ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2003
612
Dronsch Strecker VogelEditorial
121
2003
Stefan Alkier
Axel von Dobbeler
Jürgen Zangenberg
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Liebe Leserinnen und Leser, » Über die Entstehung und Geschichte des neutestamentlichen Kanons sind wir vortrefflich informiert. Seine theologische Relevanz ist dagegen heftiger denn je zuvor umstritten. Die Diskussion darüber wird heute nicht nur in der gelehrten Zunft, sondern auch in der Gemeinde leidenschaftlich, und zwar in allen Konfessionen und Denominationen und infolgedessen auch ökumenisch, geführt«. So lauten die ersten Sätze einer grundlegenden Aufsatzsammlung zur Geschichte und Bedeutung des neutestamentlichen Kanon, die der Tübinger Neutestamentler Ernst Käsemann vor über 30 Jahren herausgegeben hat (E.Käsemann [Hg.], Das Neue Testament als Kanon. Dokumentation und kritische Analyse zur gegenwärtigen Diskussion, Göttingen 1970, 9). Das Thema »Kanon« hat an Aktualität wahrlich nichts eingebüßt. In einer Zeit, in der nicht nur in einer renommierten deutschen Wochenzeitung immer wieder nach dem kulturellen und literarischen »Kanon« gefragt wird und man sich auf die Suche nach den Konturen und Fundamenten unserer westlichen Kultur macht, steht der Kirche eine Vergewisserung über ihre eigenen biblischen Grundlagen sicher gut an. Welches inhaltliche Fundament ist ihr mit dem zweiteiligen Kanon aus Altern und Neuem Testament gegeben und wie gehen wir damit heute um? Dass es sich bei der Rezeption des Kanons nach wie vor um eine eminent praktische und kontroverse Angelegenheit handelt, hat der gerade vergangene Kirchentag mit dem Streit um das Abendmahl gezeigt. Man sieht, dass hinter aller Beanspruchung »des« Kanons eine mehr oder minder ausgesprochene Reihe weiterer »impliziter Kanones« unser Denken und Handeln bestimmt. In welchem Verhältnis stehen diese »Axiome« zum biblischen Kanon, des »kodifizierten kollektiven Gedächtnisses des christlichen Gottesvolkes« (H. Löhr)? ZNT 12 greift das Thema »Kanon« daher in gewohnt ökumenischer Weite auf und ist sich dabei sowohl der historischen Probleme der Entstehung ZNT 12 (6. Jg. 2003) des biblischen Kanons als auch der letztlich theologisch und ethisch zu reflektierenden Aufgabe seiner Rezeption bewusst. Hans Hübners grundlegender Beitrag in der Rubrik »NT Aktuell« umreißt den Horizont jeglichen christlichen Nachdenkens über den Kanon: Wie kann die Zweiheit des Kanons gedacht werden, ohne dass die Teile ihre eigene Kontur verlieren oder das Neue, das das NT aussagt, einfach nivelliert wird? Inwiefern ist der Kanon überhaupt »verbindlich«? Hübners These, wonach »Kanon« weniger »Schrift« ist als »Wort«, also Anrede des lebendigen Gottes an den Menschen, hilft, die theologische Dimension des Kanons deutlicher zu fassen. Die drei Beiträge »Zum Thema« greifen Aspekte auf, die in der weiteren Diskussion zu beachten sein werden. Hermut Löhr geht der nur augenscheinlich allein praktischen Frage nach, wo autoritative Sammlungen von Schriften eigentlich gesammelt und aufbewahrt wurden. Dass dabei Bibliotheken sowohl im paganen Alexandria als auch am J erusalemer Tempel und in christlich-schriftgelehrten Kreisen eine entscheidende Rolle gespielt haben, verbindet die drei geistigen Welten der Antike nicht nur miteinander, sondern unterstreicht, dass kulturelles Gedächtnis auch heute nicht ohne reale Orte der geistigen Bewahrung und des Austauschs leben kann. Wie »wahr« kann der Geltungsanspruch einer neutestamentlichen Schrift aber sein, deren Verfasserangabe nachweislich »falsch« ist? Ruben Zimmermann diskutiert das seit der Alten Kirche bekannte Phänomen und zeigt, dass die Problematik nicht nur unser historisches Erkenntnisvermögen, sondern genauso unser Wahrheitsverständnis herausfordert. Martina Janßens Beitrag zur Bibel der christlichen Gnostiker liefert eine wichtige Ergänzung zur meist auf die »Mehrheitskirche« beschränkten Sichtweise. Trotz aller quellenmäßigen Unsicherheiten und Eigenheiten der einzelnen Gruppen kann J anßen zeigen, dass sich die Gnostiker nicht so sehr durch einen eigenen Kanon, sondern vielmehr durch einen eigenwilligen Schriftgebrauch von der Großkirche unterschieden. In die lebendige Kontroverse zwischen Matthias Klinghardt und Manfred Oeming über die Entstehung und Bedeutung des Kanons führt Stefan Alkier eigens ein. Abschließend orientiert Thomas Hieke in der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung« über heutige Möglichkeiten, die Bibel als interpretatorischen Leitfaden einzusetzen. Günter Röhsers Besprechung zweier in Thema und Tendenz recht unterschiedlicher Neuerscheinungen rundet ZNT 12 ab. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre des neuen Heftes, die Ihren eigenen Umgang mit der Schrift inspirieren möge! Stefan Alkier Axel von Dobbeler Jürgen Zangenberg 2 UTB Theologie Eve-Marie Becker (Hrsg.) Neutestamentliche Wissenschaft Autobiographische Essays aus der evangelischen Theologie UTE 2475 M, 2003, XVII, 394 Seiten,€ 24,90/ SFr 42,- UTB-ISBN 3-8252-2475-9 Die neutestamentliche Wissenschaft gehörte in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu den geisteswissenschaftlichen Leitdisziplinen. Die wissenschaftliche Spezialisierung einerseits sowie Säkularisierung und allgemein schwindende Erwartungen gegenüber den Geisteswissenschaften andererseits haben das außertheologische Interesse an den Fragen und Aufgaben der neutestamentlichen Wissenschaft zurückgehen lassen. Zugleich hat die Wissenschaft vom Neuen Testament in den letzten Jahrzehnten ein großes Potential an Fragen und Themen, Forschungsrichtungen und Methoden, Verstehenszugängen und hermeneutischen Konzeptionen entwickelt, die das Terrain facettenreich gestalten. Die in diesem Band publizierten 36 autobiographischen Essays informieren über den gegenwärtigen Stand der neutestamentlichen Wissenschaft und führen in die Vielfalt ihrer Teilbereiche ein: Die Wissenschaftler berichten von ihren Erfahrungen mit der Auslegung neutestamentlicher Texte und von ihren Erwartungen an die neutestamentliche Wissenschaft. A. Francke ZNT 12 (6.Jg. 2003)