum, »die Fiktionalität von Geschichtsdarstellungen als konstitutives Element für die Darstellung von Sinnzusammenhängen in die Betrachtung einzubeziehen«. 139 D.h. Sinn und Bedeutung von Texten werden vom Interpreten ebenso stets neu hergestellt wie die jeweilige Geschichtserzählung. Daraus ergeben sich für Schröter drei Folgerungen für die ntl. Wissenschaft als theologische Disziplin: (1.) »eine rezeptionsästhetisch orientierte Interpretationstheorie«, 140 (2.) die Teilnahme »am Gespräch um die Interpretation von Welt und Geschichte aus einer ihr eigenen Perspektive« 141 und (3.) die Stärkung des Pluralismus in der Gesamttheologie, so daß in der Theologie ein Wettstreit »um die bestmögliche Interpretation der Wahrheit« geführt werden könnte. 142 Stegemanns und Schröters Überlegungen liegen nahe bei den Ergebnissen unserer Analyse. 143 Die ntl. Wissenschaft braucht den Anschluß an die Methoden und das wissenschaftliche Selbstverständnis der Sprach- und Textwissenschaften und der neuen Geschichtswissenschaft ebenso wie der Kulturanthropologie. 144 Das alte philologisch arbeitende historisch-kritische Modell, das sich an der Kritik an den großen Traditionen und Institutionen abarbeitete, hat die Macht der Traditionen gebrochen, die Institutionen verändert, sich damit selbst weitgehend überflüssig gemacht und ist daher folgerichtig durch das neue Modell der »Konstruktion von Wirklichkeit« in Texten der Vergangenheit ersetzt worden. Diese Entwicklung hat zwei Folgen für die ntl. Wissenschaft. Erstens birgt eine historische Untersuchung kein wirklich kritisches Aufklärungs- und Befreiungspotential mehr. Dafür ist die fernere Vergangenheit zu ungefährlich und zu sehr und zu lange in der Hand der historischen Wissenschaft. Nur noch kolportagenhafte Sensationsberichte können kurzzeitig Bedeutung erlangen. 145 Davon ist Stegemanns Vorschlag, gegenwartsbezogene Diskurse mitzuführen, betroffen. Die Homosexualitätsdebatte in ZNT 146 liefert dafür ein Beispiel. Die gegenwärtige Gesellschaft ist stets moderner und befreiter als jede ntl. Position. Das Befreiungspotential ntl. Texte ist hier nicht primär, sondern wird sekundär apologetisch erhoben, um die Bedeutung des Neuen Testaments nicht weiter zu diskreditieren. Das »noch« in Stegemanns Satz: »die noch die Diskurse der Gegenwart bestimmen«, ist verräterisch. Seine Perspektive ist m. E. eine Scheinperspektive. Zweitens kann historische Forschung nicht mehr zu theologischer Wahrheit vorstoßen, son- »Die ntl. Wissenschaft braucht den Anschluß an die Methoden und das wissenschaftliche Selbstverständnis der Sprach- und Textwissenschaften und der neuen Geschichtswissenschaft ebenso wie der Kulturanthropologie.« 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 30 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 31 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft dern konstruiert mögliche vergangene Wirklichkeiten. Dieser Umstand entkräftet Hengels Aufruf, nach der Autorenintention als dem Träger der »bleibenden Wahrheit der urchristlichen Botschaft« zu suchen. 147 Dieser Aufruf verkürzt das Selbstverständnis der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft. Stattdessen ergeben sich andere wirkliche Perspektiven, und zwar solche der Textinterpretation, der Begründung von Theologie und der Theoriebildung. Sie seien abschließend skizziert. Die ntl. Wissenschaft bleibt Textwissenschaft. Sie hat die Aufgabe, Texte zu verstehen und auszulegen, die primär einen soteriologischen und sekundär einen kanonischen Anspruch erheben. 148 Die Interpretation erfolgt aber in einer Welt, in der erstens Wissenschaft nur beschreibt, nicht aber Zustimmung oder Ablehnung artikuliert und in der zweitens die Autorität kanonischer Größen in Rezeptionsgeschichte überführt wird. Es geht also um die Auslegung soteriologischer Texte im gegenwärtigen wissenschaftlichen Rahmen und kanonischer Texte in einer nachkanonischen Welt. Solche Auslegung stützt selbst nicht einmal verdeckt die kanonischen Ansprüche ihrer Texte, sondern muß die Texte so darstellen, daß sie für Christen wie für Nichtchristen sachlich transparent werden. Die Texte müssen sich selbst ihre Partner suchen. Verteidigung der Texte ist nicht sinnvoll. Damit steht die ntl. Wissenschaft neben vielen anderen Textwissenschaften, die ihre Texte weder verteidigen noch modernisieren, sondern sie stets dem Verstehen präsentieren. Diese Perspektive radikalisiert Schröters Vorschlag, die ntl. Wissenschaft habe nicht »die Aufgabe ..., für die Durchsetzung der Wahrheit Gottes Sorge zu tragen«, sondern stattdessen »die Vielfalt der frühchristlichen Texte als Bereicherung für die theologische Diskussion zu empfinden«. 149 Schröters Vorschlag greift aber zu kurz. Denn seine plurale Hermeneutik hat noch einen apologetischen Charakter, da sie die Pluralität als Selbstzweck versteht. Pluralität ist aber nicht erst Zweck, sondern bereits Voraussetzung jeder rezeptionsgeschichtlichen Interpretation. Zweck ist die Interpretation der Texte. Die Texte selbst stehen im Zentrum jeder Textwissenschaft. Die ntl. Textwissenschaft bleibt dabei Teildisziplin der Theologie, die die Gesamttheologie immer wieder in ihre Ursprungsschriften einführt. Im theologischen Kontext ist die ntl. Wissenschaft die Disziplin, die das ursprüngliche Reden vom euangelion theou in den ntl. Texten und Schriften immer neu erschließt und offen hält. Daneben steht die Theoriebildung, 150 die der Vermittlung der Texte in die außertheologische Wissenschaftswelt gilt. Ihre mögliche Leistung ist eine hermeneutische Außenleistung. Sie will die ntl. Texte und die hinter ihnen stehende urchristliche Welt für sozialwissenschaftliche, kulturwissenschaftliche und vor allem für religionswissenschaftliche Fragestellungen und Arbeitsweisen verständlich machen. Gerd Theißens »Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums« ist ein solcher Versuch eines Brückenschlags nicht zur antiken Religionsgeschichte, sondern zur Religionswissenschaft. 151 Der Theoriebegriff bedarf allerdings einer sorgfältigen Diskussion und der Abwägung einer möglichen Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit den ntl. Texten. Er läßt sich auf keinen Fall auf ein semiotisches Religionsverständnis 152 oder auf Religionswissenschaft überhaupt beschränken. 153 In der mangelnden Diskussion eines adäquaten Theoriebegriffs und der wissenschaftlichen Kontexte der ntl. Wissenschaft liegen grundsätzliche Defizite des Faches. Die ausufernde Methodenliteratur kann die Theoriediskussion nicht ersetzen, sondern verschleiert und verharmlost sie. Es ist daher zu hoffen, daß die Arbeit an der Interpretation der Texte im Fragehorizont von Textwissenschaften und Theologie weitergeht und die Theoriediskussion vertieft geführt wird. l Anmerkungen 1 Einzelbeiträge: 1. Oda Wischmeyer, Erlangen, Einführung; 2. Dr. Eve-Marie Becker, Erlangen, RGG 3/ 4 ; 3. Bianca Schnupp und Julia Arnold, Erlangen, Methodenbücher; 4. Harinke Fugmann, Göttingen, VL SoSe 2000; 5. Oliver Gußmann, Rothenburg o.d.T., ZNW / BZ / ZNT 1995-2000; 6. Anni Hentschel, Würzburg, Rez. ThLZ 1999; 7. Dr. Ralph Brucker, Hamburg, Forschungsprojekte; 8. Frank Weber, Marburg, SNTS 1990-2000; 9. O. Wischmeyer, SNTS-Gruppen; 10. O. Wischmeyer, Fazit und Perspektiven. -Für freundliche Hinweise danke ich besonders Dr. Ralph Brucker. 2 RGG 3 Bd. 1 und 2 erschienen 1957 bzw. 1958; RGG 4 Bd. 1 und 2 erschienen 1998 bzw. 1999. 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 31 32 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema 3 Gemeint sind hier die jeweils in der Einleitung genannten Fächer, denen Fachberater zugeordnet sind, vgl. RGG 3 Bd.1, VIII, und RGG 4 Bd.1, VII. 4 In RGG 3 war E. Dinkler einer der fünf Mitherausgeber, in RGG 4 ist H. D. Betz einer der vier Mitherausgeber. 5 Hier werden Bd.1 und 2 von RGG 4 , die die Buchstaben A-E umfassen, mit Bd.1 sowie Bd.2, Sp.1-852, d.h. bis einschließlich Buchstaben E, verglichen. Es handelt sich um eine grobe Berechnung des Umfangs. 6 Die 23 Fächer in RGG 3 erlauben prozentual jedem Fach nur einen Anteil am Gesamtumfang von 4,3%, die 31 Fächer in RGG 4 dementsprechend nur 3,2%. Mit 8,4% bzw. 8,7% in RGG 3 und 7,3% bzw. 5,2% in RGG 4 hat das Neue Testament dementsprechend 100% mehr Umfang, als ihm als Einzelfach rechnerisch zusteht. 7 Vgl. E. Haenchen, Art. Apostelgeschichte: RGG 3 Bd.1, Sp. 501-507, und D.L. Balch, Art. Apostelgeschichte, RGG 4 Bd.1, Sp.642-648. 8 Es wird präzise unterschieden in I. Einleitungsfragen, II. Gattung, III. Aufbau und Ziel, IV. Inhalt und V. Rhetorik und Narrativik. 9 RGG 3 Bd.2, Sp.708-715, RGG 4 Bd.2, Sp.1598-1631. 10 F. W. Horn, Art. Ethik III. Biblisch 2. Neues Testament, RGG 4 Bd.2, Sp.1606-1610. 11 Vgl. E. Lohse, Theologische Ethik des Neuen Testaments, Stuttgart 1988; S. Schulz, Neutestamentliche Ethik, Zürich 1987, W. Schrage, Ethik des Neuen Testaments, Göttingen 1982 ( 2 1989). 12 Vgl. O. Wischmeyer, Art. Engel III. Neues Testament, RGG 4 Bd.2, Sp.1280-1281. 13 Vgl. G. Schöllgen, Art. Bischof I. Neues Testament, RGG 4 Bd.1, Sp.1614f. Ein Äquivalent hierzu findet sich im Artikel Bischof, RGG 3 Bd.1, Sp.1300-1311, nicht. 14 Hier wirken ebenso ntl. Monographien auf die Aspekte des Begriffs ein, vgl. etwa die bibliographischen Angaben bei O. Böcher, Art. Elia III. Neues Testament, RGG 4 Bd.2, Sp.1212. Der Art. Elia in RGG 3 Bd.2, Sp.424-427, von G. Fohrer verweist höchstens innerhalb der Nachwirkungen auf das NT. 15 Im Unterschied zum Artikel Chiliasmus in RGG 3 Bd.1, Sp.1651-1653, der lediglich einen ntl. Verweis enthält, ist der Artikel in RGG 4 Bd.2, Sp.136-144, klar strukturiert, u.a. in II. Neues Testament von D.E. Aune, Sp.136f. 16 Vgl. G. Gloege, Art. Dualismus II. Theologisch, RGG 3 Bd.2, Sp.274-276. 17 Vgl. den Art. Dualismus I. Religionswissenschaftlich, II. Kirchengeschichtlich, III. Philosophisch, IV. Religionsphilosophisch und dogmatisch, RGG 4 Bd.2, Sp. 1004- 1009. 18 Bestimmend waren hier sicherlich die Arbeiten zur Gnosis. Die Bibliographie von RGG 3 Bd.2, Sp.276, ist allerdings vorwiegend systematisch-theologisch ausgerichtet. 19 Vgl. R. Gyllenberg, Art. Eingeborener Sohn, RGG 3 Bd.2, Sp.376f. 20 Vgl. J.P. Meier, Art. Brüder / Schwestern Jesu, RGG 4 Bd.1, Sp.1780. 21 Vgl. RGG 4 Bd.2, 53-55, unterteilt in einen atl. (von C.R. Seitz) und einen ntl. Abschnitt von R.W. Wall. 22 Vgl. G. Bornkamm, Art. Evangelien, formgeschichtlich / synoptische, RGG 3 Bd.2, Sp.749-766. 23 Vgl. H. Koester, Art. Evangelium I. Begriff und II. Gattung, RGG 4 Bd.2, Sp.1735-1741. Darauf folgt der Abschnitt III. Dogmatisch von M. Beintker, Sp.1741f. 24 Der Gesamtumfang beträgt in RGG 3 Bd.1, Sp.1121- 1154, in RGG 4 Bd.1, Sp.1407-1446. 25 Vgl. W.G. Kümmel, Art. Bibel II. Neues Testament, RGG 3 Bd.1, Sp.1130-1141, und U. Schnelle / L. Rydbeck, Art. Bibel III. Neues Testament, RGG 4 Bd.1, Sp.1417-1426. 26 In RGG 4 : »Bestand und Zusammensetzung«, »Sammlung und Kanonisierung«, »Sprache des Neuen Testaments«. 27 RGG 3 Bd.1, Sp.1410-1415 enthielt die Artikel »Brief und Buch im Altertum« von K. Galling und »Briefliteratur, urchristliche, formgeschichtlich« von E. Fascher. RGG 4 Bd.1, Sp.1757-1762 enthält den Artikel »Brief« von der Neutestamentlerin M.M. Mitchell. Dieser Artikel ist in den Abschnitt I. Form und Gattung und II. Schrifttum unterteilt und spiegelt so die umfangreiche epistolographische Forschung - vor allem auch im Bereich der ntl. Exegese - wider. 28 Vgl. W.G. Kümmel, Art. Bibelwissenschaft des NT, RGG 3 Bd.1, Sp.1236-1251, und H. Weder, Art. Bibelwissenschaft II. Neues Testament, RGG 4 Bd.1, Sp.1529- 1538. 29 Vgl. E. Dinkler, Art. Bibelkritik II. NT, RGG 3 Bd.1, Sp.1188-1190, und U. Schnelle / D. Dormeyer u.a., Art. Bibelkritik II. Methoden der Bibelkritik im Neuen Testament, RGG 4 Bd.1, Sp.1480-1486. 30 Folgende Bücher wurden berücksichtigt: G. Adam / O. Kaiser / W.G. Kümmel / O. Merk, Einführung in die exegetischen Methoden, Gütersloh 2000. S. Alkier / R. Brucker (Hrsg.), Exegese und Methodendiskussion (TANZ 23), Tübingen 1998. K. Berger, Exegese des Neuen Testaments. Neue Wege vom Text zur Auslegung (UTB 658), Heidelberg 1975, ( 3 1991). H. Conzelmann / A. Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament (UTB 52), Tübingen ( 12 1998). W. Egger, Methodenlehre zum Neuen Testament. Einführung in die linguistische und historisch-kritische Methode, Freiburg u.a. 1987 ( 4 1996). W. Fenske, Arbeitsbuch zur Exegese des Neuen Testaments. Ein Proseminar, Gütersloh 1999. M. Meiser, Exegese des Neuen Testaments, in: M. Meiser u.a., Proseminar II: Neues Testament und Kirchengeschichte, Stuttgart 2000, 15-125. H.W. Neudorfer / E.J. Schnabel (Hrsg.), Das Studium des Neuen Testaments, Bd. 1: Eine Einführung in die Methoden der Exegese (BWM 5), Wuppertal u.a. 1999. J. Roloff, Neues Testament. Unter Mitarbeit von M. Müller. Neukirchener Arbeitsbücher, Neukirchen- Vluyn 1977, ( 7 1999). U. Schnelle, Einführung in die neutestamentliche Exegese( UTB 1253), Göttingen 1983 ( 5 2000). Th. Söding, Wege der Schriftauslegung. Methodenbuch zum Neuen Testament. Unter Mitarbeit von Ch. Münch, Freiburg u.a. 1998. H. Zimmermann, Neutestamentliche Methodenlehre. Darstellung der historisch-kritischen Methode. Neubearbeitet von K. Kliesch, Stuttgart 1967 ( 7 1982). 31 So die Bezeichnungen bei Zimmermann, Methodenlehre, 9-13. 32 Kliesch in Zimmermann, Methodenlehre, 267-307. 33 Egger, Methodenlehre, 74. 34 Egger, Methodenlehre, 5-8. 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 32 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 33 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft 35 Egger, Methodenlehre, 195ff. 36 Roloff, Neues Testament, 26-28. 37 Schnelle, Einführung, 7. 38 Fenske, Arbeitsbuch, 7-11 u.ö. 39 Söding, Wege, 27. 40 Neudorfer / Schnabel, Studium, 69-154. Dieser Methodenschritt wird - wie nur noch die Textkritik - auch keiner kritischen Betrachtung unterzogen. 41 Eine kritische Diskussion gerade der linguistischen Theorie fehlt allerdings. 42 Egger, Methodenlehre, 13-22 und 204-222, Fenske, Arbeitsbuch, 13-20; 64-70 und 164-172. 43 Adam, Einführung, 13-27. 44 Neudorfer / Schnabel, Studium, 13-38. Dabei nimmt die Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Methode leider zu breiten Raum gegenüber hermeneutischen Grundfragen ein. 45 Meiser, Proseminar, 26-30. Nur hier finden sich auch Fragen zur Erfassung des eigenen Vorverständnisses für die Studierenden, symptomatisch für die allgemeine Tendenz aber ist Schnelle, der für sein Kapitel »Hermeneutik« im Gegensatz zu den anderen Kapiteln kein Lernziel formuliert. 46 Egger, Methodenlehre, 212f. 47 Meiser, Proseminar, 26-30. 48 Söding, Wege, 299-302. 49 Nur Egger, Methodenlehre, 212ff. verweist dabei ausdrücklich auf die Kirche als Kontext für katholisches Lesen der Schrift, bezieht diesen Absatz aus dem abschließenden Hermeneutikkapitel allerdings nicht auf die Analyse der Texte, sondern nur auf ihre Applikation. 50 Wobei Überlegungen zu den Rezipienten auch zu anderen Methodenschritten gehören könnten (Hermeneutik, Linguistik; Formgeschichte). 51 M. Hengel, Aufgaben der neutestamentlichen Wissenschaft, in: NTS 40 (1994), 321-357; 329 u.ö. 52 Nur bei Neudorfer / Schnabel findet sich eine über die bibliographische Aufzählung hinausgehende Hinführung zu den entsprechenden Quellenschriften, ausführlich für die »jüdische Mitwelt«, 155-191 (R. Deines), (zu) knapp für die »griechisch-römische Umwelt«, 193-230 (V. Gäckle). Die ntl. Apokryphen werden auch in diesem Buch nicht erwähnt. 53 Schnelle, Einführung, 209-214. 54 Ebd., 29-31. 55 Adam, Einführung, 144-147. 56 Söding, Wege, 312-315. 57 Neudorfer / Schnabel, Studium, 150. 58 Am ausführlichsten: Söding, Einführung, 310-312. 59 Adam, Einführung, 144-146. 60 E. Reinmuth, Historik und Exegese - zum Streit um die Auferstehung Jesu nach der Moderne, in: Alkier / Brucker, Exegese, 1-20; P. Lampe, Die urchristliche Rede von der »Neuschöpfung des Menschen« im Lichte konstruktivistischer Wissenssoziologie, in: ebd., 21-39. 61 Meiser, Proseminar, 5. 62 Der kirchengeschichtliche Teil des Buches steht leider auch unverbunden neben dem neutestamentlichen. Roloff, Arbeitsbuch, 329-351 behandelt immerhin die Frage nach der biblischen Theologie auch unter Aufnahme von Anregungen aus dem angelsächsischen Sprachraum. 63 Söding, Wege, 303. 64 Kaiser in Adam u.a., Einführung, 13-15 und 20-26. 65 Kurz immerhin im Blick auf die Kirche, Kaiser, ebd., 13-15. Neudorfer / Schnabel, die immer wieder die Frage nach dem Ziel einer Exegese stellen und dieses Ziel gerade auch in der Predigt sehen, thematisieren die Anwendung einer Auslegung, aber nicht das Verhältnis von ntl. Wissenschaft und Kirche oder gar Gesellschaft. 66 Bezugsorte: Basel, Berlin, Bern, Bethel, Bochum, Bonn, Erlangen, Frankfurt, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Hamburg, Heidelberg, Jena, Kiel, Leipzig, Mainz, Marburg, Münster, Neuendettelsau, Rostock, Tübingen, Wuppertal, Wien und Zürich. 67 Die meisten Lehrangebote wurden dem Internet entnommen. Lehrangebote wurden dann mehrfach gezählt, wenn sie sich verschiedenen Themenkomplexen zuordnen ließen. Bei der Auswertung wurden nicht berücksichtigt: Griechisch-Sprachkurse, reine Lektürekurse zu ntl. Büchern, Veranstaltungen zur Examensvorbereitung, Sozietäten und Doktorandenkolloquien ohne spezifische Themenangaben und alle Lehrveranstaltungen nur für LehramtskandidatInnen. 68 Bei der Beantwortung dieser Fragen muß beachtet werden, daß das erstellte Datenkorpus zwar einen Blick auf den Stand der Lehre der ntl. Wissenschaft im SoSe 2000 ermöglicht, daß jedoch aufgrund des geringen Datenumfangs weder statistisch sichere Angaben gemacht noch belegbare Überlegungen zu den Gründen oder weiteren Entwicklungen angestellt werden können. Alle Angaben in Prozent geben daher lediglich Tendenzen an. 69 Im ganzen gab es 51 Veranstaltungen, die besonders auf StudienanfängerInnen ausgerichtet waren (mehrheitlich als Proseminare veranstaltet). 70 E. Zenger, in: BZ N.F. 42 (1998), 5. 71 In: BZ N.F. 43 (1999), 204-211. 72 A.a.O. 210. 73 W. Reinbold, »Die Hellenisten«. Kritische Anmerkungen zu einem Fachbegriff der neutestamentlichen Wissenschaft, in: BZ N.F. 42 (1998), 96-102. 74 E.V. McKnight, Der hermeneutische Gewinn der neueren literarischen Zugänge in der neutestamentlichen Bibelinterpretation, in: BZ N.F. 41 (1997), 161-173. 75 A.a.O. 172. 76 A.a.O. 173. 77 H.-J. Klauck, Alle Jubeljahre. Zum neuen Dokument der Päpstlichen Bibelkommission, in: BZ N.F. 39 (1995), 1-27, auf deutsch zugänglich in: L. Ruppert / A. Schenker, VApS 115, Bonn 1994. 78 F. Hahn, Vielfalt und Einheit des Neuen Testaments. Zum Problem einer neutestamentlichen Theologie, in: BZ N.F. 38 (1994), 161-173. 79 ZNT 1 (1998), 1. 80 U. Luz, Kann die Bibel heute noch Grundlage für die Kirche sein? , in: NTS 44 (1998), 335, und J. Schröter, Zum gegenwärtigen Stand der ntl. Wissenschaft: Methodologische Aspekte und theologische Perspektiven, in: NTS 46 (2000), 282. 81 ZNT 1 (1998). 82 ZNT 5 (2000). 83 ZNT 7 (2001). 84 ZNT 9 (2002). 85 ZNT 2 (1998), 1. 86 M. Hasitschka, Homosexualität - eine Frage der Schöpfungsordnung, in: ZNT 2 (1998), 54-60 und W. Stege- 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 33 34 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema mann, Homosexualität - ein modernes Konzept, in: ZNT 2 (1998), 61-68. 87 Eine echte Kontroverse wird eher durch die Form des Interviews oder einer Diskussion erreicht als durch das Nebeneinanderstellen zweier Aufsätze. 88 T. Ben-Chorin, Warum lesen Juden das Neue Testament? , in: ZNT 5 (2000), 11-20. 89 H.-C. Goßmann, Ist vom Neuen Testament her ein christlich-islamischer Dialog möglich? , in: ZNT 5 (2000), 21-26. 90 W. Stegemann, Amerika, du hast es besser! Exegetische Innovationen der neutestamentlichen Wissenschaft in den USA, in: R. Anselm, u.a. (Hrsg.), Die Kunst des Auslegens. Zur Hermeneutik des Christentums in der Kultur der Gegenwart, Frankfurt a.M. 1999, 102. 91 Die genannten Zeitschriften präsentieren sich sehr unterschiedlich im Internet: Die ZNW hat die Adresse: http: / / www.degruyter.de/ journals/ znw/ index.html. Veröffentlicht sind hier nur die Inhaltsverzeichnisse seit 1997. Die BZ N.F. hat keine Internetadresse. Die ZNT hat die Adresse: http: / / www.znt-online.de. Neu sind auf der Internetseite der ZNT Buchbesprechungen, die in der Zeitschrift keinen Platz gefunden haben, und Links zu den Homepages der Herausgeber. Auf den Internetseiten selbst wäre die Möglichkeit einer weitergehenden Diskussion über die in den Aufsätzen angeschnittenen Themen bedenkenswert. 92 K. Berger, Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen u.a. 1995. 93 W. Thüsing, Die neutestamentlichen Theologien und Jesus Christus, Münster 1998. 94 H. Bee-Schrödter, Neutestamentliche Wundergeschichten im Spiegel vergangener und gegenwärtiger Rezeptionen, Stuttgart 1998; H. Melzer-Keller, Jesus und die Frauen, Freiburg u.a. 1997; M. Neubrand, Abraham - Vater von Juden und Nichtjuden, Würzburg 1997. 95 R. Denova, The Things Accomplished Among Us, Sheffield 1997; S.R. Garrett, The Temptations of Jesus in Mark’s Gospel, Cambridge 1998. 96 D. Ellul / O. Flichy, Le Grec du Nouveau Testament par les textes, Lausanne 1998; G. Theißen / D. Winter, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung, Göttingen 1997. 97 M. Karrer, Jesus Christus im Neuen Testament, Göttingen 1998. 98 P. Egger, »Crucifixus sub Pontio Pilato«, Münster 1997. 99 R. Aguirre, Del movimiento de Jesús a la Iglesia cristiana: Ensayo de exégesis sociológica del cristianismo primitivo, Estella 1998. 100 H.-M. Döpp, Die Deutung der Zerstörung Jerusalems und des Zweiten Tempels im Jahre 70 in den ersten drei Jahrhunderten n.Chr., Tübingen u.a. 1998. 101 G.R. Treloar, Lightfoot the Historian, Tübingen 1998. 102 Bee-Schrödter, Neutestamentliche Wundergeschichten. 103 B. Chilton / C.A. Evans, Jesus in Context, Leiden u.a. 1997. 104 M. Neubrand, Abraham - Vater von Juden und Nichtjuden, Würzburg 1997. 105 H. Melzer-Keller, Jesus und die Frauen, Freiburg u.a. 1997. 106 H. Frankemölle, Matthäus. Kommentar, Düsseldorf 1997; L. Schenke, Johannes. Kommentar, Düsseldorf 1998. 107 H.-J. Klauck, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament, Paderborn u.a. 1998. 108 G. Aichele, Sign, Text, Scripture, Sheffield 1997. 109 Ellul / Flichy, Le Grec. 110 Theißen / Winter, Die Kriterienfrage. 111 R. Meynet, Rhetorical Analysis, Sheffield 1998. 112 S.E. Porter, A Handbook of Classical Rhetoric in the Hellenistic Period, Leiden u.a. 1997. 113 C.M. Tuckett (Ed), The Scriptures in the Gospels, Leuven 1997. 114 G. Sellin / F. Vouga (Hrsg.), Logos und Buchstabe, Tübingen - Basel 1997. 115 C. Landmesser / H.J. Eckstein / H. Lichtenberger (Hrsg.), Jesus Christus als die Mitte der Schrift, Berlin / New York 1997; R. Lundin (Ed.), Disciplining Hermeneutics, Eerdmans 1997. 116 Eine recht instruktive »praxisorientierte Einführung« bieten W. Nethöfel / P.Tiedemann, Internet für Theologen, Darmstadt (WBG) 1999. Allerdings ist hier nur ein einziges neutestamentliches Forschungsprojekt zu finden - das »schon lange im Internet präsente« »Archiv ›Religionsgeschichtliche Schule‹« (S.77, unter 6.2, leider mit fehlerhafter Internet-Adresse). 117 In den letzten 10 Jahrgängen der ZNW wurden folgende Projekte offiziell vorgestellt und beschrieben: ZNW 83 (1992), 245-252: Neuer Wettstein; ZNW 86 (1995), 287: Tier- und Pflanzenwelt der Bibel; ZNW 87 (1996), 294f: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Erschließungsprojekt; ZNW 89 (1998), 296f: Synoptische Konkordanz zu den ersten drei Evangelien; ZNW 90 (1999), 297: Die griechische Bibel deutsch - Übersetzung der Septuaginta. 118 Die Projekte werden im folgenden in ungefährer chronologischer Reihenfolge (der genaue Projektbeginn war nicht in jedem Fall eindeutig zu ermitteln) aufgelistet; es folgen die Namen der jeweiligen Federführenden sowie Hinweise auf Projektbeschreibungen. Bei den Internet- Adressenangaben (URLs) ist durchgängig der übliche Anfang »http: / / « weggelassen, der von den neueren Browser-Versionen automatisch ergänzt wird. Ansonsten ist jedoch auf zeichengetreue Eingabe zu achten, auch wenn der URL einen offensichtlichen Schreibfehler enthält; diese Fälle sind hier vorsichtshalber durch »[sic! ]« gekennzeichnet. - Ich danke an dieser Stelle allen, die mich mit Hinweisen und Informationen versorgt haben. »Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit« (Publikation von zahlreichen Einzellieferungen seit 1973; Erschließungsprojekt seit 1996), Federführung: Hermann Lichtenberger, Tübingen / Friedrich Wilhelm Horn, Mainz (begr. v. Werner Georg Kümmel †); siehe www.evtheol.uni-mainz.de/ jshrz (vgl. auch oben Anm.117). »Nag Hammadi Deutsch. Eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch- Gnostische Schriften« (Einzelveröffentlichungen seit 1973 in der ThLZ), Federführung: Hans-Martin Schenke, Hans-Gebhard Bethge und Ursula Ulrike Kaiser; siehe www.degruyter.de/ highlights/ naghammadi.html. »Vetus Testamentum in Novo« (seit ca. 1983), Federführung: Hans Hübner, Göttingen; siehe vorläufig das Vorwort in Bd. 2, Göttingen 1997, XI-XIV. »Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus« (seit 1986), Federführung: Udo Schnelle, Halle (begr. v. Georg Strecker †); siehe 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 34 ZNT 10 (5. Jg. 2002) 35 Oda Wischmeyer Das Selbstverständnis der neutestamentlichen Wissenschaft www.uni-halle.de/ theologie/ inst/ bibel/ ntsem/ wettstein (vgl. auch oben Anm. 117). »Archiv ›Religionsgeschichtliche Schule‹« (seit 1987), Federführung: Gerd Lüdemann, Göttingen; siehe www.gwdg.de/ ~aoezen/ Archiv_RGS (bei Nethöfel / Tiedemann, Internet, 77, unter 6.2, fehlerhaft angegeben). »Übersetzung des Talmud Yerushalmi« (seit 1995 von der DFG gefördert), Federführung: Hans-Jürgen Becker, Göttingen (in Zusammenarbeit mit Martin Hengel, Tübingen, u. Peter Schäfer, Princeton / Berlin); siehe www.gwdg.de/ ~utvt/ ger/ 3mtalmudverushalmi.htm [sic! ]. »SAPERE (Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque pertinentia)« [Schriften der späteren Antike zu ethischen und religiösen Fragen] (seit 1995), Federführung (derzeitiger Sprecher des Herausgebergremiums): Heinz-Günther Nesselrath, Göttingen (davor: Reinhard Feldmeier, Bayreuth); siehe www.unibayreuth.de/ departments/ ev_theologie3/ SAPERE.htm. »Die Tier- und Pflanzenwelt der Bibel« (seit 1995), Federführung: Bernd Janowski, Tübingen; siehe bibfutheol.uibk.ac.at/ bildi/ news/ tiere.html (vgl. auch oben Anm.117). »Synoptische Konkordanz zu den ersten drei Evangelien« (seit 1996; inzwischen abgeschlossen), Federführung: Paul Hoffmann, Bamberg; siehe www.unibamberg.de/ ktheo/ nt/ forschung (vgl. auch oben Anm. 117). »Josephus-Projekt (Edition, Übersetzung, Bibliographie)« (seit 1996), Federführung: Folker Siegert, Münster; siehe www.uni-muenster.de/ Judaicum. »Heil und Heilung« (seit 1996), Federführung: Reinhard Feldmeier, Bayreuth, inzwischen Göttingen / Uwe Wegner, S-o Leopoldo (Brasilien); siehe www.uni-bayreuth.de/ departments/ ev_theologie3. »Die Bibel - ihre Entstehung und ihre Wirkung« (seit 1997, DFG-Graduiertenkolleg), Federführung: Bernd Janowski, Tübingen; siehe www.uni-tuebingen.de/ gkbibel. »Edition und redaktionskritische Analyse unveröffentlichter Geniza-Fragmente zu Avot de-Rabbi Natan als Beitrag zur Erforschung der literarischen Genese der frühen rabbinischen Literatur« (seit 1998), Federführung: Hans-Jürgen Becker, Göttingen; siehe www.gwdg.de/ ~utvt/ ger/ 3mavotnatan.htm. »Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen« (seit 1998, DFG-Graduiertenkolleg), Federführung: Elmar Klinger u. Stephanie Böhm, Würzburg; siehe www.theologie.uni-wuerzburg.de/ kolleg. »Apokryphen: ›Die Bibel neben der Bibel‹« (seit 1997, Neubearbeitung von Hennecke / Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen), Federführung: Christoph Markschies, Heidelberg; siehe; idw-online.de/ public/ pmid-1608/ zeige_pm.html (vgl. auch Apocrypha. Revue International des Littératures Apocryphes 9 (1998), 97-132). »Übersetzung der nur armenisch überlieferten Schriften Philons von Alexandrien« (seit 1999), Federführung: Folker Siegert, Münster; siehe www.uni-muenster.de/ Judaicum. »Die Vielfalt des Kanons und die Einheit der Schrift / The Plurality of Canon and the Unity of Scripture« (seit 1999), Federführung: Michael Wolter u.a., Bonn / John Barton u.a., Oxford; siehe www.uni-bonn.de/ EvTheol/ forsch.html. »Der weibliche Christus« (seit 1999, Teilprojekt IV des Projekts »Soziale Rollen von Frauen in Religionsgemeinschaften« der LAG Theologische Frauenforschung/ Feministische Theologie, Bochum), Federführung: Martin Leutzsch, Paderborn; siehe www.ruhruni-bochum.de/ lag-fem-theol/ Teilprojektbschreibung_ IV.html [sic! ]. »Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in Übersetzung (LXX.D)« (seit 1999), Federführung: Martin Karrer, Wuppertal / Wolfgang Kraus, Koblenz; siehe www.septuaginta-deutsch.de (vgl. auch oben Anm.117). »Das christliche Gebet und sein jüdischer Ursprung - untersucht auf der Grundlage des antiken jüdischen Quellenmaterials« (seit 2000), Federführung: Niclas Förster, Göttingen; siehe www.gwdg.de/ ~utvt/ ger/ 3mgebet.htm. »Ethos und Identität im frühen Christentum und seiner Umwelt« (seit 2000, Teilprojekt A3 im DFG-Sonderforschungsbereich 534: »Judentum - Christentum«), Federführung: Michael Wolter, Bonn; siehe www.unibonn.de/ EvTheol/ forsch.html. »Neues Testament und Antike Kultur (NTAK)« (seit 2000), Federführung: Kurt Erlemann, Wuppertal, u.a.; siehe www.ntak.uni-wuppertal.de. »Corpus Iudaeo-Hellenisticum Novi Testamenti« (seit 2000), Federführung: Karl-Wilhelm Niebuhr, Jena; siehe www.uni-jena.de/ theologie/ Fachgebiete/ Neues Testament/ f_niebuhr2.htm. »Bibel für das neue Jahrtausend - die Testamente in gerechter Sprache« (seit 2001, Folgeprojekt des 1997 begonnenen, inzwischen abgeschlossenen Übersetzungswerks »der gottesdienst. Liturgische Texte in gerechter Sprache - Bd. 4: Die Lesungen«), Federführung: Erhard Domay und Hanne Köhler; siehe www.evangelische-akademie.de/ presse2.html. 119 Dazu Nethöfel / Tiedemann, Internet, 123: »Eines der wichtigsten Elemente von Web-Seiten ist die Verknüpfung mit anderen Seiten, Dateien oder Internet-Adressen. [...] Es gehört zum guten Ton, bzw. zum ureigenen Wesen des WWW, daß jeder Autor auf seiner Homepage auch Links zu Seiten anderer Autoren aufführt.« Das Fehlen solcher »Forschungsvernetzungen« sei allerdings »ein typischer deutscher Befund« (a.a.O. 77, unter 6.2). 120 Nämlich »Neuer Wettstein« und »Corpus Iudaeo- Hellenisticum Novi Testamenti«. Zum »Corpus Hellenisticum Novi Testamenti« siehe die Darstellungen von G. Delling, in: ZNW 54 (1963), 1-15, und W.C. van Unnik, in: JBL 83 (1964), 17-33. 121 Die Ansprachen erschienen in NTS 36 (1990), und den folgenden Bänden. 122 Hengel, in: NTS 40 (1994), 352. 123 Ebd., 334. 124 Ebd., 339. 125 Ebd., 349. 126 Luz, in: NTS 44 (1998), 320. 127 Ebd., 322. 128 Ebd., 327. 129 Ebd., 339 (Hervorhebung im Original). 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 35 Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie A. Francke Verlag Tübingen und Basel Theologische und philologische Lösungsvorschläge zum Problem des Textbegriffs Oda Wischmeyer/ Eve-Marie Becker (Hrsg.) Was ist ein Text? Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 1, 2001, 240 Seiten, 43,-/ SFr 71,- ISBN 3-7720-3151-X Eine Frage verbindet alle Textwissenschaftler: Was ist überhaupt ein Text? Dieser Frage sind die Beiträge aus dem Ersten Erlanger Textkolloquium gewidmet: Neben profilierten Vertretern aus der Klassischen Philologie sowie der Sprach- und Literaturwissenschaften haben Professoren aus den theologischen Disziplinen Altes Testament, Neues Testament, Kirchengeschichte und Systematische Theologie einen “Text” aus ihrer Disziplin interpretiert und dazu eine “Text”-Definition aus ihrer Sicht vorgeschlagen. 36 ZNT 10 (5. Jg. 2002) Zum Thema 130 Wolfgang Stegemanns Bild von der ntl. Wissenschaft in den USA setzt sehr andere Schwerpunkte (s. Nr.10 dieses Beitrages). 131 Daß man die Bedeutung der Option für die Erforschung des antiken Judentums in ihrer allgemeinen Akzeptanz nicht überschätzen sollte, zeigt ein Vorfall wie die Streichung der C3-Professur für NT und Antikes Judentum an der Theol. Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg - der einzigen Professur für Antikes Judentum an einer Ev. Theol. Fakultät in Bayern. 132 Ein Beispiel solcher Kanalisierung ist die Stiftungsdozentur für Feministische Bibelauslegung an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, die die Bayerische Landeskirche finanziert. 133 Das gilt für die überwiegende Mehrzahl der von R. Brucker dargestellten Forschungsprojekte. Ausnahmen - wenigstens der Fragestellung nach - bilden die Projekte zu Geschlechterdifferenz, Kanon, weiblichem Christus und Heil (s.o. Brucker). 134 Erschienen in: Anselm / Schleissing / Tanner (Hrsg.), Kunst, 99-114. 135 In: NTS 46 (2000), 262-283. 136 Stegemann, Amerika, 114. 137 Ebd. 138 NTS 46 (2000), 274. 139 Ebd., 281. 140 282. 141 283. 142 Ebd. 143 Das jeweilige Theologieverständnis von Stegemann und Schröter ist unterschiedlicher Art. Stegemann versteht die ntl. Schriften konsequent als Aspekt urchristlicher Kultur, und zwar als religiöse Schriften. Er müßte deutlich machen, wieweit dies kulturanthropologische Modell der Religion als eines Aspekts von Kultur auf die urchristlichen Religion angewandt werden kann, die im Gefolge des antiken Judentums mit ihrer Kultur zusammenfiel (vgl. G. Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 225f.) Schröters Ansatz bei der theologischen Wissenschaft als Gesprächsteilnehmerin am »Geflecht konkurrierender Entwürfe von Wirklichkeitsdeutung« (283) ist offener. 144 Die Begriffe Kulturanthropologie bzw. Kulturwissenschaften sollten allerdings nicht ohne sorgfältige Definition verwendet werden, da sie keineswegs eindeutig sind. Vgl. z.B. die Einführung in die Thematik im Art. »Kulturwissenschaft«, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 1998, 299-302 (A. Nünning). 145 Aber selbst hier erschöpft sich das Bedeutungspotential: vgl. die populäre Qumran-Jesus-Debatte. Über Jesus ist allerspätestens seit Crossan nichts Kritisches mehr zu sagen, das noch Interesse erregen könnte. 146 Siehe oben den Beitrag von O. Gußmann. 147 NTS 40 (1994), 349. 148 Vgl. Theißen, Religion, 233: »Die Evangelien sind von vornherein mit kanonischem Anspruch geschrieben« (vgl. die Differenzierung ebd. in Anm. 8). 149 NTS 46 (2000), 283. 150 Art. »Theorie«, in: Enzyklopädie für Philosophie und Wissenschaftstheorie 4, 1996, 260-270 (Chr. Thiel). Hier liegt ein entscheidendes Defizit ntl. Wissenschaft, in der noch nicht ausführlich über Theoriebildung diskutiert worden ist. 151 Konsequenterweise fordert Theißen am Ende seines Buches weiterführende Werke zur Psychologie und Soziologie sowie zur Philosophie der urchristlichen Religion (409f.). Hier fehlt der Hinweis auf die Textwissenschaften. 152 Theißen, Religion, 19f. - Vgl. dazu die sehr kritischen Überlegungen von W.A. Meeks, in: Interpretation 55 (2001), 77-79: »What one misses is argument, a wrestling with the positive and negative features of each system« (78). 153 Vgl. allg. Art.»Theorie«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 10, 1998, 1128-1153 (G. König / H. Pulte) und Art. »Theorie«, in: Enzyklopädie für Philosophie und Wissenschaftstheorie 4, 1996, 260-270 (Chr. Thiel). 070302 ZNT 10 - Inhalt 26.09.2002 17: 15 Uhr Seite 36