ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2003
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Dronsch Strecker VogelEditorial
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2003
Stefan Alkier
Axel von Dobbeler
Jürgen Zangenberg
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ZNT 11 (6. Jg. 2003) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, mit Heft 11 halten Sie ein Themenheft der ZNT in der Hand, in dem Sie aktuelle Beiträge zur »Ethik« finden. Ethik in Zeiten der Krise: Soeben hat sich der Nationale Ethikrat mehrheitlich dafür ausgesprochen, im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik genetische Tests an Embryonen in Deutschland zuzulassen. Parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos fordern Globalisierungsgegner auf dem dritten Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre ethische Mindeststandards für Weltpolitik und Weltwirtschaft. Der Truppenaufmarsch der Amerikaner und Briten am Persischen Golf wird bald abgeschlossen sein. Ein Krieg gegen den Irak - auch ohne Billigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - wird immer wahrscheinlicher. Der Orientierungsbedarf ist groß. In Zeiten der Krise hat Ethik Hochkonjunktur. Dass für eine christliche Ethik die Rückbesinnung auf das Neue Testament unerlässlich ist, wird niemand bestreiten. Ebenso unstrittig ist freilich auch, dass das Neue Testament nicht einfach ein Lehrbuch der Ethik ist, aus dem sich aktueller Orientierungsbedarf rasch befriedigen ließe. Es bedarf schon der exegetischen Sorgfalt und der hermeneutischen Mühe, um aus den Schriften des Neuen Testaments auf redliche Weise Ethik zu erheben. Dabei ist dann zunächst zu fragen, ob es überhaupt angemessen ist, von der neutestamentlichen Ethik zu sprechen, oder ob wir es nicht vielmehr mit unterschiedlichen Ethiken im Neuen Testament zu tun haben? Wie ist dann mit dieser Pluriformität ethischer Äußerungen hermeneutisch umzugehen? Die Beiträge dieses Themenhefts geben Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Möglichkeit, sich über verschiedene Aspekte des Verhältnisses von Bibel und Ethik zu informieren. Der zunehmende gesellschaftliche Bedarf an ethischer Orientierung äußert sich nicht zuletzt in einem gewachsenen Interesse an der im Neuen Testament zur Sprache kommenden Ethik. In »Neues Testament aktuell« betrachtet Werner Zager »Neutestamentliche Ethik im Spiegel der Forschung«; seinen Überblick über die relevanten Gesamtdarstellungen der letzten dreißig Jahre bündelt er in einer Thesenreihe zu Einheit und Vielfalt neutestamentlicher Ethik. Dem in diesen Tagen wachsender Kriegsgefahr besonders beachtenswerten Bereich der Friedensethik wenden sich Klaus Wengst und Daniel Krochmalnik zu. Ihre Beiträge gehen zurück auf eine interreligiöse Tagung zum Thema »Frieden stiften«, die im Frühjahr 2003 in Bonn stattfand. Klaus Wengst zeigt, dass der zentrale Inhalt der christlichen Verkündigung - das Zeugnis von Tod und Auferstehung Jesu - mit völlig gegensätzlichen Friedensvorstellungen (Pax Romana / Friede Jesu Christi) verbunden ist, und Daniel Krochmalnik skizziert, wie aus jüdischer Sicht das Phänomen des »Gotteskrieges« in der hebräischen Bibel zu verstehen und zu beurteilen ist. Der Grundfrage jeder biblischen Hermeneutik, wie Beziehungen zwischen den alten Texten und der aktuellen Situation herzustellen sind, geht Renate Kirchhoff im Blick auf die Verwendung biblischer Texte im ethischen Kontext nach. Sie plädiert gegenüber einer Hermeneutik des Einverständnisses, die biblische Texte als gegebene Autorität versteht, für ein Verständnis der Texte als Problemlösungsmodelle, das auch abgrenzende Bezugnahmen erlaubt. Der Kontroverse haben sich diesmal Reinhard Feldmeier und Ulrich Luz gestellt. Sie behandeln die in der politisch-ethischen Debatte häufig und kontrovers diskutierte Frage, ob die Bergpredigt als politisches Programm tauge oder aber eine lebensferne Utopie darstelle. So einmütig beide »Kontrahenten« diese Alternative als nicht sachgerecht ablehnen, so unterschiedlich sind die Schwerpunkte, die sie in ihrem Blick auf die Bergpredigt setzen: Während Reinhard Feldmeier den Gedanken der Allmacht Gottes ins Zentrum rückt, sieht Ulrich Luz den wichtigsten Schlüssel zur Deutung der Bergpredigt in der Christologie. Ebenfalls mit der Bergpredigt beschäftigt sich der 011603 ZNT 11 - Inhalt 31.03.2003 15: 02 Uhr Seite 1 2 ZNT 11 (6. Jg. 2003) Editorial Buchreport. Angesichts der Fülle der Literatur zur Bergpredigt muss man schon besondere Wege einschlagen, um wahrgenommen zu werden. Mit ihrem Versuch eines interdisziplinären Zugangs beschreiten Martin Stiewe und François Vouga einen neuen Weg. Kristina Dronsch stellt ihren Versuch, neutestamentliche Theologie am Schnittpunkt von Exegese und Kirchengeschichte wahrzunehmen, vor. Ethik spielt nicht nur in den biblischen Texten und den aktuellen Fragestellungen eine Rolle, sondern auch in jedem Versuch, diese beiden Bereiche in Beziehung zueinander zu setzen. Stefan Alkier geht in seinem Beitrag von der These aus, dass die Auslegung biblischer Texte nicht nur ein hermeneutisches, sondern auch ein ethisches Problem darstellt, da die zugrunde liegende Frage, wie wir mit Fremdem umgehen eine eminent ethische ist. Sein Plädoyer für die Textsemiotik, die es erlaubt Wahrheit im Plural zu denken, versteht er zugleich als Anregung an die Zunft der Exegeten, von der Höflichkeit der Sioux-Indianer zu lernen. Das Themenheft »Ethik« erscheint in einer weltpolitischen Lage, die überdeutlich macht, dass dieses Thema nicht nur theoretisch abgehandelt werden kann, sondern immer auch pragmatische Dimensionen hat. Die beste Friedensethik taugt nichts, wenn aus ihr kein Friedenshandeln erwächst. Insofern hoffen wir, dass von diesem Heft Impulse ausgehen für das Denken und das Handeln. Stefan Alkier Axel von Dobbeler Jürgen Zangenberg In wichtigen Situationen und an entscheidenden Wendepunkten seines Lebens hat Dostojewskij sich grundsätzlich zum Wesen und Werk und zur Bedeutung Jesu Christi geäußert, und in jedem seiner fünf großen Romane ist dessen Gestalt in zentralen Szenen und in jeweils wechselnder Problematik gegenwärtig. Der emeritierte Tübinger Slawist und Theologe Ludolf Müller stellt in diesem Buch alle wichtigen Äußerungen Dostojewskijs über Christus zusammen, gibt die entscheidenden Stellen in eigener Übersetzung wieder und interpretiert sie nach ihrer philosophischen und theologischen Aussage. In einem abschließenden Kapitel über die Religion Dostojewskijs stellt er dessen Auffassung von der Gestalt Christi in den Gesamtzusammenhang seiner religiösen Weltanschauung. Dabei wird deutlich, daß Dostojewskij einer der leidenschaftlichsten religiösen Sucher und aktuellsten religiösen Denker der Moderne war. Aus dem Inhalt: Der junge Dostojewskij; »An Maschas Bahre«; Die Auferweckung des Lazarus (»Schuld und Sühne«); Der tote Christus im Grabe (»Der Idiot«); »Die bösen Geister«; Christus und der Tod Gottes (»Der Jüngling«); Der Kampf Christi mit dem Geist der Wüste (»Der Großinquisitor«); »Die Brüder Karamasow«; Die Religion Dostojewsjijs. Ludolf Müller Die Gestalt Jesu Christi im Leben und Werk Dostojewskijs 2002, ca. 160 Seiten, ca. 19,-/ SFr 32,30 ISBN 3-89308-351-0 Attempto Verlag · Dischingerweg 5 · 72070 Tübingen 011603 ZNT 11 - Inhalt 31.03.2003 15: 02 Uhr Seite 2
